Zwischen Fieber und Stolz von Shizana (ZdW-Jubiläumsspecial) ================================================================================ Kapitel 7: Wehr vs. Anspruch ---------------------------- Luka ist pissed, so richtig. Zumindest glaube ich das. Der strenge Ausdruck auf seinem Gesicht lässt nichts Gutes vermuten. Ganz schlechter Zeitpunkt! „Wer ist das?“, fragt er frostig und nickt vielsagend in Kentos Richtung. „Kennst du ihn?“ „Das ist Kento, mein Arbeitskollege“, erkläre ich schnell. Eingeschüchtert sehe ich zwischen den beiden Männern hin und her. „Er hat mich nach Hause gefahren, weil es mir nicht so gut ging“, setze ich nach. Ich weiß nicht, was mir mehr Unbehagen bereitet: Lukas niederringender Blick, der Kento gilt, oder Kentos ungerührte Haltung zu der Sache, was ihn fast arrogant wirken lässt. Der Fakt, dass Luka an meine Seite tritt und einnehmend den Arm um meine Schulter legt, macht es jedenfalls nicht besser. „Hm, seltsam“, murrt er und zieht mich näher an sich. „Ich erinnere mich an niemanden mit diesem Gesicht. Und man sollte annehmen, dass ich das Arbeitsumfeld meiner Freundin kenne.“ Das Wort Freundin betont er mit Absicht. Es bewirkt, dass ich auf Mausgröße zusammenschrumpfe, innerlich zumindest. Auf Kento schindet es keinen Eindruck. Nicht sichtlich. „Ich arbeite die meiste Zeit in der Küche“, erklärt Kento, gewogen in der Stimme wie immer. „Ich bezweifle nicht, dass man mein Gesicht nicht kennt. Dasselbe gilt allerdings nicht umgekehrt. Du bist Shizanas Freund, nehme ich an?“ „Der bin ich“, sagt Luka fest. Könnten Blicke töten, wäre Kento längst zu Stein erstarrt. „Freut mich. Nun, da es die Gelegenheit ergibt, möchtest du sie vielleicht ab hier übernehmen. Ich habe meine Dinglichkeit getan.“ „Das werde ich, mit Verlass.“ „Gut. Nun denn, ich empfehle mich.“ Kento verneigt sich knapp, schon dreht er sich herum und verschwindet in seinem Auto. Keine zehn Sekunden später erklingt der Motor und ich sehe dem silbernen Kombi mit gemischten Gefühlen nach. „Dir geht es nicht gut?“, holt mich Lukas Stimme ins Hier zurück. Sie klingt sanfter als zuvor, dennoch erschrecke ich. „Naja“, beginne ich stammelnd. Eigentlich will ich Luka nichts von meinem Zustand beichten, jedoch befürchte ich, dass er vorher keine Ruhe geben wird. Zumal, wenn ich den anderen Glauben schenken darf, findet er es eh heraus, wenn er nur richtig hinsieht. „Ich bin etwas angeschlagen. Habe Fieber seit gestern, aber es ist schon besser geworden. Waka-san wollte mich dennoch nicht allein nach Hause gehen lassen, deswegen hat Kento mich gefahren.“ „Du hast Fieber?“ Ehe ich mich versehe, hat Luka mich an den Schultern zu sich gedreht und zwingt mich, ihn anzusehen. Seine Hände sind forschend, als sie sich erst auf meine Wangen, dann unter mein Pony legen. „Du glühst ja! Wieso bist du in solch einem Zustand draußen unterwegs? Wieso hast du mir nichts gesagt?“ „Weil –“ Zu einer Antwort komme ich nicht. Mir entfleucht ein kurzer Schrecklaut, als mir die Beine entrissen werden und ich mich in Lukas Armen wiederfinde. Aus Reflex lege ich beide Arme um seinen Hals, noch bevor ich richtig realisiere habe, was hier passiert. „Luka!“, fluche ich und beginne mich zu winden. „Lass mich runter, ich bin schwer! Lass mich bitte runter!“ „Wo ist dein Schlüssel?“ „Luka, ich meine es ernst. Lass mich runter, sofort!“ „Aber …“ Am Ende gewinnt mein Zetern und Trampeln und ich spüre wieder festen Boden unter den Füßen. Erleichtert atme ich aus, bevor ich vorwurfsvoll zu Luka sehe. „Tu das bitte nie wieder“, mahne ich, die Wangen heiß vor Scham. Ich gehe fest davon aus, dass es deswegen ist. „Ich mag das nicht. Ich bin kein Fliegengewicht, weißt du?“ „Ich wollte dich nur sicher ins Haus bringen.“ „Ich weiß, aber trotzdem. Ihr tut ja alle geradeso, als könnte ich jeden Moment umkippen.“ Ich stöhne verzweifelt. „Erlaube mir wenigstens, dich zu begleiten“, beharrt er und besieht mich eindringlich. „Ich will dich sicher zu Hause wissen. Vielleicht kann ich noch etwas für dich tun oder etwas bringen, das du brauchst.“ „Luka, das ist lieb von dir, aber du –“ „Bitte!“, fährt er mir ins Wort. Ein Blick in seine Augen genügt, um mich zu entwaffnen. „Ich bin dein Freund. Ich will in der Lage sein, etwas für meine Freundin tun zu können, wenn es ihr schlecht geht. Gib mir diese Chance!“ Uhm, was soll ich dazu sagen? Dieser Kerl weiß, wie er einen kriegt. „… Du übertreibst.“   Ich lasse mich in die Wohnung ein. Flüchtig versichere ich mich, ob Ukyo da ist oder nicht, ehe ich Luka in die Wohnung einlasse. Seine Jacke und die Mütze fehlen an der Garderobe, seine Schuhe ebenfalls. Auch das kleinere Paar Kinderschuhe fehlt, was mich stutzig macht. Ist wirklich niemand zu Hause? „Komm rein“, sage ich knapp und halte die Tür hinter mir auf. Ich weiß nicht, ob ich erleichtert oder zerknirscht bin, versuche mir aber nichts von beidem anmerken zu lassen. Luka tritt an mir vorbei in den kurzen Flur, sieht sich kurz um, bevor er sich mir zuwendet. „Ich nehme dir den Mantel ab.“ „Schon okay“, will ich verneinen, doch ein fester Blick von ihm genügt, dass ich ihn gewähren lasse. Ich führe ihn anschließend ins Wohnzimmer und zeige die Küche. „Wo ist dein Zimmer?“, möchte er wissen. Verstohlen schiele ich in Richtung zutreffender Tür. „Da hinten, aber das tut nichts zur Sache.“ „Ich möchte, dass du dich hinlegst“, kommandiert er strikt. „Und ausruhst.“ „Gewiss nicht, solange ich Besuch habe“, protestiere ich stur. Allein der Gedanke, kränklich im Bett zu liegen, während Luka in der Wohnung tollt … Nein, das kommt absolut nicht infrage! „Du bist krank“, wirft er vor und tritt auf mich zu. Ich zucke im Reflex zusammen, als er die Hände hebt und sacht auf meine Wangen legt. „Sieh dich doch an“, spricht er eindringlich, fast flüsternd. „Du bist erschöpft. Du brauchst Ruhe.“ „Ich will mich nicht hinlegen, solange jemand hier ist“, widerspreche ich weiter. Dass ich mit »jemand« gezielt ihn meine, verheimliche ich. „Ich ruhe mich aus, sobald ich allein bin.“ „Ich gehe erst, wenn ich sicher weiß, dass meine Freundin gut aufgehoben ist. Und zwar aus erster Hand“, betont er ruhig. Ich schlucke unbewusst. Sein Blick haftet eisern an meinem. In mir schleicht die Erkenntnis empor, dass wir so nicht weiterkommen werden. „Dann befinden wir uns in einem Teufelskreis“, spreche ich leise. Es klingt leider nicht so standhaft, wie ich es gern gewollt hätte. „Ich kann sehr stur sein“, raunt er warnend. „Ich auch … aber nicht in diesem Zustand. Hab doch wenigstens einmal Nachsicht mit mir.“ „Sag mir, was du brauchst“, übergeht er mein Flehen, „und wo ich es finde. Ich bringe es dir. Derweil zieh dich um und leg dich hin. Ich bin dann gleich bei dir.“ Jeder Widerstand nützt nichts, Luka lässt keine Argumente zu. In weniger als fünf Minuten gehen mir alle Möglichkeiten aus und mir bleibt keine Wahl, als mich zu fügen. Missmutig trotte ich in mein Zimmer, verschließe die Tür und wechsle die Kleider. Ich merke erst, wie erschöpft ich bin, als ich die weichen Polster unter meinem Rücken spüre und die Decke sehnsüchtig über mich ziehe. Müdigkeit umfängt mich, ich will schlafen. „Hier“, höre ich Lukas Stimme wenig später, wie in weiter Ferne, „deine Medizin. Komm, ich helfe dir beim Aufsetzen. Mach langsam.“ Mein Zustand ist schwammig, als ich mich mit Lukas Hilfe zu erheben versuche. Schwach und zittrig nehme ich die Medikamente entgegen, die längst überfällig sind. Das kühle Wasser fühlt sich herrlich erfrischend an, ich kippe zwei Gläser davon hinter. „Sehr gut. Jetzt langsam …“, assistiert mir Luka beim Liegen, wobei er beruhigend spricht. Er legt mir irgendetwas Kühles auf die Stirn und streicht mir einmal behutsam über den Kopf. „Kann ich noch etwas tun? Möchtest du, dass ich dir etwas vorlese? Oder soll ich einfach nur reden?“ Ich schüttle den Kopf. „Erzähl mir irgendwas.“ „In Ordnung. Was möchtest du gern hören?“ Ich überlege einen Moment. „Erzähl mir vom Anfang. Erzähl mir, wie wir uns kennengelernt haben.“ Er schaut verwundert. „Aber die Geschichte kennst du doch. Du warst selbst dabei, und wir haben schon so oft darüber gesprochen.“ „Du hast recht.“ Zu dumm, aber ich kann nichts entgegnen. Angestrengt suche ich nach einer Alternative. „Dann erzähl mir etwas zu deinen Bildern. Die Elfen, wie sieht ihre Welt aus? Wie leben sie?“ „Ich hätte sie dir noch einmal erzählt“, flüstert er zärtlich. Seine Finger streichen liebkosend über meine erhitzten Wangen. „Die Geschichte, wie ich mein Herz an ein Mädchen verlor, das mit mir eine Seele teilt. Aber wenn du es wünschst, erzähle ich dir von den Elfen und wie ihre Geschichte im Zauberwald weitergeht. Schließ deine Augen und folge meiner Stimme.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)