Spiel ohne Limit von Lady_of_D ================================================================================ Kapitel 25: ------------ "Hmmmmm", die Hände in die Hüften gestemmt, wurde sie ganz genau von ihrem persönlichen Stylisten betrachtet. Er lief einmal um die junge Frau herum, welcher ein Gesundheitscheck beim Hausarzt jetzt lieber gewesen wäre. Die Art wie er sie musterte, gefiel Rin überhaupt nicht. Nicht, weil er sie aus jedem Winkel im Augenschein nahm. Viel mehr war es das umstrittene Gefühl, für ungenügend befunden zu werden. Nach einer Reihe von Meetings, Besprechungen, und anderweitigen Ansprachen, in denen Rin das Gefühl hatte, sich für die letzten einundzwanzig Jahre entschuldigen zu müssen, war sie letztendlich hier gelandet. In einem Backsteinhaus, am Rande der Innenstadt, dort wo eine unsichtbare Grenze zwischen Neu- und Altbau gezogen wurde, zwischen Arbeiter- und Nobelviertel. Dieses vierstöckige Gebäude, das mit anmutenden Fresken versehen war und durch seinen neoklassizistischen Stil überhaupt nicht in Domino-Citys postmoderne Bauten passte, hatte die junge Frau schnell gefunden. Vom Sehen kannte sie das Gebäude, das erst vor zehn Jahren restauriert worden war und vermutlich zu einen der wenigen denkmalgeschützten Bauten zählte. Bis auf den Hafen und einem kleinen, unscheinbaren Tempel, gab es in dieser Stadt nichts, das über hundert Jahre alt war. Kaum hatte sie das Gebäude betreten, war sämtlicher nostalgischer Flair verschwunden. Das Innere war steril und in kühlen Tönen gehalten. In dem ersten Stockwerk war ein Friseurstudio, die anderen Etagen waren nur mit diversen Kleiderstangen versehen. Weiße Tücher hingen an den Decken und Wänden. An den Seiten standen Spiegel und Frisiertische, sowie ein paar einfache Stühle im schlichten Holzton. Begrüßt wurde sie von einem Mann, den Rin um die dreißig schätzte. Er war Stilist, Coiffeur, Fashion-Spezialist und dafür bekannt, Gesichtern einen Namen zu geben. Schon nach einem ersten schlaffen Händedruck scannte er ihre Maßen, beäugte kritisch die Haare und sah zu ihren Beinen hinunter. Anschließend hatte er sie in die Mitte eines großen Raumes gestellt, über der eine Neonröhre sämtliches Licht auf sie fallen ließ und wohl jede ihrer Poren offenlegte. Hin und wieder deutete er mit dem Finger, dass sie sich drehen sollte und nur widerwillig kam sie der Bitte nach. Ihr waren zwar die Umgangsformen dieser Menschen nicht fremd. Als sie für kurze Zeit in einer Modelagentur als Kaffee- und Druckertante angestellt gewesen war, hatte sie oft erlebt, wie junge hübsche Frauen streng gemustert wurden als wären sie ein fauliger Apfel. "Haare auf", orderte Maki - so hatte sich der Mann mit den langen dunkelgrünen Haaren vorgestellt. Auch wenn sie nicht glaubte, dass dies wirklich sein Name war. Rin zog den Gummi aus ihrer Mähne, dass ihr Haar über die Schultern fiel. "Oh Gott", er fasste eine Strähne von ihr an und nahm sie zwischen seine Fingern, "aus welchem Jahrhundert ist denn die Frisur?." Rin biss sich auf die Lippen als er forsch durch ihre Haare fuhr, "nein, nein", er schüttelte den Kopf, "sind die Haare ausgedünnt worden?" "Das ist schon eine Ewigkeit her", entgegnete Rin. Als Teenager hatte sie ganz ihrem Serienvorbild ähneln wollen - die Haare hatten ihr nur knapp über die Schultern gehangen, der Pony war auffallend frisiert worden. Es hatte damals über eine Stunde gedauert bist sie mit ihrem Look zufrieden gewesen war. Sie wusste, dass der Trend seit zwanzig Jahren überholt war, doch das hatte ihren jüngeren Ich nicht interessiert. Sie liebte die achtziger - die leicht punkigen Frisuren und engen Lederklamotten. "Da müssen wir dringend ran", Maki schüttelte erneut den Kopf, "vielleicht ein paar Extensions. Wie müssen Volumen in die Sache kriegen." Seit wann waren ihre Haare zur Sache geworden? "Ähm", räusperte sich Rin und bemühte sich, eine ruhige Stimme zu wahren, "ich glaube nicht, dass es nötig ist. Ich würde meine Haare gerne zu einem hohen Zopf tragen. Da fällt es doch gar nicht auf, wenn-" "Nein, nein, nein", fiel er ihr ins Wort, "ich habe strikte Anweisungen erhalten, wie ich dich kreieren soll. Und dieser...Look passt überhaupt nicht dazu." "Was für Anweisungen?", Rin hatte nicht gewusst, dass man bereits ein genaues Bild von ihr vor Augen hatte. "Ich habe die Auswertung deines Persönlichkeitsprofils erhalten. Darin steht, worauf ich mein Augenmerk legen soll. Vertrau´mir einfach, ich weiß, was ich tue. Nicht umsonst hat mich die Kaiba Corporation dafür beauftragt. Ich mache aus jedem unbedeutenden Wesen eine Ikone. Erinnere dich nur, wie Vivian Wong vor ihrer Verwandlung ausgesehen hatte." Der ehemalige chinesische Champion hatte tatsächlich einen starken Imagewandel erfahren. Bevor sie ihre Modelkarriere aufgegeben hatte, war sie für viele Young-Fashion-Labels Laufsteg gelaufen. Danach war sie vom schlichten Mädchen zur auffallend klassischen Schönheit geworden, die sich in enge traditionelle Kleidung steckte und ihre Haare zu zwei puscheligen Knoten band. Vor zwei Jahren hatte sie ihrem Heimatland den Rücken gekehrt und ließ sich als japanischer Staatsbürger eintragen. Da sie als Duellantin für Industrial Illusions arbeitete, war die Einbürgerung kein Problem gewesen. Nun gehörte sie zu den Top dreißig der diesjährigen Worldcup-Vorrunde. "Und was hast du mit mir vor?", fragte Rin skeptisch. "Eine Amateurspielerin", begann er. Wenn ich dieses Wort noch einmal hören muss- "Sie ist der Liebling aller Träumer. Jeder blickt neidvoll und zugleich voller Bewunderung auf diejenige, die den Traum von tausenden wahr werden ließ. So jemand braucht dringend etwas Farbe. Ich schlage also vor, wir bringen etwas Fülle in deinen Verschnitt und peppen das Ganze mit ein paar Highlights auf. Wir müssen etwas mehr Licht in dein Erscheinungsbild bringen. Blond wäre perfekt." "Kein Blond!", Rin ging einen Schritt zurück, "mein Haare werden nicht blond gefärbt." "Blond steht für Offenheit und einen naiven, unschuldigen und süßen Charakter." "Ich bin nicht süß", knirschte sie mit den Zähnen und fühlte sich stark in ihren Abschlussball zurückversetzt. Nach vielen Diskussion hatte sie sich dem Willen ihrer Mutter gebeugt und sich in ein rosafarbenes und aufgebauschtes Kleid gezwängt. Eine Prinzessin durch und durch. Ihr hätten auch die hellen Haare gefallen. "Und ich bin auf keinen Fall blond!", beharrte sie weiter. "Hör zu, Schätzchen. Frauen, die solche braunen Haare tragen, spielen meist nur eine Nebenrolle. Braun ist so...normal, unauffällig und passiv. Damit wirst du nicht auffallen." "Mein Vorschlag: Wir färben meine Haare dunkelbraun." "Du hörst mir nicht zu", seufzte Maki und hielt sich den Kamm vor die Stirn, "ich habe nicht viel Zeit, dich ordentlich hinzubiegen. Normalerweise brauche ich Wochen bis ich einen Charakter erstellt habe. Bis morgen muss dein Look sitzen. Wir haben noch nicht einmal ein Outfit." Sie schon. In ihrem Schrank wartete ein Kleidungsstück, von dem sie schon sehr lange träumte, dass sie es bei der richtigen Gelegenheit anziehen könnte. Vor zwei Jahren hatte sie es zusammen mit Lumina in ihrem letzten Urlaub entdeckt. In einem kleinen Geschäft, das mit vielen auffallenden Kleidern, Mänteln und Accessoires ausgestattet war. Lumina hatte sich damals einen Gehrock mit verschiedenen Schnörkeleien angeschafft und Rin hatte sich in ihr Teil regelrecht verliebt. Als eine der top dreißig würde sich endlich die Gelegenheit ergeben, das Kleidungsstück aus dem Schrank zu holen. "Ich werde mich nicht verkleiden", Rins Entschluss stand fest. Sie musste nur noch ihren Stilisten überzeugen. Maki legte den Kopf schief und fing erneut an, sie zu inspizieren: "In DuelMonsters gibt es nur zwei Klassen von weiblichen Duellanten. Die einen sind die scharfen und selbstbewussten Frauen. Mai Kujaku ist eine davon - sie hat den perfekten Körper, und weiß diesen entsprechend zur Schau zu stellen und mit ihrem Sexappeal zu provozieren." Eine der führenden Duellanten der Championsliga war in diesem Jahr unter den Top fünf platziert. Wie Rin erst kürzlich erfahren hatte, würde sie in diesem Jahr für Paradius Inc. arbeiten. Bei der Vorstellung verzog sich ihr der Magen. Kujaku war auch so schon eine gefährliche Gegnerin. Mit Orichalcos an ihrer Seite würde sie zu einem fast unschlagbaren Gegner werden. "Eine Mai Kujaku reicht", entgegnete Rin und wusste, dass ihr Körper für solche Reize nicht geschaffen war. "Die andere Sorte von Duellantinnen sind diejenigen, die sich in ihrer Kleidung zurücknehmen und sich auf die weiblichen und vornehmen Attribute konzentrieren." "Wong." "Genau. Du siehst, es bleibt nicht viel Spielraum für dich. Wenn wir einen erfolgreichen Spieler aus dir machen wollen, müssen wir uns auf diesen schmalen Grad bewegen." "Und wenn ich aus dieser Rolle rausfallen will?" "Wie stellst du dir das vor", er blieb direkt vor ihr stehen und sah ihr streng in die Augen. "Ich dachte da an einen selbstsicheren Look. Auffallend, provokativ, aber trotzdem noch auf das Wesentliche fokussiert - nämlich DuelMonsters. Ich will nicht billig aussehen...und schon gar nicht blond. Ich will kein nächstes Magiermädchen werden." Maki seufzte. "Dafür werde ich einen Kopf kürzer geschnitten." "Sag`, dass es meine Idee war", grinste Rin. Sie hatte den Stilisten soweit, dass er keine Lust mehr hatte, weiter mit ihr zu diskutieren. Er würde auch nicht zu ihr durchkommen. Rins Standpunkt war in Granit gemeißelt, sie wollte nicht das aufgeben, wofür sie die letzten Wochen gekämpft hatte. Viel zu lange musste sie sich brav und wohlerzogen der Gesellschaft geben. Sie hatte ein ganz genaues Bild von sich, das sie morgen in der ersten Live-Show präsentieren wollte. Es war an der Zeit, ihrer lang versteckten Seite einen Platz einzuräumen. "Also schön", Maki wies Rin mit einem Fingerzeig an, auf einem der Stühle Platz zu nehmen, "auf deine Verantwortung. Wenn du dich schon meinen Anweisungen widersetzt, wollen wir trotzdem das volle Programm ausfahren." Er begann die dunkle Farbe in einem Schälchen zu mischen. Dann drehte er die junge Frau etwas in ihrem Stuhl und fuhr mit den Finger über ihren Pony. "Bei einer Sache wirst du keine Widerrede geben", sagte er und klang dabei so sicher wie Rin. Aus dem Schubfach des Frisiertisches holte er einen Schminkkoffer hervor, "wenn du auffallend sein willst, müssen wir alles aus deinen Augen herausholen." Dagegen hatte sie nichts einzuwenden. Sie wusste, dass ihre Augen schon auf viele anziehend gewirkt hatten, wenn sie diese ins rechte Licht rückte. Lumina hatte einmal zu ihr gesagt, dass die grünen Seelenspiegel ihren Farbton je nach ihres derzeitigen Gemütszustandes ändern konnten. Dass sie bei Wut, Aufregung und Vorfreude dunkelgrün schimmerten und bei Trauer, Unsicherheit und Träumerei heller wirkten. "Setz ruhig alles auf meine Augen", grinste Rin, dass auch ihr Stilist schief lächelte und die Schutzkappe des Kajals abhob. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)