Oscar mon amour von Engelchen ================================================================================ Kapitel 3: Ehrlichkeit ---------------------- Schnell hatte sich Bastian wieder gefasst. Zwar dröhnte ihm anständig der Kopf, doch war der Schlag nicht heftig genug gewesen um ihn zu Boden gehen zu lassen. Mit beiden Händen die schmerzende Stelle auf seinem Kopf abdeckend, wandte er sich augenblicklich um, damit er feststellen konnte woher der Angriff gekommen war. Doch kaum hatte er sich umgedreht blieb er wie erstarrt stehen. Aurelian hielt ihm eine Pistole direkt an die Stirn. Instinktiv hob Bastian beide Hände. In der Schankstube herrschte eine Stille die zum Ergreifen war. Niemand der Anwesenden rührte sich, selbst deren Atem wirkte plötzlich wie eingefroren. Niemand hatte damit gerechnet das der ruhige, schlicht gekleidete Fremde, der so einsam auf seinem Hocker saß, plötzlich eine Waffe aus seinem Gehrock hervorziehen würde, Bastian, dem schlimmsten Säufer des Stadtviertels zuerst den Pistolenkolben über den Schädel ziehen und ihn anschließend derartig bedrohen würde. Mühsam hatte sich nun auch der Wirt nach oben gerappelt. Offensichtlich hatte Bastian einen Treffer gelandet, denn das Auge des Wirtes begann bereits zuzuschwellen. Seinen Sohn hatte es nicht so stark getroffen. Er war lediglich mit einer aufgeschlagenen Lippe davon gekommen, aus der stetig das Blut über sein weißes Hemd sickerte. Auf den Gedanken die Blutung zu stillen war er noch nicht gekommen, viel zu gebannt starrte wie alle anderen auf die Szene die sich vor seinen Augen abspielte. Bastians Beine begannen leicht zu zittern, ob vor Angst oder wegen seines übermäßigen Alkoholkonsums, und leichter Schweiß war auf seiner Stirn zu erkennen. Aurelians Stimme riss alle anderen aus ihrer Erstarrung. „Du wirst jetzt genau das machen was ich dir sage. Du gehst zur Türe und verlässt diesmal auf dem schnellsten Wege dieses Gasthaus. Wenn du irgendwelche Spielchen versuchst oder gar noch einmal handgreiflich wirst jage ich dir das Schießpulver direkt in dein Gehirn. Also setz dich in Bewegung!“ Dies sagte er in so ruhigem Ton als würde er gerade einen gemütlichen Plausch halten, doch waren seine Worte so bestimmt das niemand Zweifel daran hegte das er sie in die Tat umsetzen würde, am allerwenigsten Bastian selbst. Aurelians Waffe rutschte von Bastians Stirn an dessen Schläfe und verstärkte noch einmal ihren Druck, worauf sich der Betrunkene wortlos in Richtung Türe in Bewegung setzte. So gingen sie miteinander durch die Schankstube, Bastian unsicheren Schrittes und Aurelian neben ihm, die Pistole fest an dessen Schläfe gedrückt. Als sie an der Eingangstüre angekommen waren und Bastian diese geöffnet hatte, versetzte ihm Aurelian plötzlich einen derart heftigen Tritt das er den Rest seines Weges förmlich zur Türe hinaus flog und äußerst unsanft auf dem Straßenpflaster landete. Aurelian sah von oben auf ihn herab. „Ich halte mich noch eine ganze Weile in Paris auf. Wenn ich noch einmal mit bekomme das du hier her kommst und andere Menschen zusammen schlägst setze ich meine Drohung in die Tat um.“ Völlig verdattert stemmte sich Bastian vom Boden auf und floh schwankend, Aurelian, der noch in der Türe stand, so lange als möglich im Blick behaltend. Als Aurelian wieder in die Gaststube trat und die Türe hinter sich schloss, brandete ihm ein wahres Jubelgeschrei entgegen, nur der junge Soldat blieb ruhig und unbeweglich sitzen. „Das wurde auch mal Zeit das dem alten Säufer jemand eine Lektion erteilt. Ständig belästigt er hier im Viertel andere anständige Menschen. Prost auf Euch Kamerad!“ Einer der Männer, die beim Kartenspiel beisammen gesessen hatten, prostete nach diesen Worten Aurelian zu und seine Freunde taten es ihm nach. Dann wandten sie sich wieder ihren eigenen Angelegenheiten zu. Die Wirtsleute traten Aurelian entgegen und fielen ihm um den Hals. „Mein lieber junger Freund, wie soll ich Euch nur danke?“ rief der Wirt freudig aus. „Wenn Ihr nicht gewesen wärt hätte Bastian aus uns und meinem Gasthaus Kleinholz gemacht. Wenn er getrunken hat ist er kaum zu bändigen. Wie mutig Ihr doch seid!“ Doch Aurelian winkte ab. „Es war meine Pflicht Euch zu helfen, dafür müsst Ihr mir nicht danken.“ „Oh doch, das müssen wir,“ mischte sich die Wirtin ein. „Euer Getränk geht selbstverständlich auf uns, so wie alles was Ihr heute Abend noch trinken werdet. Ihr habt doch gesagt das Ihr länger in Paris bleiben wollt. Wo werdet Ihr wohnen? Bleibt doch einfach solange es Euch beliebt als unser Gast bei uns. Ihr würdet uns damit sehr glücklich machen, denn wir stehen tief in Eurer Schuld.“ Aurelian überlegte kurz. Seine Angelegenheiten würden ihn wirklich länger in Paris aufhalten. Ein Gasthaus war so gut oder so schlecht wie das andere, also konnte es das Angebot der Wirtsleute auch eben so gut annehmen. Als Gast in dieser Absteige würde auch niemand auf den Gedanken kommen das er adlig war, so würde er seine Zeit in Paris in Ruhe und ohne Angst vor Angriffen verbringen können. „Nun gut, ich werde bei Euch wohnen bleiben so lange mein Aufenthalt in Paris andauert. Habt Dank für Eure Gastfreundschaft!“ „Wie wunderbar!“ rief die Wirtin aus. „Jean, bring dem jungen Monsieur sofort ein Bier,“ rief sie ihrem Sohn zu, der nun endlich mit einem Lappen die Blutung an seiner Lippe gestillt hatte und Aurelian bewundernd ansah. Kaum hatte Aurelian sich wieder auf seinen angestammten platz gesetzt erhob sich der Soldat von seinem Hocker, knallte ein paar Geldstücke auf den Tresen und drehte sich mit den Worten: „Es stimmt so! Adieu!“ um und verließ die Schankstube. Das er ebenfalls Partei für den Wirt und seine Familie ergriffen hatte und Bastian entgegen getreten war, war vollkommen untergegangen. Er musste wohl sehr wütend sein. Schnell erhob sich Aurelian und lief hinter ihm her. Er wusste selbst nicht warum, ging ihn der fremde junge Mann doch gar nichts an. Kurz nach dem blonden Soldaten trat Aurelian ins Freie. Der scharfe Wind hatte sich etwas beruhigt und es war nicht mehr ganz so kalt, wie als er in Paris angekommen war. Der Fremde hatte sich bereits seinem Pferd, einem sehr schönen Schimmel, der an den Ringen im Mauerwerk festgebunden war, zugewandt. „Ich wollte Euch sagen das Ihr sehr tapfer wart. Ihr habt noch vor mir eingegriffen. Ich selbst habe viel zu lange gezögert.“ Der Blonde drehte sich zu ihm um und sah ihn mit seinen blauen, traurigen Augen an. „Trotzdem seit Ihr letzten Endes selbst mit dem Querulanten fertig geworden. Um eine Waffe auf einen Menschen zu richten gehört zunächst Überwindung dazu, das weiß ich nur zu gut. Aber noch eine größere Entscheidung ist es ob man tatsächlich abdrücken würde. Hättet Ihr es getan?“ Aurelian griff erneut in die Innentasche seines Gehrocks,zog seine Pistole hervor, hob sie senkrecht nach oben, und drückte ab. Nichts geschah und er grinste seinen Gegenüber an. „Sie war nicht geladen. Das ist sie nie. Ich weiß selbst nicht weshalb ich sie mit mir herumtrage, denn auf einen anderen Menschen schießen würde ich niemals über mich bringen, weshalb ich für eine Karriere in der Armee vollkommen untauglich wäre. Ich wollte den Betrunkenen mit einem Schlag niederstrecken, doch ich habe es nicht einmal geschafft fest genug zuzuschlagen. Ihr merkt also das ich wohl kaum der Held bin als den man mich gerade feiert.“ Unvermittelt stahl sich nun ein Lächeln auf die Lippen des jungen Soldaten, was sein Gesicht plötzlich erhellte und er hielt Aurelian Hand hin, damit dieser sie ergreifen konnte. „Ich bin Oscar Francois, Mitglied der Söldnertruppe.“ Da dieser Oscar bis jetzt so unnahbar gewirkt hatte, war dies wohl ein echter Beweis von Zuneigung. Aurelian reichte ihm ebenfalls die Hand. „Ich heiße Aurelian, Kaufmannssohn aus Bordeaux.“ Da Oscar ihm nur die Vornamen genannt hatte tat er es eben so. Das ersparte ihm auch sich mit seinen Titeln vorzustellen und sich so als Aristokrat zu erkennen geben zu müssen. Offensichtlich musste es sich bei diesem Oscar um einen Bürgerlichen handeln, sonst würde er wohl kaum Soldat in der Söldnertruppe sein. Wohl musste er aber dort einen höheren Posten begleiten, da er einige Orden trug. Oscar war inzwischen auf sein Pferd gestiegen und trat ihm leicht in die Flanken, damit es sich in Bewegung setzte. „Es hat mir gerade sehr gefallen das Ihr so ehrlich wart. Das findet man nicht bei vielen Menschen. Lebt wohl Aurelian,“ rief er ihm noch als Abschiedsgruß zu und hob leicht die rechte Hand. „Wie heißt denn nun die Mademoiselle?“ rief Aurelian hinter ihm her. Oscar wandte sich noch einmal um. „Von welcher Mademoiselle sprecht Ihr?“ „Von der welche Euch solchen Kummer bereitet.“ „Es geht um keine Mademoiselle. Die Söldnertruppe bereitet mir Kummer. Ich habe erst vor kurzem neu begonnen und meine Männer sind noch nicht bereit mich zu akzeptieren. Ich schlage mich jeden Tag mit Sabotagen und Befehlsverweigerungen herum. Dies ist es was mich so niederdrückt.“ Mit diesen Worten ritt er endgültig davon. Aurelian sah ihm noch lange hinter her. Es war ihm als würde Oscars Aufbruch plötzlich eine schmerzhafte Leere in ihm hinterlassen, so wie wenn man einen guten Freund ziehen lassen muss. „So ein feiner Mensch,“ dachte er bei sich. „Er kennt mich kaum und gesteht mir das ihm seine Truppe zu schaffen macht. Das hätte sicher kaum jemand zugegeben. Auch er ist sehr ehrlich zu mir gewesen.“ Damit ging er wieder hinein in das Gasthaus, das nun in den nächsten Wochen sein zuhause sein sollte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)