Fünf Wörter - eine Geschichte von Khaleesi26 (OS Leser Projekt) ================================================================================ Kapitel 3: Zukunft ------------------ „You’ll never be able to find yourself if you’re lost in someone else.“ Colleen Hoover – Nobember 9 Kritisch beäugte sie den Ring an ihrer Hand, hielt ihn ins Licht und betrachtete den großen, schönen Brillanten, in der Mitte des Rings, der sie förmlich anstrahlte. „Meinst du, der steht mir?“ Ihre beste Freundin ließ von den Schmuckstücken vor ihr ab und hob den Kopf. „Mimi“, grinste sie und stemmte eine Hand an die Hüfte. „Ich dachte, wir suchen ein Geschenk für Tai und nicht für dich.“ Die Brünette verzog das Gesicht. „Jetzt sag schon! Steht mir so ein Ring oder nicht?“ Sora lachte und machte einen Schritt auf sie zu, um ihre Hand zu nehmen und den Ring ebenfalls von allen Seiten zu betrachten. „Der ist wirklich wunderschön, Mimi. Aber ich denke, du solltest es Tai überlassen, dir einen Ring an den Finger zu stecken, also…“ Ihre Freundin zog eine Schnute und presste die Hand an sich. „Aber er ist so schön!“ „Mimi“, sagte Sora noch einmal mit Nachdruck. „Mach ihn ab!“ Äußerst widerwillig zog sich Mimi das silberne Schmuckstück vom Finger. „Na gut“, nörgelte sie und drückte ihn Sora in die Hand, die ihn der Verkäuferin hinter dem Tresen wiedergab. Seufzend lehnte sich Mimi dagegen. „Ich denke nicht, dass er das jemals tun würde.“ „Was meinst du?“, hakte Sora nach, während sie sich wieder den Armbändern widmete, die vor ihr ausgebreitet waren. Mimi sah sie skeptisch an. Offensichtlich stand sie mal wieder auf dem Schlauch. „Na, Tai. Er würde mir nie einen Antrag machen.“ „Red keinen Unsinn, Mimi. Er liebt dich.“ Mimi verdrehte die Augen. Das war nicht das, worauf sie hinauswollte. „Das weiß ich ja. Aber deswegen heißt das noch lange nicht, dass er mich auch heiraten würde.“ Ehrlichgesagt wurmte sie dieses Thema schon eine ganze Weile. Sie waren jetzt seit fünf Jahren zusammen, hatten ihren Abschluss gemacht, waren direkt danach in eine eigene Wohnung gezogen, studierten, ihr Leben entwickelte sich prächtig. Und es hat während all der Zeit keinen Tag gegeben, an dem Mimi an seiner Liebe zu ihr gezweifelt hätte. Doch so langsam beschlich sie das Gefühl, dass das allein nicht ausreichte. Was war mit ihrem restlichen Leben? Wie sollte es weitergehen? Sollte man nicht in einer Beziehung irgendwann den nächsten Schritt wagen? Vielleicht dachte sie einfach zu viel über die Zukunft nach, während Tai ganz offensichtlich im hier und jetzt lebte. Sie liebte ihr Leben mit Tai an ihrer Seite und sie war glücklich mit ihm, keine Frage. Doch während sie schon über Heirat und Familie nachdachte, machte sich Tai eher Gedanken darüber, was es wohl am Abend zu Essen geben würde. „Du machst dir zu viele Gedanken“, meinte Sora plötzlich und weckte sie wieder auf. „Tai hat eben momentan ganz andere Dinge im Kopf. Das heißt nicht, dass er dich nicht irgendwann heiraten wird.“ „Er hat immer andere Dinge im Kopf“, stöhnte Mimi auf und wandte sich ihrer Freundin zu. Die Verkäuferin musterte die beiden kritisch und entfernte sich schließlich wortlos, da sie wohl festgestellt hatte, dass diese Sache hier noch etwas länger dauern konnte. „Du kennst ihn doch“, gab Sora zu bedenken, doch das machte es auch nicht unbedingt besser. „Irgendwann wird er dich fragen und du wirst ja sagen und ihr werdet einen Haufen Kinder kriegen und gemeinsam alt und grau werden.“ Mimi sah es bildhaft vor sich. Allerdings fragte sie sich in letzter Zeit immer häufiger, wie lang dieses ‚irgendwann‘ denn noch dauern sollte. Sora grinste, als könnte sie ihre Gedanken lesen. „Du bist viel zu ungeduldig, Mimi. Warte doch einfach ab, bis er soweit ist. Ihr solltet beide erst mal eure Träume verwirklichen, bevor ihr so einen großen Schritt wagt.“ Abwarten. Träume verwirklichen. Sora hatte leicht reden. Ihre letzte Beziehung war ein Jahr her und sie hatte keine Ambitionen eine neue einzugehen. Sie war ein Freigeist und konzentrierte sich voll und ganz auf ihre Karriere als Modedesignerin. Ein Mann würde ihr dabei nur im Weg stehen, sagte sie immer. Doch Mimi dachte da ganz anders. Sie wollte auch ihre Träume verwirklichen, aber mit Tai an ihrer Seite. Was war daran so falsch? „Außerdem“, fuhr Sora schmunzelnd fort. „Wirst du einfach warten müssen, bis er dir den Antrag macht. Das ist unumgänglich, wenn nicht du diejenige sein willst, die vor ihm auf die Knie fällt.“ Mimi sah sie überrascht an, während Sora das nächste Armband in die Hand nahm und es ihr unter die Nase hielt. „Schau mal, was hältst du von dem hier?“ Mimi nahm es ihr ab und wendete es in ihrer Hand. Es war ein schwarzes Lederarmband, mit einem kleinen, silbernen Anker, welcher es zusammenhielt. „Das gefällt Tai sicher. Damit kannst du nichts falsch machen“, grinste ihre beste Freundin sie an und Mimi nickte. „Ja, das ist gut. Er wird sich sicher freuen.“ „Perfekt!“, strahlte Sora und reichte das Armband einer Verkäuferin, die es für sie einpackte, während Mimi immer noch über ihre Worte nachdachte. „Ach, jetzt komm schon!“, ermahnte Sora sie und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Zieh nicht so ein Gesicht! Heute ist Tais Geburtstag und heute Abend, wenn er nach Hause kommt, überraschst du ihn und gibst ihm dein Geschenk und dann macht ihr euch einen netten Abend zu zweit. Na, wie klingt das?“ Soras Grinsen wurde immer breiter. Mimi wusste genau, worauf sie anspielte und so langsam gefiel ihr die Idee auch ganz gut. Ein netter Abend zu zweit. Und eine kleine Überraschung… Kurze Zeit später hatte Mimi zu Hause schon alles vorbereitet. Doch bevor es losgehen konnte, musste sie noch eine andere Hürde meistern. Eine, die nur sie betraf. Aufgeregt stand sie im Studio eines lokalen Fernsehsenders. Ein letztes Mal betrachtete sie sich kritisch im Spiegel des Umkleideraums und richtete ihre Haare. Sie hatte niemandem etwas davon erzählt, dass sie sich bei einer Show für junge Nachwuchstalente beworben hatte und auch nicht, dass sie direkt eingeladen wurde. Niemand sollte etwas davon wissen, bis auf eine Person und das war quasi unvermeidbar. Genau diese Person steckte in diesem Moment seinen Kopf durch die Tür. „Darf ich reinkommen?“ „Klar.“ Yamato trat ein und schloss die Tür hinter sich. Verschmitzt grinste er sie an. „Na, aufgeregt?“ „Das kannst du laut sagen“, entgegnete Mimi und wedelte sich mit der Hand Luft zu. Bekam sie etwa gerade Schweißausbrüche? „Das Lampenfieber ist normal. So ging es mir auch, als ich das erste Mal hier war. Na ja, eigentlich ist das sogar immer noch so. Es geht nie richtig weg.“ „Das ist sehr beruhigend, danke“, sagte die Brünette und verdrehte die Augen. Er hatte leicht reden. Für ihn war es ja inzwischen auch nichts Besonderes mehr vor der Kamera zu stehen. Schon vor einiger Zeit hatte er mit seiner Band den Durchbruch erlangt und war inzwischen mit seiner Musik nicht mehr aus dem japanischen TV wegzudenken. „Wieso machst du hier eigentlich mit? Das ist doch eine Show für Nachwuchstalente“, wollte Mimi wissen, während sie ihr Handy aus der Tasche kramte. Yamato vergrub die Hände in den Hosentaschen und zuckte mit den Schultern. „Ab und an laden sie mich ein, um einen meiner Songs zu performen. Du weißt schon. Während ihr euch alle hinter der Kamera die Augen ausheult und in Selbstzweifel verfallt, es aber noch nicht wieder Zeit für eine Werbepause ist. Dann komme ich ins Spiel.“ Mimi hob eine Augenbraue. Der Ruhm hatte ihn wohl überheblich werden lassen. „Tut dir gar nicht gut, so viel Rampenlicht“, sagte sie abschätzig und scrollte durch ihre letzten Nachrichten. Tai hatte ihr gerade geschrieben, dass es heute Abend später werden würde, da er in der Uni noch einiges zu erledigen hatte. Mimi seufzte frustriert. Hoffentlich würde er später nicht zu müde und gestresst sein, für ihre Überraschung. „Du solltest mir lieber dankbar sein“, sagte Yamato plötzlich und kam auf sie zu. „Ich hab schließlich bei den Produzenten ein gutes Wort für dich eingelegt. Sonst wärst du doch mit deiner Kocherei nie so weit gekommen.“ Mimi warf ihm einen bösen Blick zu. Mit ihrer ‚Kocherei‘? Diese Kocherei war mehr als nur ein einfaches Hobby für sie. Ja, sie studierte eigentlich Ernährungswissenschaften und ja, sie mochte es ganz gerne – aber ihre wahre Leidenschaft galt schon immer dem kochen und backen. Lange hatte sie darüber nachgedacht, ob sie wirklich diesen Schritt wagen sollte. Ob ihre Kochkünste auch für mehr ausreichten, außer Tai den Bauch zu füllen. „Hast du Tai davon erzählt?“, fragte Yamato und schielte auf ihr Handy, als sie Tai eine Antwort schrieb. „Nein und er soll es auch nicht wissen.“ „Warum nicht?“ „Weil ich es nicht will, deshalb. Ich muss das allein durchziehen.“ Yamato sah sie skeptisch an. Natürlich konnte er das nicht verstehen, aber das alles hier war nun mal eine Sache, die sie für sich selbst rausfinden musste. Da musste sie alleine durch und Tai konnte ihr nicht dabei helfen. Und wenn es nichts werden würde, könnte sie immerhin dort weitermachen, wo sie aufgehört hatte. Dann würde Kochen eben immer nur ein Hobby bleiben. „Na gut, wenn du meinst“, sagte er und ein kurzes Grinsen huschte über seine Lippen, als er ihr das Handy aus der Hand nahm. „Aber ich darf es ihm doch erzählen oder?“ „Was…? Sag mal, spinnst du?“, rief Mimi und grabschte nach dem Mobiltelefon, doch der Musiker hielt es hoch in die Luft. „Gib das sofort wieder her!“ „Wieso denn? Ich denke, Tai würde es brennend interessieren, dass seine Süße heute im Fernsehen zu sehen ist“, lachte Yamato und tippte etwas ein, während Mimi verzweifelt versuchte an das Handy ranzukommen, doch Yamato drehte sich immer wieder weg, wenn sie danach griff. „Pah, ich hoffe, du meinst nicht dich selbst“, giftete sie ihn an, woraufhin der Blonde so laut loslachte, dass Mimi diesen unachtsamen Moment nutzte und ihm das Handy entriss. Prüfend scrollte sie durch die Nachrichten und stellte fest, dass Yamato nur geblufft hatte. Erleichtert atmete sie aus. „Beruhig dich, das war doch nur ein Witz. Du wirst die Sache schon rocken“, sagte Yamato versöhnlich und tätschelte ihren Kopf. Die Brünette warf ihm einen bösen Blick zu. „Immerhin habe ich dich etwas von deinem Lampenfieber abgelenkt“, grinste er und Mimi sah ihn verdattert an, bis sie merkte, dass er recht hatte. „Stimmt. Irgendwie bin ich jetzt gar nicht mehr so aufgeregt“, stellte sie nüchtern fest. „Siehst du. Du machst das schon, Mimi. Bleib einfach ganz locker, so wie immer. Und ich werde Tai auch nicht verraten, dass du hier bist, versprochen. Wenn er dich allerdings zufällig im Fernsehen sieht, kann ich nichts dafür.“ „Wird er nicht, er ist noch in der Uni“, sagte die Brünette. „Na, dann“, meinte Yamato, beugte sich zu ihr hinunter und gab ihr einen kurzen Kuss auf die Wange. „Viel Glück.“ Danach wandte er sich um und ging. „Ach so, und wünsch Tai nachher alles Gute zum Geburtstag von mir. Ich wollte ihn heute eigentlich in eine Bar schleppen, aber das schaffe ich wohl nicht mehr.“ Mimi grinste triumphierend und stemmte die Hände an die Hüfte. „Das kannst du vergessen. Heute Abend habe ich schon andere Pläne für ihn.“ Mimi konnte es immer noch nicht fassen. Sie hätte nie gedacht, dass sie so souverän auftreten und ihre Show durchziehen würde. Nachdem ein mehr oder weniger untalentierter Tänzer und ein weiterer Musiker aus einer Punkrockband aufgetreten waren, kam endlich ihr großer Augenblick. Sie kochte sich vor laufender Kamera die Seele aus dem Leib, erklärte dabei jeden einzelnen Schritt, um am Ende der Sendung ein perfektes Menü zu präsentieren. Der Produzent war so begeistert, dass er ihr direkt danach ein baldiges Bewerbungsgespräch versprach, was jedoch nur noch reine Formsache wäre, so beeindruckt war er von ihr. Er nannte sie sogar, das weibliche Pendant zu Jamie Oliver. Nächste Woche wollte er Mimi den Rest des Teams vorstellen und er würde schon hören, wie die Einschaltquoten in die Höhe schossen. Mimi konnte einfach nicht glauben, dass sie so Eindruck hinterlassen hatte. Sie hatte mit ihrer spritzigen und lockeren Art geschafft, die Leute für sich zu gewinnen und das war allein ihr verdienst. Im Nachhinein wünschte sie sich irgendwie doch, dass Tai zugesehen hätte. Doch sie würde ihm nachher alles haarklein erzählen. Natürlich nachdem sie ihm die Geburtstagsüberraschung gemacht hatte. Sie war so unendlich glücklich, dass man es gar nicht in Worte fassen konnte. Ihre Endorphine spielten völlig verrückt und sie war sich mehr als sicher, dass dieser Abend nur noch besser werden konnte. Zu Hause angekommen, war sie erleichtert, dass Tai immer noch nicht da war. Denn so hatte sie Zeit sich wenigstens noch einmal umzuziehen. Sie schmiss ihre Schuhe in die Ecke und ging direkt ins Schlafzimmer, um sich ein knielanges, dunkelrotes Samtkleid anzuziehen. Sie öffnete ihren Zopf, sodass die Haare ihr leicht über die Schulter fielen. Dann drehte sie sich noch einmal, fuhr sich durch die Haare und wirbelte sie etwas auf, als sie auch schon den Schlüssel hörte, der sich in der Wohnungstür drehte. Eilig huschte sie aus dem Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich. Tai stand im Flur und zog sich gerade die Schuhe aus, als er sie sah. „Hallo, Prinzessin“, grinste er sie an und zog sie unvermittelt an sich, um ihr einen Begrüßungskuss zu geben. Mimi legte die Arme um ihn und hoffte, er würde nicht merken, wie sehr ihr das Herz gegen die Brust schlug. „Hab ich was verpasst?“, fragte er schmunzelnd, als er sich von ihr löste und sie musterte. „Du hast dich ja heute ganz besonders schick gemacht.“ „Heute ist ja auch ein besonderer Tag“, säuselte sie verliebt und gab ihm einen Kuss auf den Mund. „Happy Birthday, honey.“ „Danke“, grinste Tai verlegen. „Und wo ist mein Geschenk? Oder bist du mein Geschenk?“ Die Brünette lachte. Sicher hatte sie nichts dagegen, sein Geschenk zu sein – doch erst, nachdem sie ihm das andere Geschenk überreicht hatte. „Ungeduldig wie immer“, stellte sie fest und zog ihn an der Hand mit sich ins Wohnzimmer. Sie eilte zu der Kommode, um ein Feuerzeug zu holen. „Ich hatte noch keine Zeit die Kerzen anzuzünden, weil ich auch gerade erst gekommen bin“, erklärte sie und fegte förmlich durch die Wohnung, um sämtliche Kerzen, die sie im Raum verteilt hatte, anzuzünden. Es sollte schließlich alles perfekt sein. „So“, sagte sie, verschränkte sie Arme hinter dem Rücken und sah Tai erwartungsvoll an. „Gefällt’s dir?“ Tai betrachtete die vielen Kerzen, die das Wohnzimmer in ein warmes Licht hüllten. Auf dem Tisch stand ein großer Geburtstagskuchen, auf dem eine Kerze brannte und ein kleines Geschenk für ihn bereit. Drum herum lagen rote Rosenblätter. Er ging zu seiner Freundin und umfasste ihre Taille. „Es gefällt mir sehr gut! Darauf habe ich mich schon den ganzen Tag gefreut. Erstaunlich, dass du noch Zeit hattest zu backen, obwohl du doch den ganzen Tag mit lernen beschäftigt warst.“ „Na ja“, sagte die Brünette und strich sich verlegen eine Haarsträhne hinters Ohr. „Ehrlichgesagt habe ich heute eine klitzekleine Pause vom Lernen gemacht.“ Sie zog Tai nach unten und setzte sich mit ihm vor den Geburtstagstisch. „Zuerst Kuchen oder das Geschenk?“, fragte sie ihn und Tai grinste, wobei er sich durch die Haare fuhr und offensichtlich angestrengt überlegte. Gott, sie liebte es, wenn er das tat. „Hmm, schwierige Entscheidung. Ich denke, ich will zuerst ein Stück Kuchen.“ „Hab ich mir fast gedacht“, lachte Mimi und schnitt ein Stück ab, ohne die Kerze zu berühren. Tai steckte sich genüsslich ein Stück des Schokoladenkuchens in den Mund, während er von seinem Tag erzählte und Mimi ihm aufmerksam zuhörte. Zumindest versuche sie es. Es fiel ihr nicht leicht, es noch länger zurückzuhalten. Doch sie wollte den perfekten Moment abwarten. „Möchtest du noch was?“, fragte sie ihn schließlich, als Tai das vierte Stück Kuchen verdrückt hatte und sich bereits den Bauch hielt. „Nein. Ich glaube, wenn ich noch mehr esse, platze ich.“ Mimi lachte. „Unfassbar, wie viel du essen und dabei trotzdem noch so verdammt gut aussehen kannst.“ „Das sind die guten Gene“, grinste Tai und zog sie an sich. „Danke, für diese schöne Geburtstagsüberraschung“, hauchte er und sah ihr verliebt in die Augen. „Du bist wirklich das Beste, was mir je passiert ist.“ Mimis Herz schlug bis zum Hals. War es endlich soweit? War das der perfekte Moment? Kurz, bevor sich ihre Lippen trafen, hielten beide jedoch inne. „Ich muss dir was sagen, Mimi“, flüsterte er. Mimi sah ihn an. Das war er wohl. Der Moment. „Bevor du es sagst, möchte ich dir etwas sagen.“ Sie nahm das Geschenk, welches immer noch auf dem Tisch lag, in die Hand und hielt es ihm hin. „Aber erst musst du das hier aufmachen.“ Tai nahm das Geschenk aus ihren Händen, jedoch nur, um es direkt wieder auf den Tisch zu legen. Er griff nach ihren Händen und sah sie eindringlich an. „Das hat doch noch etwas Zeit, oder? Ich muss dir wirklich unbedingt etwas erzählen.“ Mimi zog eine Schnute. Wieso machte er ihr diesen besonderen Moment kaputt? „Taichi Yagami“, tadelte sie ihn gespielt böse. „Wenn du nicht sofort dein Geschenk aufmachst, ist der ganze Abend ruiniert und dann könnte es passieren, dass ich sehr, sehr unangenehm werde.“ Tai fing an zu lachen, weil er offensichtlich nicht verstand, wie wichtig ihr das hier gerade war. Doch er verstand, dass er sie besser nicht länger hinhalten sollte, und hob beschwichtigend die Hände, als er ihren bohrenden Blick sah. „Ist ja schon gut. Ich mache es auf, okay?“ Mimi nickte und als er das kleine Geschenk wieder in die Hand nahm, kehrte augenblicklich die Nervosität zurück. Was, wenn es ihm nicht gefallen würde? Was, wenn er…? Ihre Gedanken überschlugen sich und ihre Finger wurden schwitzig, als Tai das Papier abmachte und eine kleine Schmuckschachtel in der Hand hielt. „Oh, du schenkst mir Schmuck?“ Mimi nickte nur, da ihre Kehle staubtrocken zu werden schien. „Ich hoffe, es sind die Ohrringe, die ich mir schon seit Ewigkeiten wünsche“, säuselte Tai, wie ein Mädchen und hielt sich schmachtend eine Hand an die Wange. „Du Idiot, jetzt mach schon auf!“, fuhr Mimi ihn an und boxte gegen seinen Arm. „Au! Ja, ich mach ja schon“, lachte der Student. In dem Moment, als er die kleine Schatulle öffnete, war es nicht nur Mimis Herz, welches einen Schlag aussetzte. Sie sah, dass ihn der Inhalt und dessen Bedeutung völlig unerwartet traf und er nicht wusste, wie er darauf reagieren sollte. Sprachlos starrte er den Ring an, der sich darin befand. Klammheimlich hatte sie am Nachmittag doch noch mal das Armband beim Juwelier umgetauscht. Mit zittrigen Fingern nahm Mimi ihm die Schatulle aus der Hand, während er sie entgeistert ansah. „Ich weiß, damit hast du jetzt sicher nicht gerechnet“, erklärte sie kleinlaut. Sie hatte sich so viele Worte zurechtgelegt, die sie ihm sagen wollte, doch gerade in diesem Moment wollte ihr keines davon einfallen. Sie konnte nur noch darauf hören, was ihr Herz sagte. „Es ist wohl recht ungewöhnlich diese Frage zu stellen, vor allem, weil sie von mir kommt und nicht von dir. Glaub mir, das überrascht mich selbst“, grinste sie und warf Tai einen unsicheren Blick zu, der immer noch wie versteinert vor ihr saß und sie mit großen Augen ansah. „Doch, ich konnte einfach nicht länger warten und ich liebe dich so sehr, dass ich keine weitere Zeit brauche, um irgendetwas zu überdenken. Ich weiß ganz genau, was ich für meine Zukunft will und ich will dich. Für immer.“ Tai schluckte. Mimi nahm den Ring aus der Schatulle und hielt ihn Tai hin. „Deswegen wollte ich dich fragen, ob… o-ob du mich heiraten möchtest?“ Eine schier endlos lange Pause legte sich über sie, gefüllt von schweigender Hoffnung, die Mimi tief im Herzen trug. Und die augenblicklich zersplitterte, als er ihrem Blick auswich und zur Seite sah. Langsam ließ sie den Ring sinken. Ernüchterung. Enttäuschung. Frustration. All diese Gefühle strömten gleichzeitig auf sie ein und es war wie ein Schlag in die Magengrube, die sich schmerzlich zusammenzog. Ihr Höhengefühl, welches sie eben noch hatte, wich dem niederschmetterndem Gefühl der Ablehnung und Tränen stiegen ihr in die Augen. „D-Du… Du willst nicht“, stellte sie nüchtern fest, woraufhin Tai sie endlich wieder ansah. Er nahm ihre Hände in seine, doch es fühlte sich kalt an. „Nein, so ist das doch gar nicht. Natürlich will ich dich heiraten, Mimi. Irgendwann…“ Irgendwann. Irgendwann? IRGENDWANN! Dieses Wort hatte sie genug gehört. „Und wann wird dieses ‚irgendwann‘ sein?“, fragte sie bissig und blinzelte die Tränen weg, die ihr die Sicht verschleierten. „Bitte, Mimi. Tu das nicht“, sagte Tai ruhig, doch Mimi sprang auf und fing an aufgebracht im Raum umherzulaufen, und die restlichen Kerzen auszublasen. „Was soll ich denn nicht tun? Dir einen Antrag machen? Gott, wie dumm bin ich eigentlich?“ „Das meine ich nicht“, sagte Tai und stand ebenfalls auf. „Du zweifelst an meiner Liebe zu dir. Das ist es, was du gerade tust.“ Mimi blieb stehen und sah ihn verständnislos an. „Und das wundert dich? Man, Taichi! Ich schütte dir hier mein Herz aus, öffne dir meine Seele und sage dir, dass ich für immer mit dir zusammen sein will und du sagst nein? Was soll ich denn davon halten?“ „Ich habe nie nein gesagt. Ich sagte: irgendwann!“, fuhr er sie an, da ihn diese Situation ebenfalls aufzuregen schien. Mimi konnte einfach nicht fassen, was er ihr hier entgegen schleuderte. Er war gerade dabei ihr Herz zu brechen und tat dies, ohne mit der Wimper zu zucken. Seufzend ließ sie sich zu Boden sinken und betrachtete verloren die Kerze, die noch immer auf dem Kuchen brannte und schon nur noch halb so groß war, wie am Anfang. Vielleicht war es das, was gerade mit ihrer Beziehung geschah. Sie brannte ab, wie diese Kerze. Tai setzte sich neben sie und sah sie eindringlich an. „Ich liebe dich, Mimi. Mehr als sonst jemanden. Das musst du mir glauben!“, sagte er einfühlsam und legte ihr eine Hand aufs Bein. „Und ja, ich werde dich irgendwann heiraten, ganz sicher! Nur nicht jetzt. Ich kann das jetzt nicht machen.“ Traurig hob sie den Kopf und sah ihn an. „Warum nicht?“ Sie verstand es nicht. Wenn er sie so sehr liebte, wie er sagte und auch vorhatte, sie irgendwann zu heiraten, warum dann nicht jetzt? Tai fuhr sich gestresst durch die Haare. „Das wollte ich dir die ganze Zeit schon sagen, bevor du… na ja, bevor du mich…“ „Komm auf den Punkt!“, meinte Mimi gereizt. Sie wollte wissen, was der Grund dafür war, dass er sie angeblich nicht heiraten konnte. „Es ist so, dass ich heute mit einen meiner Professoren gesprochen habe. Ich wollte dir noch nichts davon erzählen, um dich nicht verrückt zu machen, falls es dann doch nicht klappt“, begann Tai zu erklären. „Ich habe mich für ein Praktikum in Deutschland beworben und wurde angenommen.“ Sprachlos sah sie ihn an. Das war es, was er ihr vorhin sagen wollte? „Deutschland?“, widerholte sie geistesabwesend, während sie darüber nachdachte, wie viele Kilometer das eigentlich von Japan entfernt war. „Ja. Professor Yamamoto hat ein gutes Wort für mich eingelegt und ich kann nächste Woche anfangen, wenn ich will.“ Mimis Gedanken überschlugen sich, als ihr klar wurde, was das letztendlich für ihre Beziehung bedeuten könnte. „Und… willst du?“, fragte sie vorsichtig, doch kannte die Antwort bereits. „Ja… Ja, ich denke schon. Es ist eine einmalige Gelegenheit und ich möchte später selbst gern als Professor unterrichten. Dieses Praktikum wurde mir wirklich sehr ans Herz gelegt. Ich kann dort sicher viel lernen und ich…“ Doch Mimi hörte ihm nicht mehr zu. Nun war klar, warum Tai sie nicht heiraten konnte. Weil er bald nicht mehr Teil ihres Lebens sein würde. „Mimi, hörst du?“ „Hmm?“ Verwirrt sah sie ihn an. Hätte sie doch nur niemals diese Frage gestellt. „Nur, weil ich gehe, heißt das nicht, dass du mir nicht wichtig bist und dass ich nicht mit dir zusammen sein möchte“, sagte Tai und drückte ihre Hand. Plötzlich sah er sie hoffnungsvoll an. „Was hältst du davon, wenn du einfach mitkommst? Du könntest ein Auslandssemester machen und wir könnten…“ „Nein, das geht nicht“, unterbrach sie ihn schnell. „Ich werde nicht mitkommen, Tai.“ „Aber warum nicht? Was hält dich denn hier? Es wäre ja auch nicht für immer. Höchstens für ein Jahr.“ Mimi schüttelte bedauernd den Kopf. Sie schaffte es nicht, über ihren Schatten zu springen. Er hatte nein gesagt, ohne mit der Wimper zu zucken. Er hatte einfach so entschieden, nach Deutschland zu gehen, ohne sie zu fragen oder miteinzubeziehen. Egal, was sie für ihn empfand – diese Tatsachen konnte sie einfach nicht ignorieren. „Ich habe heute einen Job beim Fernsehen angenommen“, eröffnete sie ihm. Tai stand die Verwirrung ins Gesicht geschrieben. „Wie, Fernsehen? Wie kommst du denn zum Fernsehen?“ Mimi erklärte ihm, dass sie sich bei einer Sendung beworben hatte. Dass sie ihm nichts davon sagen wollte, aus Angst vielleicht doch zu versagen. Und, dass sie widererwartend angeworben wurde, um ihre eigene Show zu bekommen. „Ich werde sozusagen Showköchin“, erklärte sie ihm nüchtern, während Tai aufmerksam zuhörte. Vorhin hätte sie noch Luftsprünge über diese Neuigkeit machen können und jetzt… „Und dein Studium?“ „Das kann ich nebenbei machen. Und wenn nicht, ist das auch egal. Ich will einfach nur kochen.“ „Bist du dir sicher, dass du das willst?“ „Ja!“, lautete die Antwort, über die sie nun nicht mehr lange nachdenken musste. Sie hatte schließlich nichts mehr zu verlieren. „Dann ist es vielleicht gut so, wie es gekommen ist“, sagte Tai plötzlich voller Zuversicht, woraufhin Mimi irritiert aufsah. „Na ja, wir haben beide die Möglichkeit unsere Träume zu verfolgen und das zu tun, was uns wichtig ist. Was nicht heißt, dass ich ohne dich leben möchte.“ Er fuhr ihr mit der Hand durchs Haar und strich ihr eine Strähne zur Seite. Diese kleine Geste jagte ihr eine Gänsehaut über den Rücken. „Ich möchte immer noch, dass du Teil meiner Zukunft bist, Mimi. Auch, wenn uns ganze Kontinente voneinander trennen werden. Ich möchte mit dir zusammen sein.“ Ihr Herz machte einen kleinen Sprung. „Was soll das heißen, Tai? Wie soll das funktionieren?“ Tai rutschte etwas näher an sie heran und legte einen Arm um ihre Taille. „Ich denke, wenn es jemand schaffen kann, dann wir. Ich liebe dich, Mimi! Und nur, weil wir uns auf unsere Kariere konzentrieren und uns nicht mehr jeden Tag sehen, heißt das nicht, dass wir nicht füreinander bestimmt sind. Mein Herz wird immer dir gehören. Egal, wo ich bin.“ Er sah ihr tief in die Augen und Mimi konnte erkennen, dass er es ernst meinte. Seine Gefühle ihr gegenüber waren aufrichtig. Auch, wenn er sie jetzt noch nicht heiraten wollte. Mimi nickte und Tai gab ihr einen Kuss auf den Mund. „Manchmal muss man getrennte Wege gehen, um zueinander zu finden.“ „Ein Jahr ist eine lange Zeit, Tai“, gab die Brünette zu bedenken. Doch ihr Herz konnte und wollte ihn einfach nicht gehen lassen und es wusste ganz genau, was es wollte. Auch, wenn es das heute noch nicht haben konnte. Schließlich huschte ihr ein kleines Lächeln über die Lippen. „Aber ich denke, wir können es schaffen.“ Tai hatte recht. Sie waren füreinander bestimmt. Und was war schon ein Jahr, im Vergleich zum restlichen Leben? Es würde sicher nicht ganz einfach werden. Aber, wenn es jemand schaffen konnte, dann sie. Und vielleicht stimmte es, was Tai sagte. Vielleicht war es für diesen Moment einfach wichtiger, dass jeder sich auf seine Ziele konzentrieren konnte. Seine Träume zu leben, um irgendwann einen gemeinsamen Traum leben zu können. „Ich bin so froh, dass du das sagst“, sagte Tai und gab ihr einen innigen Kuss auf die Lippen. „Ich verspreche, ich werde jede deiner Sendungen gucken!“ „Und ich verspreche dir, dass ich dich bis zu deinem Abflug nicht mehr aus dem Bett lasse“, grinste Mimi und warf ihm einen eindeutigen Blick zu. Tai schmunzelte, nahm ihr Gesicht in beide Hände und zog sie an sich, um ihr einen leidenschaftlichen Kuss auf die Lippen zu legen. Ohne Vorwarnung nahm er sie in seine Arme und hob sie hoch, um sie ins Schlafzimmer zu tragen. „Ich liebe dich, Mimi.“ „Und ich liebe dich“, sagte die Brünette. Sie liebte Tai so sehr, dass es unglaublich weh tun würde, ihn gehen zu lassen. Doch sie hatte keine andere Wahl, wenn sie irgendwann eine gemeinsame Zukunft mit ihm wollte. Denn was sie für die Zukunft wollte, das wusste sie. Doch was ihr Herz jetzt wollte, wurde an diesem Abend zurückgelassen. Es lag auf dem Teppich im Wohnzimmer. Zurückgelassen – doch nicht für immer vergessen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)