FallSchirm von Swanlady (fallen & aufgefangen werden | Wichtelgeschichte) ================================================================================ LichteinFall ------------ Müde Augen legten sich auf die zwanzig Gesichter, neunzehn davon sichtbar, auf denen sich die unterschiedlichsten Regungen abzeichneten. Manche wirkten zufrieden und selbstsicher, andere waren besorgt und nachdenklich. „Bevor ich die Ergebnisse verkünde, möchte ich mich bei den Profihelden bedanken, die uns heute assistiert haben“, leierte Aizawa monoton herunter. Neben ihm hatten sich die Helden aufgereiht, gegen die seine Klasse an diesem Tag gekämpft hatte. Jeder von ihnen besaß eine Fähigkeit, die mit Wettermanipulation zusammenhing und es somit einfacher gemacht hatte, die Schüler ein wenig hinters Licht zu führen. Ihnen war mit voller Absicht nur die – zum Teil falsche – Identität von Stormmaker preisgegeben worden, dessen wahrer Heldenname Drop war. „Ihr habt eure Aufgabe gut gemacht. Fast alle haben es geschafft, den Schurken die Handschellen anzulegen“, fuhr Aizawa fort. „Alle, die dies fertiggebracht haben, haben die Prüfung bestanden.“ Ein erleichtertes Raunen ging durch die Reihe und ein paar der Schüler jubelten ausgelassen. Aus den Augenwinkeln sah Aizawa genau, dass zwei seiner Schützlinge beklemmt zu Boden sahen und einer von ihnen vor Wut vibrierte, sodass er einem menschlichen Presslufthammer glich. Er kannte seine Rasselbande gut genug, um sich davon nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. „Herzlichen Glückwunsch. Uraraka, Bakugou, Iida – zu mir.“ Er winkte die drei Schüler, die ihm während dieser Prüfung die meisten Kopfschmerzen bereitet hatten, zu sich. Als sich alle in Bewegung setzten, tat es auch Todoroki. Dieser blieb jedoch auf halbem Weg wieder stehen und folgte seinem heutigen Partner lediglich mit dem Blick. Todoroki war nicht dumm, er musste verstanden haben, dass er nichts für Iida tun konnte. Aizawa senkte die Stimme, als sich die drei gerufenen Schüler zu ihm gesellt hatten. Das, was er ihnen zu sagen hatte, ging nur die Betroffenen etwas an. „Du hast ebenfalls bestanden, Iida“, fing er mit der guten Nachricht an. „Aber ich muss dich darauf aufmerksam machen, dass dein Verhalten äußerst unverantwortlich war.“ Iida knirschte mit den Zähnen, nahm die Kritik jedoch kommentarlos entgegen. „Wenn du in Zukunft ähnliche Kunststücke vollführen willst, dann…“ Die dramatische Pause, die Aizawa einlegte, war keine Absicht, er nahm sich lediglich die Zeit, Iida eindringlich zu mustern. „… solltest du dafür sorgen, dass Todoroki immer in deiner Nähe ist. Ihr seid ein gutes Team. Das ist alles.“ Ungeduldig verscheuchte Aizawa Iida mit einer Handgeste, als dieser ihn zu lange mit großen Augen anstarrte. „J-jawohl! Verstanden, Aizawa-sensei! Vielen Dank!“, japste Iida und wandte sich ab. Er kehrte zu seinen Freunden zurück, weitaus enthusiastischer als noch vor wenigen Minuten. Er hatte Mut geschöpft. „Nun zu euch“, wandte sich Aizawa an Bakugou und Uraraka. „Eure Aufgabe war eindeutig: Legt dem Schurken die Handschellen an. Stattdessen habt ihr euch auf etwas völlig anderes konzentriert.“ Ein müdes Seufzen entwich dem Lehrer der 3-A. „Uraraka, du hast Bakugou eine Chance gegeben, die Menschen aus dem Gebäude zu evakuieren, während du den Bösewicht abgelenkt hast“, fasste er zusammen. „Und du, Bakugou, hast die Sicherheit deiner Teamkameradin über die Mission gestellt.“ Während Aizawa den beiden die Gelegenheit gab, seine Worte zu verdauen, suchte er Blickkontakt zu seiner Kollegin vom Fach. Mit einem Nicken gab er ihr ein Zeichen. Uraraka und Bakugou sahen auf, als Snowflake sich zu ihnen gesellte. Ihre geschminkten Lippen waren zu einem verschmitzten Lächeln verzogen, als sie den beiden ihre Handgelenke entgegenstreckte. „Na, macht schon“, forderte sie schmunzelnd. Uraraka verstand schneller als Bakugou, dessen Stirn in Falten gelegt war, während ihre Augen bereits zu leuchten begangen hatten. Hastig griff sie nach den Handschellen an ihrer Hüfte und legte sie Snowflake an. „Ihr habt es geschafft, dem Schurken die Handschellen anzulegen“, sagte Aizawa matt. „Herzlichen Glückwunsch, ihr habt auch bestanden.“ Zufrieden und durchaus gerührt, wischte sich Uraraka mit dem Handrücken über die Augen. „Heul nicht rum!“, knurrte Bakugou. „Sag bloß, du gibst dich mit diesem Ergebnis zufrieden?!“ Im ersten Moment wusste Uraraka nicht, was er meinte, doch schnell wurde klar, dass Bakugou sich mit der Art und Weise, wie sie die Prüfung bestanden hatten, nicht zufriedengab. „Das tue ich“, antwortete sie mit fester Stimme. „Natürlich weiß ich, dass vieles schief gelaufen ist, aber… aber –“ Sie rang nach Worten. „Bakugou-kun! Wir haben es geschafft. Wir haben es geschafft, trotz unserer Schwächen! Weil wir uns ergänzt haben.“ Empört baute sich Bakugou vor ihr auf. Doch das Strahlen auf Urarakas Gesicht traf ihn unvorbereitet, sodass er lediglich stutzte und nicht erneut in Rage verfiel. „Ich hab dir doch gesagt, dass du nicht vollkommen nutzlos bist“, brummte er endlose Sekunden später. „Also hör auf wie ein Honigkuchenpferd zu grinsen.“ Uraraka gluckste, was ihn nur noch mehr aus der Bahn warf. „Wie hast du es eigentlich geschafft, die Menschen aus dem Einkaufszentrum zu bekommen?“, erinnerte sie sich an die Frage, die sie ihm hatte stellen wollen. Es war eine belanglose Information, doch sie interessierte Uraraka trotzdem. „Das spielt doch jetzt keine Rolle!“ Bakugou war nicht gewillt, sie mit ihr zu teilen. Er drehte sich um und ließ Uraraka und die zwei Profihelden stehen. Verwirrt sah Uraraka zu ihrem Lehrer hinauf. „Ich würde es dir ja verraten“, sagte er seufzend, „aber dann könnte ich weder deine, noch meine Sicherheit garantieren.“ „He, Eraserhead“, mischte sich Snowflake ein. „Wer hat die Schlüssel?“ Demonstrativ hielt sie ihm ihre Handgelenke vor die Nase, doch Aizawa ignorierte sie und wandte sich ab. Aus den Augenwinkeln beobachtete er, wie sich die Profilhelden an die frischgebackenen Helden wandten. „Auch wir möchten euch gratulieren!“, rief Drop und seine Kollegen applaudierten. Drei von ihnen traten vor. Endlose Sekunden lang konzentrierten sie sich, dann deutete Drop in den Himmel, der sich veränderte. „Oooh!“, staunten Yaoyorozu und Uraraka. Ein rot-grünes Licht zog sich wie eine schwappende Welle über den nun wolkenlosen Himmel. Fasziniert beobachteten alle Anwesenden das atemberaubende Farbenspiel, das ihnen geschenkt wurde. Das plötzliche Stechen in seiner Brust kam überraschend. Aizawa war kein Mann der Sentimentalitäten, weshalb er vermutete, dass er einfach nur müde war. Er sollte sich in seinen Schlafsack zurückziehen. Es gab nichts mehr, das er dieser Klasse beibringen konnte. Seine Aufgabe war zu Ende. Den Rest konnte er getrost dem Klassensprecher überlassen. Dieser beobachtete das Lichterspiel am Himmel mit derselben Wehmut, die auch viele seiner Freunde gepackt hatte. An den Gesichtsausdrücken von Midoriya, Yaoyorozu und Kirishima erkannte er problemlos, dass das Gewicht dieses Tages zu ihnen durchgedrungen war. „Todoroki-kun“, begann er leise, denn nun, da er sich sicher sein konnte, dass alle bestanden hatten, konnte er auch seine Neugier stillen. „Du hast versucht im Regen deine Feuerseite zu benutzen. Wieso?“ Zuerst erhielt Iida auf seine Frage hin nur eisernes Schweigen, doch dann regte Todoroki sich. „Es war das letzte Mal, dass ich sie während meiner Ausbildung einsetzten konnte“, gestand er schließlich. „Dass die Umstände mich davon abgehalten haben, halte ich für Ironie.“ „Ich verstehe ein wenig, was du meinst“, erwiderte Iida. „Aber es endet heute nicht. Wir fangen gerade erst an.“ In Todorokis Augen funkelte die bunte Spiegelung des polarlichtähnlichen Schauspiels, als er nickte. Mit einem sanften Gesichtsausdruck blickte er in die Ferne, als wäre die Hauptstraße eine endlose Laufbahn, die sie nur betreten mussten. Einen Wimpernschlag lang spürte Iida Todorokis rechte Hand auf seinem Rücken. Überraschenderweise war sie warm. „Iida-kun“, sprach Uraraka ihn diskret an und lächelte. „Wolltest du nicht etwas sagen?“ Köpfe drehten sich nach ihm um. Natürlich. Er hatte es ihnen versprochen. Iida nickte, doch er nahm sich die Zeit, jedem einzelnen seiner Freunde einen dankbaren Blick zu schenken. „Es war mir eine Ehre“, sagte er steif, was gewiss nicht die Rede war, die alle erwartet hatten, aber mehr Worte waren nicht nötig. Drei Jahre lang waren sie durch dick und dünn gegangen – dies würde ihnen niemand mehr nehmen können. Als Iidas Blick schließlich an Todoroki hängenblieb, verzogen sich seine Lippen zu einem schmalen Lächeln. „Mehr als das.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)