Not Like This von Umi (Sequel zum Film) ================================================================================ Kapitel 1: Back ---------------     Um ehrlich zu sein: er hatte nie erwartet, wieder zurück zu kehren.     Doch Yugi... nein, Atemu hatte ihn zurück geschickt. Am Höhepunkt ihres Duells.   Er hatte gesehen, wie seine Bewegungen langsam aber sicher immer fahriger wurden, gehört, wie seine Lippen und seine Zunge ihm zunehmend den Dienst verweigerten und vielleicht auch gespürt, wie seine Seele - dieses störrische und unerwartet weltliche, nicht greifbare Etwas, das ihn ausmachte - Stück für Stück den Halt in seinem Körper verlor. Es hatte das Duellieren nicht leichter gemacht, aber Seto hatte es trotzdem irgendwo genossen zu fühlen, wie diese fleischliche Hülle, zu der er nie ein besonders enges Verhältnis gehabt hatte, sich immer weiter auflöste. Und bei jedem Zug, bei dem Atemu seinen Zustand zu ignorieren schien, weil er genau wie er nichts sehnlicher wollte als dieses Duell, hatte es stärker in Setos Brust gebrannt.   Er hatte sich noch nie so lebendig gefühlt wie in dem Moment, in dem ihm klar wurde, dass er ihr Duell wohl nicht überleben würde.   Und noch nie so orientierungslos wie in dem Moment, in dem Atemu plötzlich seinen Zug abbrach, den Kopf schüttelte, auf ihn zutrat und etwas sagte, dass Seto schon nicht mehr wirklich aufnehmen, geschweige denn verstehen konnten. Atemus Stimme wirkte fest, auch wenn ein bedauernder Unterton in ihr lag. Versprach er ihm, dass sie sich wiedersehen würden? Oder erklärte er ihm nur, warum er nicht sterben durfte? Setos Sicht war zu verschwommen, als dass ihm die Miene des anderen hätte weiterhelfen können, und seine Muskeln bereits zu schwach um wieder mehr Abstand zwischen sie zu bringen.   Hände legten sich auf seine Brust, schoben ihn in warmes Licht.     Bis bald? Leb wohl? Was hatte der andere gesagt?     Die Helligkeit blendete ihn, obwohl er die Augen geschlossen hatte. Seine Lungen füllten sich mit Sauerstoff und Seto stellte fest, dass er vergessen hatte, wie solch ein einfacher Atemzug sich anfühlte. Sein Brustkorb hob sich nur stockend, sein Herz schien sich kurz ratlos zu überschlagen, ehe es in den richtigen Rhythmus zurückfand und sein ganzer Körper fühlte sich steif und heiß-kalt, regelrecht fiebrig an. Es dauerte seine Zeit, bis er die Geräusche um sich herum einordnen konnte.   Hinter ihm Autos, ihre Motoren, ihre Bremsen, ihre Hupen. Außerdem Schritte. Stimmen. Über ihm ein Flugzeug. Irgendwo klingelte ein Handy.   Unter seinen Fingern und seiner Wange spürte er Dreck.   Er öffnete die Augen und fand sich in einer Seitengasse wieder.   Für einen kurzen Moment kam ihm der Gedanke, einfach liegen zu blieben und zu warten, ob er sich mit der nächsten Ohnmacht vielleicht wieder bei ihm vorfinden würde. Weil all das um ihn herum in Wahrheit nur ein Traum war und er in Wirklichkeit immer noch dort war. Aber je mehr seine Sinne zurückkehrten, desto unwohler fühlte er sich auf dem nackten Boden.   Er rollte sich auf den Rücken und stemmte mühsam seinen Oberkörper in eine aufrechte Position. Seine Arme zitterten unter der ihnen scheinbar fremd gewordenen Anstrengung und die ganze Welt um ihn herum schwankte leicht. Ihm war schlecht. Sein Schädel dröhnte. Er blickte an sich herunter und erkannte seine Kleidung und seinen Körper - teils enttäuscht, teils erleichtert - wieder.   Kurzer Check seiner DuelDisk. Sie reagierte nicht. So wie auch alles andere elektronische Equipment, das er an sich trug.   Mit einem leisen Murren unternahm er einen ersten Versuch, auf seine Beine zu kommen, die ihm nie länger und ungelenker vorgekommen waren. Landete unsanft auf seinem Hintern. Versuchte es noch einmal, diesmal erfolgreich, auch wenn es seine Umgebung nur noch stärker schwanken ließ. Er nahm einen tiefen Atemzug. Noch immer spürte er für seinen Geschmack viel zu deutlich, wie seine Lungen sich öffneten, sein Brustkorb sich ausdehnte, und meinte seinen Herzschlag und das Rauschen seines Blutes in jeder Ader seines Körpers hören zu können.   Ihm war immer noch schlecht.   Er ging ein paar Schritte hin und her, um sich an die Bewegung zu gewöhnen und sicher zu sein, dass er das Schwindelgefühl im Griff hatte. Dann verließ er die Gasse und machte sich in die Richtung auf, in der er das KC Hauptgebäude über dem Rest der Stadt aufragen sah.   Er konnte nur hoffen, dass der Schaden an seinem Equipment bloß oberflächlich war und das System selbst noch voll funktionsfähig. Natürlich würde er ein paar Modifikationen vornehmen müssen, damit seine nächste Reise zu ihm nicht wieder dasselbe Ende fand sondern er diesmal entweder für immer bleiben konnte oder zumindest auf eine Art und Weise zugrunde ging, die ihr Duell nicht beeinträchtigte und ihm keine Gelegenheit ließ, ihn wieder fortzuschicken...   Der Weg ins Labor war weiter als er angenommen hatte. Als er endlich den Haupteingang der KC erreicht hatte, fühlten seine Beine sich an, als würden sie jeden Moment unter ihm nachgeben, und kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn.   Den Wagen, der hinter ihm zum Stehen kam, bemerkte er erst, als seine Türen sich öffneten. Isonos Stimme, weit weg, Wortfetzen über Termine, Adressen, Uhrzeiten, die Stimme eines jungen Mannes antwortete, verstummte mitten im Satz, ein unangenehm hohes Fiepen stieg aus dumpfer Tiefe in Setos Wahrnehmung auf, er wollte sich umdrehen, um Isono anzuweisen, das Labor für ihn vorbereiten zu lassen, denn das brauchte Zeit, und Seto war nicht dumm, ihm war klar, dass er drauf und dran war, das Bewusstsein zu verlieren, und da machte es nur Sinn, die Zeit, die ihn das kosten würde, sinnvoll nutzen zu lassen, aber das Fiepen war inzwischen so laut, dass er nicht mitbekam, ob sein Mund die Worte hervorbrachte, die er loswerden wollte, und die Bewegung des sich Umdrehens ließ ihn das Gleichgewicht verlieren...   Er fand sich plötzlich ungelenk auf dem Boden sitzend wieder. Hob den Blick, Isono suchend.   Stattdessen fand er die verstört geweiteten Augen eines Fremden. Oder? Schulterlanges, wirres dunkles Haar... vertraute Gesichtszüge, die dafür sorgten, dass sich etwas in ihm unangenehm zusammenzog... Er hatte seine Gründe gehabt, die Fotos zu zerreißen, und war sich sicher gewesen, sich inzwischen nicht mehr an die Menschen auf ihnen zu erinnern. An das ernste, schmale blasse Gesicht seiner Mutter. Die etwas kantigere Miene seines stets viel zu gut gelaunten und viel zu abwesenden Vaters, die er jetzt wieder vor sich sah. Wenn auch ohne jede Spur eines Lächelns... war er wirklich noch so jung gewesen, als er starb? Und warum war er es, den er sah. Warum war das der Weg, den seine Seele ging, zu diesem Fremden, anstatt zurück zu ihm, Atemu, der ihm doch so viel näher war...   Die Welt kippte.   Und wurde schwarz. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)