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Oscar mon amour

von

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Der Fremde mit den traurigen Augen

Ein eiskalter Wind blies über die Landstraße. Nichts erinnert an diesem Abend daran das der Frühling bereits Einzug ins Land gehalten hatte. Aurelian trieb sein Pferd an. Er wollte möglichst schnell nach Paris kommen. Die Knöchel seiner Finger, welche die Zügel fest umklammert hielten nahmen vor Kälte eine bläuliche Färbung an. Er war als einziger unterwegs auf der Straße, so als hätten sich bereits sämtliche Pariser nach hause an ihre warmen Ofen verkrochen.

Um so größer war seine Erleichterung als die Stadtmauern von Paris in Sicht kamen.

Bei der erstbesten Gaststätte hielt er an, saß ab, band sein Pferd an den hierfür vorgesehenen Ringen im Mauerwerk an und betrat die Schankstube, die er beinahe leer vorfand.

Einige Handwerker saßen an einem Tisch und spielten Karten und am Tresen starten ein paar Männer in ihre Bierkrüge. Aurelian trat ebenfalls an den Tresen und nahm auf einem der freien Hocker davor platz. Der Wirt, der eine fleckige Schürze trug, kam gemächlich auf ihn zu. „Darf es etwas zu trinken sein Monsieur?“ Aurelian nickte. „Einen Becher voll Wein und ein Zimmer für die Nacht. Auch soll mein Pferd umgehend versorgt werden, das draußen angebunden steht.“ Er ließ einige Livree auf den Tresen fallen, deren Anblick den Wirt sofort aus seine Lethargie riss. „Selbstverständlich Monsieur! Meine Frau wird augenblicklich das beste Zimmer für Euch vorbereiten.“ Eilig stellte er vor Aurelian den bestellten Wein ab, um sofort darauf seiner Frau und seinem Sohn Anweisungen zu erteilen, die sich um das Gästezimmer Aurelains und dessen Pferd kümmern sollten.

Aurelian war es nur recht das wenig Gäste in der Wirtschaft waren. Nach seiner langen Reise von Bordeaux nach Paris war ihm mehr nach Ruhe zu mute als nach Geselligkeit. Er griff unter seinem Kragen nach einer Kette und zog sie hervor. An ihr hing ein kleines Medaillon, das er nun öffnete. Versonnen betrachtete er das Bild darin. Das Portrait einer jungen Frau mit dunklen Haaren und braunen Augen war darauf zu erkennen. Er war nur eine Woche unterwegs gewesen und er vermisste sie bereits jetzt. „Juliette, ich kann gar nicht in Worten ausdrücken wie sehr ich dich liebe,“ dachte er bei sich. Juliette und er waren verlobt und wollten in einigen Wochen heiraten, trotz der unruhigen Zeiten. Sehr viele Menschen in Frankreich wandten sich gegen den Adel und in Paris war es bereits zu mehreren tätlichen Angriffen gegen Aristokraten gekommen, weshalb er es vermied sich unter seinem Titel Comte de Clermont vorzustellen, ohne Dienstboten reiste und die einfache Kleidung eines Bürgerlichen trug.

Es war die denkbar ungünstigste Zeit um zu heiraten, doch er und Juliette wollten nicht länger warten und die Unruhen im Land wurden sicher nicht besser. Außerdem waren sie schon mehrmals beieinander gelegen, so wie es eigentlich nur Eheleuten vorbehalten war, doch dies war ihr großes Geheimnis, das nur sie beide etwas anging.
 

Er spürte einen kalten Zug als sich die Tür der Gaststube öffnete. Aus dem Augenwinkel nahm er war das die eintretenden Person einen dunklen Umhang mit Kapuze trug und tief gebeugt ging, als würde eine große Last sie nach unten drücken. Der Neuankömmling nahm ebenfalls am Tresen platz, ließ aber zwei Hocker zwischen sich und Aurelain frei und machte somit deutlich das er ebenfalls ungestört bleiben wollte. Dies war Aurelian nur recht.

Der neue Gast streifte seine Kapuze ab. Diese Bewegung veranlasste Aurelain erneut zu ihm hinüber zu sehen und er bemerkte das er ungewöhnlich helles, langes Haar hatte, noch recht jung war und unter seinem Umhang, den er nun etwas lockerte eine blaue Soldatenuniform trug. Nun war Aurelians Neugier geweckt und er beobachtete wie vor den jungen Soldaten ein großer Krug mit Bier gestellt wurde, an dem dieser lustlos zu trinken begann, ohne seine gebeugte Haltung zu verändern.

Sein Gesicht wirkte so kummervoll und von Sorgen gezeichnet wie Aurelian es schon lange bei keinem Menschen mehr gesehen hatte. Was dem armen Kerl wohl schlimmes geschehen war? Aurelian ließ sich die verschiedensten Szenarien durch den Kopf gehen. Ob er wohl Spielschulden hatte? Das kam bei der Armee öfters vor. Vielleicht erwiderte eine junge Dame seine Avancen nicht. Oder er hatte einen anderen Menschen erschießen müssen und kam nicht darüber hinweg.

Vermutlich spürte der Fremde Aurelains Blicke auf sich ruhen, hob seinen Kopf, wandte ihn in Aurelains Richtung und sah ihn aus stahlblauen, tieftraurigen Augen an.

Ein unangenehmer Gast

Die blauen, traurigen Augen des jungen Soldaten hielten Aurelian wie gefangen. Sie schlugen ihn so sehr in ihren Bann,dass er das Gefühl hatte sich nicht mehr aus ihnen lösen zu können. Dies musste der Fremde mit den blonden Haaren wohl gespürt haben, denn nach wenigen Augenblicken fuhr er Aurelian mit schneidendem Ton an: „Gibt es ein Problem Monsieur, da Ihr mich so anstarrt?“ Aurelian zuckte vor Überraschung zusammen, da er nicht mit dem barschen Ton gerechnet hatte. Nachdem er Luft geholt und sich gesammelt hatte, beschloss er bei der Wahrheit zu bleiben. „Verzeiht mir wenn es unpassend war so lange zu Euch herüber zu sehen. Ich habe einen langen Ritt hinter mir und bin deswegen nicht mehr ganz Herr über mich selbst. Wohl ist mir aber aufgefallen das Ihr recht unglücklich drein seht und so habe ich mich gefragt was Euch zu so traurigem Blick veranlasst hat.“ Der Soldat zuckte nur die Schultern und antwortete in dem gleichen, kühlen Tonfall wie gerade eben: „Ich wüsste nicht was dies Euch zu interessieren hätte. Kümmert Euch um Eure eigenen Angelegenheiten.“ Damit wandte er den Kopf von Aurelian ab und schaute wieder finster in seinen Bierkrug.

Auch Aurelian richtete nach diesen erneuten Unfreundlichkeiten seine Augen wieder auf den Inhalt seines Kruges.

Der Tag würde wohl so bescheiden ausklingen wie er gewesen war. Er vermisste Juliette, jeder einzelne Knochen seines Körpers schmerzte ihn von der Reise und es wartete auf ihn eine Nacht in einem unbequemem Gästebett in der Herberge. Die nächsten Tage, in denen er die Geschäfte erledigen musste, mit denen ihn sein Vater betraut hatte, würden kaum angenehmer verlaufen. Er seufzte tief. Wenn er doch nur schon zuhause in Bordeaux bei Juliette wäre! Wie sollte er die Zeit nur ohne sie überstehen?

Erneut drehte sich sein Kopf, ohne das er selbst dies wollte, in die Richtung des Fremden in der blauen Uniform, um ihn noch einmal eingehend zu mustern. Welch feine Gesichtszüge er doch hatte und seine Hände wirkten lang, schmal und elegant. Trotz seines mürrischen Gebarens musste er ein Mensch mit einem guten, rechtschaffenem Charakter sein, das spürte Aurelian. Anhand der Anzahl der Orden an seiner Uniform war zu schließen das er in der Armee einen höheren Rang einnahm.
 

Ein heftiger Knall riss Aurelian aus seinen Gedanken. Die Türe der Gaststube war aufgerissen worden und kalte Luft wehte herein. Alle Anwesenden drehten sich instinktiv in die Richtung der Tür und Aurelian bemerkte das einige der Gäste leicht zusammenzuckten, als sie den Neuankömmling bemerkten. Es handelte sich dabei um einen großen, stabil gebauten Mann mittleren Alters, der nun in die Gaststube trat und die Tür eben so heftig ins Schloss warf, wie er sie geöffnet hatte. Er machte einen äußerst ungepflegten und verlotterten Eindruck. Seine Kleidung war ärmlich und sichtlich seit geraumer Zeit nicht mehr gereinigt worden. An seinem unsicheren, schwankendem Gang viel sofort auf das er betrunken sein musste. Schwer ließ er sich auf einen der beiden Hocker zwischen dem jungen Soldaten und Aurelian fallen. Sein Atem roch unangenehm nach Alkohol und Aurelian spürte wie es ihn leicht würgte. „Ein Bier, aber hurtig!“ fuhr er den Wirt an. Dessen Hände, die gerade ein Glas abtrockneten, begannen leicht zu zittern, dennoch versuchte er bewusst ruhig zu bleiben, doch jedem der Gäste viel sofort auf wie aufgeregt er auf einmal war. „Für dich gibt es nichts mehr Bastian. Du hast bereits einen riesigen Berg Schulden bei mir. Wenn du diesen beglichen hast bediene ich dich gerne wieder, vorher nicht. Außerdem kommt es mir so vor, das du heute Abend ohnehin genug getrunken hast. Verlasse also mein Gasthaus.“ Auch wenn der Wirt versucht hatte sehr bestimmt zu sprechen, war seiner Stimme anzumerken das er nicht damit rechnete das der Betrunkene, den er mit Bastian angeredet hatte, seiner Aufforderung Folge leisten würde. Damit lag er wohl richtig, denn dieser wurde nun richtig wütend. Seine Faust krachte heftig auf den Tresen. „Was erlaubst du dir? Wenn ich ein Bier möchte so bekomme ich eins. Beweg dich oder ich schlag dir ein Paar auf dein Maul!“ Die Stimme des Wirtes wurde nun so zittrig wie seine Hände, doch er versuchte sich weiter gegen Bastian zu behaupten. „Es ist wirklich nicht gut wenn du heute noch mehr trinkst Bastian.Sei doch vernünftig! Es ist doch nur zu deinem Besten. Morgen wirst du wieder furchtbare Kopfschmerzen haben. Geh nach hause und schlafe dich aus.“ Selbstverständlich hätte sich der Wirt sein gutes Zureden sparen können. Bastian packte ihn an seiner schmutzigen Schürze und brüllte: „Lass dein blödes Geschwätz und gib mir endlich etwas zu trinken, du elender Hurensohn!“ Mit diesen Worten fuhr Bastians rechter Arm in sekundenschnelle nach hinten, seine Hand ballte sich zur Faust, sauste nach vorne und traf den Wirt mitten im Gesicht, so das dieser durch den heftigen Schlag nach hinten viel. Ein dumpfer Schlag ertönte als sein Kopf auf dem Fußboden hinter dem Tresen aufschlug. In der Gaststube herrschte eine Stille die beinahe greifbar war, bis das laute Weinen der Wirtin sie zerriss. „Auguste, oh Auguste! Oh nein!“ Mit einem Ruck fuhr der blonde Soldat von seinem Hocker herunter, zog seinen Degen aus der Scheide und hielt dessen Spitze dem Betrunkenen an den Hals. „Du verschwindest sofort Bursche oder ich vergesse mich und steche zu!“ Das dies keine leere Drohung war spürte Bastian sofort an der Stärke des Druckes, mit dem der Soldat seinen Degen gegen seinen Hals drückte und alle anderen Anwesenden sahen es anhand der Blutstropfen die sich zu lösen begonnen hatten. So betrunken um nicht zu merken das mit dem Kerl in der Uniform nicht zu Spaßen war, war Bastian nun auch wieder nicht. Sofort wich er einige Schritte nach hinten und hob beschwichtigend die Hände. „Schon gut, schon gut! Es war ja nicht so gemeint. Dann gehe ich eben wieder. Es gibt woanders auch etwas zu trinken und hier schmeckt das Bier so wie so wie Pferdepisse. Also bilde dir bloß nichts darauf ein Auguste!“ Der angesprochene Wirt hatte sich bereits wieder hinter seinem Tresen aufgerappelt und drückte sich einen Lappen gegen Mund und Nase, der rot von seinem Blut gefärbt war. Er versuchte mühsam etwas zu sagen, doch seine Frau kam ihm zuvor. „Scher dich ein für allemal aus unserem Gasthaus Bastian. Ich will dich in meinem ganzen Leben hier nie wieder sehen! Morgen melde ich dich der Polizei. So jemand wie du gehört hinter Gitter. Wenn es so etwas wie Ordnung noch in Frankreich gibt dann sitzt du morgen um diese Zeit bereits im Chatteltett.“

Vermutlich wäre Bastian abgezogen, doch die Worte der Wirtin stachelten ihn erneut auf. Mit großen Schritten, bewusst die Nähe des jungen Soldaten meidend, sauste er um den Tresen herum und donnerte zuerst der Wirtin seine Faust aufs Auge, um gleich darauf deren halbwüchsigen Sohn nieder zu strecken, der sich mutig zwischen den Betrunkenen und seine Mutter geworfen hatte. Gerade holte er mit seinem Bein aus, um dem Jungen, der nun wie sein Vater ein paar Augenblicke zuvor auf dem Boden lag, ein paar kräftige Tritte zu versetzen, da traf ihn unerwartet ein kräftiger Schlag gegen den Kopf, der ihn straucheln ließ.

Ehrlichkeit

Schnell hatte sich Bastian wieder gefasst. Zwar dröhnte ihm anständig der Kopf, doch war der Schlag nicht heftig genug gewesen um ihn zu Boden gehen zu lassen.

Mit beiden Händen die schmerzende Stelle auf seinem Kopf abdeckend, wandte er sich augenblicklich um, damit er feststellen konnte woher der Angriff gekommen war. Doch kaum hatte er sich umgedreht blieb er wie erstarrt stehen. Aurelian hielt ihm eine Pistole direkt an die Stirn. Instinktiv hob Bastian beide Hände. In der Schankstube herrschte eine Stille die zum Ergreifen war. Niemand der Anwesenden rührte sich, selbst deren Atem wirkte plötzlich wie eingefroren. Niemand hatte damit gerechnet das der ruhige, schlicht gekleidete Fremde, der so einsam auf seinem Hocker saß, plötzlich eine Waffe aus seinem Gehrock hervorziehen würde, Bastian, dem schlimmsten Säufer des Stadtviertels zuerst den Pistolenkolben über den Schädel ziehen und ihn anschließend derartig bedrohen würde. Mühsam hatte sich nun auch der Wirt nach oben gerappelt. Offensichtlich hatte Bastian einen Treffer gelandet, denn das Auge des Wirtes begann bereits zuzuschwellen. Seinen Sohn hatte es nicht so stark getroffen. Er war lediglich mit einer aufgeschlagenen Lippe davon gekommen, aus der stetig das Blut über sein weißes Hemd sickerte. Auf den Gedanken die Blutung zu stillen war er noch nicht gekommen, viel zu gebannt starrte wie alle anderen auf die Szene die sich vor seinen Augen abspielte.

Bastians Beine begannen leicht zu zittern, ob vor Angst oder wegen seines übermäßigen Alkoholkonsums, und leichter Schweiß war auf seiner Stirn zu erkennen.

Aurelians Stimme riss alle anderen aus ihrer Erstarrung. „Du wirst jetzt genau das machen was ich dir sage. Du gehst zur Türe und verlässt diesmal auf dem schnellsten Wege dieses Gasthaus. Wenn du irgendwelche Spielchen versuchst oder gar noch einmal handgreiflich wirst jage ich dir das Schießpulver direkt in dein Gehirn. Also setz dich in Bewegung!“ Dies sagte er in so ruhigem Ton als würde er gerade einen gemütlichen Plausch halten, doch waren seine Worte so bestimmt das niemand Zweifel daran hegte das er sie in die Tat umsetzen würde, am allerwenigsten Bastian selbst. Aurelians Waffe rutschte von Bastians Stirn an dessen Schläfe und verstärkte noch einmal ihren Druck, worauf sich der Betrunkene wortlos in Richtung Türe in Bewegung setzte. So gingen sie miteinander durch die Schankstube, Bastian unsicheren Schrittes und Aurelian neben ihm, die Pistole fest an dessen Schläfe gedrückt. Als sie an der Eingangstüre angekommen waren und Bastian diese geöffnet hatte, versetzte ihm Aurelian plötzlich einen derart heftigen Tritt das er den Rest seines Weges förmlich zur Türe hinaus flog und äußerst unsanft auf dem Straßenpflaster landete. Aurelian sah von oben auf ihn herab. „Ich halte mich noch eine ganze Weile in Paris auf. Wenn ich noch einmal mit bekomme das du hier her kommst und andere Menschen zusammen schlägst setze ich meine Drohung in die Tat um.“ Völlig verdattert stemmte sich Bastian vom Boden auf und floh schwankend, Aurelian, der noch in der Türe stand, so lange als möglich im Blick behaltend.

Als Aurelian wieder in die Gaststube trat und die Türe hinter sich schloss, brandete ihm ein wahres Jubelgeschrei entgegen, nur der junge Soldat blieb ruhig und unbeweglich sitzen. „Das wurde auch mal Zeit das dem alten Säufer jemand eine Lektion erteilt. Ständig belästigt er hier im Viertel andere anständige Menschen. Prost auf Euch Kamerad!“ Einer der Männer, die beim Kartenspiel beisammen gesessen hatten, prostete nach diesen Worten Aurelian zu und seine Freunde taten es ihm nach. Dann wandten sie sich wieder ihren eigenen Angelegenheiten zu.

Die Wirtsleute traten Aurelian entgegen und fielen ihm um den Hals. „Mein lieber junger Freund, wie soll ich Euch nur danke?“ rief der Wirt freudig aus. „Wenn Ihr nicht gewesen wärt hätte Bastian aus uns und meinem Gasthaus Kleinholz gemacht. Wenn er getrunken hat ist er kaum zu bändigen. Wie mutig Ihr doch seid!“ Doch Aurelian winkte ab. „Es war meine Pflicht Euch zu helfen, dafür müsst Ihr mir nicht danken.“ „Oh doch, das müssen wir,“ mischte sich die Wirtin ein. „Euer Getränk geht selbstverständlich auf uns, so wie alles was Ihr heute Abend noch trinken werdet. Ihr habt doch gesagt das Ihr länger in Paris bleiben wollt. Wo werdet Ihr wohnen? Bleibt doch einfach solange es Euch beliebt als unser Gast bei uns. Ihr würdet uns damit sehr glücklich machen, denn wir stehen tief in Eurer Schuld.“ Aurelian überlegte kurz. Seine Angelegenheiten würden ihn wirklich länger in Paris aufhalten. Ein Gasthaus war so gut oder so schlecht wie das andere, also konnte es das Angebot der Wirtsleute auch eben so gut annehmen. Als Gast in dieser Absteige würde auch niemand auf den Gedanken kommen das er adlig war, so würde er seine Zeit in Paris in Ruhe und ohne Angst vor Angriffen verbringen können. „Nun gut, ich werde bei Euch wohnen bleiben so lange mein Aufenthalt in Paris andauert. Habt Dank für Eure Gastfreundschaft!“ „Wie wunderbar!“ rief die Wirtin aus. „Jean, bring dem jungen Monsieur sofort ein Bier,“ rief sie ihrem Sohn zu, der nun endlich mit einem Lappen die Blutung an seiner Lippe gestillt hatte und Aurelian bewundernd ansah. Kaum hatte Aurelian sich wieder auf seinen angestammten platz gesetzt erhob sich der Soldat von seinem Hocker, knallte ein paar Geldstücke auf den Tresen und drehte sich mit den Worten: „Es stimmt so! Adieu!“ um und verließ die Schankstube. Das er ebenfalls Partei für den Wirt und seine Familie ergriffen hatte und Bastian entgegen getreten war, war vollkommen untergegangen. Er musste wohl sehr wütend sein. Schnell erhob sich Aurelian und lief hinter ihm her. Er wusste selbst nicht warum, ging ihn der fremde junge Mann doch gar nichts an.
 

Kurz nach dem blonden Soldaten trat Aurelian ins Freie. Der scharfe Wind hatte sich etwas beruhigt und es war nicht mehr ganz so kalt, wie als er in Paris angekommen war. Der Fremde hatte sich bereits seinem Pferd, einem sehr schönen Schimmel, der an den Ringen im Mauerwerk festgebunden war, zugewandt. „Ich wollte Euch sagen das Ihr sehr tapfer wart. Ihr habt noch vor mir eingegriffen. Ich selbst habe viel zu lange gezögert.“ Der Blonde drehte sich zu ihm um und sah ihn mit seinen blauen, traurigen Augen an. „Trotzdem seit Ihr letzten Endes selbst mit dem Querulanten fertig geworden. Um eine Waffe auf einen Menschen zu richten gehört zunächst Überwindung dazu, das weiß ich nur zu gut. Aber noch eine größere Entscheidung ist es ob man tatsächlich abdrücken würde. Hättet Ihr es getan?“ Aurelian griff erneut in die Innentasche seines Gehrocks,zog seine Pistole hervor, hob sie senkrecht nach oben, und drückte ab. Nichts geschah und er grinste seinen Gegenüber an. „Sie war nicht geladen. Das ist sie nie. Ich weiß selbst nicht weshalb ich sie mit mir herumtrage, denn auf einen anderen Menschen schießen würde ich niemals über mich bringen, weshalb ich für eine Karriere in der Armee vollkommen untauglich wäre. Ich wollte den Betrunkenen mit einem Schlag niederstrecken, doch ich habe es nicht einmal geschafft fest genug zuzuschlagen. Ihr merkt also das ich wohl kaum der Held bin als den man mich gerade feiert.“ Unvermittelt stahl sich nun ein Lächeln auf die Lippen des jungen Soldaten, was sein Gesicht plötzlich erhellte und er hielt Aurelian Hand hin, damit dieser sie ergreifen konnte. „Ich bin Oscar Francois, Mitglied der Söldnertruppe.“ Da dieser Oscar bis jetzt so unnahbar gewirkt hatte, war dies wohl ein echter Beweis von Zuneigung. Aurelian reichte ihm ebenfalls die Hand. „Ich heiße Aurelian, Kaufmannssohn aus Bordeaux.“ Da Oscar ihm nur die Vornamen genannt hatte tat er es eben so. Das ersparte ihm auch sich mit seinen Titeln vorzustellen und sich so als Aristokrat zu erkennen geben zu müssen. Offensichtlich musste es sich bei diesem Oscar um einen Bürgerlichen handeln, sonst würde er wohl kaum Soldat in der Söldnertruppe sein. Wohl musste er aber dort einen höheren Posten begleiten, da er einige Orden trug.

Oscar war inzwischen auf sein Pferd gestiegen und trat ihm leicht in die Flanken, damit es sich in Bewegung setzte. „Es hat mir gerade sehr gefallen das Ihr so ehrlich wart. Das findet man nicht bei vielen Menschen. Lebt wohl Aurelian,“ rief er ihm noch als Abschiedsgruß zu und hob leicht die rechte Hand.

„Wie heißt denn nun die Mademoiselle?“ rief Aurelian hinter ihm her. Oscar wandte sich noch einmal um. „Von welcher Mademoiselle sprecht Ihr?“ „Von der welche Euch solchen Kummer bereitet.“ „Es geht um keine Mademoiselle. Die Söldnertruppe bereitet mir Kummer. Ich habe erst vor kurzem neu begonnen und meine Männer sind noch nicht bereit mich zu akzeptieren. Ich schlage mich jeden Tag mit Sabotagen und Befehlsverweigerungen herum. Dies ist es was mich so niederdrückt.“ Mit diesen Worten ritt er endgültig davon. Aurelian sah ihm noch lange hinter her. Es war ihm als würde Oscars Aufbruch plötzlich eine schmerzhafte Leere in ihm hinterlassen, so wie wenn man einen guten Freund ziehen lassen muss. „So ein feiner Mensch,“ dachte er bei sich. „Er kennt mich kaum und gesteht mir das ihm seine Truppe zu schaffen macht. Das hätte sicher kaum jemand zugegeben. Auch er ist sehr ehrlich zu mir gewesen.“ Damit ging er wieder hinein in das Gasthaus, das nun in den nächsten Wochen sein zuhause sein sollte.



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