Demonheart von CaroZ ================================================================================ Kapitel 53: Akt XIV - Am Ende: 18-2 ----------------------------------- 18-2: YURI Yuri verlor keine Zeit. Die Ketten waren fort, und Azazel starrte ihn an wie etwas, das er noch nie gesehen hatte. Yuri trat von dem Baum weg, schüttelte die Gelenke, streckte den Rücken, bis die Wirbel knackten, und schob dann seine Finger in die Schlagringe, die natürlich da waren, wo sie sein mussten. Die Nachtvogelklauen glommen auf und pumpten ihre dunkle Energie in seine Fäuste. Jin war neben ihm, erschöpft und schwer atmend, aber ohne jedes Zeichen von Kapitulation. Seine blutverklebten Augen waren weit offen, dunkel, bedrohlich. Yuri legte eine Hand auf die kalten, blutverschmierten Fingerknöchel des Anderen, fast intuitiv, und Jin wich der Berührung diesmal nicht aus; stattdessen schien sich irgendetwas in ihm zu entspannen. Etwas, das vorher ein verkrampfter Klumpen gewesen war. Yuri war der Herrscher dieser Welt, es gab hier nichts, das er nicht steuern konnte – nur Azazel war ein eingedrungener Fremdkörper. Ihn mussten sie loswerden. Hochkant rausschmeißen. Jin ballte die Fäuste. Zufrieden sah Yuri, wie sie in Flammen aufloderten, als sich schwarze Drachenschuppen um sie schlossen. Ifrit war die einzige Waffe, die Jin je geführt hatte. Anscheinend hatte er Gefallen daran gefunden. Der Ziegenschädel schien sich zu einer Grimasse zu verziehen. Schatten krochen über den bleichen Knochen, und das dritte Auge begann wieder zu leuchten. Yuri musste mit Jin nicht reden. Was mit Dante trotz verbalem Austausch nicht funktioniert hatte, würde mit Jin absolut mühelos funktionieren. Und zwar ganz ohne Worte. Denn an diesem Ort waren sie verbunden. Na dann, Gottesschlächter. Schlachte einen Gott. Azazels massige Geistergestalt ging zum Angriff über. Die mächtigen Füße stampften und sprangen viel zu leichtfüßig. In beiden Klauenhänden bündelte er ekelerregende, gelbleuchtende Lichtklumpen, einen davon für jedes seiner Opfer. Doch Yuri und Jin stoben ihm davon. Yuri wich nach links aus, Jin nach rechts, und als Azazel mit einer mächtigen Bewegung die wabernden Bündel von sich stieß, schossen sie an den Fersen der beiden Männer vorüber und klatschten gegen den Seelenbaum, dem das so scheißegal war wie nur irgendwas. Yuri hätte fast gelacht. Er bremste scharf an der Seite des Monsters und rammte die glühenden Klingen in dessen Flanke, die nun keine Illusion mehr war. Stattdessen war sie hart gepanzert, zentimeterdick – doch er kam durch. Azazel schwang den Arm nach ihm, unerwartet flink, und Yuri musste sich tief ducken und beinahe lang fallen lassen. Gerade noch rechtzeitig fanden seine Sohlen auf dem Boden Halt. Über Azazels mächtige, wogende Brust hinweg sah er Jin, der eben die Faust zurückzog und sie dann gegen den stachelbewehrten Oberschenkel vorschnellen ließ. Gut so. Yuri wartete, bis Azazel aufheulte und in Jins Richtung kippte, dann packte er den baumstammdicken Arm und zog sich blitzschnell hinauf, um hochzuklettern. Es war nicht schwierig: Seine Muskeln und Sehnen waren dünn und geschmeidig und hart wie Eisen. Das Manöver kam jedoch zu früh. Azazel warf den Kopf zurück und brüllte, seine Augen strahlten auf, dann plötzlich sein ganzer Körper – und dann schleuderte er Jin und Yuri von sich, die an ihm hingen wie Zecken, und die heiße Woge fegte sie beide am Seelenbaum vorbei ins Dunkel. Nebeneinander liegend rappelten sie sich auf und rangen nach Atem. Azazel johlte seinen Triumph hinaus. Keuchend starrte Yuri ihn an; die riesenhafte Gestalt verzerrte sich, um dann wieder klarer und sogar farbiger zu werden. Allmählich bekam er einen Eindruck, wie Azazels wahre Gestalt aussah. Massig, stachelig, mit einer geradezu absurden Anatomie. Der Schwanz bekam Dornen wie der eines Krokodils, die Schnauze wurde lang und dünn. Noch verschwamm alles in Unwirklichkeit, doch Azazel sandte mehr und mehr Energie durch das unsichtbare Band in Devil hinein. Er wollte diese Schlacht unbedingt gewinnen. Zu viel hing für ihn davon ab. In der realen Welt prügelte er sich mit Dante, doch sein Geist hielt Yuri und Jin in Schach; er konnte sie nicht töten, doch sein Sieg würde ihren Willen brechen, sie für lange Zeit in die Schwärze verbannen. Dante indes konnte er töten – und würde er, dann läge die Allmacht für ihn so nahe wie noch nie. Er hatte jetzt die Chance, alle drei Bedrohungen, die ihm irgendwann, irgendwie gefährlich werden konnten, auf einmal zu eliminieren. Danach gab es keinen Widerstand mehr. Yuri stöhnte auf, als die Außenwelt vor ihm aufflackerte. Blitzartig sah er durch Devils Augen, sah Dante auf dem Boden. Seine Augen waren offen, sein Blick teilnahmslos. Devils Klauen ruhten auf seiner Brust. Scheiße. »Er hat Dante …« »Nein«, knurrte Jin, und seine Augen fixierten weiter das Monster. »Nein.« Er stemmte sich hoch. Verdammt, Jin war völlig am Ende, und trotzdem krabbelte er auf die Füße wie ein Baby, das zum tausendsten Mal beim Laufenlernen auf die Schnauze gefallen war. Warum machte Dante das nicht, warum hatte er so reglos dagelegen, was zum Teufel war passiert? Yuri verstand die Welt nicht mehr, und er wusste nicht, wohin mit all den widersprüchlichen Impulsen. Doch ein Blick auf Jin und seine unglaubliche Tapferkeit fokussierte ihn wieder. Yuri spuckte aus – ein blutiger Speichelklecks auf einem Boden aus Nichts – und kämpfte sich hoch. Als Jin wieder auf Azazel zustürmte, sah Yuri seine Fersen hell aufflackern. Jin zog eine brennende Schneise nach sich. Ifrit antwortete auf seine Wut. Yuri beschleunigte, setzte sich neben ihn, und wieder trennten sie sich kurz vor Azazels Reichweite, um ihn in die Zange zu nehmen. Diesmal mussten sie ihn zu Boden bringen, wenn sie diesen Kampf noch für sich entscheiden wollten. Die Zeit lief davon. Yuri fühlte, wie allein die Präsenz des Dämons der Sünde seinen Geist zermürbte. Diesmal war Azazels sehr viel wachsamer. Er hatte Yuris Klauen und Jins Feuerfäuste schon geschmeckt, und sofort schlug er auf die Beiden ein, als sie sich ihm näherten. Yuri wich dem Schwinger aus und zog die Messer seiner Knöchel über die schuppige Haut – nicht tief genug, nur geritzt. Zweiter Versuch – auch nicht besser. Die Haut war zu dick. Azazels Pranke kam zurück. Nichts wie weg. Auf der anderen Seite verschmorte Ifrits Höllenfeuer die weicheren Schuppen unter der Kniekehle. Es knisterte wie heißes Fett und stank bestialisch. Früher hatte die Realität der Kämpfe auf dem Friedhof Yuri stets in Horror versetzt: all der Schmerz, das Blut, die Brutalität, sämtlich Produkte seiner eigenen Vorstellungskraft, die ihn in die Lage versetzte, das Böse seiner Seele in Schach zu halten. Das Böse, das er immer wieder niederschlagen musste, damit es ihn nicht vereinnahmte. Ein Kampf, der nie zu Ende war. Jin widerstand diesem Terror mit aller Macht, die er aufbringen konnte. Was auch immer er bis jetzt erlebt hatte, er war bereits so schwer gezeichnet, dass sein Verstand nicht aus den Fugen geriet, egal was hier an diesem surrealen Ort mit ihm geschah. Er war so stark, stärker vielleicht als jeder Andere, den Yuri je kennen gelernt hatte. Wieder sammelte Azazel sein finsteres Licht um sich. Diesmal ließen sie ihn beide rechtzeitig los. Die Energie rauschte über sie hinweg, zwang sie in die Knie, aber riss sie nicht von den Füßen. Ein kurzes Atemholen. Nicht nachlassen. Yuri stürmte wieder vor, umklammerte den stacheligen Arm, ignorierte, dass die Dornen durch den Stoff in sein Fleisch drangen. Der Schädel. Er musste den verfluchten Schädel erreichen. Jin zerstörte Azazels Flanke geradezu mit dem roten Feuer. Immer wieder wich er den tretenden Füßen, den zuschlagenden Pranken aus und hieb wieder zu. Azazel hatte keine Zeit, sich auch noch um Yuri zu kümmern. Sie waren ein perfekt harmonierendes Team. Sie waren tödlich. Azazel sank spuckend und keifend auf die Knie. Seine rote Zunge hing aus dem unwirklich flimmernden Hals, auf dem der Schädel saß, weiß leuchtend und wirklich. Yuri erklomm die Schulter des Monsters. Seine Lungen brannten. Plötzlich warf Azazel sich zur Seite und begrub mit der anderen Schulter Jin unter sich, der schmerzerfüllt aufkeuchte. Yuri wurde über den breiten Nacken geworfen und landete ebenfalls auf dem Boden. Seine Schulterblätter schlugen hart auf und raubten ihm den Atem, und dann war Azazel über ihnen beiden. Sein mächtiger Torso drückte ihnen die Luft ab, seine massigen Arme schlugen wie Gewichte neben ihren Köpfen auf die Erde. »Das habt ihr euch so gedacht«, grollte er, »ihr Würmer im Schlamm des Daseins. Ich zeige euch, was es heißt, mich herauszufordern!« Plötzlich spürte Yuri voller Entsetzen, wie Azazel den mentalen Griff um seinen Geist verstärkte. Er drückte zu, umschlang ihn immer fester, wie eine Würgeschlange ein Kaninchen. Yuri begann zu husten und zu japsen, während gleichzeitig der Druck auf seine Brust zunahm. Seine Gedanken verloren ihren Fokus; er konnte seine Welt nicht mehr zusammenhalten; alles begann ineinander zu fließen. Verzweiflung sprach aus diesem letzten Aufbäumen des Dämons. Yuri ahnte, dass Dante endlich begonnen hatte, sich zu wehren. Azazel wandte jetzt die letzte Energie auf, die er von seinem wahren Körper lösen konnte. Ein Funken mehr, und er würde sterben. Es war ein hohes Risiko. Yuri konnte sich nicht bewegen. Selbst seine Zehenspitzen wurden unter dem Gewicht des Monsters taub. Der Raum begann zu verschwimmen; der Baum, die Tür, sogar die Gräber dahinter. Dann begann alles um sie herum zu schrumpfen. Wände, die es plötzlich gab, kamen näher, während alles Andere wabernd in die Ferne rückte; nicht sichtbar, doch fühlbar drängten sie unaufhaltsam heran. Und das dritte rote Auge auf der Stirn des Ziegenschädels öffnete sich gleißend. Yuri fühlte, wie Jin fest, fast schmerzhaft sein Handgelenk ergriff. Ifrit verbrannte es nicht, keinen von Beiden. Nur einen Wimpernschlag hielten sie die Verbindung – dann ließ Azazel sie abrupt los, richtete den Oberkörper auf, um den Laser abfeuern zu können. Im Reflex rissen sich Yuri und Jin unter ihm frei und flohen. Doch sie konnten nirgendwo hin. Die Welt endete um sie herum, hinten, links, rechts – sie war überall zu Ende. Azazel war vor ihnen. Der tödliche Feuerstrahl löste sich aus seiner grellroten Iris. Sie konnten nicht ausweichen. Diesmal nicht. Yuri spürte Jins Impuls, ihn beiseite zu stoßen, um allein die volle Wucht abzufangen. Das wirst du schön bleiben lassen, dachte er, verpasste Jin einen Kinnhaken, der diesen brutal stoppte, und stieß ihn hinter sich. Dann traf ihn der Laser. Und fuhr einmal von oben nach unten durch seinen ganzen Leib. Vernichtend. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)