Soulmate von Livera ================================================================================ Kapitel 3: Gute Bauchgefühle ---------------------------- Kapitel 3: Gute Bauchgefühle Valerie „Du sollst den Tag nicht vor dem Abend loben“, heißt es, doch kein Abend dieser Welt konnte mich davon überzeugen, dass dieser Tag etwas Anderes war als ein Scheißtag. Und dabei war es noch nicht mal Mittag. Nicht nur, dass ich heute wahrscheinlich erneut einen super miesen Eindruck bei meinem neuen Partner hinterlassen haben musste, indem ich meiner seelischen Unordnung im Wohnzimmer Ausdruck verliehen hatte. Nein, ich hatte auch noch verschlafen. So durfte ich früh am Morgen unter der brennenden Wüstensonne einen Sprint zur Schule hinlegen. Und weil das Leben scheiße war, lag meine Wasserflasche noch zu Hause im Kühlschrank. Und Frühstück musste ja auch ausfallen. Ich war am Krepieren. Die Frau, die einen beträchtlichen Teil zu meiner Situation beigetragen hatte, hieß Madam Mardröm. Sie kam ursprünglich vom schwedischen Militär, trainierte nun aber an der Shibusen Rekruten für das FBI. Es ist keine wirkliche Ausbildung, aber sie schrieb Berichte, die quasi Eintrittskarten zu jedem Police Department waren. Und genau da wollte ich hin. Wenn schon nicht in die EAT, dann zur Polizei. „Fynker! Du bist zu langsam!“ Ich hörte ihren Ruf kaum, das Rauschen des Blutes in meinen Ohren machte mich taub. Da wir heute nicht den gesamten Vormittag den Sportplatz nutzen konnten, gab es nur eine Aufgabe: Laufen. Laufen und laufen und laufen. Quasi bis zum Umfallen. Wenn diese Folter nicht gegen irgendeine Schulordnung verstieß, dann sicher gegen das Jugendschutzgesetz. Aber davon wollte Madam Mardröm nichts wissen. Sie pflegte stets den Grundsatz Der Zweck heiligt die Mittel. Welcher Zweck allerdings dahinter stand, uns Runde um Runde über den Platz zu hetzen, stand in den Sternen. Oder in diesem Fall in dem wolkenlosen, aufgeheizten Himmel über Nevada. Meine Beine brannten, meine Haut und meine Lunge ebenso. Es war, als würde ich in Flammen stehen. Das Feuer stahl mir die Energie und den Atem und mit jedem Schritt, den ich tat, schnürte es meine Kehle mehr und mehr zu. Ich war am Krepieren. Das klang irgendwie zu harmlos. Im Augenwinkel sah ich, wie sich eine Gruppe, angeführt von Nygus und Doktor Stein, näherte. Das mussten die Neuen sein, die gerade eingeschult wurden. Das bedeutete, dass wir den Sportplatz räumen mussten. Euphorie und noch irgendwas Anderes erfassten mich und gaben mir Kraft, als Madam Mardröm die letzte Runde ankündigte. Erstaunlich viel Kraft sogar. Als hätte mich jemand an eine Ladestation angeschlossen, wurden meine Füße leichter, das Gewicht in meiner Brust löste sich auf und ich segelte dahin. Wind verfing sich in meinen Haaren und kühlte meine sonnenverbrannten Schultern. Ich sah noch, wie ich Raphael, den ausdauerndsten und schnellsten Läufer überholte, dann überquerte ich die Startlinie und ließ mich austrudeln. Der Anflug von Energie verschwand so schnell, wie er gekommen war. Erschöpft ließ ich mich auf die rote Kunststoffbahn fallen. „Beeindruckender Endspurt.“ Ich erkannte Doktor Stein nur an seiner Stimme. Alles schien ineinander zu verlaufen wie in einem bunten Farbtopf. „Ja“, keuchte ich nach einigen Augenblicken, als die Welt allmählich wieder klarer wurde. „Keine Ahnung, wo das herkam.“ Der Lehrer hockte sich zu mir auf den Boden, machte ein nachdenkliches Geräusch und sah zu den Ersties. Nygus stellte ihnen gerade Madam Mardröm vor. Mir graute, dass dem Shinigami wohl der Gedanke gekommen war, sie als richtige Sportlehrerin einzustellen. Gott bewahre uns. Falls ein Gott etwas gegen die Entscheidungen eines anderen tun konnte. „Weißt du, was Spirit neulich gesagt hat?“ Stein zog langsam eine Zigarette aus den Tiefen seines Kittels, zündete sie an und nahm einen tiefen Zug. Seine Stimme klang fast theatralisch, so bedeutungsschwanger erschien ihm wohl das Zitat. „Auf einen schiefen Topf passt ein schiefer Deckel.“ Ein schiefer Topf? Na super. Langsam setzte ich mich auf. Er beobachtete immer noch die Gruppe, also tat ich es ihm gleich. „Ich wäre lieber eine Tupperdose“, gab ich argwöhnisch zurück. „So eine zum Aufklappen.“ Mein Gegenüber lachte ein kurzes Raucherlachen. „Aber wie wahrscheinlich ist es, dafür einen Deckel zu finden?“ Ächzend richtete er sich wieder auf und trottete zu seinen Schülern zurück. Über die Schulter hinweg rief er noch: „Ach ja! Ich glaube, dein Partner hat an dich gedacht.“ Hm? Mein Partner hatte an mich gedacht? Welcher Partner? Ach so, der. Ich suchte die Menge nach Adrian ab. Als ich ihn fand, begegneten sich unsere Blicke. Er deutete erst mit dem Zeigefinger auf mich und strich dann mit der flachen Hand über seinen Bauch. Wie auf Kommando knurrte mein Magen. Unauffällig ging er zu der Stelle, an der die Anderen ihre Getränke auf den Boden geworfen hatten. Aus seinem Beutel kramte er meine eigene Wasserflasche, die ich in der Hektik heute Morgen im Kühlschrank vergessen hatte, und eine Brotbüchse heraus und legte beides ab, bevor er sich zu seiner Gruppe zurück schlich. Etwas, ich wusste nicht was, regte sich in mir. Nur ein winziges bisschen. Eigentlich kaum. Vielleicht bildete ich es mir in meinem Hunger und Durst auch einfach nur ein. Ja, bestimmt war es nur Einbildung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)