Demonheart von CaroZ ================================================================================ Kapitel 2: Aufgesang: 1-2 ------------------------- 1-2: DANTE Dante war überfordert mit dem seltsamen, verhärteten Gefühl in seiner Magengegend. Wie in einem gestoppten Video schwebte die Kuppe seines Zeigefingers für lange Sekunden über dem kleinen, rot blinkenden Schalter des quadratischen Geräts, das neben dem archaisch anmutenden Telefon auf seinem Schreibtisch stand. Wollte er sich das wirklich noch mal anhören? Sein Büro war still. Ganze zwei Tage schon war es nicht mehr erfüllt gewesen von guter, alter Rockmusik – und vor allem nicht von Trishs spitzen Bemerkungen. Eben gerade war es nicht still gewesen: Er hatte die Aufzeichnung des letzten während seiner Abwesenheit eingegangenen Anrufs abgehört. Und jetzt saß er immer noch in seinem Bürostuhl, der eigentlich eher ein Sessel war, die Füße auf der Tischplatte und den Finger über dem Aufnahmeapparat. Wollte er wirklich noch mal auf Play drücken? Über den Apparat ließ sich sagen, dass er so ziemlich das einzige moderne Gerät in diesem Raum war. Wobei, modern war im Grunde auch das falsche Wort: Das Gerät stammte aus den späten Achtzigern und enthielt zwei Tonbandkassetten; alles Neuwertigere wäre mit dem antiquierten Telefon nicht kompatibel gewesen. Gut, dass Dante es sowieso nicht neuwertig mochte. Seine Fingerkuppe schwebte weiter über der Taste. Der scharfe Stich von Unbehagen verwirrte ihn. An diese Empfindung war er nicht gewöhnt, sie versetzte ihn in plötzliche Handlungsunfähigkeit – so entstand ein langer Moment, in dem er nichts anderes tun konnte als trocken zu schlucken. Und zu denken: Na prima. Endlich wandte er den Blick von dem Gerät ab und überwand sich dazu, mit dem weiterhin ausgestreckten Finger auf die Wiedergabetaste zu drücken. Ein kurzes Knistern, dann eine astreine, saubere Stille, fast frei von Störtönen. Und dann: »He, Dante. Ich glaube, du vermisst etwas. Oder?« Dante wäre dankbar gewesen, wenn Drohnachrichten an ihn – wenn er denn schon welche bekommen musste – mit einer unbekannten, feuchtschleimigen oder dämlichen Stimme hinterlassen werden würden, die er dann verachten oder verspotten konnte (am besten beides); doch leider, diese Stimme kannte er. Diesen irgendwie erschöpften und unglücklichen Tonfall, der sich anhörte wie der eines kriegsmüden Generals, der ein letztes Ultimatum stellt, obwohl er am liebsten kapituliert hätte. »Keine Sorge, ihr passiert nichts. Aber ich lasse sie nicht gehen, bis … du weißt schon.« Ein müdes Seufzen. »Wenn es nicht anders geht, dann eben auf diese Art. Du weißt, warum es sein muss.« Dann plötzlich Trishs Stimme, betont ruhig, betont lässig, betont Trish, doch er hörte die Unruhe in ihr, als sie sagte: »Hör nicht hin, Dante, es ist die gleiche Leier wie immer. Mir geht’s bestens. Sorry, dass ich mich so lange aufhalten lasse. Spätestens heute Abend bin ich raus aus diesem Loch.« Das erneute Seufzen ihres Entführers schluckte das Wort ›Loch‹ fast zur Gänze. »Nein, Trish. Sicher nicht. Ganz sicher nicht. Dante, ich meine es wirklich ernst. Sie geht nirgendwohin.« Ein schweres Atmen. Dann: »Du weißt, was ich von dir brauche. Lass uns nicht ewig warten. Bis dann.« Ein kurzes Knistern. Das Band stoppte. Ende der Aufzeichnung. Dante ließ die Hand langsam auf das zerkratzte Holz des Schreibtisches sinken. So also hörte sich eine Erpressungsnachricht an. Es war zwar keine sehr aggressive Erpressungsnachricht, doch das änderte nichts an ihrem Inhalt. Dabei war sie eigentlich absurd – oder war am Morgen vor zwei Tagen, als er und Trish das Devil May Cry verlassen und sich an die Arbeit gemacht hatten, noch absurd gewesen. Sie beide kannten diesen Mann, und Trish ›wehrhaft‹ zu nennen war ein Understatement. Und dennoch war sie am Nachmittag nicht wiedergekommen. Wie in aller Welt hatte das passieren können? Was hatte der Kerl gemacht, wie hatte er Trish weggeschnappt? Wie? Spätestens am Abend zurück, hatte sie gesagt. Tja, es war jetzt Abend. Trish war nicht da. Nur diese Nachricht mit ihrer Stimme und der laxen Drohung dieser Nervensäge. Zwei Tage … und nur das. Dante hatte keine Ahnung, was er unternehmen sollte. Er mochte dieses Gefühl nicht. Situationen, in denen ihm all seine überlegenen physischen Kräfte nichts nützten, beunruhigten ihn – mehr, als er je zugeben würde. Vor dem Fenster des geräumigen Büros, das gleichzeitig sein Wohnzimmer war, schüttelte ein harscher Wind die Kronen der wenigen kümmerlichen Ahorne, die die Straße säumten. Es war eine schmutzige und schlecht geteerte Straße, an deren Seiten sich Ruinen gleich neben unsanierten Wohnblöcken erhoben. Zwischen ihnen war Dantes Residenz schwer zu übersehen. Und jetzt, in der Dunkelheit, wies auch noch der Name seines Geschäfts den Weg dorthin mit rot leuchtender Neonschrift. Die Tür, dachte er stumpf. Ich sollte die Tür zumachen. Sonst kommt noch jemand und nervt. Nicht, dass er viel Besuch bekam, aber jetzt gerade wollte er wirklich niemanden sehen. Nicht mal jemanden, der lediglich aufs Klo musste. Dante erhob sich ungewohnt langsam und ließ im Aufstehen seinen Ledermantel von den Schultern gleiten, der die satte Farbe von gerinnendem Blut hatte, um ihn missmutig über die Sessellehne zu werfen. Bei der verzierten, zweiflügligen Eingangstür angekommen, streckte er die Hand durch den Spalt (für mehr als einen Spalt war es zu kalt draußen) und tippte kurz das Schild an, das dort im Wind hing, um sich zu vergewissern, dass es noch da war. Gut, die meisten Leute konnten ja lesen, oder? Er zog die Finger zurück und stieß die Tür mit der Ferse zu, dass sie mit einem befriedigenden Krachen einrastete. Ich brauche einen Plan, dachte er. Missmutig ließ er sich wieder in seinen Schreibtischsessel sinken. Er könnte den Kerl suchen, theoretisch. Nur gab es keinen Anhaltspunkt, wo er war. Der gewisse Hall hinter der aufgenommenen Stimme ließ vermuten, dass Trish und ihr Entführer (lächerlich) sich in einem Gebäude befanden. Das war alles. Die andere Option wäre, einfach das zu tun, was der Kerl von Dante wollte. Aber das verbot sich. Das war eine Sackgasse. Auch wenn der arme Kerl das nicht verstand. Er war zu verzweifelt, um noch irgendwas zu verstehen, und Dante hatte nach all der Zeit immer noch Mitleid mit ihm – aber sein Mitleid war ebenso endlich wie die Geduld dieses Mannes, der jetzt, wie Dante fand, eindeutig einen Schritt zu weit gegangen war. Jetzt haben wir ein echtes Problem, du und ich. Draußen vor der Tür ging jemand vorüber. Dante hörte die Schritte sehr leise durch die Stille und hoffte, dass sie nicht vor seiner Tür anhalten würden. Doch sie taten es. Auch das noch. Dante verhielt sich still, als könnte der Fremde von draußen sehen, dass er da war. Konnte er nicht. Trotzdem rührte Dante sich nicht und horchte in die Stille. Er hatte wirklich überhaupt keine Lust auf Besuch. Nach einigen Sekunden setzten die Schritte etwas zögernd wieder ein und entfernten sich. Dante atmete auf und fuhr sich mit beiden Händen über die Schläfen. Er spürte die kurzen Stoppeln an Wangen und Kinn, hart wie eine Drahtbürste. Keine Überraschung. Er hatte sich die letzten zwei Tage nicht darum gekümmert. Rasieren gehörte zu den unwichtigen Dingen, für die er im Moment keine Aufmerksamkeit verschwenden wollte. Dazu zählten auch Aufräumen und Dokumente Sortieren. Alles unwichtig. Nebensächlich. Die Welt sollte dankbar sein, dass er noch ans Duschen dachte. Die Schritte kamen zurück. Sein Nacken kribbelte. Verdammt. Er bemerkte den Schatten, der von außen im Schein der Neonschrift an seine Tür getreten war, in dem Moment, als das Geräusch verstummte. Sieh an: Wer auch immer dort stand, war offenbar des Lesens nicht mächtig. Dann klopfte es auch noch. Na großartig. Er schloss die Augen, unternahm aber keine weitere Bewegung. Lies das Schild, Dumpfbacke. Das Schild. Wieder das Klopfen. Es gab eindeutig zu viele Leute mit Leseschwäche. Wieder das Klopfen, diesmal fester und energischer. Das ›OPEN‹/›CLOSED‹-Schild hing erst seit einer Woche dort und Dante wusste bereits, dass er es sich sparen konnte. Niemand beachtete es. In den beiden letzten Tagen hatte er erschreckend viele Analphabeten an der Tür gehabt, aber Rot von Grün zu unterscheiden sollte doch eigentlich jedem möglich sein. Außer rot-grün-blinden Analphabeten. Natürlich konnte man das Schild auch einfach ignorieren. So wie dieser Klopfer. Der jetzt wieder klopfte, noch nachdrücklicher als zuvor. Seltsam. Normalerweise kamen Nervensägen immer einfach herein. Erstaunlich, wie hartnäckig dieser unerwünschte Gast war, wie er nach kurzen Pausen immer aufs Neue wieder eine Reaktion zu provozieren versuchte. Und zwar völlig umsonst. Ich bin nicht da. Geh weg. Zu Dantes Überraschung erklang plötzlich von draußen eine Stimme: »Ich habe das Passwort!« Dante sah wieder zur Tür. Hatte der Typ Passwort gesagt? Es war schwer zu verstehen gewesen, ein seltsamer Akzent. Hoffentlich hatte er nicht das richtige Passwort. Das war schon zu vielen Idioten in die Hände gefallen. »Purgatorio!«, rief es triumphierend vor der Tür. Mist. Es war korrekt. Dante ließ die Schultern fallen und stöhnte: »Die Tür ist offen, du Trottel.« Für gewöhnlich war er eine Spur höflicher, doch jetzt hatte er weder Zeit noch Lust dazu. Er konnte und würde sich nicht belästigen lassen. Nicht jetzt. Nicht, wenn Trish, die Mutter aller Höllenbräute, verdammt noch mal entführt worden war. Die Tür ging auf. Erst ganz vorsichtig, dann, auf halbem Weg, etwas forscher. Dante schaute noch immer nicht hin. Dieser unerwünschte Gast sollte ruhig merken, dass er unerwünscht war. Aber es waren keine Schritte zu hören. Nur ein monotones: »Kann ich reinkommen?« Das war doch jetzt nicht sein Ernst. »Nein.« Das Wort kam als undefinierbare Silbe heraus. »Warum nicht?« »Du hast gefragt.« Unwirsch drehte Dante sich nach seinem Besucher um. Na so was … Unwillkürlich hob er die Augenbrauen. Das war ausnahmsweise mal kein Verlaufener, Irrer oder Junkie. Und kein komischer Larry, der nicht nur zufällig so hieß wie der Random Guy, der in Filmen immer zuerst starb. Das hier war überhaupt kein Amerikaner; nicht nur, dass er eindeutig asiatischer Herkunft war, auch die Art, wie er gekleidet war, verriet sofort, dass er weder von hier stammte noch jemals hier gelebt haben konnte. Einem Anflug von Neugier nachgebend schwang sich Dante – diesmal deutlich eleganter – aus seinem Sessel, um in großen Schritten auf den Fremden zuzugehen. Dieser wich nicht vor ih, zurück. Interessant. Dante blieb direkt vor ihm stehen und ließ den Blick erneut an ihm herab gleiten. Der junge Mann war einen Kopf kleiner als er – was zu erwarten gewesen war –, hatte ein für einen Asiaten auffällig fein geschnittenes Gesicht und absonderlich abstehendes schwarzes Haar, von dem ihm lange Strähnen in die Stirn fielen. Schon als Dante ausatmete, bewegten sie sich leicht. Die Kleidung des Fremden war ebenso auffällig: Der lange, schwarze Mantel und alles, was darunter zu sehen war, wiesen aufgrund ihrer guten Qualität so offensichtlich auf Wohlstand hin, dass der Kerl wirklich ein Idiot sein musste, in dem Aufzug durch die hiesigen Straßen zu spazieren. Nein, der war nie und nimmer jemals hier gewesen. Trotz seines anhaltenden Desinteresses überwand sich Dante zu einer Frage. »Was willst du?« Er wollte es nicht wirklich wissen. Er brauchte nur einen Grund, den Typen wegzuscheuchen. Leider war der Mann über Dantes Unhöflichkeit nicht besonders entsetzt. Kein konsternierter Blick unter den schwarzen Fransen. Stattdessen antwortete er in seinem etwas umständlich artikulierten Akzent: »Ich brauche Hilfe.« Dante war enttäuscht und schaute geradewegs über ihn hinweg. »Okay. Wenn es ein Notfall ist, ruf ich gerne für dich 911 an. Ansonsten: Wiedersehen.« »Ich brauche Ihre Hilfe«, sagte der Mann. »Ich hab nicht geöffnet. Komm wieder, wenn dieses Schild –« Dante tippte mit dem Finger auf den an der Tür hängenden, rot unterlegten CLOSED-Schriftzug. »– grün ist.« Sein Gegenüber sah an ihm vorbei. Dante wusste nicht, ob das Höflichkeit oder Arroganz war. »Sie denken, ich wäre umsonst den ganzen Weg hierher gekommen.« »Stimmt, das denke ich.« Dante straffte sich und kehrte dem Typen im teuren Mantel den Rücken. Zurück zum Schreibtisch schlendernd las er im Vorbeigehen eine Hand voll loser Zettel vom Couchtisch auf, um sie lustlos zu durchblättern. Die meisten waren nur Notizen, uninteressant, doch sie ließen ihn erstens beschäftigt und zweitens unbeteiligt wirken. Als noch immer kein Geräusch sich entfernender Schritte zu vernehmen war, hörte er sich fragen: »Bist du sicher, dass du Englisch kannst? Weil du anscheinend immer Ja verstehst, wenn ich Nein sage.« Er warf die Zettel weg. Der Mann stand einfach weiter in der Tür. »Geld spielt keine Rolle«, erklärte er. »Stimmt«, gab Dante schroff zurück. Er wollte fragen: Woher hattest du das Passwort?, doch er fragte: »Nur aus Neugier: Was hast du für ein Problem? Nicht, dass ich mich drum kümmern werde.« »Sie sind Dante«, stellte der Asiat nüchtern fest. »Sie kennen sich mit … Dämonen aus.« Oh, spannend. Danke für die Information. »Ich kenne mich vor allem damit aus, wie man sie umlegt.« »Gut. Ich möchte, dass Sie einen umlegen.« »Ach. Wie groß?« »Etwa so.« Dante musste hinsehen, um zu erkennen, dass sein Gast mit der flachen Hand an sich selbst Maß nahm. »Dein Ernst?« Er legte den Kopf schief. »Du selber?« Vielleicht wurde die Sache doch noch interessant. Das Schlitzauge sagte voll feierlichem Ernst: »Ja.« Schnell wandte Dante den Blick wieder ab, während er versuchte, nicht laut loszulachen. »Tja«, bemerkte er schließlich, »in so einem Fall bin ich nicht dein Mann, Kumpel. Aber ich hab rein zufällig die Nummer von einem Haus mit lauter netten Leuten drin, die sich gerne darum kümmern werden.« Anstatt weiter dummes Zeug zu reden, ließ der andere Mann die Schultern sinken und sagte missmutig: »Ich glaubte, Sie wären der Einzige, der mir helfen kann. Aber Sie können es nicht, ich verstehe.« Dante sah ihn finster an. Mit Herabwürdigungen kriegte man ihn. »Jetzt hör mal zu«, sagte er. »Erstens: Dein Akzent ist grausam. Wenn du Englisch redest, hört sich das immer noch an wie Chinesisch.« »Ich –« »Zweitens«, fuhr Dante schneidend fort, nicht bereit, den Kerl ausreden zu lassen. »Jemand, der mit einem echten Teufel zu tun hat, sieht anders aus.« »Anders? Wie?« »Anders als du. Wahrscheinlich kann ein Voodoo-Priester mehr für dich tun.« Der andere schüttelte den Kopf. Er hatte eine bewundernswerte Geduld – und eine lästige Beharrlichkeit. »Dieser Dämon ist keine … Besessenheit. Er übernimmt meinen Körper nicht nur, er verändert ihn auch, setzt extreme Kräfte f–« Dante fiel ihm erneut hart ins Wort: »Noch mal: Du brauchst keinen Dämonenjäger, nur weil du ins Bett machst oder grünen Schleim hustest.« »Das tue ich n–« »Was dann? Pinkelst du Smarties?« Gott, er hatte keine Zeit für so was. »Du siehst nicht aus wie jemand, der mich braucht.« »Wie sehe ich dann aus?«, fragte der junge Mann, der der Resignation nun endlich näher kam. »Wie ein reicher Chinese.« »Ich bin Japaner.« »Auch gut. Und?« Dante schnaubte ärgerlich. Er kannte den Unterschied sehr genau, verspürte aber nicht auch nur die geringste Lust, nett zu sein. Über Japaner kannte er genau drei Vorurteile: dass sie nur an Arbeit dachten, dass sie nie über Sex redeten und dass sie zum Lachen in den Keller gingen. Dieser hier sah aus, als träfen alle drei auf ihn zu. »Wie auch immer, du hast auf jeden Fall kein Dämonenproblem. Gegen deine Halluzinationen kann ich nichts machen. Such dir einen Therapeuten.« Zum zweiten Mal nahm er Anlauf auf den Störer, wobei er einem unschuldig dastehenden Stuhl einen Tritt verpasste, der das Möbelstück einen Salto schlagen ließ. Die emotionslosen Züge des Asiaten entgleisten kurz. Er machte einen Schritt rückwärts – doch dann fasste er sich wieder, immer noch nicht bereit aufzugeben. Zu ganzer Größe aufgerichtet baute Dante sich vor dem Jüngeren auf und fixierte ihn, bereit, den Störenfried niederzustarren, bis diesem der Arsch auf Grundeis ging. Aber stattdessen sah ihm der Andere direkt in die Augen. Zu Dantes maßloser Verblüffung begegnete ihm unter den kräftigen schwarzen Brauen ein so messerscharfer Blick, dass er selbst ein gewisses Unbehagen verspürte. Die kalten braunen Augen hielten Stand, und Dantes sonst so erfolgreicher böser Blick versagte. Kaum zu glauben. Der Bursche war ungewöhnlich resistent. »Was soll das?«, fragte der Fremde. In seiner Stimme blieb dieselbe Ruhe, dieselbe steinerne Kühle, doch er klang jetzt gereizt. »Was das soll?« Dante stieß ein freudloses Lachen aus. »Wonach sieht’s aus? Ich versuche dich aus meinem Büro zu treten. Ich bin wohl immer noch zu nett. Würdest du jetzt so freundlich sein, mir den Rücken zu kehren und so auszusehen, als ob du immer kleiner wirst?« Wieder flackerte in den dunklen Augen Widerstreben auf. Ein kurzer Kampf zwischen Sorge und echter Verzweiflung. »Warum wollen Sie mir nicht helfen?« Dante zwang das kurzzeitig aufkeimende Mitleid nieder. Herablassend gab er zurück: »Ich mag keine Leute, die einen teureren Mantel tragen als ich.« Und da, zu seiner Überraschung, schien der Fremde zu verstehen. Seine Miene verhärtete sich, wurde noch emotionsloser als zuvor schon. Er trat von der Türschwelle zurück, verschmolz wieder ein Stück mit der Dämmerung. »Sie wollen es also nicht. Ich habe mir eine Menge von Ihrer Hilfe erhofft, aber ich kann Sie wohl nicht zwingen. Sie sind nicht, für wen ich Sie gehalten habe.« Dante hatte keine Ahnung, was er damit meinte. Der Asiat drehte sich um und ging. Sein Schritt war schnell und kräftig. Ein letztes Wort kam nicht von ihm, genauso wenig wie ein Blick über die Schulter. Er hatte also kapiert. Endlich. »Na bitte«, seufzte Dante, drehte sich um und trat mit der Ferse nach der Tür, sodass sie krachend wieder ins Schloss fiel. Die Angeln ächzten. Jetzt würde er sich nur noch darauf konzentrieren, wie er den Bekloppten finden konnte. Und Trish. Er musste anfangen, die Hinweise zusammenzusetzen. Und wenn er das Versteck von diesem Kerl erst aufgemischt hatte, würde dort kein Stein mehr auf dem anderen stehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)