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Das Finale: Licht der Wahrheit

von

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Vorspann

Es war ein normaler Laborraum. An den tadellos sauberen Wänden standen Regale, gefüllt mit sorgfältig aufgereihten Messgeräten und Reagenzgläsern. Unter dem Mikroskop waren noch die Reste einer chemischen Substanz zu erkennen, daneben auf dem Schreibtisch herrschte ein wildes Durcheinander an zerlesenen Plänen und Berichten. Alles hier zeigte von reger Betriebsamkeit, von dem unstillbaren Drang der Wissenschaftler, all das herauszufinden, was sich noch ihrem Geist entzog. Wenn da nicht das fehlende Licht gewesen wäre.
 

Es waren Neonlampen an den Decken, angebracht um das zu erhellen, was noch im Dunkeln lag. Doch die zwei Besucher machten sich nicht die Mühe, sie einzuschalten. Auch die Jalousie war heruntergelassen, ließ nur dünne Strahlen Mondlicht in den Raum eindringen. Dennoch bewegten sich die beiden Männer mit traumwandlerischer Sicherheit in der Finsternis, schienen das Licht der Sonne zu scheuen wie Tiere das Feuer. Denn Licht bedeutete Offenbarung, Wahrheit. Sie zogen es vor, ihre Angelegenheiten im Dunkel der Unentdecktheit zu regeln.
 

"Warum haben Sie mich angerufen?" In seinem schwarzen Mantel schien der Sprecher mit der Dunkelheit zu verschmelzen. Ein Hut von gleicher Farbe verdeckte die Konturen seines Gesichts, vermochte es aber nicht, das fettige Haar zu verbergen, das lang und verfilzt um seine Schultern lag. Der glühende Zigarettenstumpf in seinem Mundwinkel war die hellste Lichtquelle ringsum.

"Machen Sie das doch aus." Der zweite Mann war deutlich kleiner. Sein blasses Gesicht wurde von einer Brille dominiert, das verschwitzte, schwarze Haar klebte ihm wie eine zweite Haut auf dem Kopf. Sein weißer Laborkittel schien in dem Zwielicht zu leuchten.

Gin ignorierte die Bitte, schaute sein Gegenüber mit schmalen Lippen warnend an.

Der Wissenschaftler duckte sich. "Wie Sie wünschen, mein Herr. Ähm...wenn Sie mir nun folgen möchten..."

"Ich hoffe für Sie, dass sich die Mühe lohnt." Gin hatte nicht laut gesprochen, doch es reichte, um den kleineres Mann zusammenzucken zu lassen.

"Gewiss nicht!" Mit zitternden Händen deutete der Wissenschaftler auf eine Tür.

Gin schritt an ihm vorbei, betrat als Erstes die angrenzende Kammer. Ein Käfig stand in der Mitte des Zimmers, mit schwarzen Tüchern vor neugierigen Blicken verborgen. Mit einem Ruck zog er sie herab. Dicht an dicht lagen dort die regungslosen Leiber von Labormäusen. Ihr Fell wirkte stumpf, der Blick ihrer Augen war gebrochen.

"Sie sind alle tot", hauchte der Schwarzhaarige.

"Das sehe ich", erwiderte Gin kühl.

"Ja, ja", der Mann nickte eifrig. "Alle...bis auf eine..." Zwischen den starren Körpern zog er ein kleines, rosafarbenes Ding hervor. Leise quietschend versuchte es sich dem Druck seiner Hände zu entwinden.

In Gins Augen trat ein interessierter Ausdruck. "Na so was. Verjüngt..."

Erneut antwortete ihm eifriges Nicken.

"Sie haben ihnen allen die gleiche Dosis gespritzt?"

"Natürlich", erwiderte der Mann spitz. "Wofür halten Sie mich?"

Genüsslich stieß Gin Rauch aus seiner Lunge. "Wie interessant...das also wolltest du verheimlichen, Sherry." Er wandte sich zu seinem Gegenüber. "Ich erwarte einen umfassenden Bericht von Ihnen. Und entsorgen Sie das hier." Er warf einen Blick auf den Mäusekäfig.

Der Mann verbeugte sich leicht. "J-ja."

Ohne sich noch einmal umzuwenden, verließ Gin das Laboratorium. Auf seinem Gesicht lag der Anflug eines Lächelns "Das erklärt einiges", murmelte er. Er warf seinen Zigarettenstumpf zu Boden. Unter seinem Fuß zerstob der Funken Licht zu rauchender Asche.

Mord im Spiegelkabinett Teil 1

                                                                        

                                                                           Mord im Spiegelkabinett Teil 1
 

Licht sickerte durch die Bäume, fiel auf Rans langes, dunkles Haar, ließ es seidig schimmern. Sie ging vor ihm, sah aus leuchtenden Augen in den klaren Himmel. Er beobachtete jede ihrer Bewegungen, sog sie in sich auf wie ein Blütenkelch die Sonne. Sie wandte sich zu ihm um, lächelte, winkte. „Wo bleibst du denn, Conan?“

„Bin schon da!“ Er rannte los, hielt erst inne, als er an ihrer Seite war. Wie lange war es doch her, dass sie so miteinander gegangen waren? Seit dem er bei Kogoro wohnte, waren sie selten allein gewesen. Er würde diesen Tag genießen, hatte es sich fest vorgenommen. Unvermittelt griff sie nach ihm, wirbelte ihn herum, setzte ihn auf ihren Rücken. „H-Hey!“ Entrüstet zappelte er in ihrem Griff, doch davon ließ sie sich nicht stören. Sie rannte zwischen den Bäumen, ihr Lachen ließ ihn in seinen Befreiungsversuchen inne halten. Vielleicht war es doch nicht so schlecht, einen Grund zu haben, sich an sie zu schmiegen, den Duft ihres Haares einzuatmen. Auch wenn er für sie nur ein Kind war. Auch wenn sie seine Identität nie erfahren durfte.
 

„Conan! Was machst du denn da?“ Aus verengten Augen sah Genta zu ihm hoch.

„N-nichts.“ Er zappelte erneut, gab keine Ruhe, bis sie ihn abgesetzt hatte. Düster schaute er ihnen entgegen. „Was macht ihr überhaupt hier?“

Ayumi strahlte. „Wir wollten dich bei Herrn Mori besuchen. Aber du warst nicht da.“

„Genau“, ergänzte Mitsuhiko. „Aber zum Glück konnte uns Herr Mori sagen, dass du mit Ran zum Jahrmarkt hier im Bakerpark gehen wolltest.“

„Und da haben wir beschlossen-“, rief Genta ausgelassen.

„Einfach mit zugehen!“, schloss Ayumi.

Conan verzog das Gesicht. Na super!

Lächelnd beugte sich Ran zu ihnen herab. „Ja, wenn das so ist…Wo sollen wir denn zuerst hingehen?“

Freudestrahlend hoben die Kinder die Arme. „Juhu!“

Conan warf einen Blick auf das Mädchen, das mit verhaltenem Gesichtsausdruck hinter den anderen stand. „Warum hast du sie nicht aufgehalten?“, flüsterte er gequält.

Ai lächelte. „Eher hätte ich versuchen können eine Lawine aufzuhalten.“

In stummer Ergebenheit schüttelte er den Kopf, folgte seinen Freunden, die bereits zur ersten Attraktion stürmten. Das Riesenrad war in bunten Farben bemalt, erhob sich weit über die Bäume des Parkgeländes.
 

„Ist das groß!“ Staunend sah Ayumi zu den höchsten Gondeln hinauf, die blitzend das Licht der Sonne einfingen.

Belehrend hob Mitsuhiko den Finger. „Mit einer Höhe von 168m ist es das größte, transportierbare Riesenrad Japans!“

Das Mädchen strahlte ihn an. „Das ist ja toll, Mitsuhiko! Woher weißt du bloß so viel?“

Eine leichte Röte stieg in das Gesicht des Jungen. „Na…ja…“

Ein Lächeln huschte über Conans Mundwinkel. Es steht auf dem Plakat, an dem wir gerade vorbeigekommen sind.

Auch Ran schien das Plakat gesehen zu haben. Lächelnd wandte sie sich zu den Kindern. „Wir haben wirklich Glück. Die Attraktionen haben gerade erst vor ein paar Minuten geöffnet.“

„Toll!“, freute sich Ayumi. „Dann sind wir ja die Ersten, die heute mit dem Riesenrad hier fahren!“
 

Die Gondeln waren groß und sie alle konnten darin Platz finden. Die drei jüngsten Mitglieder der Detective Boys standen an der Glasscheibe, sahen aus staunenden Augen zu, wie die Welt unter ihnen immer kleiner wurde.

„Seht mal!“, rief Genta aufgeregt. „Man kann die Imbissbuden vom ganzen Jahrmarkt sehen!“ Er begann zu zählen. „Eins…zwei…drei…oh Mann sind das viele!“ Man konnte förmlich sehen, wie ihm das Wasser im Mund zusammenlief.

„Wisst ihr was?“, tönte Rans fröhliche Stimme durch die Gondel. „Gleich lade ich euch alle ein, einverstanden?“

„Ja!!!“

Conan hatte den letzten Worten kein Gehör geschenkt. Etwas Seltsames tat sich unter ihnen. Vier Menschen, drei Männer, eine Frau, stürmten aus dem Spiegelkabinett. Wild gestikulierend redeten sie auf den Pförtner ein, der bei jedem ihrer Worte weiter zusammensackte. Mit einem Mal verfluchte Conan die Höhe des Riesenrades, die Einzelheiten vor ihm verborgen hielt. Der Pförtner verschwand in seinem Häuschen, machte eine Durchsage. Verschwommen und unverständlich drangen die Laute in die Gondel. Eine Schranke wurde heruntergefahren, der Eingang des Kabinetts war blockiert. Entsetzte Menschen stoben aus dem Ausgang, es waren zwölf, wie Conan zählte. Der Pförtner griff nach seinem Handy. Zweimal fiel es ihm zu Boden, bevor es ihm gelang, eine Nummer zu wählen. Langsam näherte sich ihre Gondel dem Boden.
 

Besorgt trat Ran an seine Seite. „Was ist los, Conan?“

Er zeigte auf den Tumult vor dem Kabinett. „Sieh mal. Ich glaube, da ist etwas passiert.“

Sie folgte mit dem Blick seinem Finger, sog stark die Luft ein. „Du hast Recht.“

Endlich erreichte ihre Gondel den Boden, kam zu Stillstand. Conan sprang hinaus, rannte.

„Conan! Warte!“ Die Detective Boys versuchten ihn einzuholen, scheiterten.

„Ganz ruhig“, hörte er Ran hinter sich sagen. „Wir wissen ja wo er hin geht.“

„Allerdings.“ Ais leise geraunte Worte entgingen ihm genauso wie das Lächeln, das sie begleitete. Dann machte sich die geschrumpfte Wissenschaftlerin daran, ihm zu folgen.
 

Bald hatte er den Pförtner erreicht, sah heftig atmend ihm hoch. „Was ist passiert?!“

Die Aufregung schien den Mann vergessen zu lassen, dass er mit einem Kind redete. „Ein Toter! Ein Toter im Spiegelkabinett!“

„Haben sie die Polizei gerufen?!“

„J-ja. Gerade eben.“

Conan ließ ihn stehen, schlüpfte durch die Absperrung, ignorierte die Hände die nach ihm greifen, die Stimmen, die ihn aufhalten wollten. „Keiner, der bis gerade das Kabinett besuchte, darf diesen Ort verlassen!“, rief er über den Rücken. Dann blieben das Licht und die Geräusche hinter ihm und er tastete sich durch das Zwielicht des Kabinetts. Bald hatte er ihn gefunden. Halb sitzend, halb liegend, war er an einem der Spiegel herabgesunken. Blut war an seinem Arm, seinem Mantel, durchtränkte seine Hose und hatte sich um ihn zu einer roten Pfütze gebildet. Glasscherben bedeckten seinen Körper, hatten ihm kleinere Wunden in Gesicht und Arme geritzt.
 

„Passend nicht? Das Glas ist zerbrochen, wie sein Leben mit einem Schlag zerbrochen ist.“

Conan hob den Kopf. „Ai.“

Sie sah sich um. „Ob die Spiegel es gesehen haben? Sie lügen nicht wie die Menschen. Stets geben sie nichts als die Wahrheit wieder.“

Auch er ließ den Blick durch den Raum schweifen. Beinahe jeder der Spiegel war zersplittert. Zerschossen, wahrscheinlich von einer Pistolenkugel. Die Waffe hatte er bereits gefunden. Sie lag neben dem Opfer, als wäre sie ihm kurz vor dem Tod aus der Hand geglitten.

„Nein, das stimmt nicht. Auch Spiegel lügen. Sie zeigen niemals die Wirklichkeit. Nur das was andere dafür halten.“ Er sah in einen der wenigen intakten Spiegel. Ein kleiner Junge erwiderte seinen Blick wo ihm ein junger Mann hätte entgegen schauen müssen. Er warf ihr einen Blick zu. „Sieh doch mal hinein.“

Sie stellte sich neben ihn. „Vielleicht ist das jetzt unsere Wahrheit, Shinichi. Ist die Wahrheit nicht das, was alle sehen?“

„Nein. Die Wahrheit ist das, was im Verborgenen liegt. Wir können sie nur finden, wenn wir sie suchen. Und wenn wir sie finden wollen.“
 

Er wandte sich ab, warf einen prüfenden Blick auf das blasse Gesicht des Mannes. „Er ist verblutet.“ Kurz berührte er den Arm des Opfers. „Er ist schon steif. Sein Tod muss bereits einige Stunden zurückliegen.“

Sie stemmte die Arme in die Hüften. „Auf was er wohl gezielt hat? Ich bin mir sicher, dass er nicht nur Glas zerschmettern wollte.“

„Dieses Geheimnis werden wir noch lüften.“ Etwas Schwarzes in einem nicht weit entfernten Winkel erweckte seine Aufmerksamkeit. Er trat näher, erkannte einen Beamer. Mit pochendem Herzen schaltete er das Gerät ein.

Ai blickte ihm über die Schulter. „Und? Ist etwas zu sehen?“

Weiße Schriftzeichen erschienen auf dem Screen. Keine Daten vorhanden. Conan fluchte.

Amüsiert zog sie die Schultern hoch. „Das deute ich als ein Nein.“
 

Ran blickte ihm nach, wie er im glänzenden Zwielicht des Innenraumes verschwand. Trotz der Situation huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. Conan, du ähnelst ihm so sehr…

„Gehört der Junge zu Ihnen?“ Mit blassem Gesicht nickte der Pförtner in Richtung des Ausgangs.

„Ja, das tut er. Aber befolgen Sie ruhig seine Anweisungen. Er weiß was er tut.“

Das Gesicht des Mannes war in tiefe Falten gelegt. Dennoch verschwand er erneut in seinem Haus, wandte sich zur Lautsprecheranlage. Gut vernehmlich hallte seine Stimme über den Platz. „Achtung! Eine Durchsage! Jeder der sich bis vor kurzem im Kabinett befand, bleibt vor Ort. Ich wiederhole. Jeder der bis vor kurzem das Kabinett besuchte, ist verpflichtet, diesen Ort nicht zu verlassen.“

Ran sah sich um. Mit einem Mal war es erstaunlich ruhig um sie. Die Kinder! Dann sah sie sie. Vier schattenhafte Umrisse, die im Innern des Kabinetts verschwanden.

„Warten Sie“, rief Ran in Richtung der schimpfenden Menge. „Ich hole Sie zurück.“ Auch sie tauchte unter der Absperrung hindurch, fand sich umgeben von düsterem Zwielicht.
 

Die Geräusche verblassten. Es wurde still um sie. Nichts als das leise Trommeln sich entfernender Schritte. Sie machte sich auf, ihnen zu folgen. Hundertfach wurde ihr Spiegelbild zurückgeworfen, sie sah es an Wänden, an der Decke. Immer das gleiche blasse Gesicht, das ihr aus dem glänzenden Material entgegen schaute. Glas, das die Sinne verwirrte. Das einen Weg vorgaukelte wo keiner war. Sie streckte die Hände vor sich, stieß auf Glas wo sie keines vermutet hätte, fand Schlupflöcher wo sie keine erwartet hätte. Die Spiegel verzerrten ihr Bild, ließen sie dicker, dünner erscheinen, je nachdem, wohin sie sich wandte. Es wäre ein lustiger Zeitvertreib gewesen, mit den Kindern hier hindurchzugehen, nach dem rechten Weg zu suchen. Doch nun war es anders. Nun lag in diesem Labyrinth aus Licht und Reflexion ein Mensch, der sein Leben ausgehaucht hatte. Der nie wieder Freundschaft, nie wieder Trauer empfinden würde. Ihre tastenden Finger entdeckten einen weiteren Hohlraum und da war er.
 

Er hatte sich herabgebeugt, suchend glitten seine Augen über das, was einmal ein lebendes Wesen gewesen war. Es war ein Mann, noch jung an Jahren, gehüllt in einen leuchtend gelben Regenmantel. Blut befleckte seine Haare, seine Kleidung hatte sich um ihn zu einer roten Pfütze gebildet. Glasscherben hüllten ihn ein wie eine kalte Decke. Ran wandte den Blick ab, wollte nicht mehr sehen, richtete ihn stattdessen auf Conan. Die Haltung in der er hockte, kam ihr bekannt vor. Wie oft hatte sie sie schon gesehen. Bei einem anderem. Bei ihm. Die Spiegel reflektierten sein Bild, einer zog es in die Länge. Wie ähnlich er ihm doch sah. Es hätte auch sein Spiegelbild sein können. Bei dem Gedanken zog sich ihr Herz zusammen. Sie schüttelte heftig den Kopf, kehrte in die Gegenwart zurück.
 

Ai war bei ihm. Sie hatte das Mädchen nicht sogleich bemerkt, denn wie immer hielt sie sich im Hintergrund. Erneut fragte sich Ran, was sie denn überhaupt über dieses Mädchen wusste, mit dem Conan so viel seiner Zeit verbrachte. Doch diese Gedanken mussten ein anderes Mal geklärt werden.
 

„Conan, Ai, ihr solltet das nicht sehen. Kommt, lasst uns nach draußen gehen.“

Auf einmal war er wieder ein Kind. Er zog einen Schmollmund, sah sie aus großen Augen an. „Ach Menno.“

Sie folgte ihnen, wortlos, wie ein Schatten. Es kam nur selten vor, dass sie dieses Schweigen brach. Ran lächelte erleichtert, als er sich fortführen ließ, nahm ihn an der Hand. So sehr sie diesen Jungen wie einen Bruder liebte, so sehr verwirrte er sie auch. Es war, als würde er zwei Gesichter tragen, Masken, die er jederzeit wechseln konnte. Meistens war er das Kind, ein Erstklässler der mit ihr und ihrem Vater zusammenlebte. Kindliche Scherze machte, mit seinen Freunden zur Kamen Yaiba Show ging. Das gerne Detektiv spielte. Doch wenn sie in Gefahr war, war er plötzlich ein Anderer. Er suchte sie, rettete sie, wo die Polizei es nicht vermochte. Ruhig und gefasst trat er den schlimmsten Verbrechern entgegen, verwirrte und verunsicherte sie mit seinen messerscharfen Schlussfolgerungen. Dieser kleine Junge war ihr Schutzengel, ihr Schild, das sie von allem Bösen fernhielt. Genau wie Shinichi es so lange Zeit getan hatte…Bis er verschwunden war.
 

Helle Stimmen brachten sie in die Wirklichkeit zurück. „Conan! Wo bist du!?“

In kindlicher Geste hielt er die Hände vor den Mund. „Hier sind wir!“

Kurze Zeit später reflektierten die Spiegel die Körper von vier Kindern, die sich erleichtert um Conan scharten. „Wo warst du?“, rief Genta trotzig.

„Wir haben dich gesucht!“, fügte Mitsuhiko mit ernster Miene hinzu.

„Oh, das tut mir leid“, meinte er lächelnd.

Wie konnte er Lächeln, wo er gerade dem Tod ins Auge geblickt hatte. Manchmal verstand sie ihn nicht.

„Hast du den Toten gefunden?“, fragte Ayumi aufgeregt.

„Das ist egal.“ Entschieden blickte Ran einen nach dem anderen an. „Das hier ist kein Ort für Kinder. Lasst uns gehen.“
 

Enttäuscht aber folgsam trotteten die Kinder hinter ihr her, als sie dem Ausgang zusteuerte. Erleichtert atmete sie auf, als das warme Licht der Sonne sie umfing, sie das spiegelnde Zwielicht hinter sich zurückließen. Ein Polizeiwagen stand mitten auf dem Platz. Sie fand Kommissar Megure in ein Gespräch mit dem Pförtner vertieft. An seiner Seite waren Inspektor Sato und Inspektor Takagi.
 

Der ältere Mann wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der fliehenden Stirn. „Ja…kurz nach dem wir geöffnet hatten, erklang ein Schrei aus dem Kabinett. Ich habe mir erst nichts dabei gedacht, ich meine, wer hätte so etwas auch vermutet…“ Obwohl das Taschentuch bereits feucht war, wischte er damit erneut über sein Gesicht. „Aber dann kamen diese Leute da und meinten, sie hätten eine Leiche gefunden! Eine Leiche! Stellen Sie sich das vor!“

„Beruhigen Sie sich“, erklang Satos einfühlsame Stimme. „Wir sind jetzt hier und wir werden uns der Sache annehmen.“

Schwer ließ sich der ältere Man in seinen Stuhl fallen. „Ja tun Sie das. Wenn Sie noch weitere Fragen haben, stehe ich Ihnen selbstverständlich zur Verfügung.“

Der Kommissar nickte. „Vielen Dank.“
 

Als sich ihre Blicke begegneten, deutete Ran eine Verbeugung an. „Guten Tag, Herr Kommissar.“

Die Miene des fülligen Mannes hellte sich auf. „Ran! Und der kleine Conan ist auch hier.“ Suchend blickte er sich um. „Wo ist denn der gute Mori?“

„Er ist Zuhause in der Detektei. Er meinte, er wollte endlich einmal arbeiten, ohne dass wir ihm dabei im Weg rum stehen.“

Conan lächelte gequält. Du meinst wohl, Onkelchen wollte sich einmal in aller Seelenruhe die Kante geben, ohne dass du da bist, um ihn aufzuhalten.

Megures Miene war schwer einzuschätzen. „Tja, dann muss ich wohl ohne seine Hilfe auskommen. Bitte entschuldigt mich jetzt. Wir werden uns das Opfer einmal genauer ansehen. Takagi? Sato?“ Gefolgt von den beiden Beamten verschwand er im Innern des Kabinetts.

„Ich zeige euch den Weg!“, rief Conan eifrig, und rannte ihnen nach, ohne das Ran Zeit hatte ihn aufzuhalten. Lächelnd schüttelte sie den Kopf. Dieser Junge…
 

„Schon wieder macht er einen Alleingang“, murrte Genta.

„Genau!“, rief Mitsuhiko. „Das ist ungerecht!“

Ayumis Miene hellte sich auf. „Ich weiß was! Wir können die Zeugen befragen!“

Der braunhaarige Junge strahlte sie an. „Das ist eine gute Idee! Detective Boys? Los geht’s!“

„Ja!!!“ Und lachend stürmten sie los.

Ai schenkte Ran ein dünnes Lächeln. „Man hat es nicht einfach mit ihnen, oder?“ Dann verschwand auch sie in der Menschenmenge. Wütend machte sich Ran daran nach den Kindern Ausschau zu halten. „Schlimmer als ein Sack voll Flöhe…“

Mord im Spiegelkabinett Teil 2

 

                                                                         Mord im Spiegelkabinett Teil 2

 

Die Mittagssonne kümmerte sich nicht um die Geschehnisse des Tages, tauchte die Szenerie in ein leuchtendes Gold, als sich Kommissar Megure mit seinen Leuten beriet.

Takagi räusperte sich, blätterte mit geübten Fingern in seinem Notizbuch. „Bei dem Toten handelt es sich um den 26-jährigen Juri Tanagiba. Er starb gegen 4 und 6 Uhr durch Verblutung.“

Megure musterte seinen Untergebenen. „Sie meinen, er ist an den Verletzungen durch die Glasscherben gestorben?“

Takagi nickte. „Herr Tanagiba litt an einer erblichen Herzerkrankung. Er nahm nun schon seit zwei Jahren Blut verdünnende Medikamente. Dies war auch der Grund, warum der Vorfall mit den Glassplittern so tödlich für ihn endete.“

„Können wir also von einem Unfall ausgehen?“

„Das ist schwer zu sagen. Es fand sich auch eine Pistole am Tatort. Es befinden sich nur die Fingerabdrücke des Opfers auf ihr, zudem gibt es keine Anzeichen, dass Tanagiba durch eine der Kugeln verletzt wurde.“

„Wurden die Besucher des Kabinetts auf Schmauchspuren untersucht?“, fragte Megure.

„Nun, ja“, erwiderte Sato ernst. „Zum Todeszeitpunkt war das Kabinett geschlossen. Es scheint, als hätte sich das Opfer gewaltsam Zutritt verschafft. Außer Tanagiba selbst war niemand vor Ort. Auf seiner Kleidung sind jedoch eindeutig Schmauchspuren festzustellen.“

„Verdammt!“ Wütend ballte Megure die Hand zur Faust. „Das macht es kompliziert.“

„Am nächsten Morgen wurde das Opfer von drei Freunden Tanagibas gefunden“, fuhr Takagi fort. „Sie alle warten auf ihre Befragung.“

Megure nickte. „Gut. Kommen Sie, Sato. Dann werden wir uns die drei einmal vornehmen. Und Takagi? Ich möchte, dass Sie sämtliches Personal befragen, das gestern Nacht hier Dienst tat. Vielleicht hat jemand etwas Ungewöhnliches bemerkt.“

„Jawohl!“ Mit entschlossenem Blick wandte sich der Inspektor zum Gehen. Nicht aber, ohne Sato zuvor noch einen langen Blick zuzuwerfen.

 

Niemand von ihnen bemerkte den kleinen Schatten, der ihnen folgte. Nur in der umstehenden Menschenmenge hob eine junge Frau den Kopf, folgte ihm mit liebevollen Blick. Es hatte Zeiten gegeben, wo Ran ihn davon abgehalten hatte, der Polizei auf Schritt und Tritt zu folgen. Doch die glühende Leidenschaft in seinen Augen, wenn die Lösung langsam näher rückte, sein ausgeprägtes Gespür für Details, die selbst die Polizei nicht bemerkte, all das hatte sie dazu bewegt, ihn gewähren zu lassen. Es hatte ohnehin keinen Sinn, den Kleinen von all dem fern zu halten. Es schien, die Suche nach der Wahrheit war eine Sucht für ihn, eine Droge, der er sich nicht entziehen konnte. So wie es einst bei Shinichi gewesen war. "Shinichi…ich vermisse dich so…" Heftig schüttelte sie den Kopf, rang um ein Lächeln. Was tat sie hier? Sie hatte vier kleine Kinder zu suchen. Und diese Kinder hatten eine besondere Begabung dafür, sich in Gefahr zu bringen. Sie tat besser daran sie zu finden.

 

Mittlerweile spannten sich Absperrungen um das Gelände, sorgten dafür, dass Außenstehenden der Eintritt verwehrt blieb. An den eilends aufgestellten Gittern scharten sich Männer, Frauen und Kinder, sahen mit großen Augen auf das Geschehen. Ran stand zwischen ihnen. Conan hätte sie überall erkannt. Als sich ihre Blicke begegneten, huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. Er erwiderte ihr Lächeln, spürte, wie sich eine wohltuende Wärme in seinem Inneren ausbreitete. "Ran…irgendwann komme ich zu dir zurück. Irgendwann…versprochen."

 

Ein Mann drängte sich vor sie und er verlor sie aus den Augen. Im selben Moment begann Kommissar Megure zu sprechen. „So, Sie sind also die Freunde des Opfers?“

„J-ja.“ Der Sprecher war ein hoch aufgeschossener Mann. Das bleiche, dünne Gesicht wurde von braunem, lockigem Haar umrahmt. „Ich bin Takeshi Hiwato.“ Er warf einen Blick zu seiner Linken. „Ich habe seine…ich meine, ihn, mit Mika zusammen gefunden.“

Die Frau, die ihm bisher beruhigend über die Schulter gestrichen hatte, nickte. Auch sie war mittleren Alters. Das braune Haar fiel ihr glatt bis auf die Schultern, das Gesicht war sorgfältig geschminkt. „Ja, das haben wir. Ich bin Mika Matsuri, Herr Kommissar.“

Megure nickte ihr zu, bevor er sich an den dritten Beteiligten wandte. „Und wer sind Sie?“

„Hayato Nishiiwa.“ Nervös strich sich der Mann das sich lichtende Haar aus dem rundlichen Gesicht. „Ich hörte Mika schreien. Also habe ich nach ihr gesucht. Als ich sie gefunden hatte, stand sie mit Takeshi vor dem armen Juri! Oh, es war schrecklich…“ Tränen bildeten sich in seinen Augen.

Megures Stimme nahm einen väterlichen Klang an. „Na, na. Ist ja schon gut.“

„Ich bin Osamo Kuronida“, stellte sich der Letzte der Personengruppe vor. Er war deutlich kleiner als die anderen. Kurzgeschnittenes, schwarzes Haar klebte ihm in der nassen Stirn, seine Augen verschwanden beinah hinter dem breiten Gestell einer schwarzen Brille. „Ich kenne die anderen vielleicht seit ein paar Stunden.“

„Ja“, kam Mika ihm zu Hilfe. „Auch Herr Kuronida ist meinem Schrei gefolgt. Er hat uns nach draußen geführt und die Dinge in die Hand genommen.“ Sie lächelte ihm zu. „Dafür bin ich ihm sehr dankbar.“

Kommisaar Megure musterte den Mann erfreut. „Alle Achtung. Das war sehr umsichtig von Ihnen.“

Nervös strich sich der Angesprochene den Schweiß aus der Stirn. „Oh, danke. Vielen Dank, Herr Kommissar.“ Sein unruhiger Blick huschte unentwegt von den Versammelten zu den Menschen hinter der Absperrung.

„Suchen Sie wen?“ Betont unschuldig sah Conan zu Kuronida auf.

Er zuckte zusammen. „Was? Oh, nein. Wie kommst du denn darauf?“ Seine Lippen zuckten, die Andeutung eines Lächelns, das seine Augen nicht erreichte.

„Conan, was machst du denn hier?“, fragte Megure. Durch seine Frage waren auch die Polizisten auf ihn aufmerksam geworden.

Verlegen verwuschelte sich Conan das Haar. „Nun ja…äh…das ist alles so spannend hier…und da dachte ich…“

Lächelnd beugte sich Sato zu ihm herab. „Ist es denn so schlimm, Herr Kommissar? Wir wissen doch alle, wie oft uns Conan schon geholfen hat.“

Megure gab ein lautes Seufzen von sich. „Nun gut. Wenn es denn sein muss.“ Erneut richtete sich seine Aufmerksamkeit auf die Verdächtigen. „Darf ich erfahren, in welcher Verbindung Sie zu dem Toten standen?“

Nach Worten suchend, zupfte Herr Nishiiwa an dem Hemd, das sich eng um seinen beträchtlichen Bauch spannte. „Wir alle drei besuchen schon seit Jahren den gleichen Schützenverein.“

„Das heißt, sie alle können mit einer Waffe umgehen?“

„Ja, gewiss.“ Er warf einen Seitenblick zu Herrn Hiwato. „Obwohl uns Takeshi immer einen Schritt voraus war, nicht wahr?“

Frau Matsuri nickte. „Oh ja. Was wir auch taten, immer war er es, der alle Preise absahnte.“

Über ihre Worte war Hiwato rot geworden. „Hör auf, Mika. Du machst mich ja ganz verlegen.“

Megure räusperte sich. „Wie auch immer…wie genau hat sich der Fund der Leiche gestaltet?“

„Nun, wir waren für den heutigen morgen verabredet“, begann Herr Hiwato stockend. „Wir wollten uns vor dem Kabinett treffen, sobald der Jahrmarkt öffnet.“

Der Kommissar runzelte die Stirn. „Ist es nicht ein wenig seltsam, sich so früh morgens zu treffen?“

„Nun ja, wir alle mögen keine großen Warteschlangen. Ist das so verwerflich?“

Megure räusperte sich. „Entschuldigen Sie, fahren Sie fort.“

„Gut. Ich war früher als die anderen da und wartete schon auf sie. Als das Kabinett öffnete, waren wir die ersten, die hineingingen. Juri...Her Tanagiba war zwar noch nicht da, aber wir nahmen an, er würde schon kommen, wenn er ausgeschlafen hätte. Wir wussten ja nicht, dass er...“ Hiwatos Stimme versagte. Er räusperte sich vernehmlich, fuhr dann fort. „Im Innern des Kabinetts trennten wir uns dann, aber Mika und ich haben uns getroffen, bevor…wir ihn gesehen haben.“

 

„Herr Kommissar!“ Ein wenig außer Atem kam Takagi vor Megure zum Stehen. „Gestern Nacht hatte nach den Öffnungszeiten niemand mehr im Jahrmarkt Dienst, bisher haben sich auch ansonsten keine Zeugen gemeldet.“

„Konnten Sie denn etwas über den Beamer herausfinden, den wir am Tatort vorfanden?“

„Ja, es handelt sich um ein Leihgerät der Firma Science and Care, das vor zwei Wochen von einer gewissen Mitsura Kenda entliehen wurde. Die Frau sagte aus, ein freundlicher Mann habe sich erboten, das Gerät für sie zurückzubringen, nachdem er ihr beim Tragen ihres Einkaufs geholfen hatte.“

„Konnte sie sich an das Gesicht dieses Mannes erinnern?“

Betreten schüttelte Takagi den Kopf. „Die Dame ist ein wenig in die Jahre gekommen. Der Beamer war für ihren Enkel angedacht, der ihr Fotografien aus dem Ausland zeigen wollte. Verbindungen zwischen ihr und dem Opfer, oder einem der Verdächtigen sind nicht bekannt.“

Der Kommissar nickte. „Ich verstehe.“ Erneut wandte er sich an die Versammelten. „Können Sie mir sagen, wo Sie sich gestern Nacht zwischen vier und sechs Uhr aufgehalten haben?“

Nishiiwa sah gekränkt zu Boden. „Sie verdächtigen uns doch nicht etwa? Ich meine, wir waren doch seine Freunde.“

Gefasst erwiderte der Kommissar seinen Blick. „Reine Routine. Sie verstehen doch sicherlich?“

Nishiiwa wandte den Blick ab. „Natürlich.“

 

„Du, Onkel?“ Conan zupfte an Kuronidas Mantel. „Darf ich auch mal hören, was du so aufgenommen hast? Bitte, ja?“

Unter den Blicken der Beamten schrumpfte der ohnehin schon kleine Mann noch mehr in sich zusammen. „A-aber Junge…wovon redest du denn da?“

Vergnügt verschränkte Conan die Arme hinter dem Rücken. „Nun ja, immer wenn jemand leise sprichst, kommst du ein wenig näher heran. Ich dachte erst, du hörst schlecht, aber dann habe ich gesehen, dass du deine Hand die ganze Zeit über in der Tasche hattest. Darf ich mithören? Bitte!“

Der Blick Megures bohrte sich in den Kuronidas. „Würden Sie uns bitte den Inhalt ihrer Tasche zeigen?“

Langsam zog der Schwarzhaarige ein Aufnahmegerät hervor.

Der Kommissar warf Conan einen anerkennenden Blick zu, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder auf sein Gegenüber lenkte. „Warum bitte nehmen Sie dieses Gespräch auf?“

„Oh, nun, ich…ich…wollte…wissen Sie, ich bin zum ersten Mal in so einen Vorfall verwickelt. Und da wollte ich meinen Freunden zeigen, wie die Polizei so arbeitet, wissen Sie…“

„Wir müssen Sie bitten, uns das Gerät auszuhändigen. Nach unseren Ermittlungen können Sie es sich im örtlichen Polizeirevier abholen.“

„J-ja natürlich.“ Seine Hände zitterten leicht, als er dem Kommissar das Gerät überreichte.

„Vielen Dank.“ Er reichte das Aufnahmegerät weiter an Sato. „Wo waren wir stehen geblieben, ach ja, ich befragte Sie soeben nach ihrem Aufenthaltsort zur Tatzeit.“

„Wir alle haben ein Alibi“, meinte Hiwato ernst. „Denn gestern haben wir noch bis spät in die Nacht gemeinsam gefeiert.“

Megure sah von einem zum anderen. „Stimmt das?“

Matsuri nickte. „Ja. Wir haben uns gegen zweiundzwanzig Uhr bei mir getroffen. Juri war auch eingeladen. Wir haben uns noch gewundert, warum er nicht gekommen ist.“

„Kann das der Rest bestätigen?“

Herr Nishiiwa nickte.

Resigniert wandte sich Megure zu seinen Kollegen. „Dann können Sie es nicht gewesen sein.“

Sato warf einen Blick in Conans Richtung. „Wahrscheinlich…“

 

Tief in Gedanken versunken, hatte Conan begonnen, auf und ab zu gehen. Langsam fügten sich alle Teile zusammen. Er wusste, einer der drei war der Mörder. Nur wer? Und wie hatte sich er oder sie ein Alibi verschafft? Die Erkenntnis durchzuckte ihn wie ein Blitz. Das ist es! Siegessicher schweifte sein Blick zwischen den Verdächtigen. Nun weiß ich wer der Mörder ist! Und ich weiß, wie er den Mord vollbringen konnte, ohne vor Ort zu sein!

„Ist das nicht ein bisschen langweilig?“, fragte Conan laut. „Also ich meine, wenn man so ganz allein in ein Kabinett einbricht?“

Lächelnd beugte sich Sato zu ihm herab. „Aber er war doch nicht allein, Conan. Er muss sich im Kabinett mit Jemandem getroffen haben. Zumindest wäre das die logischste Erklärung. Nur wenn es einen zweiten Besucher in dieser Nacht gab, so hat er nicht die geringste Spuren hinterlassen.“

„Und wenn sich der andere nun verspätet hat? Also wenn mir im Kabinett langweilig geworden wäre, dann hätte ich mir mit dem Beamer lustige Bilder angeguckt. Wenn die so von den Spiegeln reflektiert werden, sehen die richtig echt aus! Wie lebende Menschen!“

Satos Augen weiteten sich. „Du meinst also…“

Er wandte sich an Takagi. „Stimmt es eigentlich, dass ein Spiegel vor gestern Nacht kaputt war?“

„J-ja, das stimmt. Der Pförtner hat es mir bei der Befragung erzählt.“

„Toll!!!“ Begeistert breitete Conan die Arme aus. „Dann könnte man ja auch so tun, als wenn der Spiegel in der Nacht kaputt gegangen wäre. Man muss nur im Beamer das Geräusch eines Schusses aufnehmen!“

„Dann könnte sich das Opfer wirklich bedroht gefühlt haben, ohne dass der Täter überhaupt vor Ort war“, sagte Megure langsam.

„Ich dachte, Sie sind hier die Fachkräfte!“, rief Hiwato aufgebracht. „Wollen Sie sich jetzt von einem Kind die Arbeit abnehmen lassen?“

Sato warf ihm einen ruhigen Blick zu. „Conan ist kein gewöhnliches Kind.“

Ungeduldig begann Conan auf und ab zu hüpfen. „Können wir vielleicht einmal reingehen und es drinnen ausprobieren? Bitte! Bitte! Bitte!“

Fragend sahen die Inspektoren in Megures Richtung. Dieser nickte. „Wenn Sie uns bitte folgen würden?“

 

Die Leiche Tanagibas war bereits entfernt worden. Nur weiße Kreidestriche kündeten noch von der Stelle, wo er am Boden gelegen hatte. Sie stellten den Beamer auf, ein eilends organisierter Film wurde den Inspektoren gereicht. „Dann wollen wir doch einmal sehen…“ Gespannt steckte Sato einen USB-Stick in den Anschluss. Nach einer kurzen Ladezeit wurde das Titelbild an die Wand geworfen. Sie verstellte die Größe des Bildes, bis es genau die Maße eines Spiegels ausfüllte. Dann ließ sie den Film laufen. Hunderte Mal wurde das Bild zurückgeworfen, erschien teilweise verzerrt, teilweise scharf geschnitten auf dem glatten Glas. Auch das Licht des Beamers wurde reflektiert und zurückgeworfen. Conan lächelte triumphierend. In der Tat war nicht zu erkennen, wo nun das echte Bild her stammte.

„Ja! In der Tat! So könnte es gewesen sein!“ Ein begeistertes Grinsen hatte sich auf Megures Gesicht gestohlen. „Aber dennoch muss der Mörder dort gewesen sein um den Beamer einzuschalten.“

„Ich weiß! Ich weiß! Guck mal, das habe ich bei Onkel Mori gelernt.“ Eifrig lief Conan an Satos Seite, betätigte einen Knopf am Rande des Bildes. „Bei neueren Geräten kann man auch einstellen, dass sich ein Film immer und immer wieder wiederholt, wenn er zu Ende ist.“

„Das heißt, der Mörder hätte den Beamer auch lange vor der Tatzeit einstellen können…“

„Warum hören Sie überhaupt auf dieses Balg! Glauben Sie etwa dem Geschwätz eines Kindes?!“

„An ihrer Stelle wäre ich nicht so vorlaut“, entgegnete Megure. „Denn so wie die Dinge liegen, sind sie alle wieder verdächtig.“

„Ach ja?“, durchdrang Matsuris Stimme die plötzliche Stille. „Dann sagen Sie mir mal, wie man mit einem Beamer jemanden ermorden soll!“

„Vielleicht wäre das in Tanagibas Fall gar nicht so schwer…“, sagte Takagi nachdenklich. „Nehmen wir mal an, er hatte hier eine Verabredung mit seinem Mörder. Wahrscheinlich wusste er schon, dass dieses Treffen gefährlich für ihn enden könnte. Also nahm er seine Waffe mit. Er ging in das Spiegelkabinett. Wahrscheinlich war die Tür zu diesem Zeitpunkt schon aufgebrochen, denn zuvor musste der Mörder ja den Beamer installieren. Dies allein musste Tanagiba zeigen, dass der Täter bereits vor Ort war. Als er sich dann seinen Weg durch das Kabinett bahnte, könnte er bereits die Stimme aus dem Film gehört haben. Ich nehme einfach mal, dass der Mörder sich zuvor selbst vor einem passenden Hintergrund gefilmt hatte.“

„Und als er dann den Schuss hörte, vielleicht sogar den zerstörten Spiegel sah“, fuhr Sato fort, griff er selbst zur Waffe. Er zerschoss alle Spiegelbilder seines Mörders, konnte ihn aber nicht finden. Also könnte er in Panik verfallen sein.“

„Ja“, beendete Megure. „Und dabei hat er sich dann selbst an zahllosen Scherben verletzt und ist letztendlich verblutet.“

„So wie Sie die Tat beschreiben, könnte sie jeder von uns begangen haben!“, entrüstete sich Nishiiwa. „Diese Unterstellung ist ungeheuerlich!“

Verwirrt hielt Megure inne. „Tja…wer war es denn nun?“

Also wenn ich so etwas vorhätte“, meinte Conan vergnügt, „Dann würde ich zusehen, dass ich morgens als erster am Kabinett bin und auch die Leiche zuerst finde. Denn immerhin müsste ich ja noch den USB-Stick entfernen, der das Opfer in der Nacht so zum Narren gehalten hat.“

Megure riss die Augen auf. „Du hast recht! Aber wer…“ Dann trat plötzliches Erkennen in seine Augen. „Takeshi Hiwato! Sie müssen es gewesen sein!“

 

Abwehrend hob der Angesprochene die Hände. „Aber, aber, wie kommen Sie den darauf?“

„Sie waren der Erste, der morgens vor dem Kabinett stand. Zudem entdeckten sie zusammen mit Frau Matsuri die Leiche. Nur so konnten Sie vorsorgen, dass der USB-Stick unbemerkt bleiben würde. Jemand, der erst später am Treffpunkt erschienen wäre, oder gar nicht erst die Leiche gefunden hat, kommt nicht für die Tat in Frage.“

Hiwato trat einen Schritt zurück. „N-nichts für ungut, Herr Kommissar, aber, wie wollen Sie das bitteschön beweisen?“

Sato lächelte. „Das ist leicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie die Zeit hatten, den Stick zu entsorgen. Sie müssen ihn immer noch bei sich tragen. Ich denke eine Leibesvisitation wird den Beweis ans Licht bringen.“

Erschreckt atmete Frau Matsuri aus. „Stimmt das? Hast du wirklich…“

„Nein!“, keuchte Nishiiwa. „Das glaube ich nicht! Takeshi! Das glaube ich einfach nicht!“

„Gebt endlich Ruhe, verdammt noch mal!!!“ Auf Hiwatos Schrei verstummten die entsetzten Ausrufe seiner Freunde. „Ich war es“, sagte er leise. „Ja, ich habe Juri ermordet.“

Tränen hatten sich in Matsuris Augen gebildet. „Aber…warum?“

„Er hat mich schon immer beneidet. Ständig hat er versucht, besser zu sein als ich, aber er ist immer gescheitert. Ich wusste, dass er mich deswegen hasste. Das er jeder noch so unfaire Chance für den Sieg nutzen würde. Aber ich hätte nicht gedacht…“

„Was?“, hakte Megure nach. „Was hätten Sie nicht gedacht?“

„Das er vor hatte, mich zu töten!!!“

Ein entsetztes Schweigen folgte.

„Wie kommen Sie darauf?“, fragte Takagi leise.

„Ich habe es im Internet gelesen…auf dem Forum unserer Vereinsseite. Es war nachdem ich wieder einen Wettbewerb für mich entschieden hatte. Irgendwann werde ich ihn dafür erschießen, stand dort. Das war auch der Tag, an dem mir auffiel, dass er immer seine Pistole mit sich nahm, wenn wir etwas zusammen unternahmen. Und da habe ich beschlossen, ihm zuvor zu kommen und…“

„Aber Takeshi“, Nishiiwas Stimme zitterte. „Die Pistole war ein Erbstück seines Vaters. Deswegen trug er sie immer bei sich. Nicht wegen dir…“

Teilnahmslos blickte der Angesprochene auf. „Ist das so? Dennoch wollte er mich…“

„Sie sind ein verdammter Dummkopf!“ Sato war aufgesprungen. „Glauben Sie wirklich, dass Jemand, der sie ernsthaft ermorden wollte, dass zuvor auf einer öffentlichen Internetseite schreiben würde?!“

Hiwato erwiderte nichts. Er sah zu Boden, schien seine Umgebung nicht mehr wahrzunehmen.

 

„Sie wollten ihn eigentlich gar nicht umbringen.“ Alle Blicke richteten sich auf Conan. „Für Jemanden, der wirklich einen Mord begehen möchte, ist diese Methode zu unsicher. Auch wenn eine Verletzung unter diesen Umständen wahrscheinlich war, konnten Sie nicht davon ausgehen. Und auch wenn Herr Tanagiba blutverdünnende Medikamente nahm, hätte ein kleiner Schnitt nicht ausgereicht. Das wussten Sie.“

Hiwato sah hoch. Ein trauriges Lächeln bildete sich um seine Mundwinkel. „Ja…ein Teil von mir hatte gehofft, dass er den Trick bemerken würde…dass er vorher fliehen würde. Denn weißt du, Kleiner? Einst waren wir wirklich Freunde gewesen.“

Megure trat einen Schritt vor. „Takeshi Hiwato, hiermit sind Sie wegen Mordes an Juri Tanagiba festgenommen.“

Handschellen schlossen sich um die Hände Tanagibas, er wurde hinaus geführt. Ratlos sahen seine Freunde einander an, dann folgten sie den Polizisten hinaus aus dem Kabinett.

Conan blieb zurück. Er sah ihnen nach, genoss das prickelnde Gefühl des Triumphes das sich in ihm ausbreitete. Er hatte richtig gelegen. Wieder einmal.

 

Ein Handy klingelte, sagte ihm, dass er nicht allein war. Osamo Kuronida, der gerade mit dem Gerät gespielt hatte, ließ es, ob dem plötzlichen Geräusch erschreckt fallen. Klappernd landete das Telefon vor Conans Füßen. Der geschrumpfte Oberschüler hob es auf. Auf dem Display blinkte der Name des Anrufers: Gin. Für eine endlose Sekunde erstarrte er. Sie sind hier! Seine Glieder fühlten sich taub an, so als gehörten sie einem anderen. Das Herz pochte ihm so schnell gegen die Rippen, dass er glaubte, sein Gegenüber müsste es hören. Er benötigte all seine Willenskraft um das Handy seinem Besitzer auszuhändigen. „Ich glaube, dass ist dir runter gefallen.“

„Danke. Bist ein braver Junge.“ Kuronida lächelte. Dann verließ er das Spiegelkabinett.

Conan folgte ihm.

 

Es war zum verrückt werden! Wo sollten die vier denn noch sein? Unruhig bahnte sich Ran einen Weg durch die Menschenmenge. Da erblickte sie ein bekanntes Gesicht inmitten der Passanten. Conan lief einem Mann nach. Er tat es nicht auffällig, schlenderte mehr, als dass er ging. Schien die Sonne zu genießen, die Jahrmarktsbuden zu bewundern. Doch er tat es. Sie sah es, spürte es. Angst kam in ihr auf. Verunsicherte sie. Es war dasselbe Gefühl wie damals, im Tropical Island. Als Shinichi damals fortgegangen war, hatte sie das Gefühl gehabt, ihn niemals wieder zu sehen. Und teilweise hatte es gestimmt. Es hatte sich etwas verändert an diesem Tag, auch wenn sie nicht genau wusste, was es war. Nun sah sie ihn kaum noch. Alle paar Monate für einen kurzen, ersehnten Augenblick. Niemals blieb er lange, höchstens für einen Tag. Wenige Stunden, die ihr Herz schneller schlagen ließen. Ansonsten blieb er verschwunden. Sie konnte nicht sagen, woher sie diese Sicherheit nahm, aber sie wusste es: Wenn sie jetzt nicht ging, würde sie auch Conan nicht mehr sehen. Vielleicht nie wieder. „Nein“, flüsterte sie. „Ich werde nicht noch jemanden verlieren.“ Dann machte sie sich auf, ihm zu folgen.

 

Tickendes Geständnis Teil 1

Es war eine Falle. Er wusste es. Das Abhörgerät, das Handy das zufällig vor seine Füße fiel, der Name auf dem Display…Es waren zu viele Zufälle gewesen. Nur noch ein bisschen, dachte er. Etwas weiter, damit ich weiß, wohin er geht. Damit ich zu einem anderen Zeitpunkt zurückkehren kann.

Kuronida, falls das sein echter Name war, verließ den Bakerpark. Mehrfach tupfte er sich den Schweiß ab, als er an einer Ampel zum Stehen kam, wechselte bei Grün die Straßenseite. Das Gelände hier war dicht besiedelt. Hier würde es schwer werden, ihn anzugreifen. Noch war er sicher.

Kuronida ging langsam. Das war gut so. Wäre er gerannt, wäre die Gefahr für Conan groß gewesen, ihn aus den Augen zu verlieren. Die Straße wurde von Geschäften gesäumt. Durch große Schaufenster konnte man einen Blick auf akkurat aufgestellte Waren erhaschen. Conan hatte keinen Blick dafür. Alles was er sah, war der Mann, der zu den Verbrechern gehörte, die sein Leben zerstört hatten.

Kuronida bog ab. Langsam wirkten die Straßen unfreundlicher. Der Wind blies Müll über den mit Kaugummi bepflasterten Boden, bedrückend hoch ragten graue Hochhäuser in den Himmel. Conan hörte, wie das Blut durch seine Adern rauschte, spürte, wie jeder Nerv zum Zerreißen gespannt war. Wir sind gleich da. Es kann nicht mehr weit sein. Er blieb stehen. Beobachtete, wie Kuronida sich immer weiter entfernte, schließlich, in ein einstöckiges Gebäude eintrat. Conan lächelte. Gut. Jetzt weiß ich, was ich wissen wollte. Er wandte sich zum Gehen.

Zu spät sah er die schwarze Gestalt in seinem Rücken. Viel zu schnell, um noch reagieren zu können, sauste etwas Schweres gegen seinen Kopf. Schmerz explodierte in seinem Kopf. Raubte ihm den Atem. Er sackte auf den Knie. Nicht schon wieder! Ich hätte wissen müssen, dass er nicht allein war. Dann wurde es schwarz.

 

Er lag auf dem Boden, als er erwachte. Kalter Beton, bedeckt von einer dicken Staubschicht, trieb ihm die Wärme aus dem Körper. Er zitterte. Sein Kopf schmerzte, als lodere ein Feuer in ihm. Dennoch zwang er sich zu denken, nach anderen Geräuschen zu lauschen, als die seines eigenen Atems. Regungslos blieb er liegen, horchte, wie Schritte, ganz in seiner Nähe, von den Wänden wieder hallten. Aha. Ich muss in einem Keller sein.

Vorsichtig öffnete er die Augen einen Spalt, blickte sich um. Der Raum war fensterlos. Trübes Licht ging von einigen Leonlampen aus. Es war ein kleiner Raum, kaum größer, als das Wohnzimmer der Moris. Kisten, teilweise bedeckt mit weißen Planen, standen an den Wänden gestapelt. Das Licht reichte nicht aus, um die Winkel des Zimmers zu erhellen. Ob sein Angreifer allein war? Er konnte es nicht sagen.

Ein Stiefel drückte sich in seine Seite, rollte ihn auf den Bauch. Er konnte nicht verhindern, dass seine Augenlieder zuckten. „Ah, du bist also aufgewacht.“ Es war Kuronida.

 

Conan öffnete die Augen, versuchte seine Stimme mit der Angst eines Kindes zu füllen. „W-was willst du von mir?!“

Der Mann lächelte, schien sich seiner sicher zu sein. „Diesen Fall im Kabinett hast du wirklich mit Bravour gelöst, kleiner Conan. Der große Mori ist sicher stolz auf dich.“

„Meinst du?“ Er kroch zurück, nutzte die Gelegenheit, sich weiter umzusehen. Die Tür, beschlagen mit schwerem Eisen, war geschlossen. Außer Kuronida war niemand im Raum. Er zog etwas aus seiner Tasche, hielt es ihm hin. Es war eine Maus, wohl kaum mehr als ein paar Tage alt. Blind und rosa fiepte sie hilflos in seiner Hand. „Weißt du was das ist?“

Conan schwieg.

Kuronida grinste. „Was würdest du sagen, wenn ich dir erzähle, dass das hier einmal eine ausgewachsene Maus war?“

Conan erstarrte. Dennoch rang er sich eine Antwort ab. „Ich würde Ihnen nicht glauben.“

„Oh? Wirklich? Interessant?“

Beiläufig streichelte er der Maus über den Rücken. „Weißt du, nicht alle Opfer der Organisation werden gefunden. Manche bleiben verschollen. Nicht dass uns das bisher sehr gekümmert hätte…Tote reden ja nicht, nicht wahr?“

Er begann auf und ab zu gehen, beging aber zu keinem Zeitpunkt den Fehler, Conan aus den Augen zu lassen. „Aber was wäre, wenn manche dieser Toten gar nicht tot wären? Wenn mit ihnen das gleiche geschehen wäre, wie mit dieser süßen Maus? In der letzten Woche haben wir alle Morde, die mit ATPX verübt wurden, nochmals überprüft. Und wir kamen zu einem faszinierenden Ergebnis. Sag, kleiner Conan, kennst du Shinichi Kudo? Nun sei nicht so schüchtern, natürlich kennst du ihn. Immerhin ist er mit Ran Mori befreundet, bei der du zur Zeit wohnst, wo dich doch deine bösen, bösen Eltern in Übersee so vernachlässigen…“ Er blieb stehen, legte den Finger an das Kinn als denke er angestrengt nach. „Leider, muss ich dir eine schreckliche Nachricht überbringen, mein Kleiner. Auch dieser von allen gefeierte Oberschülerdetektiv fiel unserem Gift zum Opfer.“ Beschwichtigend hob er die Hände. „Aber keine Angst. Du kannst dich freuen. Auch seine Leiche gehört zu denen, die nie gefunden wurden. Das heißt, er könnte noch am Leben sein? Ist das nicht herrlich?“ Sein Blick verhärtete sich, richtete sich direkt auf ihn. „Allerdings würde es bedeuten, dass er nun ein Grundschüler in deinem Alter wäre. Vielleicht könnt ihr ja mal zusammen spielen? Was meinst du?“

Conan richtete sich auf. „Worauf wollen Sie hinaus?“

„Warum so ungeduldig? Hat man dir nicht beigebracht, dass man Erwachsene nicht unterbricht, kleiner Conan? Es gibt da nämlich noch etwas, was dich vielleicht interessieren könnte. Kurz nachdem Shinichi Kudo verschwand, tauchte ein gewisser Conan Edogawa auf und lebte fortan in der Detektei Mori. Kogoro Mori, der Besitzer, war bisher nicht gerade für seine Kombinationsgabe bekannt. Doch über Nacht wurde er urplötzlich zum gefeierten Detektiv. Vielleicht möchtest du mir das erklären, Shinichi?“

In seinem Innern wurde es kalt. Sie hatten ihn. Sie wussten wer er war. Er zwang sich den Kopf zu heben, den Blick seines Entführers zu erwidern. „Sie haben ganz schön lange dafür gebraucht, es herauszufinden.“

„Oh, wie du sicher weißt, lag das nicht an uns. Wir wissen mittlerweile, dass es einen Verräter in unseren Reihen gibt, einen, der es sich zum Zeitvertreib gemacht hat, unsere Wissenschaftler zu töten. Zu gut, dass das Geheimnis des ATPX doch noch ans Licht gekommen ist. Vielleicht hätte es ansonsten letztendlich noch mich erwischt?“

„Man hat Ihnen die Aufgabe zugedacht, mich zu erledigen, nicht wahr?“

„Grandios kombiniert, Kudo. Sie machen Ihrem Ruf alle Ehre. Ich fürchte nur, dass dies soeben Ihre letzte Schlussfolgerung war.“ Kuronida deutete eine Verbeugung an, zeigte mit einladender Geste auf ein kleines elektronisches Gerät. Es war in der Mitte des Raumes auf dem Boden verankert. Auf dem blinkenden Ziffernblatt schwanden die Sekunden mit jedem Atemzug. Kuronida tätschelte es, wie ein Vater seinen Sohn. „Ein Großteil dieser Anlage wurde bereits gesprengt, wissen Sie das? Hier soll einmal eine Wohnsiedlung für wohlhabende Familien entstehen. Wer hat schon noch Verwendung für ein stillgelegtes Fabrikgebäude? Wer wusste schon, dass dieser Teil noch erhalten, in Garagen umgebaut werden sollte? Ein kleiner Fehler eines Bauarbeiters, eine kleine Sprenglage an der falschen Stelle angebracht und vergessen….Als sie hochging, spielte bedauerlicherweise ein Kind in dem Raum. Eine traurige Geschichte.“

Conan lächelte. „Dann ist es wohl an der Zeit, sie umzuschreiben.“ Er griff nach seinem Narkosechronometer, bemerkte erst jetzt, dass es fort war.

Kuronida hatte ihn beobachtet, hob nun belehrend den Finger. „Also wirklich, Sie unterschätzen mich, Kudo.“

Suchend glitt sein Blick durch den Raum. Gab es nichts, dass er treten konnte? Das ihm womöglich die Rettung brachte? Die Kisten an den Wänden waren genau so groß wie er. Was auch immer sich in Ihnen befand, Sie waren vernagelt. Selbst wenn sich etwas Nützliches darin befinden würde, würde es viel zu lange dauern, sie aufzureißen. Er hatte verloren.

Gefasst blickte ihm Conan entgegen. Wenn dies hier sein Ende sein sollte, wollte er ihm mit Würde entgegentreten. „Werden Sie hiernach jemals wieder in den Spiegel schauen können, Herr Kuronida?“

Für einen Wimpernschlag zuckte Shinichis Gegenübers zusammen, doch dann breitete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus. „Ich war zu keinem Zeitpunkt hierfür verantwortlich. Es gibt andere, die das sind. Die es von oben eingefädelt haben.“

Er musste es einfach wissen. Selbst wenn ihm dieses Wissen niemals mehr nützen würde. „Wer?“

Er kicherte. „Das wüssten Sie wohl gerne, nicht wahr? Nun, ich werde mich an dieser Stelle verabschieden. Ihnen verbleiben sechzig Minuten. Nutzen Sie sie weise.“ Er wandte sich zum gehen, drehte sich aber noch einmal um. „Ach, nur für den Fall dass Sie es nicht wissen. Die Wände sind Schalldicht.“

Als Kuronida die Tür öffnete, war es seine letzte Chance. Er rannte. Rannte zur Tür, so schnell ihn seine Beine trugen. Sein Kopf pochte bei jeder Bewegung, doch er kümmerte sich nicht darum. Bald hatte er die Tür erreicht, Licht fiel durch die Öffnung, verhieß Rettung und Sicherheit. Dann richtete sich der Lauf einer Pistole auf ihn. Er verharrte. Die Augen des Wissenschaftlers verengten sich. „Tun Sie keine Dummheit, Kudo.“

„Martini?“ Ein schwarz gekleideter Mann tauchte am anderen Ende der Tür auf. Das, was er in den Händen hielt, ließ Conans Herz erstarren. Es war Ran. Sie war ohnmächtig. „Auf meiner Streife fand ich dieses Mädchen hier. Sie schien nach dem Gör zu suchen.“ Er nickte in Conans Richtung. Nun war ihm die Pistole gleichgültig. „Lassen Sie Ran in Frieden! Sie hat nichts damit zu tun!“

Ungerührt sah Kuronida zu dem Schwarzgekleideten. „Könnte Sie etwas gesehen haben?“

Der Angesprochene zuckte die Schultern. „Wer weiß.“

Der Wissenschaftler nickte. „Wirf Sie rein.“

Conan stellte sich in den Weg, versuchte mit seinem Körper die Tür zu blockieren. „Tun Sie das Nicht! Machen Sie mit mir was sie wollen, aber lassen Sie sie gehen!“

Ein Tritt beförderte ihn aus dem Türrahmen. Der Mann warf Ran hinein in das Rauminnere, vergeblich versuchte Conan ihren Fall mit seinem Körper zu dämpfen.

„Ihr könnt gemeinsam sterben. Ist das nicht schön?“ Kuronida grinste ihn an. „Leben Sie wohl, Shinichi Kudo.“ Dann fiel die Tür ins Schloss.

Tickendes Geständnis Teil 2

Kaum war die Tür zugefallen, begann Conan  fieberhaft in seinen Taschen zu kramen. Es musste da sein! Es musste einfach! Erleichtert zog er die Brosche der Detective Boys hervor, stellte Ais Sequenz ein. „Ai? Ai, hörst du mich?“

Nichts als Stille.

„Ayumi? Genta? Mitzuhiko?“

Nichts als Leere auf der anderen Seite. Das Abzeichen hatte keinen Empfang.

 

Er holte tief Luft, zwang sich zur Ruhe. Es galt nachzudenken. Er musste einen Fluchtweg finden. Wenn nicht für ihn, dann wenigstens für sie. Er konnte nicht zulassen, dass sie hier mit ihm…Er sah sie an, beobachtete ihr bleiches Gesicht, umrahmt von dunklem Haar. Er würde um ihr Leben kämpfen! Er würde nicht zulassen, dass sie starb.

 

Er ging zu der Bombe hinüber. Ein Blick auf das blinkende Display sagte ihm, dass noch fünfzig Minuten verblieben. Beständig wurden es weniger. Vorsichtig öffnete er den Deckel, erstarrte, als er die Drähte darin entdeckte. Sie alle waren schwarz. Zitternd vor Verzweiflung und Wut ballt er die Hand zur Faust, schlug auf den Boden. „Verdammt! Verdammt! Verdammt!“

 

Er sprang auf, riss ein Holzstück aus den grob gehauenen Kisten, kümmerte sich nicht darum, dass er sich dabei die Finger aufriss. Er rannte zur Tür, führte vorsichtig das Holz in das Schloss. Er musste es herausfinden! Den Mechanismus öffnen, der sie in diesem Raum gefangen hielt. Er fand einen Widerstand, drückte dagegen. Etwas brach. Es war das Holzstück.

 

Mit zitternden Händen zog er den kläglichen Rest hinaus, versuchte das abgebrochene Stück aus dem Schloss zu befreien. Nach etlichen Versuchen gelang es. Er suchte ein neues Holzstück, probierte es erneut. Nach dem dritten Versuch musste er einsehen, dass das Schloss gesichert war. Es gab kein Entkommen. Shinichi Kudo hatte seinen Meister gefunden. Er war geschlagen.

 

Neben Ran sackte er zusammen. Es gab so viel was er noch tun, ihr noch sagen wollte. Nun würde es wohl nicht mehr dazu kommen. Sie begann sich zu regen, blasse Lider zitterten, öffneten sich schließlich. Sie setzte sich auf. „Conan? ...Wo sind wir?“

Er sah sie an, versuchte die Resignation aus seiner Stimme zu verbannen. „In einem alten Fabrikgebäude. Wie geht es dir?“

Sie fasste sich an den Kopf. „Mein Kopf tut weh. Ich glaube, man hat mich von hinten nieder geschlagen.“

Er nickte. „Das haben sie auch mit mir gemacht.“

Sie blickte sich um, sah die Eisentür, erblickte das Gerät in der Mitte des Raumes. Er beobachtete wie sich ihre Augen weiteten, sich ihr Mund zu einem stummen Schrei des Entsetzens öffnete. „Das ist…eine Bombe!“ Ihr Blick wanderte noch oben, suchte Fenster wo keine waren. Keuchend sprang sie auf, die entschlossenen Augen auf die Tür gerichtet. Sie holte Schwung. Einen Herzschlag später dröhnte das Metall unter einem kraftvollen Tritt. Ran stöhnte. Dennoch schwang ihr Körper herum, sie trat ein weiteres Mal. Die Tür regte sich nicht.

Conan senkte den Blick. „Ran…das hat keinen Sinn.“

„Sag so etwas nicht!“ Tränen hatten sich in ihren Augen gebildet. „Ich will das nicht hören!“ Ein weiterer Tritt. Diesmal schwächer. Sie sackte zurück. „Au…“ Sie umfasste ihr Bein, er spürte, dass sie ihm nicht zeigen wollte, wie sehr es sie schmerzte. Dann kehrte das Leben in ihre Augen zurück „Na so was. Ich bin ja dumm. Ich habe doch ein Handy.“

Sie zog es hervor, wählte eine Nummer. Conan wusste, was passieren würde, noch bevor er ihr erschrockenes Gesicht sah. Sie hatte keinen Empfang. Natürlich nicht. Die Organisation beging keine Fehler. Sie hatten für alles vorgesorgt.

 

Er sah auf die Bombe. Ihnen blieben noch vierzig Minuten. Sie wandte sich zu ihm um. Tränen glitzerten in ihren Augen. „Warum, Conan? Warum haben sie das getan?“

„Es war eine Falle“, murmelte er. „Von Anfang an.“

Sie ging zur Wand, ließ sich an ihr zu Boden sacken. Er nahm war, dass sie humpelte. „Das ist ungerecht! Warum stellen sie dir eine Falle?! Du bist doch ein Kind!“ Nun weinte sie wirklich. Ihre Schultern bebten unter ihren Tränen. Unschlüssig was zu tun, blieb er stehen, wo er war. „Ran…“ Das Wort war nur ein leises Flüstern.

 

Stille senkte sich über sie. Immer wieder sahen sie hinüber zu der Bombe, suchten Halt in dem Blick des Anderen. Unvermittelt huschte ein trauriges Lächeln über Rans Gesicht. „Weißt du, Conan? Ich hatte mir so sehr gewünscht, dass ich ihn noch ein Mal sehen könnte. Dass ich ihm sagen könnte, wie sehr ich ihn liebe…Sie hob den Blick, wischte die Tränen fort. „Aber was rede ich da. Es hat ja keinen Sinn, oder?“

Conan erstarrte. So lange hatte er es geheim gehalten, sie so lange belogen. Doch welchen Grund gab es jetzt noch? Er konnte sie nicht schützen. Nicht mehr. In dreißig Minuten würde alles vorüber sein. Warum sollte er ihr nicht diesen letzten Gefallen tun? Es würde auch seine Seele erleichtern. Seine kleine Hand ballte sich zur Faust als er einen Entschluss fasste.

 

Ran hatte die Augen geschlossen. Das war es also. Das Ende. Entführt von unbekannten Männern. Aus welchem Grund wusste sie nicht. Conan! Warum habe ich dich nicht retten können? Erneut füllten sich ihre Augen mit Tränen. Ungeduldig wischte sie sie fort. Sie musste stark sein. Wenigstens das konnte sie noch für ihn tun. Ihm trösten, wenn es denn einen Trost gab. „Ach Shinichi…, dachte sie. „Du warst immer so viel stärker als ich. Was würdest du tun? Würdest du einen Ausweg finden?

„Ran…“, sie hob den Kopf. Diese Stimme…es konnte nur ein Traum sein. Wie sollte er hierher gekommen sein? Aber dennoch…sie musste es wissen.

„Sh-Shinichi?“ Ihre Stimme klang heiser.

„Ja, Ran. Ich bin es.“

Suchend blickte sie sich um, sehnte sich danach, in seine Augen zu blicken, aber alles was sie sah, waren undeutliche Schatten. Sie versuchte aufzustehen, ihm entgegenzulaufen, doch ihr Fuß knickte unter ihr ein. Stöhnend blieb sie, wo sie war. „Wo bist du, Shinichi? Ich kann dich nicht sehen.“

„Ich bin ganz nah bei dir. Ich war es die ganze Zeit.“

„Was?“

Seine Stimme klang warm. Ganz ohne den überheblichen Unterton, den sie so gut kannte. Ran...ich liebe dich auch.“

Ihr Herz begann wie wild zu pochen. „W-woher weißt du…“

Er lachte leise. „Du hast es mir gesagt. Damals, als ich dich im Flugzeug angerufen habe, weißt du noch?“

Ihr Gesicht färbte sich rot. „I-ch dachte, das wäre Kaito Kid gewesen…“

„Nein. Ich war es.“

„A-aber dann warst du ja die ganze Zeit in dem Flugzeug.“

„Ich war immer bei dir Ran.“

Ein Ausdruck der Verwunderung bildete sich in ihren Augen. „Wie?“

„Weißt du noch, wie wir uns damals im Tropical Island trennten?“

Leichter Ärger zeichnete sich in ihrem Gesicht ab. „Ja, natürlich. Du bist einfach weggerannt und hast mich stehen lassen.“

„Nun…ich bin einem dieser Männer in schwarz gefolgt. Du weißt ja, auch sie waren Verdächtige bei dem Mord auf der Achterbahn.“

Sie nickte. „Ja…“

„Ich beobachtete einen von ihnen bei einem Erpressungshandel. Dabei bemerkte ich den Zweiten nicht, der mich von hinten niederschlug. Sie betäubten mich. Und…sie flößten mir ein Gift ein.“

„Ein Gift!?“ Ran versuchte sich aufzurichten, scheiterte erneut.

„Es… hatte nicht die gewünschte Wirkung…damals dachte ich, ich hätte Glück. Jetzt wünschte ich, ich wäre damals gestorben.“

„Sag so etwas nicht!“ Ihre Stimme hallte von den Wänden wieder.

„Ran…“, wie verzweifelt seine Stimme klang. Es schnürte ihr die Kehle zu. „Ich tat das alles nur um dich zu beschützen. Um dich in Sicherheit zu wissen. Und nun ist es dennoch passiert. Du bist hier…wegen mir.“

Wütend ballte sie die Fäuste. „Das stimmt doch gar nicht! Ich bin Conan gefolgt! Mit dir hatte das gar nichts zu tun!“

„Seit der Einnahme des Giftes bin ich auf der Suche nach dem Gegenmittel. Hätte ich dir davon erzählt und sie hätten es herausgefunden, sie hätten auch dich getötet, Ran. Das konnte ich nicht zulassen.“

Eine plötzliche Erkenntnis trat in ihre Augen. „Das heißt, der Fall, von dem du mir nie Genaueres erzählen wolltest…“

„Ja…“

„Ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Oh, Shinichi. Ich hätte dir geholfen. Es wäre mir nicht wichtig gewesen, dass…“

„Aber mir ist dein Leben wichtig, Ran“, sagte er sanft. „Viel mehr als du dir vorstellen kannst.“

Ihre Lippen hatten sich leicht geöffnet. Ihre Augen leuchteten. „Shinichi…“

Dann trat erneut die Angst in ihre Augen. „Das Gift…was bewirkte es?“

Sie hörte ein Lächeln in seiner Stimme. „Weißt du es nicht schon? Du bist mir schon allzu oft auf die Spur gekommen. Immer ausgefallenere Tricks musste ich mir einfallen lassen, um dich doch vom Gegenteil zu überzeugen.“

Verständnislos blickte sie um sich. „Was meinst du, Shinichi?“

„Ist dein Vater nicht quasi über Nacht zu einem berühmten Detektiv geworden? Direkt nachdem ein Grundschüler namens Conan in der Detektei einzog?“

Ihre Augen weiteten sich. „Nein.“

„Es war für mich die beste Möglichkeit, um an Informationen über die Organisation zu gelangen. Um die Zeit zu verkürzen, in der ich andere in Gefahr bringe…Außerdem… konnte ich so in deiner Nähe sein, Ran.“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein!“

Aus dem Schatten löste sich eine Silhouette. Langsam gab das Zwielicht die Umrisse eines Kindes preis. Die Brille, die solange sein Gesicht verborgen hatte, lag nun neben ihm auf dem Boden. Bisher hatte er noch eine rote Fliege vor den Mund gehalten. Nun ließ er sie sinken.

Rans Augen weiteten sich. „Conan…“

Er senkte den Blick. „Es tut mir leid, Ran.“

Tränen rollten ihre Wangen herab. „Du hast mich belogen!“

„Nur so konnte ich dich schützen. Ich…ich hätte es nicht ertragen können, dich zu verlieren.“

Sie schwieg. Blickte ihn an. „Oh, Shinichi…“

Er trat zu ihr, wischte ihr die Tränen aus den Augen. Doch sah sie, dass auch in seinen Augen Tränen schimmerten. Sie hatte ihn noch nie zuvor weinen sehen. „Und nun habe ich es doch getan“, sagte er leise. „Nun habe ich dein Leben doch in Gefahr gebracht. Alles war umsonst, ich habe versagt!“

Ihre Hand schnellte vor, traf ihn unsanft an der Wange. „Was soll das heißen? Hätte ich dir denn folgen müssen?! Es ist meine Entscheidung, dass ich hier bin!“ Ein trauriges Lächeln lag auf ihren Lippen. „Und ich bereue diese Entscheidung nicht.“ Sie sah ihm ins Gesicht, erkannte seine, Shinichis, Augen hinter der kindlichen Fassade. Wie hatte er sie nur so lange täuschen können?

Er sah sie an, seine Augen leuchten hoffnungsvoll. „Kannst du mir verzeihen, Ran?“

Sie? Ihm verzeihen? Schon so oft hatten sie sich gestritten. Später hatte sie noch nicht einmal mehr gewusst, worüber. Diesmal war es nicht anders. Verzeihen? Natürlich konnte sie. Sie hatte ihm längst verziehen. Sie lächelte ihm zu, nickte. Ihrer Stimme traute sie nicht.

Er mied erneut ihren Blick. Die verzweifelte Geste rührte sie. „Ich hatte immer vor, es dir zu sagen, Ran. Wenn die Gefahr gebannt wäre, wenn ich mit meinem richtigen Körper hätte vor dir stehen können. Das war mein Traum.“

Sie zog ihn an sich. „Du bist bei mir. Das ist alles was zählt.“ Sie genossen die Wärme des anderen, während die Minuten wie Sand durch ihre Finger rannen. Als die letzten Sekunden anbrachen, schlossen sie die Augen.

 

 

Die untergehende Sonne warf ihr Licht bereits über den Bakerpark und fing sich in den ruhig dahinströmenden Fluten eines Flusses, als sich vier schlecht gelaunte Kinder auf den Heimweg machten. „Das war ja wieder mal typisch“, meinte Mitzuhiko ernst. „Erst werden wir von der Polizei rausgeschmissen und dann können wir noch nicht mal Conan oder Ran finden.“ Er seufzte. „So viel zu unserem tollen Tag auf dem Jahrmarkt.“

„Genau!“, murrte Genta. „Dabei habe ich mich so auf das Essen gefreut, das Ran uns ausgeben wollte! Wisst ihr was?! Am besten gehen wir zu den Moris und zwingen Ran uns etwas zu kochen, wenn sie wiederkommt. Das hat sie verdient!“

„Mitzuhiko nickte. „Genau! Das machen wir! In einem können wir direkt Conan zur Rede stellen. Es ist unfair, dass er immer alle Fälle allein löst!“

Ai warf einen Seitenblick zu Ayumi. Das Mädchen hatte, seit dem sie den Jahrmarkt verlassen hatten, kein Wort mehr gesprochen.

„Was ist los?“, fragte sie leise. „Du bist so ruhig.“

Ayumi wandte den Blick ab. „Eigentlich nichts. Ich wünschte nur…wir hätten einmal ein bisschen Zeit mit Conan verbringen können, ohne das wieder so etwas passiert.“

Ai lächelte ihr aufmunternd zu. „Ihr seht euch doch morgen in der Schule.“ Sie zwinkerte ihr zu. „Vielleicht kann ich die beiden anderen für ein paar Momente ablenken. Dann hast du ein wenig Zeit mit ihm allein.“

Ayumi strahlte. „Das würdest du tun? Du bist eine echt tolle Freundin, Ai!“

Die Wissenschaftlerin blieb überrascht stehen. Dann schwand das Lächeln auf ihrem Gesicht. Wann würde Ayumi wohl lernen, dass ihre Liebe zu Conan aussichtslos war? Sie seufzte. Aussichtslos wie ihre eigene.

Ein Mann kam ihnen entgegen. Er wirkte nervös. Schweiß lief ihm in Strömen über das Gesicht, klebte ihm das kurze schwarze Haar in die Stirn. Ein ungutes Gefühl machte sich in Ai breit. Der emporkommende Nebel der Angst, der ihre schwarzen Schritte stets begleitete. Der ihnen folgte, wie ein schlechtes Parfum. Sie zog ihre Kapuze hoch, schaute zu Boden. Hoffte das die Schatten ihr Gesicht verberge würden. Da hörte sie vor sich einen wütenden Aufschrei. „Pass doch auf wohin du läufst, Junge!“

Sie hob den Blick. Genta schien mit dem Mann zusammen geprallt zu sein. Nun saß er auf dem Boden und rieb sich sein beanspruchtes Hinterteil. „Passen Sie doch selber auf!“, sagte er trotzig. Dann fiel sein Blick auf etwas, dass dem Mann aus der Tasche gefallen war. Das Gerät ähnelte einer Fernbedienung. Zahlreiche Knöpfe waren darauf zu erkennen. Der Blick des beleibten Jungen hellte sich auf. „Wow! Ist das eine Fernbedienung? Darf ich mal?“

Bevor der Mann ihn aufhalten konnte, hatte er bereits einen der Knöpfe gedrückt. Entsetzt wollte der Mann nach dem Gerät greifen, doch Genta wich ihm aus.

„Genta!“, sagte Ai ruhig. „Wirf das weg.“

Er warf ihr einen enttäuschten Blick zu. „Wieso?“

Du hältst den Fernzünder einer Bombe in der Hand. Wirf ihn weg!“

Voller Panik starrte der Junge auf das Gerät in seiner Hand. Dann warf er es mit einem Schrei von sich. Das ungerichtete Geschoss vollzog einen hohen Bogen, landete mit einem leisen Platschen im nahen Fluss. Für eine ewige Sekunde starrten sie alle dem Gerät nach. Dann packte den Fremde Genta am Kragen. „Weißt du, was du da angerichtet hast!?

Ungerührt griff Ai nach ihrem Handy. „Kommissar Megure? Wir haben einen Verbrecher im Bakerpark, nahe dem Fluss, gefunden. Er trug eine Fernzündeinrichtung für Bomben bei sich. Er ist recht klein, trägt kurzes schwarzes Haar, sowie eine Brille. Kleidung? Ein schwarzer Mantel. Beeilen sie sich. Er flieht.“

Die letzten Sätze hatte der Mann nicht mehr mitbekommen. Er hatte Genta wie einen reifen Apfel fallen gelassen, hatte begonnnen, wie von Sinnen zu rennen. Ai schaltete das Handy ab. Wer würde ihn wohl zuerst kriegen? Die Polizei oder die Organisation? Er konnte nur hoffen, dass es die Polizei war.

„A-Ai?“ Gentas zitternde Stimme riss sie aus ihren Gedanken.

„Was gibt es?“

„Welchen Knopf habe ich da vorhin gedrückt?“

Sie lächelte. „Du hast die Bombe deaktiviert. Du bist ein Held, Genta.“

 

Die Sekunden wurden zu Ewigkeiten. Wer hätte gedacht, dass sie sich so dehnen konnten? Hier saß er nun. Hielt seine Ran im Arm, konnte ihr endlich in die Augen schauen, ohne eine Lüge darin zu sehen. Und nun sollte es alles zu ende sein? Alles? Er würde sie vermissen. Sie alle. Genta, Mitzuhiko, Ayumi…Ai. Trotz allem waren sie seine Freunde, hatte zahlreiche Abenteurer mit ihm bestanden. Beinah musste er schmunzeln. Ja, selbst den alten Kogoro würde er vermissen. Er mochte ein schlechter Detektiv sein und ein Hochstapler obendrein, doch das Herz hatte er am rechten Fleck. Auch wenn man das erst auf den zweiten Blick sehen mochte. Und seine Eltern? Professor Agasa? Wie würden sie auf das hier reagieren? Würden sie vermuten was wirklich geschehen war? Sein Vater wahrscheinlich. Doch was würde es nützen? Es war nicht wichtig. Alles, was zählte, war Ran. Sie durfte nicht sterben! Nicht wegen ihm! Alles hätte er getan, um sie leben zu sehen, ihr wenigstens einen weiteren Tag zu schenken. Nun starb sie durch seine Schuld, durch ihn, der sie doch immer beschützen wollte. Warum musste es so enden? Die Sekunden verstrichen. Hatte das ganze denn nie ein Ende? Wann war es endlich soweit? Er konnte, wollte es nicht mehr ertragen, diese Gewissheit des nahenden Todes.

„Shinichi?“ Ihre Stimme erreichte ihn wie durch einen Nebelschleier. Sie klang unsicher, ungläubig.

„Ja?“, er hob den Kopf.

Ihre Stimme zitterte. Ein seltsamer Ausdruck lag darin. Er folgte ihrem Blick, sah hinüber zu der Bombe. Die Anzeigetafel stand auf zwei Sekunden. Sie war stehen geblieben.

 



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Kommentare zu dieser Fanfic (4)

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Von:  nils1292
2017-09-07T16:10:44+00:00 07.09.2017 18:10
Hallo also ich hoffe du führst die Story noch zuende wüsste sehr gern wie es jetzt weitergeht mit conan und ran und ob so noch ein gegenmittel findet
Antwort von:  Rowanna
07.09.2017 23:42
Hey Nils1292, vielen Dank für Lob und Kommentar. Weitergehen tut es auf alle Fälle. Die nächsten Kapitel sind längst fertig. Nur mit dem Finale bin ich noch nicht zufrieden. Ich möchte, dass Ran, Kaito Kid, Hattori und Akai darin eine tragende Rolle spielen und kriege die Fäden noch nicht ganz gegriffen. Aber ich bemühe mich
Antwort von:  nils1292
07.09.2017 23:44
Danke für die Antwort das freut mich sehr zu hören lass dir Zeit und schreib in Ruhe weiter damit es ein bomben Finale gibt aber verpass dabei nicht die Chance etwas auf die Charaktere einzugehen das machen leider viele mit dem Ziel vor Augen naja ich werde immer mal reinschaun um zu sehen wann und wie es weitergeht
Von:  Fux1
2017-06-14T17:50:17+00:00 14.06.2017 19:50
Ich bin begeistert wie gut du die Charaktere wiedergibt. Nur an der Stelle wo Ran dem Mann sagt er solle Conans Anweisungen befolgen und an Ende wo sie Conan lächelnd nachschaut obwohl er wieder an den Tatort rennt finde ich etwas unrealistisch. Aber ansonsten spannend und gut geschrieben. :) Großes Lob erstmal bis hierhin.
Antwort von:  Rowanna
07.09.2017 23:36
Hallo Fux1, vielen Dank für dein Lob, aber auch für deine Kritik. Ich verstehe sie vollkommen und gebe dir, was die Serie angeht, vollkommen recht. Da ist es nie zu einer solchen Szene gekommen und dementsprechend wirkt Rans Verhalten hier unrealistisch. Ich habe angefangen, die Ff zu schreiben, nachdem ich den Kinofilm im Tropical Land gesehen habe. Dort beschützt Conan Ran und sie nennt ihn ihren Beschützer und Schutzengel. Das fand ich, auch wenn es nicht zum offiziellen Kanon gehört, sehr schön und habe es aufgenommen. Damit will ich deine Kritik aber nicht abtun , sondern mich, im Gegenteil mit einer Verbeugung für so aufmerksames Lesen bedanken
Von:  MihokoSakukawa
2016-11-08T10:04:12+00:00 08.11.2016 11:04
Hallo Rowanna,
der Prolog verspricht wirklich schon sehr viel. Man wird wirklich von Anfang an gepackt, dein Schreibstil ist wirklich ser schön. Ich freue mich schon sehr auf das nächtse Kapitel.
xxx Mihoko
Antwort von:  Rowanna
09.11.2016 15:29
Hallo Mihoko,
es freut mich sehr, dass es dir bisher gefällt. Und vielen lieben Dank für deinen Kommentar. :)


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