Falling Blossoms von Last_Tear ================================================================================ Kapitel 4: Bluebell ------------------- Als Mayu die Augen aufschlug dauerte es einige Momente bis er sich orientiert hatte und dann nochmal etwas, bis ihm wieder einfiel, wieso er unter freiem Himmel geschlafen hatte. Richtig. Irland. issay. Verlobung. Also war das alles doch kein Traum gewesen sondern echt…Murrend verzog er das Gesicht und atmete tief durch. Das war irgendwie typisch Issay. Ihn durch die Gegend zu schleppen ohne sich zu vergewissern, dass er damit einverstanden war. Aber während er langsam aufstand um sich ordentlich strecken zu können, musste Mayu zugeben, dass wenigstens die Umgebung traumhaft schön war. Er erinnerte sich an nicht mehr viel von vergangenem Abend - nur an ein großes Lagerfeuer, Wesen unterschiedlichster Herkunft und einen Nektar der genau so alkoholhaltig wie süß war. Oh und natürlich erinnerte er sich an Issay, wie sie zusammen ums Feuer getanzt hatten. Düster wollte ihm noch ein Ritual einfallen, aber die Bruchstücke bekam er nicht mehr zusammen, weswegen er es schließlich seufzend aufgab. Der Ausblick von dem großen, dachlosen Baumhaus lenkte ihn zusätzlich ab, denn er war sicher, dass er so etwas noch nie zuvor gesehen gehabt hatte. Überall Bäume, ein nahezu blickdichter Wald und doch war in einigen Metern Entfernung eine große Lichtung erkennbar mit einem See und einem Wasserfall. Und dort, mitten im Wasser tanzte völlig gedankenverloren eine Gestalt und Mayu wäre beinahe hinten über gefallen, als ihre Blicke sich trafen. Ohne zu fragen, wurde ihm bewusst, dass er gerade zum zweiten Mal in seinem Leben eine Nymphe getroffen hatte und nachdem Issay nirgendwo zu sehen war, beeilte er sich, vom Baum auf den Boden zu kommen und sich dem Wasserfall zu nähern auch wenn ihm das Herz bei jedem Schritt in der Brust schmerzte. Außer seiner Mutter hatte er nie Kontakt mit einer Nymphe gehabt und doch wusste er einfach, dass er es bereuen würde, diese Gelegenheit verstreichen zu lassen. Am Rande des Sees angekommen zögerte Mayu schließlich und zuckte zurück, als sich ein augenscheinlich junges Mädchen aus dem Wasser erhob, welches ihn ruhig musterte. Einige Sekunden lang starrten sie sich gegenseitig an, dann streckte sie eine Hand aus und Mayu ergriff diese, nur um im nächsten Moment ins Wasser gezogen zu werden. Oder besser, er wäre ins Wasser gezogen worden, wenn er seine Magie nicht eingesetzt gehabt hätte, dass er auf der Oberfläche laufen konnte und ihr so direkt in die Arme stolperte. Sein Gegenüber lachte leise und bevor er sich wirklich bewusst war, was passierte, tanzte er mit ihr übers Wasser, während sie deutlich Spaß daran hatte, zu führen. Erst eine gefühlte Ewigkeit später entließ sie ihn schließlich um es sich auf einem der drei großen Felsen bequem zu machen, welche sich hinter dem Wasserfall befanden und ihn amüsiert zu mustern. „Du bist Issays Noivo, nicht?“ Ihre Stimme war leicht und unbekümmert, sie erinnerte Mayu an das gemütliche Plätschern eines trägen Flusslaufes und er musste lächeln, bevor er nickte. Auch wenn er keine Ahnung hatte, was das unbekannte Wort bedeutete, es konnte nichts Schlimmes sein, wenn es in Verbindung zu Issay stand. „Freut mich. Hätte nie gedacht, dass ich je eine Wasserhexe zu Gesicht bekomme, aber du kannst wahnsinnig gut tanzen.“ Jetzt kratzte er sich doch verlegen am Hinterkopf und zuckte leicht mit den Schultern. „Danke…War aber das erste Mal. Ach ja, du darfst mich ruhig Mayu nennen.“ Sein Gegenüber lachte leise, bevor sie ihre himmelblauen Haare über die Schulter warf und ihm bedeutete, sich ebenfalls zu setzen, was Mayu schließlich auch zögerlich tat. „.Ich bin Illyora und wenn dass dein erstes Mal war, musst du eine Nymphe in der Verwandtschaft haben. Ich kenne niemanden der sonst so leicht mit mir mithalten kann.“ Was sollte er dazu denn bitte sagen? Mayu blinzelte irritiert, während die Gedanken in seinem Kopf rasten. Sicherlich würde er alles abstreiten können, aber welchen Sinn hätte das? Er war hier unter seinesgleichen. Sie war kein Mensch, sie würde es verstehen können. Trotzdem kam kein Wort über seine Lippen, er starrte sein Gegenüber nur an und überlegte wie unhöflich sie es finden würde, sollte er einfach aufstehen und gehen. Illyora hatte allerdings keine Ahnung, was sie mit dieser harmlosen Frage ausgelöst gehabt hatte und es wäre wohl nicht fair wenn er sie so stehen ließ…Komplett in seinen Gedanken versunken zuckte Mayu heftig zusammen, als plötzlich ein Schatten auf ihn fiel und er hatte einen Wasserschild erschaffen, bevor er darüber richtig hatte nachdenken können. „Ärgerst du etwa unseren Neuzugang, Liebling?“ Als er den Schild auflöste, fand er sich einer zweiten Frau gegenüber, welche ihn skeptisch musterte und er wäre beinahe vom Stein gerutscht. Oh oh. Wer auch immer das war, jetzt war er eindeutig in der Unterzahl. Erst nach und nach fielen ihm Details an ihr auf, die eng angelegten Flügel, die raubtierartigen Krallen an ihren nackten Füßen und ihren Händen. Dass sie eine Art Lederrüstung zu tragen schien, irritierte ihn weniger als ihre bunten Haare. Pink, gelockt und hüftlang. Und dazu die stechenden, gelben Augen…Unbewusst erschauderte er und es fiel ihm schwer, nicht doch einfach aufzustehen. Immerhin, er wusste selbst gut genug wie es sich anfühlte, wenn man allein durch sein Aussehen verurteilt wurde. „Aber Bri…Das würde mir im Leben nicht einfallen! Wir haben zusammen getanzt.“ Die Stimme der Nymphe war nicht mehr als ein Säuseln bevor sie sich an die Unbekannte geschmiegt hatte um sie küssen zu können und Mayu blinzelte irritiert. Oh. „Du weißt, dass ich nicht will dass du mit jemandem tanzt, den du nicht tötest.“ Illyora zuckte mit den Schultern und Mayu nahm das als Zeichen um doch aufzustehen und einige Schritte nach hinten zu gehen. Issay konnte noch so oft sagen, dass seine Freunde ihm nichts tun würden, den Blicken nach zu urteilen die er gerade bekam, war er sich trotzdem wahnsinnig sicher, dass die Vogelfrau ihm mit Genuss das Herz aus der Brust reißen und roh verspeisen würde. „Ach, Brianna...“ Mayu zuckte zusammen, als Illyora ihn plötzlich von hinten umarmte. Ihr Körper war so kalt, aber gleichzeitig war ihm das Gefühl nur zu vertraut von seiner Mutter…“Er ist so niedlich. Kann ich ihn nicht noch etwas behalten?“ Mayu schaffte es gerade noch zur Seite zu springen, bevor er Briannas Krallen hätte spüren können und dieses Mal rannte er. Zum Glück folgte ihm keine der Beiden und erst als er wieder unter dem Baum angekommen war, auf dem er aufgewacht war, wagte er es wirklich zu atmen und ließ sich müde gegen den Stamm sinken. Er musste wirklich dringend mit Issay reden, so konnte das nicht weiter gehen. Gerade als er überlegte, wieder nach oben zu klettern, hörte er seinen Namen und drehte sich um. Na endlich. Sein Liebster bekam ein schwaches Lächeln von ihm geschenkt, bevor er ihm in die Arme gefallen war und das Gesicht an seiner Brust vergrub. „Wenn ich nicht bis Ende der Woche tot bin, ist das ein Wunder.“ Issay lachte amüsiert und Mayu kuschelte sich brummend enger an seinen Freund. Wieso liebte er diesen Idioten nochmal so sehr?! „Mit wem hast du jetzt wieder Bekanntschaft geschlossen, hm?“ Fast hätte er die Frage übergangen, dann fuhr sich Mayu müde durch die Haare und zuckte mit den Schultern. „Illyora. Und Brianna.“ „Oh…Ich hätte dich wohl warnen sollen. Du hattest noch nie mit Harpyien zu tun, oder?“ Mayu schüttelte nur den Kopf und Issay zog eine Grimasse - kein gutes Zeichen. „Ich rede später mit ihr. Was hältst du von Frühstück?“ Täuschte er sich oder versuchte sein Freund abzulenken? Mayu runzelte die Stirn und bevor er es sich versah, fand er sich in Issays Armen wieder und dieser schwebte mit ihm zurück ins Baumhaus. Zu Mayus Überraschung, hatte Issay ihm ein richtiges Frühstück besorgt - inklusive schwarzem Tee mit Milch und er starrte seinen Liebsten für einige Sekunden stumm an, bevor er ihm einen Kuss auf die Wange gedrückt hatte. „Du bist unglaublich.“ Issay schüttelte lachend den Kopf und während es sich Mayu summend bequem machte, hatte der Schatten vorsichtig die restlichen Lebensmittel auf dem kleinen Tisch ausgebreitet. „Nein…Ich will nur nicht, dass es dir schlecht geht. Neunzig Prozent aller Kreaturen die hier leben, jagen oder töten Menschen…Und bevor du dich von Beeren und Wurzeln ernähren musst…“ Issay grinste schief und Mayu verdrehte die Augen. „Weißt du, wir müssen dringend über deine Wahrnehmung reden. Mich nach Irland zu schleppen, in einen Teil des Landes, der von mordlüsternen Kreaturen nur so wimmelt, ist vollkommen ok für dich, aber dass ich verhungern könnte, weil es nicht das zu essen gibt, was ich gewohnt bin, macht dir Sorgen?“ Mit einem leisen Seufzen ließ sich Issay neben seinen Liebsten fallen, zuckte schwach mit den Schultern. „Mayu…Du bist kein Mensch. Ich hätte dich nicht hier her gebracht wenn du dich im Zweifelsfall nicht selbst verteidigen könntest. Ja, vielleicht hätte ich dich ordentlich warnen sollen, aber ich wollte nur dass du meine Familie kennen lernst. Die Wesen, die mir genau so am Herzen liegen wie du, die es geschafft haben, dieses Leben erträglich zu machen, Jahrzehnte bevor ich dich kennen gelernt habe. Sie sind der Grund, wieso ich eine feste Gestalt gewählt hatte und wieso wir uns begegnen konnten. Ich wollte nur, dass du verstehst.“ Mayus Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als Issay geendet hatte und wortlos auf den Tisch vor sich starrte und er war auf den Schoß seines Freundes gerutscht, bevor er darüber richtig hatte nachdenken können und schlang die Arme um ihn. „Oh Issay.“ Vielleicht hätte er wirklich versuchen sollen, es von der anderen Seite aus zu sehen. „Es tut mir Leid, wenn meine Worte so hart rüber gekommen sind. Ich wollte dich nicht kritisieren, wirklich nicht! Aber es ist so viel Neues auf dass ich mich einstellen muss. In London sind wir eigentlich nur normale Bürger, ich nutze meine Magie höchstens um es mal regnen zu lassen wenn mein Kräutergarten mehr Wasser braucht oder für Kleinigkeiten. Hier muss ich ständig in Alarmbereitschaft sein…Illyora hätte mich lachend ertränkt, wäre ich nicht auf dem Wasser gelaufen. Ich wusste nicht mal, dass ich auf dem Wasser laufen kann, Issay! Es ist alles so viel auf ein Mal…“ Müde ließ Mayu den Kopf gegen den seines Liebsten sinken und gab einen leisen Laut von sich, als Issay begann ihm den Rücken zu kraulen. Erneut wurde ihm bewusst, wie sehr er seinen Partner ausgeschlossen gehabt hatte, die letzten Wochen über. Angefangen bei den Versuchen, diesen verfluchten Schwan zu zerstören, über seine Ängste, was passieren würde, wenn er einschlief und dann eben jetzt, dass er mit dieser Welt nicht zurecht kam, weil sie ihn komplett überforderte. Dabei hatten sie sonst auch immer über alles reden können. „Hey. Es ist ok, dass du dich hier nicht zurecht findest, ja? Ich bin das vermutlich alles falsch angegangen, hätte mir mehr Zeit nehmen müssen um dir alles zu erklären…Aber ich hatte Angst, dich zu verlieren.“ Issays Stimme zitterte leicht und automatisch schlang Mayu die Arme enger um seinen Liebsten. „Wenn wir London nicht verlassen hätten, wärst du gestorben bei dem Versuch diesen Fluch zu lösen und das konnte ich nicht mit ansehen. Also hab ich dich hier her gebracht, an den einzigen Ort der mir eingefallen ist, der weit genug weg war und an dem ich mich immer sicher gefühlt habe. Das hier ist meine Heimat, Mayu. Aber du? Du bist mein Zuhause.“ Issay schloss die Augen und Mayu spürte wie ihm langsam eine Träne über die Wange rollte. Es tat so weh diese Worte zu hören, gleichzeitig war es eines der schönsten Dinge, die ihm je gesagt worden waren. Wie sollte er darauf denn nur reagieren? Hatten sie sich wirklich so weit von einander entfernt? War das alles seine Schuld? Sie hatten früher immer über alles geredet. Aber seit er in diesen Traum gezogen worden war, hatte sich alles verändert und Mayu musste zugeben, dass es allein er gewesen war, der plötzlich auf Distanz gegangen war, aus Angst, dass Issay etwas passieren konnte. Das hatte er jetzt davon. Ein schlechtes Gewissen und das unbestimmte Gefühl, seinen Freund verletzt zu haben. „Issay…“ Ein leises Schluchzen entkam Mayu, er hatte sich selten so mies gefühlt wie jetzt. Aber bevor er sich hatte entschuldigen können, hatte sein Liebster ihn bereits sanft geküsst und er klammerte sich zitternd an ihm fest, während er den Kuss vertiefte. Sie waren doch Partner, er wusste dass er sich auf ihn verlassen konnte. Issay war ebenso ein magisches Wesen wie er selbst und nicht so einfach zu töten. Wie hatte er das alles nur außer Acht lassen können? Wie hatte es ein kleines Mädchen geschafft, ihn so aus der Fassung zu bringen? Je länger sie sich küssten, desto mehr Tränen flossen und als Issay versuchte den Kuss zu lösen, gab Mayu nur ein leises Wimmern von sich und zog ihn noch enger an sich heran. Auch wenn seine Lungen protestierten und nach Sauerstoff verlangten, es war egal. Er brauchte die Gewissheit dass Issay nicht böse war, dass er ihn trotz allem verstand und dass er nicht verschwinden würde. Erst als ihm langsam schwindlig wurde, gab Mayu nach und schnappte hektisch nach Luft während alles um ihn herum sich drehte. Vielleicht war das keine gute Idee gewesen. Dass Issay ihm die verbliebenen Tränen wegstrich, ließ ihn müde lächeln und er griff nach der Hand des Anderen um ihre Finger miteinander zu verschränken. Jedoch wäre er im nächsten Moment beinahe von Issays Schoß gerutscht, als eine leise Melodie erklang und ein hellblaues Band sichtbar wurde, welches sich um ihre Ringfinger zu formen begann und länger wurde, bis es sich komplett um ihre Handgelenke gewickelt hatte und er sah mit großen Augen zu seinem Liebsten auf. „Was…Was ist das?“ Mayu musste schlucken, er traute sich nicht mal, seine Hand irgendwie zu bewegen, aus Angst, dass das Band dann zu einer Fessel werden und einschneiden würde. „Unser Seelenband. Es aktiviert sich nur durch besonders starke Emotionen und ist auch nur für uns sichtbar oder Wesen denen wir unser Vertrauen schenken. Es kann nicht gelöst werden und führt uns immer wieder zusammen.“ Issay lächelte sanft und Mayu legte den Kopf schief, bevor er seine Hand zurück zog und fasziniert beobachtete wie das Band sich mit bewegte. „Das hast du gestern eigentlich schon ausgiebig getestet, aber du erinnerst dich nicht mehr, hm? Du hast mich lachend ums Lagerfeuer gescheucht und um ein paar Bäume herum…Ich konnte dich nicht überzeugen, dass das keine Reichweitenbegrenzung hat…“ Issay schmunzelte vor sich hin, Mayu hingegen wurde bei diesen Worten dunkelrot und griff schnell nach seiner Teetasse um einen großen Schluck trinken zu können. Dass der Tee bereits abgekühlt war, störte ihn dabei nicht im Geringsten. Wie wahnsinnig peinlich…Was hatte er gestern bitte noch alles getan? „Iss erstmal, dann können wir weiter reden, ja? Ich bin sicher, du willst den Rest auch noch hören…Wobei ich den Met das nächste Mal verstecken sollte.“ Mayu brummte zustimmend und hatte Issay lieber eine Scheibe Toast in den Mund geschoben, bevor der weiter reden konnte. Eigentlich vertrug er Alkohol sogar recht gut, aber so etwas wie Met war ihm noch nie zuvor unter gekommen. „Kann es sein dass du einer armen Familie ihr Essen geklaut hast?“ Issay sah seinen Liebsten fragend an und Mayu zuckte schwach mit den Schultern, bevor er sich noch einen Löffel der gebackenen Bohnen in den Mund schob. „Na ja ich hätte nicht gedacht, dass es hier draußen so etwas gibt.“ „Doch…Aber man muss wissen, wo.“ Damit war das Gespräch beendet, Issays Gesichtsausdruck nach und Mayu nahm es schulterzuckend zur Kenntnis. An sich war es ihm auch völlig egal wo das Essen her kam. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)