Zukunftsaussichten von Kerstin-san ================================================================================ Kapitel 1: Zukunftsaussichten ----------------------------- Quietschend schließt sich die Tür der TARDIS hinter River Song und der Doctor atmet tief durch. Die Katastrophe scheint gerade noch einmal abgewendet. Mit zwei misstrauischen Rivers in der selben TARDIS kommt er ja noch zurecht, aber dann noch eine dritte? Was ist heute Nacht nur los?   Wie aufs Stichwort eilt River Nummer zwei hinter ihm die Treppenstufen hinunter. „Mit wem redest du?“, fragt sie empört und sichtlich verstimmt. „Mit dir“, entgegnet er entschieden und geht entschlossen auf sie zu, ehe sie richtig in Fahrt kommen kann. „Ich rede mit dir. Zurück nach Stormcage, Doktor Song.“ Er zückt seinen Schallschraubenzieher und richtet ihn auf Rivers Vortex-Manipulator an ihrem Handgelenk, was ihr gar nicht zu gefallen scheint. „Oh, dann bring mich doch wenigstens hin“, bittet sie. „Du weißt genau, was das mit meinen Haaren anrichtet.“ Kurz blickt der Doctor auf und studiert Rivers ungebändigte Lockenpracht, die ihr Gesicht einrahmt. „Die sehen immer so aus“, murmelt er kurz angebunden, während er nach der richtigen Einstellung des Schallschraubenziehers sucht. Geschlagen seufzt River auf, bevor sie in einem hellen Lichtblitz verschwindet.   Fast im Gegenzug öffnet sich erneut die Tür seiner Zeitmaschine und River Nummer drei stapft wieder herein. „Mit dem Licht ist alles in Ordnung“, sagt sie verwundert. „Ich weiß gar nicht, was du-“, setzt sie an, wird aber von einem lauten „Nein, River!“ unterbrochen, das von draußen erklingt. Der Kopf des Doctors ruckt alarmiert nach oben. „Falsche TARDIS“, tönt es, während ein Mann in schwarzem Anzug und Zylinder herein stürmt. „Ich hab hinten geparkt“. Der Doctor deutet grinsend auf seinen Gegenüber, der im Gegenzug freundlich zurück lächelt. „Jüngere Version“, erklärt der Mann im dunklen Anzug der überraschten River, die gerade scharf die Luft einsaugt. „Zwei von euch“, haucht sie atemlos, ehe sie einen prüfenden Blick über ihn gleiten lässt. „Da kommt man auf Ideen...“, setzt sie fasziniert hinter her, während der andere Doctor sie sanft am Arm packt, um sie aus der TARDIS herauszumanövrieren. „Komm schon, wir werden uns verspäten“, mahnt er und River lächelt den jüngeren Doctor freudig an. „Er bringt mich zu den Singenden Türmen von Darillium“, sagt sie begeistert und strahlt ihn freudig an, bevor sie sich abwendet und nach draußen geht. „Das verspricht er mir schon seit Jahren“, ruft sie euphorisch im Weggehen. Der regelmäßige Rhythmus seiner beiden Herzen gerät kurz ins Stocken, als der Time Lord Rivers Worte verarbeitet und das Lächeln verschwindet langsam von seinem Gesicht und wird durch puren Unglauben ersetzt. Die Singenden Türme von Darillium. Nein. Das kann nicht sein!   Entgeistert blickt er zu seinem älteren Ich, das ihn etwas gequält und auch besorgt ansieht. Die ausgelassene Stimmung ist verflogen, während sich langsam ein unangenehmes Schweigen zwischen den beiden Time Lords ausbreitet. „Als wir sie das erste Mal in der Bibliothek trafen“, beginnt er zögerlich. „Als sie-“, schluckend bricht er ab, aber sein älteres Ich hat auch so verstanden. „Starb. Ja.“, vollendet er an seiner Stelle den Satz und wirkt auf einmal sehr reserviert. „Sie sagte, dass das letzte Mal, als sie uns gesehen hatte, auf Darillium war. Ist das jetzt?“, fragt er drängend, doch sein älteres Ich bleibt ihm eine klare Antwort schuldig. „Spoiler“, sagt er nur mechanisch und dieses eine Wort langt, um den jüngeren Time Lord schlucken zu lassen. Es ist schon eine ganze Weile her, dass jemand dieses Wort zu ihm gesagt hat und bisher ist es immer River gewesen, die es ausgesprochen hat. Mittlerweile ist er daran gewöhnt, dass er der Ältere ist und dass er River mit diesem Wort einbremsen muss. Wenn sein älteres Ich also zu diesem Wort greift... „Viel Glück für heute Nacht“, sagt sein Gegenüber und unterbricht damit sein Gedankenkarussell. Er nickt nur mechanisch. „Dir auch“, bringt er irgendwie hervor und hat das Gefühl, dass es mehr ein Krächzen ist, das seinen Mund verlässt. „Ja“, murmelt der nur und verzieht seine Mundwinkel zu einem sehr unüberzeugendem Lächeln. Der Ältere wendet sich gerade zum Gehen, als River Nummer eins, mit mehreren Kleidern auf dem Arm, aus den Tiefen der TARDIS hervorkommt und verdutzt mit ansieht, wie die ältere Version des Doctors nach draußen tritt. „Da sind ja zwei von euch!“, ruft sie erstaunt und sieht genauso begeistert aus, wie kurz zuvor die ältere River. „Da kommt man auf Ideen...“, sagt sie nachdenklich und mit dem gewissen, neckischen Unterton, den sie ihm gegenüber öfter anschlägt. „In Ordnung, komm her, lass uns gehen, um die Sterne zu sehen“, versucht er sie abzulenken und greift nach all den Kleidern, die sie noch immer festhält. „Aber ich hab mich noch gar nicht umgezogen“, protestiert sie sofort, was ihn dazu bringt, sie zärtlich anzulächeln. „Du wirst dich niemals verändern, River. Niemals.“ Misstrauisch sieht sie ihn an. „Was wollte dein anderes Ich hier?“, fragt sie mit zusammengekniffenen Augen und er kann förmlich sehen, wie sich die Rädchen in ihrem Kopf in Bewegung gesetzt haben, um zu verstehen, was sie verpasst hat. „Entschuldige, das kann ich dir nicht sagen“, wiegelt er sofort ab. „Was für ein Wort benutzt du immer?“, grübelt sie und er muss schmunzeln. „Spoiler“, sagt er zärtlich. „Ich mag das Wort“, flüstert sie ihm verschwörerisch zu. „Das dachte ich mir“, sagt er heiter und beobachtet wie River ihn freudig anstrahlt. „Oh Doctor“, seufzt sie theatralisch. „Du und deine Geheimnisse. Du wirst noch mein Tod sein.“ Und mit diesen Worten und einem weiteren Lächeln, schiebt sie sich an ihm vorbei, während er gequält die Augen schließt und vehement gegen den Kloß, der in seiner Kehle zu stecken scheint und der sich nicht hinunter schlucken lässt, ankämpft.   Mit zitternden Händen tritt er auf die Steuerkonsole zu, ehe er abwesend die Zielkoordinaten eintippt. Die Vorstellung, dass er es ist, in diesem Körper, der River zu den Singenden Türmen begleiten wird, ist unerträglich. Müde fährt sich der Time Lord über die Augen, bevor er sich mit dem Rücken gegen die Konsole seiner Zeitmaschine lehnt, sein Kinn auf seinem Handrücken abstützt und gedankenverloren ins Leere starrt. Natürlich hat er darüber nachgedacht, sich dem Willen des Universums zu widersetzen. Einfach nie mit River dorthin zu reisen. Er könnte versuchen, die Zeit neu zu schreiben, aber er weiß, dass das unmöglich ist. Das hier ist ein Fixpunkt. Von dem Moment an, als er ihr in der Bibliothek zum ersten Mal begegnet ist und gesehen hat, wie sie dort gestorben ist, weiß er, dass das hier unausweichlich ist. Er wird mit River zu den Singenden Türmen von Darillium reisen, dann wird sie in der Bibliothek sterben und sein anderes Ich wird hilflos dabei zusehen müssen. Und er ist verdammt dazu, irgendwann die Entscheidung zu treffen, die unausweichlich zu Rivers Tod führen wird. Er kann es nicht ändern. Er erinnert sich nur zu gut an seinen letzten Versuch in seinem vorherigen Körper, als er die Zeit umschreiben wollte. Er erinnert sich an seine immense Wut, an seinen kurzzeitigen Triumph und an das schreckliche Desaster, das auf dem Fuße folgte. Er hat daraus gelernt. Nicht, dass es das irgendwie einfacher macht. Wie viel Zeit ihm wohl noch bleibt, bis er an der Stelle seines älteren Ichs ist und diese Entscheidung trifft? Wie oft er wohl kurz vor der entscheidenden Reise abbricht, weil er River noch nicht gehen lassen kann?   Das Schlimmste ist Rives Ahnungslosigkeit. Er denkt an ihre Vorfreude und Euphorie zurück. Sie wollte die Singenden Türme unbedingt sehen. „Darillium“, seufzt er auf und schüttelt gequält seinen Kopf. „Was ist das?“, ertönt auf einmal Rivers Stimme hinter ihm und der Doctor kann nur mühsam ein Zusammenzucken verhindern. Er hat sie nicht kommen hören. „Was ist was?“, will er ahnungslos wissen und dreht sich fragend zu ihr herum. Sein Atem stockt kurz, als er sie ansieht. „Du siehst wunderschön aus“, murmelt er und River lächelt ihn zufrieden an. „Hatte noch eins in meinem Zimmer“, sagt sie achselzuckend. „Für besondere Anlässe“, neckt sie ihn und sein Blick wandert ein weiteres Mal bewundernd über ihr blaues Kleid, dessen Ausschnitt seine Aufmerksamkeit vielleicht etwas zu lange fesselt, denn als er seinen Blick wieder zu Rivers Gesicht gleiten lässt, lächelt sie ihn verführerisch und wissend zugleich an. „Na na na“, schnalzt sie tadelnd, aber es liegt keine Schärfe darin. Verlegen räuspert er sich und spürt, wie das Blut in seine Wangen steigt. „Ähm, was meintest du noch gleich?“, lenkt er ab und hofft, dass River die Angelegenheit auf sich beruhen lässt. Zu seiner Erleichterung schenkt sie ihm nur einen amüsierten Blick und tritt dichter neben ihm, um einen Blick auf die Koordinaten zu werden. „Dieser Wort, das du gesagt hast. Darillium?“, setzt sie fragend nach und sieht ihn neugierig an, während der Doctor sich innerlich gegen den Kopf schlägt und fieberhaft und mit wild pochendem Herzen überlegt, was er darauf antworten soll. Dummer Doctor, der er ist! „Ist das der Ort, an dem wir die Sterne beobachten werden? Fliegen wir doch nicht nach Calderon Beta?“, hakt sie nach und der Doctor wirbelt energisch zu ihr herum. „Auf keinen Fall!“, stößt er erregt hervor und seine harsche Reaktion veranlasst River dazu, fragend ihre Augenbrauen hochzuziehen. „Was ist los?“, will sie skeptisch wissen, während sie ihre Arme verschränkt und der Doctor mahnt sich selbst zur Ruhe. Jetzt nur nichts falsches tun, um Rivers Misstrauen nicht noch weiter anzufachen. „Darillium ist ein wirklich langweiliger Planet“, wiegelt er ab. „Da gibt es praktisch nichts, außer ein paar alten Steinen, viel Staub und...“ In dem Moment wird ihm bewusst, dass er vor nicht einmal einer Viertelstunde Calderon Beta als genauso langweiligen Planeten, wie gerade Darillium beschrieben hat, zu dem sie jetzt nur unterwegs sind, weil es dort einen speziellen Baum gibt, von dem man eine wirklich spektakuläre Aussicht hat. „Und?“ Rivers elegant nach oben gezogenen Augenbraue lenkt ihn für einen klitzekleinen Moment ab. „Ein Restaurant“, entschlüpft es ihm wider Willen. „Nur ein ödes Restaurant. (Lüge) Kein Vergleich zu der Aussicht von Calderon Beta. (Lüge) Welcher übrigens nach wie vor der Ort ist, an dem wir die Sterne beobachten werden.“ „Hmm“, macht River nur und beäugt ihn weiter skeptisch. „Und warum gibt es auf einem Planeten, der nur aus Staub und Steinen besteht, ein Restaurant?“ Der Doctor zuckt nichtssagend mit den Achseln, was River nur noch mehr anzuspornen scheint. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es auf einem so langweiligen Planeten, von dem sogar du gehört hast, nur ein ödes Restaurant geben soll“, schlussfolgert sie messerscharf und der Doctor verflucht sich innerlich für seinen Fehler. River ist auf der richtigen Spur und wenn er eins gelernt hat, dann ist es, niemals Rivers Hartnäckigkeit zu unterschätzen. „Keine Sehenswürdigkeiten?“, hakt sie unschuldig nach. „Was heißt schon Sehenswürdigkeiten?“, grummelt er verstimmt. „Manche Leute finden alte Steintürme vielleicht sehenswert, aber wenn einem der ganze Kosmos zur Verfügung steht, wäre das nicht gerade meine erste Wahl.“ Keine direkte Lüge. Genau genommen handelt es sich bei den Singenden Türmen von Darillium ja um Steinmonolithe und dass dieser Planet definitiv nicht sein favorisiertes Reiseziel ist, steht außer Frage. „Das Auge des Orion verdient es allerdings als Sehenswürdigkeit bezeichnet zu werden. Hab ich dir je davon erzählt?“, fragt er begeistert. „Dieses Farbspiel, die friedvolle Atmosphäre, das ist eine Reise wert.“ Er stockt kurz, als er Rivers nachsichtiges Lächeln bemerkt, mit dem sie ihn ansieht. „Was?“, fragt er daher irritiert und etwas aus dem Konzept gebracht, während er seine Hände, die bis gerade eben noch wild durch die Luft gefuchtelt haben, wieder sinken lässt. Statt ihm eine Antwort zu geben, haucht River ihm nur einen Kuss auf die Wange. „Wofür war das denn?“, fragt er verwundert, während er glaubt, den Druck ihrer Lippen noch immer spüren zu können, aber River blickt ihn nur weich an. „Einfach so“, erklärt sie mit funkelnden Augen und der Doctor spürt, wie sich eine angenehme Wärme in ihm ausbreitet. River ist noch so jung. Sie sprüht vor Leben und Tatendrang und hält sich mit ihren Emotionen und Gesten der Zuneigung nicht so sehr zurück, wie die River, die er zuerst kennen gelernt hat. Bei dem Gedanken, was wohl dazu geführt hat, dass sie sich ihm später wieder verschließen wird, scheint sich ein schweres Gewicht in seinem Brustkorb einzunisten. Ohne Zweifel wird es seine Schuld sein. Er wird irgendetwas tun oder vielleicht auch nicht tun, das dazu führen wird, dass sie ihm wieder zu entgleiten droht. Besser also, er denkt nicht zu intensiv darüber nach. „Und weil du wirklich süß bist, wenn du versuchst, von einem Thema abzulenken, über das du nicht reden willst“, setzt seine Begleiterin dann allerdings nach und der Doctor fühlt sich, als hätte ihm gerade jemand einen Kübel voll eiskalten Wasser übergekippt. „Ich bin nicht- Ich habe nicht-“, stammelt er seltsam überfordert, während River nur die Augen verdreht. „Du hast“, sagt sie entschieden, ehe sie sich nachdenklich auf die Unterlippe beißt. „Ich frage mich wirklich, was du zu verheimlichen versuchst“, bohrt sie hartnäckig weiter und zieht einen Schmollmund. Der Doctor unterdrückt nur mühsam ein gequältes Stöhnen. Das ist nicht fair! Was hat er dem Universum eigentlich angetan, dass es sich so gegen ihn verschworen hat? Nicht nur, dass er River in ihren Tod schicken wird, jetzt ist auch noch ausgerechnet er es, der ihr Interesse an Darillium überhaupt erst geweckt hat. „Ist eine Überraschung“, erklärt er schließlich kurz angebunden und das lässt River aufhorchen. Ihre katzengleichen Augen funkeln ihn neugierig an. „Oh, eine Überraschung? Dann hoffe ich, dass es eine gute wird“, tastet sie sich weiter vor und der Doctor versucht sich an einem knappen und nichtssagendem Lächeln. Sie stöhnt auf. „Na gut“, seufzt sie ergeben. „Du hast gewonnen.“ Mahnend hebt sie ihren Finger und tippt ihm dann sanft auf die Brust. „Für den Moment jedenfalls. Glaub bloß nicht, dass ich nicht wieder darauf zurückkommen werde.“ Sie beugt sich näher zu ihm und lässt ihre Lippen langsam in Richtung seines Ohres wandern. „Du weißt ja, ich kann sehr hartnäckig sein“, raunt sie ihm verführerisch entgegen, was seinen Puls aus zwei ganz unterschiedlichen Gründen in ungeahnte Höhen treibt. Er kann fühlen, wie ihm das Blut erneut in die Wangen steigt und Rivers glockenklarem Lachen zu Folge, ist seine Reaktion auch ihr nicht entgangen.   Zum Glück materialisiert die TARDIS in diesem Moment und der Doctor räuspert sich kurz und fährt sich fahrig über den Nacken, bevor er einladend seinen Arm ausstreckt, um River unterzuhaken. „Wollen wir?“, fragt er etwas heiser und Rivers keckes Lächeln und das vorfreudige Glitzern in ihren Augen ist ihm Antwort genug, als er Seite an Seite mit ihr vor die Tür seiner Zeitreisemaschine tritt und von salziger Meeresluft begrüßt wird. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)