Demonheart von CaroZ ================================================================================ Kapitel 52: Akt XIV - Am Ende: 18-1 ----------------------------------- 18-1: DANTE Genau wie der Kampf gegen Furfur war auch der Kampf gegen Devil zu einer Vollkatastrophe ausgeartet. Sarris hatte leider mit jedem genuschelten Wort Recht behalten: Das Ritual hatte die geistige Verbindung zwischen Devil und Azazel derart verstärkt, dass der eingesperrte Teufelsfürst sich metaphysisch in den Kampf eingemischt und die Kontrolle über Devil übernommen hatte. Er schwebte hinter ihm, durchscheinend, aber nicht weniger ekelerregend, und ihre Bewegungen waren auf groteske Weise synchronisiert – als würde Azazel jede Bewegung vorgeben und Devil sie ausführen. Ihre Kräfte hatten sich vervielfacht. Dante spürte es. Die beiden Teufel strömten ihre Macht aus, dünsteten sie aus, weil sie so viel davon hatten, dass sie überquoll. Als Azazel aus den Tiefen seines Gefängnisses durch dieses Chaos-Wesen sprach, bluteten Dante fast die Ohren. Die einander überlagernden Sequenzen sägten ihm tief in den Schädel. »Du wirst hier nichts und niemanden mehr retten. Ich habe sie beide fest in meiner Gewalt. Sie werden nirgendwo mehr hingehen.« Dante starrte auf den Ziegenschädel. Er sagte sich, dass er das Ding beobachten musste, doch es gab nichts zu beobachten. Es schwebte dort, hoch über ihm, starr und gewaltig. »Ich kann ihn nicht freilassen, den Träger meiner Saat. Das verstehst du doch, nicht wahr, Wurm? Es ist besser, ich halte ihn für immer gefangen.« »Ich bin’s gewohnt, dass ihr immer eure Pläne verratet, wenn ihr glaubt, dass ihr die Nase vorne habt. Was Jin betrifft: Würde ich wohl nicht anders machen. Schließlich kann er dich töten, stimmt’s, und es wäre wohl nicht mal schwierig für ihn, wenn er deine eigenen Kräfte gegen dich einsetzt.« »NIEMAND kann mich töten!«, kreischte Azazel durch Devils Kehle, und die drei roten Augenlichter im Schädel strahlten auf. Schon das erste Wort schnitt Dantes Hirn in zwei Teile, und er musste die Kiefer aufeinander pressen. Das tat wirklich weh. Jemand mit solch einer Sprechweise sollte besser lebenslang die Klappe halten. »Ich habe erreicht, was ich wollte. Ich habe den dunklen Stern vereinnahmt. Und mit ihm denjenigen, den sie Gottesschlächter nennen.« »Ist wie sechs Richtige im Lotto, was?« »Nur du stehst noch vor mir, Dante. Deine unbedeutende Existenz wird in kurzer Zeit enden. Nur ein Wimpernschlag für mich.« »Und dann ist dein Weg frei zur Allmacht über die Unterwelt. Was hast du sonst noch für Ambitionen?« »Alles beginnt klein und langsam. Ich habe viel Zeit, Sohn von Sparda. Es ist Äonen her, dass Mundus mich einsperrte. Eine Zeit, die du mit deinem menschlichen Verstand nicht begreifen kannst. Ich habe viel Geduld. Ich kann warten, bis du von dieser Welt vertilgt und vergessen wurdest.« Was hab ich den beiden da bloß in den Kopf gesetzt?, dachte Dante, während sich sein Gehör vom jüngsten Teil des Sermons erholte. Hätte mir klar sein müssen, dass am Ende wieder ICH die Arbeit machen muss. Trish trat hinter ihn. »Ich bin selber Schuld, oder?«, fragte er leise. »Ja«, antwortete sie. »Und um direkt zu sein, hast du die Beiden zum Tode verurteilt.« Der Gedanke, dass es am Ende Yuris eigene Entscheidung gewesen war, die Fusion mit Devil einzugehen, half nicht viel. Dante hatte ihn buchstäblich in diese Sache reingeschubst. Weil er – wie immer – einen Gegner nicht ernst genug nahm. Aber was da gekrönt von einem Ziegenschädel in den Nachthimmel ragte, das war verdammt ernst. »Ich versuch noch mal, sie zu trennen«, sagte er ohne große Hoffnung. »Meinst du nicht, dass du das vergessen kannst?« Er hörte ihre Furcht. Er wusste, dass Trish genauso gelitten hatte wie er. Das war es, was sie bis heute miteinander verband: das Leid. »Ein Versuch noch«, sagte er. »Alle guten Dinge sind drei.« Azazels Interesse an ihnen war vergangen. Er war fertig mit ihnen. Er schnaubte lang und tief, wobei die Augen des Ziegenschädels noch einmal aufglühten; dann wandte er sich langsam ab. Seine echsenartigen Füße, breit und schwer und schuppig, änderten lautlos die Richtung, und Devil, das haarige Biest, folgte der Bewegung wie ein Schatten. Das schlammige Gras schmatzte unter seinen Schritten. Dante erlebte zum ersten Mal, dass er mitten in einem Kampf stehen gelassen wurde wie ein uninteressantes Spielzeug. Nicht mal Mundus hatte das gebracht. Das Devil-Azazel-Ding hielt mit langsamen Schritten auf die Stelle zu, wo Sarris bleich und dem Erschöpfungstod nahe am Boden lag. Sie hatten noch eine Rechnung offen. Mit starrer Miene griff Trish über die Schulter und zog Sparda. Das massive rote Schwertblatt glühte bei der Berührung auf, als würde es einatmen. Trish drehte das Schwert und bot Dante den Griff an. »Hier. Na los.« Das Metall schimmerte gierig. Es zog Dantes Blick an; die extreme Macht des Schwertes streckte ihre unsichtbaren Fühler aus. Kroch auf ihn zu. Berührte sein Herz … Dante riss den Blick los und trat zurück. »Nein.« »Was?« »Nein.« Trishs Augen flackerten. »Dante.« »Wir haben darüber geredet.« »Haben wir nicht.« »Doch, jetzt gerade.« Sie starrte ihn an, als ob er sie hereinlegen wollte. »Wir haben keine Zeit für deinen Blödsinn. Nimm es.« Dante wandte sich ab. Seine Fassade stand wieder. »Wir setzen den Alten nicht ein. Wir setzen den Alten nie wieder ein.« »Aber –« »Das ist eine Waffe gegen Mundus. Nicht angemessen. Azazel ist nicht Mundus, nur jemand, der gegen ihn verloren hat. Und der ein schlechter Verlierer ist.« Trish verstand – wie Trish immer alles verstand, sowohl das, was er sagte, als auch das, was er nicht sagte. Sie schob sich Sparda wieder auf den Rücken, ganz als wäre die Sache abgehakt, und griff in die Munitionstasche an ihrer Hüfte. »Wie wär’s dann hiermit?« Sie warf ihm ein Magazin zu. Er fing es auf und sah rote Patronenspitzen. Panzerbrecher. »Besser«, sagte er. Mit einer raschen Bewegung setzte er die Munition ein, doch im Moment des Einrastens trat aus dem Dunkel Nina zu ihnen. Ihr Blick war kalt und finster. »Das wirst du sein lassen.« »Ach so?« »Du könntest sie damit töten. Beide.« »Dann sollte ich es schnell machen, denn wenn Azazel erst merkt, dass die lästigen Menschen noch mal aufmucken wollen, wird’s schwieriger, Devil ein Loch in den Pelz zu brennen.« Nina bleckte die Zähne. »Jins Geist steckt mit in diesem Monster! Von mir aus kannst du den Russen durchlöchern, so viel du willst, aber nicht jetzt! Wenn er stirbt, stirbt auch Jin!« »Glaubst du, ich wüsste das nicht?« Dante drehte Ebony einmal in der Hand und hob sie hoch, um sie auf Devil zu richten, der sich in der nahen Ferne über Sarris beugte und ihnen den Rücken zuwandte. »Wenn wir die Fusion nicht trennen, sind beide verloren. Und wenn das wehtun muss, dann ist es eben so.« »Es muss einen anderen Weg geben!« »Dann nenn mir einen!«, gab Dante hitziger zurück als beabsichtigt. »Ich kann nur ein Loch als Lösung anbieten, und genau das ist es, was sie von mir kriegen!« Er legte auf Devil an. »Rühr Jin nicht an!«, knurrte Nina. »Wag es nicht!« Er ignorierte sie. Die Sicht war gut. Gerade hob Azazel den Arm, und Devil machte es nach. Sie hoben Sarris’ Oberkörper hoch, der schlaff über der krallenbewehrten Pranke hing, und ließen ihn verächtlich wieder fallen. Guter Moment. Dante gab Druck auf den Abzug. In diesem Moment traf ihn etwas Hartes und Spitzes in den unteren Nacken, mitten zwischen die Schulterblätter, und stieß ihn bäuchlings zu Boden. Oha, da nahm aber jemand seinen Job ernst. Nina kniete über ihm, doch er ließ nicht zu, dass sie ihm auch nur eine Millisekunde länger ihre gespornten Absätze ins Genick drückte. Er warf sich aus der Bauchlage auf den Rücken und schleuderte sie dabei von sich. Leider fing sie sich noch im Fallen und landete auf den Füßen wie eine Katze. Gott, diese Frau. Sein Gespür hatte ihn nicht getäuscht: Sie war ein übler Gegner. Er sprang auf, sie sprang auf. Wenn er nicht aufpasste, würde sie ihm die Hacken noch ganz woanders hin rammen. Er erwartete ihren Angriff, und als sie ihn anfiel, schnappte er sie. Wie etwas, das auf ihn zugeflogen kam, griff er sie aus der Luft, indem er die Arme um sie schlug. Keine Sekunde zu lange. Vergil in seiner wohlerzogenen Gentleman-Manier hätte vermutlich eingewandt, dass man Frauen nicht warf; Dante hielt davon gar nichts: Wer um eine Lektion bat, kriegte eine, Geschlecht egal. Er warf sie. Weit. Sie machte keinen Mucks, als sie zwischen Gras und Fels aufschlug. Kein Aufkeuchen, kein Stöhnen, nicht mal ein wütendes Zischen. Profi. Schnell fuhr er nach Azazel herum, und ja, leider hatten sie dessen Aufmerksamkeit mit dem kurzen Gerangel zurück gewonnen. Der Dämon stieß ein hohes Brüllen aus, das so viel Druck auf Dantes Ohren erzeugte, dass er ins Taumeln geriet. Einen kurzen Moment lang sah er alles doppelt; dann brach der Laut ab, als Devil Luft in seine riesigen Lungen sog. Dante zog die schwarze Pistole, zielte. Ein Loch. Nicht in die Lungen, nicht in den Bauch … am besten ins Bein. Sollte er schaffen, schließlich war es dick wie ein Baumstamm. Ein Loch ins Bein … Hinter sich hörte er, wie Nina wieder auf ihn zurannte, viel zu schnell. Doch ihr Faustschlag gegen sein Kreuz fiel milde aus, weil die Ex-Killerin noch im selben Moment von ihm zurückgerissen wurde. Trish schlug sie nieder und stürzte sich auf sie. Nina trat aus der Rückenlage zu, wenig zimperlich direkt in die Leber, und nutzte Trishs kurze Benommenheit, um sich wieder aufzurappeln. Die beiden Blondinen taxierten einander kurz, dann ging die Schlammschlacht weiter. Als nasses, fauchendes Knäuel rollten sie durch den Modder. Dante wünschte sich, er könnte das Spektakel etwas mehr genießen, doch dafür war die Situation denkbar ungeeignet. Trishs Eingreifen verschaffte ihm die Zeit, die er brauchte. Ebony erfasste Devils Gestalt, während Azazels Geist sich brüllend hinter ihm aufbäumte. Der Cop Killer löste sich und krachte in den pelzigen Oberschenkel. Blutspritzend riss die Explosion einen rauchenden Krater in das Fleisch. Devil schrie mit drei Stimmen laut auf, die spitzen Zähne entblößt. Das getroffene Bein gab unter ihm nach. Sie mussten auseinandergehen, sie mussten jetzt auseinander gehen. Dieser Treffer war zu vernichtend, allein der Schmerz musste Yuri bewusstlos machen und ihn zwingen, Devils Seele loszulassen. Doch das passierte nicht. Kein weißes Licht aus dem Himmel, keine schwarze Suppe, die alles in sich auflöste. Er hält sie gefangen, dachte Dante. Wie er gesagt hat. Azazel hat sie beide vereinnahmt. Devil schrie und wand sich und keuchte und sabberte, während zwischen seinen zitternden Krallenfingern dunkles Blut hervorsprudelte. Dann richtete sich Azazels Umriss hinter ihm auf, erhaben über die Qual seines Abkömmlings, und das transparente Band, das beide verknüpfte, leuchtete auf. Energie floss aus Azazels Geist in Devils Körper. Energie, die von irgendwoher kam, aus dem Erdboden unter der Wüste, aus dem eingesperrten Soma des Dämons selbst. Über seine metaphysische Gestalt versorgte Azazel Devil mit Kraft. Dante wusste, er würde ihn niemals genug schwächen können, um sie trennen. Auch nicht mit hundert Cop Killern. Trish tauchte wieder neben ihm auf. »Wir müssen den Anker kappen!«, rief sie, sich eine schlammige Strähne aus den Augen wischend. Sie sah aus wie nach einem Muddy Angel Run. »Es ist der Schädel!« »Klar ist es der Schädel, kennen wir doch«, erwiderte Dante, wobei er nach Nina Ausschau hielt und sie nicht entdeckte. Er hoffte, Trish hatte ihr nicht das Genick gebrochen. »Ideen, wie wir rankommen?« »Allerdings. Ist aber riskant.« »Ich riskier’s.« »Nicht für dich. Für mich.« Er sah sie fragend an. »Wir können beide nicht fliegen«, erklärte sie. Während er Nina sehr unfreundlich geworfen hatte, würde er Trish etwas freundlicher werfen. Sie hatten das schon gemacht, das eine oder andere Mal, mit annehmbaren Resultaten – allerdings war die zu überbrückende Distanz auch nie so groß gewesen. Azazel war zwar nicht das Empire State Building, doch ein zwei-, dreistöckiges Wohnhaus hatte ungefähr seine Höhe. Und seine Breite. Leider hatte das Gespann aus Devil und Azazel keine Lust zu warten. Wütend ob des brutalen Treffers und sichtlich entschlossen, die Sache nun zu beenden, hob Azazel einmal mehr die Hand über die brüllende Bestie, die vor der Fusion noch Devil Jin gewesen war. Und diese richtete sich auf. Das Loch in seinem Bein hatte bereits aufgehört zu bluten. »Schnell jetzt!«, drängte Trish, Sparda in beiden Händen. Dante umfasste ihre Hüften, und leichtfüßig sprang sie rückwärts auf seine Schultern. Ihr schlammtropfendes Gewicht fand sofort die Balance. Er bereitete sich darauf vor, ihr den nötigen Impuls zu geben. Devil brüllte sie an und setzte sich, Azazel wie ein Kriegsbanner über ihm wallend, in Bewegung. Er polterte auf sie zu, und Dante spürte, wie Trishs geschmeidiger Leib sich bis in die Haarspitzen spannte. Einen Moment noch. Devil ahnte das Manöver und drückte die Beine durch, um Trish im Sprung zu begegnen. Sie musste über ihn hinweg gelangen, musste Azazels Ziegenschädel mit der Klinge treffen. Dante löste eine Hand von Trish, solange er dazu noch Zeit hatte, zog blitzschnell noch einmal Ebony und jagte Devil einen weiteren Panzerbrecher ins Bein. Diesmal ins andere. Das Monster fiel nach vorn, und von seinem Geheul wurde dem Teufelsjäger beinahe übel. Doch Dante hielt Stand. Der Weg war frei. Trish stieß sich hart von seinen Schultern ab, und gleichzeitig schubste Dante mit beiden Händen ihr Hinterteil schräg nach oben. Kalte Wassertropfen folgten ihrer Flugbahn. Vor ihnen senkte Azazel den Kopf, wie um ihn ihr hinzustrecken. Trish schien in Zeitlupe auf ihn zuzufliegen. Devils drittes Auge öffnete sich glühend. Und da begriff Dante, dass sie direkt in den Laser springen würde. Vor Entsetzen hielt er die Zeit an. Es war wie ein verzweifelter Reflex. Sein Adrenalin entleerte sich wie ein Schwall in diese eine Technik, die er als junger Hüpfer gut beherrscht hatte und die seither vor sich hingerostet war wie ein alter Rasenmäher im Dauerregen. Alle Kraft floss aus ihm heraus und tauchte die reglose Umgebung in eingefrorenes Weiß, als wäre alles zu Eis erstarrt. Trish hing in der Luft, die Klinge auf den Ziegenschädel gerichtet, unter ihr der geduckt nach oben starrende Devil, dessen drittes Auge sie fest im Visier hatte. Dante hatte keine Kontrolle mehr über diese zehrende Fähigkeit. Das klare Bild, wie das Negativ einer Fotographie, hielt sich nur eine quälende Sekunde lang. Dann war die Energie fort, und alles ging wieder dort weiter, wo es aufgehört hatte. Dante sackte auf die Knie, wie schon so oft an diesem Tag, während seine Partnerin in Devils Blaster sprang. Das Geräusch, wie ein Kauterisator, legte sich über Devils fürchterliches Geschrei. Als es Trish traf, klang es anders, für den Bruchteil eines Moments, und dann wurde die Luft schwer von dem stechenden Geruch nach verbranntem Fleisch und Leder. Dante sah nicht, wohin Trish fiel, und war dankbar dafür. Das Entsetzen hatte sich ganz fest um sein Herz geklammert, so fest, dass er es stolpern fühlte. Er wusste nicht, wo er Kraft hernehmen sollte. Es war, als wären alle Quellen versiegt, die seine unermüdlichen halbdämonischen Muskeln sonst speisten. Diesmal hatte er wirklich alles falsch gemacht. Wie auch sonst wurde er ganz schnell wieder ruhig. An die Stelle seiner Fassungslosigkeit trat kurze Benommenheit, dann … Klarheit. Aber diesmal auch … Leere. Die Wahrheit war, dass er alle Optionen ausgespielt hatte – auf eine Weise, die alle seine Mitstreiter in tödliche Gefahr gebracht hatte. Sein Antrieb kehrte nicht zurück. Jeder Impuls zu handeln versiegte, ehe er sich überhaupt manifestieren konnte. Dante war körperlich unversehrt, aber geistig gelähmt. Und deshalb blieb er, wo er war, halb am Boden, die Hände ins nasse Gras gestützt, den Blick auf die dunkle Erde unter sich gerichtet. Weil nichts, nichts mehr irgendeine Rolle spielte. Devil kam zu ihm und kniete vor ihm nieder. Dante roch das nasse Fell und die heißen Ausdünstungen, wie von faulenden Kräutern. Der Atem der Kreatur berührte ihn. Dann streckte sich ihm eine Klauenhand entgegen, fasste ihn an der Schulter und drückte ihn seitlich nieder. Das Schlimmste war, dass Dante nicht die Kraft fand, sich gegen diesen fast sanften Druck zu wehren. Devil rollte ihn auf den Rücken, dann stützte er beide Pranken schwer auf Dantes Brust. Seine Augen glommen so hell und vital wie immer; aus dem dritten auf seiner Stirn stiegen noch immer feine Rauchfäden auf. Azazel über ihnen schaute aus den leeren Augen des Ziegenschädels zu ihnen herab, und obwohl das nicht möglich war, sah es aus, als würde er grinsen. Dante unternahm nichts. Das Gefühl war das gleiche damals nach dem Kampf gegen Mundus, als der Mörder seiner Mutter besiegt war und Dante nicht mehr wusste, was er mit der Welt anfangen sollte; nur jetzt war es konzentrierter, als hätten sich all die Monate der Antriebslosigkeit auf diesen einen Moment verengt. Das Gefühl vereinnahmte ihn vollkommen. Über das pulsierende Lichtband, das die beiden Dämonen verband, begann Devil, Dante die Energie zu entziehen. Er saugte sie aus seinem Blut, langsam, wie Farbe in Wasser sich gemächlich auf einen Sog zubewegt und dabei bunte Schleier zieht. Azazel sammelte das Böse. Sein Geist war nur hier, weil er eine Allianz eingegangen war – weil er einen Auftrag von einem Menschen angenommen hatte. Nun war er gezwungen, seinen Teil der Abmachung zu erfüllen. Kreiselnd sammelte sich das dunkle Licht wie ein waberndes Nebelfeld über der Stelle, an der Sarris lag. Die Bosheit, die er brauchen würde, um seine Tochter wieder zum Leben zu erwecken – sie sammelte sich um ihn wie in einem unsichtbaren Gefäß. In Dante regte sich schwacher Widerstand. Er war nicht dazu bestimmt, derjenige zu sein, der diese gefährliche Energie zur Verfügung stellte. Es war falsch, was hier geschah. Er sollte nicht hier liegen und zulassen, dass das Leben aus ihm herausgesogen wurde. Aber er hatte nicht mehr die Stärke und den Willen, es aufzuhalten. Einmal hatte er in der Innenstadt gesehen, wie sie ein ausgebrochenes Pferd wieder eingefangen hatten. Einen fuchsroten Mustang, den irgendein Idiot gekauft hatte und meinte, das Wildpferd in seinen Vorgarten stellen zu müssen. Der Hengst hatte einen Zaun nach dem anderen zerlegt. Auf der Straße hatten die Cops ihn von allen Seiten mit Knüppeln eingekreist. Bestimmt zwanzig Minuten hatte sich das Vieh mit rollenden Augen immer wieder aufgebäumt, hatte nach allen Seiten ausgeschlagen, hatte einen sinnlosen Kampf gekämpft, bis die Kräfte es schließlich verließen – ganz plötzlich, als hätte es auf einmal eingesehen, dass das alles keinen Zweck hatte. Dass die Lage aussichtslos war. Manchmal waren auch Tiere weise genug, diesen Moment zu erkennen. Der nächste Schlag hatte den Mustang dazu gebracht, die Beine einzuknicken und langsam umzukippen. Männer waren auf seinen Kopf gesprungen, hatten sich auf seine Flanken gesetzt. Nicht nötig, weil das Pferd nicht mehr trat. Es lag nur noch da. Besiegt. Dante hatte sich genauso hingelegt wie dieser Mustang. Er hatte aufgegeben, und er hatte es nicht einmal gemerkt. Der Klumpen böser Energie, der sich über Sarris verdichtete, war zu einem großen, dunklen Knäuel angewachsen. Dante fühlte sich so schwach wie nie zuvor. Devil kniete mit seinem ganzen Gewicht auf ihm, hinderte ihn an jeder Bewegung, sogar fast am Atmen. Dante sah kaum noch etwas klar. Sein Sichtfeld flimmerte und verengte sich immer mehr. Er wusste nicht, ob er diesen Entzug seiner Lebenskraft überstehen konnte, aber es war auch … irgendwie … egal. Oder? War es nicht egal? Irgendwo in ihm war eine Erinnerung an ein ähnliches Erlebnis. Irgendwann, als er ein Kind gewesen war. Offenbar hatte er damals irgendwie überlebt … sonst wäre er jetzt nicht hier, um ergeben unter Devils Pranken zu liegen wie ein Fisch, der sich fressen ließ. Irgendwie … … Irgendwas … … regte sich plötzlich in ihm. Es war, als hätte er letztlich so viel Kraft verloren, dass unter der Schutzschicht das nackte Leben zum Vorschein kam. Der Kern seines Seins, etwas, das absolut nicht bereit war zu erlöschen. Das sich niemals, niemals ergeben würde. Der Teufel in Dante rührte sich. Erst muckte er nur auf, in die Substanz getroffen, dann fletschte er die Zähne. Egal, wie viel Energie sie ihm bereits entzogen hatten, plötzlich war da noch mehr. Endlos viel mehr. Ein unbegrenzter Vorrat, der plötzlich mit aller Macht hervorsprudelte. Sie hatten zu tief in ihm gegraben. Kaltes, rohes Feuer jagte durch seine Adern. Mühelos stieß er Devil von seiner Brust, sprang auf und warf das Ungeheuer unter sich nieder. Dante spürte die Transformation, aber sie fühlte sich diesmal nicht fremd an. Nichts Unbekanntes, Mächtigeres übernahm ihn, sondern etwas, das aus ihm selbst kam. Mit zwei Paar Flügeln und Speeren aus rotem Licht stürmte er aufwärts und stieß Devil erneut hart zu Boden. Der Dämon grunzte zornig und rammte ihm die Klauen seiner Füße in die Seiten, doch das war egal. Dante war nicht verwundbar, nicht jetzt. Seine Haut war ein schwarzer Drachenpanzer, undurchdringbar für jedweden Angriff, für Licht, für Schatten und für Devils maßlosen Zorn. Dante wusste, dass er nicht viel Zeit hatte. Dieser Devil Trigger war aus seiner puren Verzweiflung geboren, die stärkste Ausprägung seiner Kräfte, aber sie würde alles, was an Stärke übrig war, binnen Sekunden aufzehren. Dante machte einen Satz über Devil, der unter ihm zappelte, und landete dort, wo Trish auf der Erde lag. Sparda, ein riesiges geschwungenes Gebilde inmitten von Dreck, bestürmte ihn mit seiner Gier. Geschmeidig ergriff Dante im Landen die Klinge und stürzte sich sofort flügelschlagend in die Luft. Azazel sah ihn. Und jetzt hatte er Angst. Die flirrende Geistergestalt strauchelte, wollte nach rückwärts ausweichen, dem Hieb entgehen. Doch er hatte keine Chance. Dante hob das Schwert seines Vaters über den Kopf, und in diesem Moment wuchs die Klinge mit einem Schlag auf das Zehnfache ihrer Größe an. Mit Leichtigkeit traf die gleißende Schneide auf den Ziegenschädel und spaltete ihn mitten entzwei. Das Abbild des Dämons flackerte, ächzte ersterbend, dann löste es sich auf. Die Schnur aus Licht zerfiel. Das schon beinahe mannshohe, wirbelnde Geflecht aus dämonischer Bosheit, das sich über Sarris’ Körper zusammengeballt hatte. stob auseinander, unaufhaltbar. Und dann … Stille. Nun war Devil allein. Und er war panisch. Er rappelte sich hektisch auf die Beine, wobei er beim Auffußen im Schlamm kaum Halt fand und lächerlich schwankte; dann machte er kehrt, wollte davonfliegen. Dante folgte ihm in geradezu absurder Schnelligkeit. Schon war er wieder direkt vor ihm, sah das dritte rote Auge hilflos flimmern. »Ab nach Hause«, sagte Dante in einer Stimme, die diesmal seine eigene war. Devil schnaubte. Und griff an. Dante schlug einmal mit Sparda zu und schlitzte die Bestie von oben bis unten auf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)