Nocturis von Psychomiez ================================================================================ Kapitel 1: Home sweet Home Part 1 --------------------------------- 2. Home sweet Home Das Licht im Laden war erloschen. Hinter der kleinen Seitentür neben dem Tresen führte eine enge Treppe steil in das Obergeschoss des kleinen Reihenhauses. Eliah hatte Bella und Nocks mit nach oben genommen. In einem kleinen Flur befanden sich mehrere Türen. Bella fiel sofort auf, dass eine der Türen recht beschädigt und schmutzig war. Das Haus wirkte gepflegt, doch diese eine Tür sprang durch die Brandflecken im Holz ganz besonders ins Auge. Selbst die Tapete um den Türrahmen herum war ein wenig angesenkt. Bella traute sich im Moment jedoch nicht zu fragen, was sich hinter dieser Tür befand. Eliah, der offenbar der Besitzer des Ladens und auch dieses Hauses war, schien bereits gereizt zu sein. Die junge Hexe wollte durch nichts in der Welt sein Gemüt noch mehr trüben. Ihre Anspannung war nach dem Vorfall im Laden groß und sie setzte sich besser nicht zu vielen Reizen aus. Doch driftete sie kurz ab und stellte sich vor, dass Eliah hinter dieser Tür vielleicht einen kleinen Drachen hielt, der für die Brandspuren sorgte. Diese kleine Fantasie gefiel ihr und sie war vielleicht auch reizvoller als die Wahrheit. Die drei betraten aber nicht den Raum hinter der beschädigten Tür, sondern den Raum, den Bella über dem Laden im Erdgeschoss vermutete. Es war ein kleiner Wohnraum, der bequem eingerichtet war. In der Nische, die von der Tür aus der entfernteste Punkt war, befand sich ein Esstisch mit vier Stühlen. Allerdings machte es nicht den Anschein, als ob dieser oft benutzt wurde. Auf dem Tisch befand sich weder eine Tischdecke, noch ein paar Blumen. Nein, vielmehr stapelten sich einige Bücher und Schreibmaterialien auf diesem Tisch. Er wurde wohl als Schreibtisch verwendet. Gegenüber der Tür aber fand man ein Sofa, zwei Sessel und einen Beistelltisch, welche dazu einluden, sich zu setzen. Neben einer Vitrine und einer tiefen Kommode war nicht mehr viel im Raum an Möbeln zu sehen. Die Wände waren mit einer schlichten Tapete beklebt und einige Fotos hingen gerahmt an den Wänden. Der Höflichkeit halber aber unterließ Bella es, sich diese anzusehen. Der Boden war mit einem großen Teppich ausgelegt und man sah zu dessen Rändern den alten, aber gepflegten Holzboden hervorschauen. Nocks machte es sich, wie selbstverständlich, auf dem Sofa bequem und lehnte sich zurück, er atmete kurz durch. Noch immer hatte keiner von den beiden Männern ein Wort gesagt, so wagte auch Bella nicht, das Wort zu ergreifen. Nocks verwies Bella mit einer kurzen Geste dazu, sich zu setzen, während Eliah ein paar Weingläser aus der Vitrine holte. Er stellte die Gläser auf dem Beistelltisch ab und verließ dann den Raum. Bella sah ihm kurz nach, ehe sie zu Nocks hinüber blickte. Dieser wirkte recht entspannt. Obwohl Eliah eindeutig gereizt zu sein schien, tat der Vampir so, als ob nichts sei. Er bemerkte Bellas Blick und lächelte.   »Mach dir keine Gedanken! Er ist fast immer so zickig. Das legt sich wieder«, erklärte Nocks mit einer abwinkenden Geste. Die Hexe wusste gar nicht, was sie von dieser Aussage halten sollte.   »Aber, sollten wir nicht Rücksicht nehmen? Warum ist er denn so wütend?«, fragte sie so leise es über die Entfernung zu Nocks hinweg ging. Sie setzte sich auf den Sessel zur Linken des Sofas.   »Ich schätze, das werden wir gleich herausfinden«, erwiderte Nocks mit einem Achselzucken. Sie verstand nicht, wie er sich so gleichgültig verhalten konnte. Er machte ohnehin bisher auf sie den Eindruck, als sei er grundsätzlich der Meinung, dass nichts um ihn herum ihn etwas anginge.   »Bevor ihr hier irgendetwas herausfindet, will ich erst einmal erfahren, was dort unten vor sich ging! Was war das für ein Lärm? Und wer ist diese Frau?«, Eliah betrat den Raum mit einer Flasche Wein in der Hand, welche er bereits entkorkt hatte. Seine Stimmung schien sich kein Stück gebessert zu haben und Bella erschrak ein wenig, als sie seine Stimme hörte. Hatte er sie reden gehört? Es war ihr etwas unangenehm, doch schwieg sie nun wieder. Nocks beobachtete in aller Ruhe, wie Eliah den Wein in die Gläser gab und sah dann kurz zu Bella hinüber.   »Um wenigstens eine deiner Fragen zu klären: das ist Carabella«, erwiderte er gelassen und deutete mit der flachen Hand zu ihr hinüber. Eliah sah zu Bella hinüber, doch schien diese schlichte Information ihn nicht zu befriedigen. Er atmete kurz tonlos durch und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger das Nasenbein. Doch hob er den Blick dann wieder und blickte mit verschränkten Armen zu Bella hinüber.   »Ich hoffe, dass du, Gnädigste, uns darüber aufklären könntest, was da unten vor sich ging«, sprach er das Mädchen nun direkt an. Er reichte ihr ein Glas des Weines und tat das Gleiche bei Nocks, ehe er selbst ein Glas nahm und etwas trank. Bella nahm ebenso einen Schluck und auch Nocks bediente sich. Offenbar hatten sie es alle ein wenig nötig. Bella war sich darüber im Klaren, dass von ihr nun eine Erklärung erwartet wurde. Doch sie war sich nicht sicher, ob sie sich den beiden Männern anvertrauen konnte. Natürlich hatte Nocks ihr geholfen, aber das war eher unfreiwillig gewesen.   »Ich habe den Eindruck, dass Carabella verfolgt wurde«, Nocks versuchte offenbar, ihr eine Starthilfe zu geben. Eliah blickte kurz zu dem Vampir und heftete seinen Blick dann wieder auf die junge Hexe.   »Würdest du uns verraten wer dich verfolgt hat und warum?«, erkundigte sich der Alchemist nun mit kritischem Blick. Bella atmete tief durch. Was sollte sie ihnen denn nur sagen?   »Nun er ist ein Dämon...«, begann sie unsicher. Doch winkte sie dann eilig ab und lachte angespannt, »Aber bei uns Hexen ist es üblich, ab und an Scherereien mit Dämonen zu haben.« Die beiden Männer tauschten kurz einen skeptischen Blick aus, ehe sie wieder zu Bella sahen. Offenbar wollte sie ihnen nicht erzählen was los war und sie schienen ihr auch nicht unbedingt zu glauben. In ihrer Nervosität versuchte sie einfach irgendetwas zu sagen, weswegen sie noch anfügte, wie dankbar sie den beiden für ihre Hilfe war. Doch es schien nicht viel zu helfen.   »Ich kann mich mit so einer Erklärung nur schwer zufriedengeben!«, erwiderte Eliah daraufhin. Sie hatte befürchtet, dass er so reagieren würde. Bella ergriff den Stoff ihres Rockes und krallte die Finger in diesen. »Wenn du uns in deine Probleme hineinziehst, erwarte ich eine anständige Erklärung, damit ich weiß, worauf ich mich in Zukunft einstellen muss!«, führte Eliah seinen Gedanken weiter aus. Bella spürte, wie sie verkrampfte.   »Ich wollte euch wirklich in nichts mit hineinziehen«, erwiderte sie hastig auf seine kühlen Worte hin.   »Das hast du dennoch getan«, Eliah schien sich nicht erweichen zu lassen. Bella schnürte es für einen Moment die Kehle zu. Was hatte sie nur angerichtet? Sie hatte sich retten wollen und nicht über die Konsequenzen nachgedacht. Natürlich hatte sie Unschuldige mit hineingezogen und keinen Gedanken an ihr Wohlergehen verschwendet.   »Nun lass‘ es mal gut sein!«, der Einwand des Vampirs, ließ Bella wieder aufblicken. Nocks trank noch einen Schluck von dem Wein und sah dann zu Eliah hinüber: »Dich betrifft es doch gar nicht. Er hat nur mich gesehen. Und außerdem ist keiner von uns zu Schaden gekommen.« Nocks brachte mit seiner Ansicht nicht nur Bella, sondern auch Eliah aus der Fassung. War er denn wirklich so unbekümmert? Beide starrten ihn für einen Moment sprachlos an und Nocks wurde wohl klar, dass sie nicht verstanden, was in ihm vorging.   »Ich meine, Carabella war verzweifelt und wusste sicher keinen anderen Ausweg. Findest du das nicht nachvollziehbar? Außerdem ist jetzt alles wieder gut«, versuchte er sich also zu erklären. Eliah machte den Eindruck als würde er gleich platzen. Er plusterte sich auf, ehe er Nocks bei den Schultern packte.   »Es ist alles wieder gut? Der Kerl liegt noch vor meinem Laden. Was wenn er wiederkommt und auf der Suche nach ihr alles kurz und klein schlägt?«, begann er zu schimpfen als er Nocks bereits leicht schüttelte. Dieser versuchte, sich zu befreien.   »Dir sollte klar sein, dass mein Laden und dessen Inhalt mehr wert sind als du«, fügte Eliah gar wütend hinzu. Nocks schenkte ihm einen Blick, der ihn darüber zweifeln ließ, ob sein Freund noch bei Verstand war. Bella merkte, dass Eliah sich in voller Rage befand und sie suchte eilig nach einer Möglichkeit, ihn abzulenken und Nocks so aus dieser Situation zu retten.   »Was genau wird eigentlich in deinem Laden verkauft?«, rief sie also aus, in der Hoffnung, sie könne Eliah damit von seinem Ausbruch ablenken. Dieser hielt kurz inne und linste zu ihr hinüber. Ihre Frage schien die erhoffte Wirkung nicht zu verfehlen. Er ließ von Nocks ab und mit einem Mal wandelte sich seine gereizte Stimmung, er wirkte entspannter und er lächelte nun gar stolz.   »Eine ausgezeichnete Frage«, stellte er fest. Er erkannte, dass es am besten war, seinen Gast darüber aufzuklären. So konnte auch sie die Tragweite des angerichteten Schadens besser verstehen. Nocks hingegen war einfach nur dankbar für seine Rettung. Da Eliah von ihm abgelassen hatte, konnte er sich wieder setzen. Er griff eilig nach seinem Wein und nahm einen kräftigen Schluck. Doch leierte er kurz mit den Augen bei Eliahs Worten. Er wusste was nun folgen würde. Er kannte das Loblied auf den Laden bereits bestens und meinte, es fast auswendig zu können. Eliah hingegen nahm Haltung an.   »Du befindest dich im Paradies für Gifte und Wunderheilmittel«, begann Eliah voller Stolz zu erklären. Bella horchte auf. Was er da sagte, erweckte ihr Interesse.   »Die Rettung in letzter Sekunde oder die Lösung all deiner Probleme, die Familie Mc Allister steht schon seit Jahrhunderten für beste Qualität. Bei uns bekommst du alles, was dein Herz begehrt, solange du es dir leisten kannst. Für die Konsequenzen übernehmen wir allerdings keine Haftung«, führte Eliah seine Erklärung weiter aus. Bella merkte auf. Diesen Namen kannte sie!   »Moment!«, warf sie ein, »Du willst mir sagen, du gehörst der Mc Allister Familie an? Sie sind berühmt für ihre wirkungsvollen Heilmittel und Gifte. Ich habe gehört, dass Jeremias Mc Allister sogar ein Mittel für ewiges Leben und Jugend gefunden haben soll. Stimmt das?« Eliah nickte bekräftigend: »Du liegst bei all deinen Fragen richtig. Jeremias Mc Allister ist mein Großvater, von ihm habe ich das meiste Wissen erlangt.« Nocks gähnte herzhaft. Das Thema interessierte ihn nur dürftig. Immerhin war diese tolle Familie mit ihren vielen Mitteln und ihrem Hokuspokus schuld daran, dass er diesen gewaltigen Katalog an Giften und Heilmitteln auswendig lernen sollte. Nur so würde er die Kundschaft kompetent beraten können und die richtigen Mittel an den richtigen Kunden verkaufen. Davon war zumindest Eliah überzeugt. Nocks allerdings hatte keine rechte Motivation dazu, sich all diese Informationen einzuprägen. Seiner Meinung nach genügte es vollkommen, wenn er die Mittel nachschlug. Doch Diskussionen über dieses Thema waren bereits mehrfach geführt worden und hatten viel Zeit gekostet, ohne ein positives Ergebnis für den Vampir zu erzielen. Weswegen er das Diskutieren aufgegeben hatte. Bella hingegen schien ganz hin und weg von der Tatsache, dass sie eine Berühmtheit vor sich hatte. Wie hatte sie nur in diesen Laden laufen können, ohne sich darüber klar zu werden, wem er gehörte? Die Familie Mc Allister war in diesem Land ebenso berühmt wie berüchtigt. Ihre Gifte und Gegengifte waren von außerordentlicher Qualität, aber auch sehr teuer. Doch hatte diese Familie vor 40 Jahren für Furore gesorgt, als sie behauptete, eines ihrer Mitglieder habe ein Mittel für ewige Jugend entdeckt. Manche beteten diese exzentrische Familie und ihre Geheimnisse an und wollten gerne noch viel mehr erfahren. Andere wiederum verfluchten sie und waren überzeugt davon, dass sie Unheil brachten. Am liebsten wollte diese Partei den Laden und das Labor in die Luft jagen. Für eine Hexe allerdings die, wie Bella, vor allem ein Interesse am Brauen von Tränken hatte, waren sie Helden. Sie bewunderte diese Menschen, die ohne Magie Mittel mit solcher Wirkung herstellen konnten. Doch in all ihrer Bewunderung wurde ihr plötzlich klar, dass sie diesen Leuten Ärger bereitete. Ihr Blick trübte sich plötzlich.   »Und ich ziehe eine solche Berühmtheit in meinen Schlamassel hinein...«, stellte sie mit tonloser Stimme fest. Es war ihr mit einem Schlag schrecklich unangenehm. Eliah, der sich nun aber dank ihrer Bewunderung geschmeichelt fühlte, konnte sich zu einer beschwichtigenden Geste bewegen und brachte gar ein sanftes: »Schon gut«, hervor.   »Ja, er ist wirklich ganz große Klasse«, warf Nocks nun in seiner frechen Art ein um die Aufmerksamkeit der beiden wieder auf sich zu lenken. Er lehnte sich zurück und legte einen Arm auf der Rückenlehne des Sofas ab. Sein Blick galt vor allem Bella: »Viel wichtiger ist es doch zu klären, was jetzt aus dir wird.« Bella sah Nocks unsicher an. Sie schüttelte leicht den Kopf und hob die Hände als wolle sie die beiden Männer beschwichtigen.   »Oh, darüber müsst ihr euch keine weiteren Gedanken machen. Ich werde weiterziehen. Sie werden hier sicher nicht noch einmal nach mir sehen.« Sie wollte den beiden jetzt wirklich nicht noch mehr Umstände bereiten. Nocks schien von diesem Vorschlag wenig begeistert, er schüttelte nur seufzend den Kopf, was Eliah dazu bewegte wieder misstrauisch zu werden und die Arme erneut zu verschränken. Er zog eine Augenbraue hoch und blickte den Vampir beinahe verächtlich an: »Ich nehme an, DU hast eine bessere Idee?« Nocks begann so breit zu grinsen, dass seine Eckzähne deutlich zu sehen waren: »Die habe ich tatsächlich«, erwiderte er direkt. Die Aufmerksamkeit der beiden anderen Personen im Raum galt uneingeschränkt ihm und er schien es kurz zu genießen.   »Es ist ganz einfach: ich nehme sie mit zu mir«, erklärte er offen und er klang dabei so, als wäre es ganz selbstverständlich. Bella und Eliah fuhren beide herum und kamen näher an ihn heran, fast näher, als ihm lieb gewesen wäre. Er blickte zu den beiden auf. Bellas Blick war voller Dankbarkeit, doch spiegelte sich auch ein wenig Besorgnis darin wider. Konnte sie so ein Angebot denn überhaupt annehmen? War es denn nicht zu viel? Über Eliahs Gesicht hingegen legte sich ein dunkler Schatten und kurz konnte man gar meinen von ihm ein Hissen zu hören, wie es sonst nur eine Schlange von sich geben konnte.   »Das kann nicht dein Ernst sein! Hast du denn nicht schon genug eigene Probleme? Denk mal darüber nach!«, redete er auf Nocks ein, welcher Abstand suchte, um nicht wieder von Eliah ergriffen und geschüttelt zu werden. Bellas Besorgnis jedoch wurde durch diese Worte größer. Nocks hatte Probleme? Dann sollte sie sich ihm nicht aufdrängen. Der Vampir hingegen winkte nur ab.   »Ich helfe ihr mit ihren Problemen und sie hilft mir mit meinen. Ganz einfach«, gab er zurück und man konnte ihm ansehen, wie überzeugt er von dieser Idee war. Eliah hingegen wirkte äußerst skeptisch. Er hielt wohl immer noch nichts von der Idee. Bella hingegen machte dieser Vorschlag Hoffnung. Wenn sie sich gegenseitig halfen, war es vielleicht halb so wild und sie müsste sich keine Vorwürfe machen. Sie könnte erst einmal mit ihm gehen und schauen wie es war. Wenn sie der Meinung war, dass es nicht funktionieren würde, könnte sie immer noch gehen. Eliah sah der Hexe wohl an, dass ihr der Vorschlag gefiel. Es war immerhin die einzige Hilfe, die ihr geboten wurde. Sie griff offenbar nach jedem Strohhalm. Nocks schien von seiner Schnapsidee überzeugt. Der Alchemist merkte also, dass er auf taube Ohren stoßen würde, egal was er nun sagen würde.   »Macht doch was ihr wollt!«, kam es mit einem resignierten Seufzen. Sie waren erwachsen, er konnte ihnen ohnehin nichts vorschreiben. Nocks und Bella hatten die Stadt hinter sich gelassen. Sie lag im Schatten des Tales und nur wenige Lichter leuchteten noch in den Fenstern. Von weitem wirkte sie wie eine Ansammlung tiefschwarzer Klauen, welche sich aus dem Tal erhoben und nach dem Himmel zu greifen versuchten. Bella warf einen langen Blick auf diese Aussicht.   »Kommst du?«, Nocks‘ Stimme riss sie aus ihren Gedanken und sie wandte sich nach ihm um. Er stand ein Stück von ihr entfernt auf dem steinigen Feldweg. In der Hand hielt er eine kleine Laterne, deren flackerndes Licht ihm einen unheimlichen Touch gab. Das Licht, welches von unten her auf sein Gesicht schien, warf scharfe Schatten in sein Gesicht. Es wirkte unheimlich. Die grünen Augen schienen das Licht zu reflektieren und leuchteten beinahe gefährlich. Bella war sich nicht sicher, ob es wirklich eine gute Idee war mit ihm zu gehen. Er war ein Vampir. Was mochte passieren, wenn sie mit ihm allein war? Doch er wirkte nicht wirklich gefährlich auf sie. Wahrscheinlich war es sein junges Gesicht und der eher schmale Körperbau, die ihn nicht besonders angsteinflößend wirken ließen. Wäre er ein Mensch, hätte Bella sicher keine Angst davor ihm körperlich unterlegen zu sein. Doch er war ein Vampir und somit sah die Situation etwas anders aus. Er wirkte jedoch nicht aggressiv oder hinterhältig. Aber war es nicht gemeinhin bekannt, dass Vampire einen gewissen, natürlichen Charme besaßen und ihr wahres Inneres gut zu verstecken wussten? Nocks‘ Charme war Bella bisher jedoch nicht überwältigend groß erschienen. Er war vielleicht nicht wie die anderen. Er schien sie zumindest nicht zwingend für sich gewinnen zu wollen. Sein Verhalten war anständig, aber er machte ihr keine Avancen. Wo man doch gemeinhin das Bild eines verführerischen Wesens im Kopf hatte, wenn man an Vampire dachte. Die junge Hexe bezweifelte, dass er sie nur in Sicherheit wiegen wollte. Und hätte er sie angreifen wollen, war in diesem Moment der perfekte Zeitpunkt. Weit außerhalb der Stadt, umgeben von Feldern und Wäldern und keine Menschenseele, weit und breit. Doch er stand nur dort, wartete auf sie und setzt sich in Bewegung als sie ihn endlich eingeholt hatte. Nocks konnte es verstehen, wenn sie genau in diesem Moment Zweifel hatte. Er hätte sich selbst in diesem Augenblick nicht viel mehr Vertrauen geschenkt, aber er vermutete sich einen Teil ihres Vertrauens ergattert zu haben, da er ihr geholfen hatte. Doch er wusste immer noch nicht, was eigentlich der Grund für ihre Verfolgung war und er war sich sicher, dass man sich schon etwas leisten musste um von einem Dämon verfolgt zu werden. Bella hatte nur leider nicht den Eindruck vermittelt, darüber reden zu wollen. Wenn er also den Grund erfahren wollte, musste er sich wahrscheinlich als vertrauenswürdig genug erweisen. Andererseits wäre es mehr als nur praktisch gewesen, zu wissen, worauf genau er sich hier einließ. Er schwieg, als er neben ihr ging und den Weg mithilfe der Laterne ausleuchtete. Es war mehr ein Trampelpfad als ein Weg, gerade breit genug für zwei Personen, um nebeneinander zu gehen. Am Rand wuchsen Gräser und Steine verschiedenster Größe und Form spickten den Weg hier und da. Bella wurde schnell bewusst, dass sich das Heim des Vampirs vermutlich etwas abgelegen von den Ortschaften befand. Für ihre Zwecke war es wohl von Vorteil, wie sie schnell einsah. Dennoch war es ihr unangenehm, derartig still neben ihrem Retter herzugehen, weswegen sie angestrengt über ein Thema nachdachte, welches sie hätte ansprechen können. Eine Frage war meist dienlich, um die andere Person zum sprechen zu bringen, aber es wollte ihr nur schwer etwas einfallen, dabei gab es doch so viele Fragen, die man einem Vampir stellen konnte.   »Wie kommt es, dass du für Eliah arbeitest?«, fragte sie irgendwann schließlich. Es interessierte sie wirklich. Wer hatte schon einen Vampir als Angestellten bei sich? Noch dazu einen so unmotivierten, wie Nocks es war. Dieser warf einen kurzen, prüfenden Blick auf Bella. Er schien zu überlegen, ob er ihr diese Frage beantworten konnte. Sein Blick ließ sie fast darüber zweifeln, ob sie es überhaupt noch wissen wollte.   »Ich habe Schulden bei ihm, welche ich nun abarbeite«, erwiderte Nocks aber schließlich und richtete seinen Blick dabei wieder auf den Weg vor ihnen. Die junge Hexe horchte auf. Schulden?   »Hat er dir Geld geliehen?«, fragte sie leise. Doch Nocks schüttelte leicht den Kopf zur Antwort. Bella war klar, dass die Schulden etwas mit Eliahs‘ Geschäft zu tun haben mussten.   »Ich wage es fast nicht, zu fragen, aber was für Schulden sind es dann?«, fragte sie leise. Nocks linste wieder kurz zu ihr hinüber und er prustete gar kurz leicht amüsiert.   »Dann frag besser nicht, wenn du es nicht wagen willst«, neckte er sie.   »Nun ist es zu spät«, neckte Bella zurück. Die Stimmung lockerte sich ein wenig und sie war erleichtert darüber. Das Schweigen war so angespannt gewesen, dass sie sich unwohl gefühlt hatte. Der Vampir zuckte kurz mit den Achseln: »Ich brauchte etwas aus seinem Laden, aber ich hatte kein Geld. Und ich habe auch immer noch nicht besonders viel Geld... Deswegen arbeite ich den Betrag für die Ware ab.« Für einen Moment herrschte Schweigen. Eliah verkaufte entweder Gifte oder Heiltränke. Was hatte Nocks bei ihm gekauft? War es etwa ein Gift gewesen? Hatte Nocks jemanden umgebracht? Bella wandte den Kopf ganz leicht zu ihm und sah ihn unsicher an. Vielleicht war es auch andersherum. Es war auch möglich, dass er ein Heilmittel brauchte um jemandem zu helfen, der ihm nahestand oder gar für sich selbst. Es war eventuell so dringend gewesen, dass der Vampir Schulden machen musste. Diese Variante wäre für Bella beruhigender gewesen und sie sah ihm, ihrer Meinung nach, auch ähnlicher als die erste Option. Aber wie sollte sie sich sicher sein? Nocks schien ihren Blick zu bemerken und er sah sie kurz an, ehe er schon eckzähnig grinste: »Na? Was werde ich wohl gebraucht haben? Ein Gift oder ein Heilmittel?« Bella schluckte kurz und sie erwiderte sein Lächeln etwas unsicher.   »Ich weiß nicht. Was hast du denn gekauft?«, fragte sie nervös und eher leise. Nocks aber schien sich selbst den Spaß zu gönnen. Er hielt den Finger vor die Lippen und zwinkerte ihr neckisch zu: »Das musst du wohl selbst herausfinden!« Er war offenbar nicht dazu bereit ihr sein Geheimnis von sich aus zu enthüllen. Doch dies verunsicherte sie. Wollte er ihr Angst machen? Oder fand er es einfach spaßig, sie zu necken? Was aber, wenn mehr hinter seiner Heimlichtuerei steckte? Bella hielt beinahe völlig den Atem an, während sie darüber nachdachte. Nocks schien ihre Anspannung aufzufallen und er versuchte sie abzulenken, indem er vor sie beide deutete und so den Weg aufzeigte: »Es ist nicht mehr weit. Dort vorn ist mein Haus«, erklärte er. Bellas Blick folgte seinem Deut. Weit hinten taten die Wälder sich immer mehr auf und wurden lichter, bis sich nur noch Wiesen über das Land erstreckten und von den Klippen jäh abgeschnitten wurden, welche hinter sich den Blick auf das Meer bargen. Dort, wo der Schnitt sich vollzog, konnte Bella von weitem den Umriss eines Hauses direkt an den Klippen erkennen. Schemenhaft zwar nur, doch es war zu sehen.   »Du wohnst an den Klippen?«, fragte sie also mit Erstaunen. Der Vampir lächelte stolz und nickte kräftig, um ihre Frage zu beantworten. Bella konnte sich nun ihrerseits ein Lächeln nicht verkneifen. Der Gedanke in einem Haus am Meer zu wohnen, ließ sie ihre Sorge von eben völlig vergessen. Schon immer hatte sie davon geträumt, einmal am Meer leben zu können und jetzt würde dieser Traum wahr werden. Den letzten Teil des Weges legte sie mit einem zügigen Schritt zurück und Nocks musste schon ein wenig in sich hinein lächeln, als er nun mit ihr mithalten musste. Kaum jedoch am Haus angekommen, trübte sich Bellas Vorfreude mit einem Schlag. Es stimmte: das Gebäude befand sich in der Nähe des Meeres, doch konnte von einem Haus wohl nicht die Rede sein. Sie blieb davor stehen und musterte mit Entsetzen das, was sich da vor ihr befand. Sie wagte gar nicht, etwas dazu zu sagen, denn sie würde nicht umhinkommen, Nocks zu fragen, ob er wirklich in einer Ruine hauste. Wenn man ihn fragte, hatte das Haus nichts von einer Ruine. Es war alles da, was man brauchte und es war sicher und zum Großteil dicht. Natürlich brauchte das Haus dringend eine Sanierung. Sicher war es mal ein ganz bezauberndes Haus gewesen. Die kleine Veranda hatte bestimmt sehr dazu eingeladen, es sich darauf bequem zu machen und den Tag ausklingen zu lassen. Doch jetzt knarzte das Holz bei jedem Schritt, den man darauf tat. Die Fassade benötigte dringend einen Anstrich und auch die Scheiben einiger Fenster mussten ausgetauscht werden, da sie rissig waren oder zersprungen. Türen und Fensterrahmen konnten sicher auch etwas Aufarbeitung gebrauchen. Doch das war alles, was Bella von außen erkennen konnte. Sie fragte sich selbst, ob sie das Innerste des Hauses denn überhaupt betrachten wollte. Es konnte kaum besser werden, oder? Die kleinen Erker zu beiden Seiten des Hauses hatten durchaus ihren Charme und sicher bot das Haus viel Platz, aber der Gesamtzustand war beunruhigend. Mit großer Vorsicht betrat Bella die Veranda. Sie befürchtete, sich am Geländer einen Holzsplitter einzufangen, weswegen sie dieses nur so leicht wie möglich berührte. Sie blickte hinüber zu Nocks, welcher die Laterne abgestellt hatte und sich nun an einem der Fenster zu schaffen machte. Bellas Blick wanderte kurz zur Tür, während sie sich fragte, warum er diese denn nicht benutzte um hineinzugelangen. Nocks öffnete das Fenster mit einem kleinen Trick, wie es schien. Offenbar hatte er es präpariert, um darüber hinaus oder hineinzukommen.   »Warum verwendest du nicht die Eingangstür?«, erkundigte sich die junge Hexe nun, um ihre Neugier zu stillen. Nocks war mit einem Schwung bereits auf dem Fensterbrett gelandet und hockte noch dort, als sie ihn ansprach. Er lächelte sie mit einer lockeren Selbstverständlichkeit an und beantwortete ihre Frage schlicht mit einem: »Ich hab keinen Schlüssel.« Bella schien nun zu verstehen. Nocks behauptete, kein Geld zu haben, also konnte er sich sicher auch kein Haus leisten, egal wie herunter gekommen es auch sein mochte.   »Also gehört das Haus jemand anderem?«, fragte sie ihn nun ganz direkt. Sie wollte sicher nicht unerlaubt in einem Haus leben, das einem Unbekannten gehörte. Nocks aber lächelte auf, wobei sich ein düsterer Ausdruck über sein Gesicht legte. Seine Augen schienen wie die eines Raubtieres aufzublitzen.   »Nein, ich habe den Vorbesitzer umgelegt«, beantwortete er ihre Frage. Bella spürte, wie ihr schlagartig eiskalt wurde. Der Vampir aber sprang ins Innere des Hauses. Dies wäre wohl der perfekte Zeitpunkt für eine Flucht gewesen, denn mit einem Schlag war Bella davon überzeugt, dass Nocks den Vorbesitzer vergiftet haben musste. Es musste der Grund für die Schulden des Vampirs sein. Doch noch bevor sie zur Flucht ansetzen konnte, streckte der Blutsauger wieder den Kopf zum Fenster hinaus und lächelte sie nur mit einem amüsierten Kopfschütteln an.   »Das war ein Scherz«, verkündete er. Bella sah ihn mit großer Entrüstung an und sie musste feststellen, dass sein Humor wohl eher von der dunkleren Sorte war. Sie fand es allerdings ganz und gar nicht witzig und konnte auch nicht darüber lachen. Es war gemein von ihm, derartig mit ihr zu spielen. Sie atmete tief durch, um ihren Ärger zu verdrängen. Offenbar musste sie ihre Nerven stählen, wenn sie hier mit ihm zusammenleben wollte. Bella begab sich gerade auf das offene Fenster zu, um ebenso hineinzuklettern, ehe sie schon ein Knarzen und Poltern aus dem Inneren des Hauses hören konnte. Sie hielt kurz inne und blickte zur Tür, ehe diese sich öffnete und Nocks hinaus kam. Er hob die Laterne auf, welche er draußen gelassen hatte und verneigte sich neben der Tür mit einer einladenden Geste.   »Immer hereinspaziert, die Dame!«, forderte er nur übermütig auf, ehe er sich wieder erhob und sie verspielt angrinste. Bella konnte sich kein Lächeln abringen. Sie hatte ihm den üblen Scherz noch nicht verziehen und haderte mit sich, ob sie wirklich eintreten sollte. Es war vielleicht eine schlechte Idee. Da drinnen war sie ihm noch stärker ausgeliefert als zuvor. Doch wenn sie ehrlich zu sich selbst war, fürchtete sie sich im Moment mehr vor einem weiteren, schlechten Scherz als vor seinen Eckzähnen. Sie tat ihm also, nach einem kurzen Zögern, den Gefallen und ging an ihm vorbei um einzutreten. Sie fand sich in einem schmalen Flur wieder, zu beiden Seiten gingen zwei Türen ab. Nocks trat nach Bella ein und beleuchtete so mit der Laterne den Raum. Er bat sie, diese kurz zu halten, woraufhin Bella ihm die Laterne abnahm. Sie sah sich ein wenig um, während die Eingangstür wieder geschlossen wurde und Bella hinter sich erneut das Poltern und Knarren von vorhin hören konnte. Dieses Mal war es weitaus lauter, da keine Wand sie von der Quelle des Kraches trennte. Sie wandte sich um und sah mit an, wie der Vampir eine alte Kommode vor die Tür schob. So sorgte er wohl dafür, dass ungebetener Besuch draußen blieb. Bella verschlug der Anblick die Sprache. Erneut musste sie sich die Frage stellen, worauf sie sich hier eingelassen hatte. Offenbar hatte sie einfach eine Pechsträhne, was ihre Entscheidungen anging. In letzter Zeit hatte sie hierfür einfach kein glückliches Händchen. Aber Entscheidungen konnte jeder Mensch nun einmal nur für sich selbst treffen und somit musste sie nun mit den ihren leben. Konsequenzen mussten getragen werden, auch wenn es nun hieß, in einem maroden Haus allein mit einem Vampir zu sein, der einen mehr als nur fragwürdigen Humor besaß. Dieser ging zur linken Wand, wo ein kleiner Tisch stand, auf welchem sich ein paar Gaslampen befanden. Nocks entzündete eine von ihnen und kam zu Bella zurück um ihr diese zu reichen, damit sie ausreichend Licht hatte und sich umsehen konnte.   »Ich will das Haus wirklich gerne herrichten. Dann würde ich auch zu gerne elektrisches Licht einbauen lassen. Aber... es wird wohl dauern bis so viel Geld da ist«, erklärte Nocks sich nun. Ihm war durchaus bewusst, dass dieses Haus es nötig hatte, saniert zu werden und dass es viel Arbeit und Geld brauchen würde, um dieses Ziel zu erreichen. Doch einiges hatte er schon gemacht und Bella konnte feststellen, dass es durchaus sauber in diesem Haus war. Zumindest hier im Flur. Nocks musste also schon für etwas Ordnung gesorgt haben.   »Das klingt wirklich nach einer guten Idee«, stellte Bella fest. Sie sah sich kurz um und Nocks machte bereits eine Geste, die sie auf ihre Umgebung verwies.   »Sieh dich in Ruhe um! Hier unten befindet sich die Küche und ein Kaminzimmer. Die anderen Räume waren vermutlich ein Esszimmer und ein Arbeitszimmer«, führte er seine Mutmaßungen aus. Bella nickte. Sie öffnete die Türen zu jedem Raum, um einen Blick hineinzuwerfen. Für ein genaues Erkunden war es mit den Lampen zu düster und sie war auch sehr erschöpft, weswegen sie sich die genaue Besichtigung für den kommenden Morgen aufhob. Doch auch sie erkannte hinter der Tür ganz hinten links eine Küche, daneben einen Raum mit Kamin, welcher einen Erker besaß. Auf der gegenüberliegenden Seite vermutete sie in dem anderen Raum mit Erker das Esszimmer, da sich dort noch ein großer Tisch befand, aber nur zwei Stühle, welche stark beschädigt waren. In der hinteren Ecke daneben befand sich ein Raum mit einigen Regalen. In manchen der Regalfächer fanden sich noch Bücher, doch um diese zu inspizieren, würde Bella noch genug Zeit finden. Als sie mit ihrer kurzen Inspektion fertig war, blickte sie ans Ende des Ganges, wo sich die Treppe nach oben befand. Nocks bemerkte ihren Blick und begleitete sie dorthin. Im Moment fehlte der Treppe noch ein Geländer und die Stufen wirkten so alt, dass Bella bezweifelte, dass sie noch sicher waren.   »Oben befinden sich die Schlafzimmer und das Bad«, erklärte Nocks es ihr kurz. Er bemerkte ihren skeptischen Blick.   »Ich laufe direkt hinter dir, keine Sorge«, versuchte er sie zu beruhigen. Sollte ihr etwas passieren, würde er sie schon auffangen. Bella sah ihn kurz zweifelnd an, doch nickte sie dann und betrat die Treppe. Jede einzelne Stufe knarzte unter ihren Füßen auf ihre ganz eigene, persönliche Art und Weise. Manche schienen regelrecht zu krachen, während andere nur leise quietschten. Nicht selten zuckte Bella bei den Geräuschen unter ihren Füßen zusammen, weswegen Nocks heimlich hinter ihr schmunzelte. Er fand es drollig, wie schreckhaft sie reagierte. Die Hexe aber atmete tonlos auf, als sie oben angekommen war. Sie würde eine Weile darauf verzichten, wieder nach unten zu gehen. Oben angekommen, bemerkte sie sofort, dass die Räume ähnlich aufgebaut waren, wie unten. Zu beiden Seiten gab es je zwei Türen. Und zumindest oben war das Loch im Boden, welches für die Treppe nötig war, mit einem Geländer geschützt, welches auch noch recht robust wirkte. An beiden Enden des Ganges befanden sich große, runde Fenster, welche wohl am Tag für genügend Licht sorgten und auch jetzt schien das Mondlicht durch eines der Fenster. An der Decke konnte Bella eine kleine Luke mit einem Strick erkennen. Offenbar ging es dort noch weiter hinauf. Sie vermutete dort den Dachboden und stellte daher keine weiteren Fragen. Nocks verwies sie auf das Zimmer, welches Bella über der Küche vermutete.   »Dort ist das Bad. Und gegenüber habe ich mir ein Zimmer eingerichtet. Du kannst dir gerne eines der anderen beiden Zimmer aussuchen«, erklärte er. Bella schlussfolgerte somit, dass die beiden freien Zimmer sich an der Front des Hauses befanden und einen Erker besaßen. Ihr Herz machte einen kleinen, freudigen Sprung deswegen, denn ihre romantische Ader schlug für solche Dinge. Doch wandte sie sich zunächst um und schritt auf das Bad zu, um einen Blick hineinzuwerfen. Es wirkte sauber und es war alles darin zu finden, was man benötigte. Offenbar gab es fließendes Wasser an einem Waschbecken und einer Badewanne und auch für eine Toilette war gesorgt. Das Nötigste war also da. Die Wände und der Boden waren gefliest, im Schein der Lampe schienen die Fliesen einen dunklen Ton zu haben. Bella nickte und löste sich wieder, ehe sie an dem Vampir vorbeiblickte und zu der Tür, hinter welcher sich sein Zimmer befand.   »Darf ich einen Blick hineinwerfen?«, fragte sie ihn nun. Ihre Neugier war geweckt. Das Schlafzimmer eines Vampires war sicher ein spannender Anblick. Sie malte sich bereits aus, was sich alles darin befinden mochte. Nocks verzog keine Miene und zuckte nur kurz mit den Achseln: »Von mir aus.« Bella ließ sich nun nicht mehr aufhalten und ging schnurstracks an ihm vorbei, um die Tür zu seinem Zimmer zu öffnen, doch stoppte sie, als ihr der Weg durch einen dunklen Vorhang aus schwerem, dicken Stoff versperrt wurde. Sie schob diesen vorsichtig beiseite und trat ein. Ihr fiel sofort auf, dass die Fenster ebenso mit diesen schweren Vorhängen verdeckt waren. Doch sie vermutete, dass Nocks noch mehr getan hatte, um das Tageslicht auszusperren. Er folgte ihr in den Raum und schien zu beobachten was sie tat. Bella tat ein paar Schritte hinein. Zu ihrer Linken, beinahe direkt vor der Tür, befand sich ein kleiner Schreibtisch, daneben um die Ecke reichend ein Regal, welches mit ein paar Büchern und kleinen Gegenständen bestückt war. Nocks schien einige Dinge zu notieren, er hatte Papier und Schreibutensilien auf dem Tisch liegen und auch aus einem der Fächer des Tisches lugte die Ecke eines Papieres hervor. Der Stuhl, welcher am Tisch stand wirkte intakt und bequem. Bella bezweifelte, dass die Möbel aus diesem Haus stammten. Nocks musste sich irgendwie die Möbel zusammengesucht haben. Als sie sich abwandte, konnte sie direkt auf das Bett blicken, welches reichlich Platz für zwei Personen bot. Es sah bequem aus und daneben in der hinteren Ecke befand sich ein Kleiderschrank und daneben eine Truhe. Doch Bella blickte zurück zu dem großen Bett. Jetzt fiel es ihr erst auf und sie wandte sich nach ihrem Gastgeber um.   »Du besitzt ein Bett und keinen Sarg?«, offenbar war ihr bewusst, wie ungewöhnlich dies war. Nocks aber verzog das Gesicht vor Abscheu: »Ich hasse Särge!«, erwiderte er knapp und bestimmt. Bella konnte die Abneigung klar aus seiner Stimme hören. Aber waren Särge für Vampire nicht ideal? Sie schützten immerhin vor dem Sonnenlicht und retteten somit ihr Leben. Doch Nocks finsterer Blick hinderte sie daran, weitere Fragen zu stellen. Sie konnte allerdings beobachten, wie er aus seiner hinteren Hosentasche ein kleines, schwarzes Buch herauszog und auf den Schreibtisch legte. Wieder war ihre Neugier geweckt. Hatte er dieses Büchlein die ganze Zeit bei sich gehabt?Es war gespickt mit kleinen Zetteln und Lesezeichen. Offenbar studierte er dessen Inhalt intensiv. Nocks aber bemerkte ihren Blick.   »Du solltest dir jetzt dein eigenes Zimmer aussuchen!«, erklärte er nur bestimmt. Bella verstand den Wink, sie sollte sein Zimmer verlassen. Wie schade. Zu gerne hätte sie sich noch ein wenig umgesehen. Aber sie folgte brav seiner Anweisung und verließ sein Zimmer wieder, wie es sich eben gehörte. Sie warf einen Blick auf die beiden vorderen Zimmertüren. Nocks folgte ihr natürlich und schloss die Tür seines Zimmers hinter sich.   »Ich würde dir das linke Zimmer empfehlen«, erklärte er dann aber. Er wusste, welches Zimmer im besseren Zustand war. Bella sah ihn kurz an. Es war das Zimmer neben seinem. Doch sie wollte sich beide gerne ansehen.   »Ich werfe dennoch auch einen Blick in das andere«, verkündete sie kurz und schon schritt sie auf das Zimmer neben dem Badezimmer zu, um die Tür zu öffnen. Der Raum war leer und hier konnte Bella eine dicke Schicht Staub erkennen. Nocks hatte wohl bisher keinen Gebrauch von der Kammer gemacht und somit auch noch nicht geputzt. Bella trat kurz ein. Es befand sich kaum etwas im Raum. Nur ein kleiner Beistelltisch und einige alte Dokumente lagen auf dem Boden verteilt, der Erker war mit großen, einladenden Fenstern versehen und man konnte wunderbar auf das Meer hinaussehen. Doch die Vorhänge an den Seiten waren verschlissen und auch die Sitzpolster im Erker wirkten zerfressen und kaputt. Der Holzboden knarzte auch hier, wie in fast jedem Raum bisher. Bella merkte,dass es viel Arbeit sein würde, diesen Raum herzurichten. Sie hatte dennoch nachsehen wollen. Es bereitete ihr Freude, die Räume zu erkunden. Doch wandte sie sich dann um und verließ den Raum wieder. Unter Nocks wachem Blick begab sie sich zurück in den Flur und betrat nun den letzten Raum. Er war ähnlich geschnitten, wie der vorherige, doch fiel ihr sofort auf, dass es hier etwas besser aussah. Zwar war es auch hier leider staubig, aber der Boden war zumindest mit einem großen Teppich ausgestattet. Ein Bett stand an der hinteren Wand. Es sah nicht sehr einladend aus. Bella war sich nicht sicher, ob sie in einem so alten Bett schlafen wollte, aber es war zumindest da. Auch die Vorhänge des Erkers und die Polster sahen hier besser aus. Hiermit ließ sich mehr anfangen. Die junge Hexe schritt ein wenig in dem Raum umher und überlegte sich, was man hier oder dort hinstellen könnte um das Zimmer wohnlicher zu gestalten. Doch fiel ihr Blick dann auch wieder auf die großen Fenster im Erker und sie trat heran, um hinauszusehen. Nocks blieb stumm. Er beobachtete sie ruhig. Die junge Hexe schien tief in Gedanken versunken. Sie blickte hinaus und sah wie das Mondlicht sich im Wasser des Meeres brach und doch war es so dunkel und schwarz, dass man den Eindruck hatte, es würde einen sofort tief verschlucken, wenn man nur zu nahe heranging. Der Anblick war wirklich schön und grausig zugleich. Es hatte beinahe etwas Hypnotisches, sodass Bella den Blick gar nicht mehr abwenden konnte. Sie schwieg für den Moment. Allein heute Nacht war so viel passiert. Sie war verfolgt worden und noch einmal knapp davongekommen. Nocks hatte sich zwar widerwillig gezeigt und doch hatte er ihr geholfen. Und jetzt war er bereit, sie hier aufzunehmen, ohne zu wissen worauf er sich einließ und ob ihr Verfolger zurückkehren würde. Ihr wurde klar, wie großzügig er war. Sie war so dankbar und erleichtert und zugleich machte sie sich Sorgen. Sie hatte Angst davor, was noch geschehen mochte. Die Ungewissheit war eine Qual. Jetzt, da sie sich sicher fühlte, merkte sie erst, was für eine Anspannung sich in ihr aufgebaut hatte und sie spürte, wie ihr die Tränen kamen. Sie bekam Sicherheit geboten und ein Zuhause. Sie berührte die kalte Scheibe des Fensters mit einer Hand und blickte weiterhin hinaus. Die Sicht auf das Meer verschwamm, als Tränen über ihre Wangen rannen. Sie konnte nicht glauben, wie viel Glück sie hatte. Sie musste daran denken, wie groß ihre Angst gewesen war. Sie hatte nicht geglaubt, dass sie entkommen würde. Nocks fiel auf, dass es ihr nicht gut zu gehen schien. Er kam ein paar Schritte in den Raum hinein und sah sie mit einem prüfenden Blick an: »Ist alles in Ordnung?«, erkundigte er sich bei ihr. Bella wischte sich eilig über die Augen und Wangen. Sie wollte sich lieber zusammenreißen. Nocks hatte bereits soviel für sie getan, sie wollte ihm nicht zumuten, sie jetzt auch noch trösten zu müssen.   »Ja, es ist alles bestens... Ich... bin dir sehr dankbar. Für alles«, erklärte sie und lächelte aus ganzem Herzen dabei. Sie kam langsam auf ihn zu. »Ich nehme das Zimmer«, verkündete sie freudig. In dem Gesicht des Vampirs tauchte ein amüsiertes Lächeln auf: »Das ist kein Hotel, das ist dir hoffentlich klar«, erwiderte er um sie zu necken. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)