Zwischen Fieber und Stolz von Shizana (ZdW-Jubiläumsspecial) ================================================================================ Kapitel 2: Pflege vs. Scham --------------------------- Ich zucke heftig zusammen und schlage die Augen auf. Das Erste, was ich vernehme, ist das unbändige Herzklopfen in meiner Brust. Dann, dass mir die Hitze im Gesicht steht. Was war das gerade? Ein Traum? „Hast du mich erschreckt!“, höre ich jemanden bei mir sagen. Ich erschrecke ein zweites Mal und drehe verwirrt den Kopf. Ein Blinzeln später hat die Realität mich abgeholt. „Ukyo?“ „Habe ich dich geweckt? Tut mir leid, das wollte ich nicht.“ Stöhnend hieve ich mich hoch und setze mich zurück. Eine Hand an meine Stirn macht mir bewusst, dass ich schwitze. Meine Wangen glühen. Zum Glück bleibt der Schwindel aus, ein gutes Zeichen. „Wie spät ist es?“ „Kurz vor acht“, antwortet mir Ukyo. Ich bemerke, wie er meinen Stuhl vom Schreibtisch ans Bett zieht und sich darauf setzt. „Ich wollte nur kurz nach dir sehen, bevor ich uns Frühstück mache. Wie fühlst du dich? Du hast wohl immer noch Fieber. Du bist ganz rot im Gesicht.“ „Wo ist das Thermometer?“, lenke ich um, ohne auf die Besorgnis einzugehen. Seine Bemerkung jagt mir schon wieder jegliches Blut in die Wangen. Wenn das nicht aufhört, kippe ich noch um. Verdammter Traum! „Gibst du es mir bitte? Ich glaube eigentlich, dass es mir schon besser geht.“ Ukyo bestätigt dies und erhebt sich. Kurz darauf ist er wieder bei mir und hält mir das kleine weiße Messgerät vor die Hände. Ich nehme es ihm dankend ab und lasse es unter meiner Achselhöhle verschwinden. „Wo ist Orion?“ „Er schläft nebenan in meinem Zimmer“, erklärt er und lässt sich zurück auf den Stuhl sinken. Sein Lächeln ist gütig, als sich unsere Blicke begegnen. „Ich schlage vor, wir lassen ihn noch ein wenig schlafen. Er hat gestern sehr erschöpft ausgesehen.“ „Mh“, bestätige ich. Meine Gedanken sind kurz bei dem Kleinen, dann driften sie zurück zu meinem Traum. Ich erwische mich bei der Frage, was wohl passiert wäre, wenn ich nicht aufgewacht wäre. Woran ich mich zuletzt erinnere … und was noch möglich gewesen wäre … Das folgende Kopfkino lässt es in meiner Brust schwer poltern. In meinem Bauch schlagen dutzende Schmetterlinge mit ihren Flügeln. Oh Gott, ich darf nicht daran denken! Nein, Gott, nein! „Du, Ukyo?“ „Hm?“ „War … jemand hier?“ „Jemand? Was meinst du?“ „Na, ich meine … Hatten wir Besuch? Während ich geschlafen habe?“ „Besuch? Nein. Nur Orion und ich waren hier. Wieso?“ „Nur so“, murmle ich und spiele an meinen Haaren. Das bestätigt es: nur ein Traum. „Aber dein Handy hat heute Morgen geklingelt, wenn ich mich nicht verhört habe.“ „Echt?“ Suchend sehe ich mich nach meinem Mobiltelefon um und entdecke es, wie gewohnt, auf meiner Schrankablage neben dem Bett. „Nur einmal“, ergänzt Ukyo ruhig. „Es war bestimmt nicht so wichtig. Was macht das Thermometer?“ In dem Moment piept es zweimal unter meinem Schlafshirt. Ich angle das kleine Messgerät hervor und prüfe flüchtig das Display. „37,2“, verkünde ich und lächle stolz. Demonstrierend halte ich ihm das Gerät entgegen. „Siehst du? Schon besser. Ich hab’s doch gesagt.“ Er kontrolliert kurz die Anzeige, ehe er sich erhebt und zu mir nach vorn beugt. Seine Hand ist warm, als sie sich sanft unter mein Pony auf meine Stirn legt. Mit der anderen kontrolliert er seine eigene Stirntemperatur. Nach einem kurzen Moment seufzt er erleichtert. „Ein Glück“, flüstert er und lässt beide Hände sinken. Sein helles Lächeln erwärmt mir das Herz. „Dir geht es wirklich besser. Wie schön. Ich habe mir solche Sorgen gemacht.“ „Das brauchst du nicht“, beschwichtige ich und lächle ebenfalls. „Einmal ordentlich schlafen reicht in der Regel. Mein Körper macht die Dinge gern dramatischer, als sie sind.“ „Aber du hast wirklich schlecht ausgesehen“, beteuert er. Sein Gesicht wird ernst, als die Sorge darauf zurückkehrt. „Du bist auf Arbeit einfach zusammengebrochen. Du hast immer gesagt, dass dir kalt ist, obwohl du vierzig Grad Fieber hattest. Und dann wolltest du nicht einschlafen und hast dich immerzu hin und her gewälzt … Ich wusste nicht, was ich tun sollte.“ „Aber du hast doch alles richtig gemacht“, will ich ihn besänftigen. „Du hast Medizin besorgt und dich um mich gekümmert. Ohne dich wäre ich nicht wieder so schnell auf dem Damm.“ „Du solltest es aber nicht übertreiben“, betont er streng, bevor er zaghaft lächelt. „Lassen wir es langsam angehen, okay? Ich mache dir einen Tee und du musst bitte deine Medizin nehmen. Magst du etwas frühstücken? Ich mache uns etwas.“ „In Ordnung“, nicke ich und schlage die Decken zurück. Ich revidiere dies, als ich bemerke, dass ich untenherum lediglich in Unterwäsche bin. Oh Gott, hoffentlich hat er das nicht bemerkt! „Gehst du schon einmal vor? Ich komme gleich nach. Ich ziehe mir nur eben etwas Vernünftiges an“, lächle ich beklommen. Er nickt und erhebt sich. Seinem gewohnten Verhalten entnehme ich, dass er nichts mitbekommen hat. Anderenfalls wäre er sofort verlegen geworden und hätte zu stammeln begonnen. Puh, noch einmal Glück gehabt. Das wäre peinlich geworden. Ich wechsle schnell meine Kleidung und stelle das Fenster auf Kipp. Das Bett schüttle ich auf, bevor ich mich meiner Schrankablage zuwende. Mein Handy zeigt eine neue Nachricht, die ich sogleich öffne. Sie ist von Toma: »Hey Kleines. Du hast ja echt nicht gut ausgesehen. Wie geht es dir? Bist du gut nach Hause gekommen? Lass von dir hören.« Die Worte lassen mich lächeln. Toma sorgt sich immer um jeden, sei es Hanna oder sonst irgendjemand. Er macht dabei keine Unterschiede. Ein wenig tut es mir leid, dass er das Dilemma mitbekommen hat. Es muss ein Schock für ihn gewesen sein. Ich beschließe, ihn später anzurufen. Ich will mich persönlich bei ihm bedanken, dass er so schnell und bedacht reagiert hat. Ohne ihn wäre Ukyo nicht so bald dagewesen, um mich abzuholen. Und ins Krankenhaus, wie Sawa es erst vorgeschlagen hatte, wollte ich erst recht nicht. Ich bin ihm wirklich zu Dank verpflichtet. Für jetzt verlasse ich mein Zimmer und husche hinüber ins Bad. Ich will mich frisch machen, bevor ich mich mit Ukyo an den Tisch setze. Danach freue ich mich auf etwas Warmes im Magen und die gemeinsame Zeit, an die ich mich so sehr gewöhnt habe. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)