Coup d'Etat von rokugatsu-go ================================================================================ Kapitel 2: Ein stechender Schmerz --------------------------------- Kakashi tat sein Bestes, um nicht zu seufzen. Es war offensichtlich, dass Naruto selbst wusste, dass er ihm schon längst von den Problemen hätte berichten müssen. Innerlich überkamenden Hokage beinahe ein paar nostalgische Gefühle, als er Naruto vor ihm im Hokagebüro stehen sah, mit diesem peinlich berührten Grinsen im Gesicht, das nichts anderes bedeutete als: „Ups, ich hab da wohl ein bisschen Mist gebaut.“ „Du weißt noch, wie ich dir sagte, dass du zu mir kommen sollst, falls es Probleme geben sollte?“ „Jaaa, schon ...“, begann Naruto, „aber ich wollte doch nicht gleich wieder versagen nach dem Vier-Versuche-Fiasko. Wie würde ich denn dann dastehen?“ „Das hat mit Versagen nichts zu tun.“ Kakashi ließ endlich den Seufzer raus, den er versucht hatte zu unterdrücken. Von Sasuke hätte er es erwartet, dass dieser nicht um Hilfe fragen würde. Das war bei ihm definitiv eine Frage des Stolzes. Aber dass Naruto auch unter verletztem Stolz litt …. Oder verlangte er vielleicht zu viel von ihm? Es war immerhin auch Kakashis Wille, dass Naruto ihm als Hokage nachfolgen sollte (und das lieber früher als später), aber der Junge musste eben noch in seine neuen Aufgaben hineinwachsen – und das brauchte wohl Zeit. „Anfangs hatte ich auch ein echt gutes Gefühl, wenn ich mit Jun zusammen trainiert habe und auch die Missionen waren super gelaufen, aber … aber ich weiß nicht, was dann passiert ist“, fuhr Naruto deutlich mitgenommen fort. „In letzter Zeit erinnert er mich fast ein wenig an … Sasuke.“ Wieso nur reichte dies aus, um Kakashi ein wirklich mieses Gefühl in der Magengegend zu bereiten? „Was genau meinst du?“, fragte der Hokage ernst und zumindest innerlich beunruhigt. „Er wirkt so als würde ihn irgendwas beschäftigen. Als würde da was im Hintergrund ablaufen, das er mir nicht erzählen will. Er wird immer verschlossener und unzufriedener.“ „Unzufriedener?“ Kakashi sah Naruto mit großen Augen an. „Ja und ...“, Naruto haderte kurz mit sich, ob er das erwähnen sollte, „und ich weiß nicht, er scheint misstrauisch.“ „Inwiefern?“ „Du hast doch mit ihm darüber geredet, dass er einem Team erst zugewiesen werden soll, wenn er seine Fähigkeit besser kontrollieren kann, oder?“ Kakashi stutzte angesichts dieser plötzlich aufgekommenen Frage. „Ja. Er hatte damals Angst, einem Team zugeteilt zu werden. Also haben wir diese Lösung erarbeitet. Was ist los, Naruto? Warum fragst du mich das?“ Mit einem Mal wurde Naruto noch viel ernster als er es ohnehin schon gewesen war. „Aus irgendeinem Grund scheint er dir nicht mehr zu trauen.“ Dies versetzte Kakashi einen weiteren Schlag in die Magengegend. „Was?“ „Er hat gestern so etwas erwähnt, dass jemand damit Recht hätte, dir und mir nicht trauen zu können.“ Es machte Naruto beinahe etwas nervös, dass sein alter Lehrer daraufhin nichts sagte, sondern nur in sich gekehrt vor sich blickte und dann langsam aufstand. „Ich würde gerne mitkommen, wenn du mit ihm redest. Ich habe ein paar Fragen an ihn.“ Da Naruto nichts von dem ahnte, was Kakashi sonst noch beschäftigte, blinzelte er verwundert und nickte.   Sie warteten auf Trainingsplatz Nummer Neun, fernab der anderen Plätze, wo Naruto und Jun gewohnheitsmäßig trainierten, um ungestört zu sein und im Falle eines Querschlägers seitens Jun niemanden zu verletzen. „Ich hatte gedacht, er könnte sein Chakra langsam besser kontrollieren, aber in letzter Zeit geht auch das wieder den Bach runter“, berichtete Naruto niedergeschlagen weiter, während sie warteten. „Soweit wir wissen, hängt die Kontrolle seines Chakras und der Fähigkeit stark von seinen Emotionen ab. Wenn ihn irgendetwas quält, von dem wir keine Ahnung haben, dann erklärt das, wieso er dich gestern angegriffen hat.“ „Sag nicht, dass er mich angegriffen hat. Denn das wollte er nicht. Ganz sicher nicht.“ Ein Lächeln huschte über Kakashis Gesicht. „Ja ja, es ist schon verrückt.“ „Häh? Was?“ „Wie schnell einem jemand ans Herz wächst, den man aufs Auge gedrückt bekommen hat.“ Erneut blinzelte Naruto verständnislos und zog dann eine Grimasse. „Das wird nicht wieder eine Liebeserklärung, oder? Ich bin ein verheirateter Mann.“ Gedanklich schlug sich Kakashi eine Hand gegen seine Stirn. „Wann habe ich dir je eine Liebeserklärung gemacht? Ich wünschte, Sakura wäre hier, sie hätte das nicht falsch verstanden.“ Sie horchten auf, als sich jemand näherte. Jun blieb vor ihnen stehen und sah sie mit großen, scheuen Augen an. „Meister Hokage? Was machen Sie hier?“ Sein Blick ging aufgeregt zu seinem Lehrer und zurück zum Hokage. „Ist es wegen gestern? Soll ich bestraft werden?“ „Huh?“ Kakashi sah ihn überrascht an. „Was? Nein, nein.“ Er lächelte. „Ich wollte nur mal vorbeischauen und mich erkundigen, wie es läuft.“ „Ah“, gab Jun nur von sich und wandte seinen Blick ab, ohne ein weiteres Wort zu verlieren. Aus dem Augenwinkel bemerkte Kakashi, wie Naruto seine Stirn in Falten legte. „Jun ist zwar ein bisschen schüchtern“, raunte Naruto dem Hokage zu, „aber dieses Verhalten ist selbst für ihn seltsam.“ „Willst du dem Hokage nicht erzählen, dass du letztens ganz gezielt deine Chakra-Senbon abfeuern konntest?“, fragte Naruto ermutigend. „Das war nichts“, entgegnete der Junge, den Blick immer noch abgewandt, doch mit einem raueren Tonfall. „Er weiß doch bestimmt, was gestern passiert ist.“ „Beim Erlernen einer so starken Kunst wie deiner ist es nicht verwunderlich, dass es auch mal Rückschläge gibt“, warf Kakashi beschwichtigend ein. „Das ist vollkommen normal und sollte dich nicht entmutigen.“ Plötzlich blickte Jun zum Hokage und der Gesichtsausdruck, den er sah, gefiel Kakashi überhaupt nicht. Naruto hatte Recht. Bei so einer Hass-erfüllten Mimik fiel es schwer, nicht an Sasuke zu der Zeit zu denken, als dieser seinen Abstieg in die Dunkelheit begonnen hatte. „Und wenn ich meine Technik irgendwann beherrsche? Was machen Sie dann mit mir?“ Die schmerzhafte Erinnerung an Sasuke zu seinen schlimmsten Zeiten setzte sich in Juns verbittertem Tonfall fort. „Was soll das heißen, Jun?“, protestierte Naruto. „Du weißt, dass du dann einem Team beitre-“ „Unsinn!“, unterbrach der Junge ihn. „Ich weiß jetzt, was Sie vorhaben! Wenn ich zu einer Bedrohung für Sie werden sollte, werden Sie mich loswerden, nicht wahr?!“ Naruto wollte weiter protestieren, doch Kakashi signalisierte ihm, still zu sein. „Wie kommst du auf so etwas?“, fragte er ihn ernst, aber ruhig. „Weil Sie um Ihre Position als Hokage fürchten, wollen Sie jeden klein halten, der Ihnen zur Gefahr werden kann! Deswegen bekomme ich weder ein Team, noch vernünftige Missionen, noch einen Lehrer, der weiß, was er tut!“ „Jun ...“, gab Naruto geknickt von sich, „ich dachte, wir würden uns gut verstehen ...“ „Ich weiß jetzt, dass Sie mein Lehrer geworden sind, damit ich mich nicht weiterentwickeln kann und der Hokage immer ein Auge auf mich hat! Sie sind auch nur eine Marionette des Hokage!“ Ratlos sah Naruto zu Kakashi, der ihm erneut signalisierte, sich zurückzuhalten. „Jun“, sagte Kakashi gefasst, aber bestimmt, „das hast du dir doch nicht selber zusammengereimt, oder? Wer hat dir diese Dinge erzählt?“ Nervös biss Jun sich auf die Lippen. Es war klar zu erkennen, dass es in ihm arbeitete. „Das sind keine Lügen. Sie haben geschworen, dass es die Wahrheit ist und dass sie nur das Beste für Konoha wollen.“ „Wer auch immer dir diese Sachen gesagt hat, will dich definitiv manipulieren“, entgegnete Kakashi. „Da ist etwas im Gange, in das sie dich mit hineinziehen wollen. Ich kann dir nur versichern, dass nichts von dem, was sie dir gesagt haben, wahr ist. Wenn ich Angst vor deinen Fähigkeiten hätte und dich klein halten wollte, hätte ich dich von der Akademie genommen. Und ich hätte dir erst recht nicht Naruto als Lehrer zugeteilt, denn er ist der beste Lehrer für dich. Ihr habt doch bereits Fortschritte erzielt, nicht wahr?“ Von Kakashis Worten erstaunt blickte Naruto von seinem alten Lehrer zu seinem Schüler. Naruto hatte eigentlich gedacht, dass Kakashi enttäuscht von ihm wäre, aber die gerade gefallenen Worte zeugten vom Gegenteil. Für einen Moment schien es, als wäre etwas von Kakashis Rede auch zu Jun durchgedrungen, denn er kaute noch nervöser an seiner Unterlippe, während er innerlich mit sich haderte. Dann jedoch schüttelte er energisch den Kopf. „Nein!“, rief er aus. „Sie wollen mich austricksen! Davor haben sie mich gewarnt!“ „Wer sind sie??“, wandte Naruto ein. „Wer hat dich vor was gewarnt?? Wovon redet ihr beide überhaupt??“ „Sie haben dir doch bestimmt auch etwas versprochen, oder Jun?“, fragte Kakashi. „Eine Lösung für deine Probleme? Du weißt genauso gut wie ich, dass es hier keinen einfachen Weg gibt.“ „Doch!“ Jun standen mittlerweile die Tränen in den Augen. „Es gibt einen und den haben Sie mir die ganze Zeit vorenthalten! Sie haben mich leiden lassen, obwohl Sie mir versprochen hatten, mir zu helfen!!“ „Jetzt reicht es aber!“ Aufgebracht ging Naruto auf seinen Schüler zu. „Du musst wieder zu Vernunft kommen! Kakashi-sensei würde niemals jemanden leiden lassen, wenn er es verhindern könnte!“ „Nein! Nein!“ Verzweifelt presste Jun erneut seine Hände auf seine Ohren. „Sie … sie haben es gesagt ...“, schluchzte er unter Tränen. „Der letzte Krieg wäre auch … wäre auch nicht ...“ Kakashi zog für die anderen unhörbar scharf die Luft ein. Diese Vorfälle … hatten sie wirklich alle mit ihm zu tun? Wollte ihn jemand als Hokage absetzen? „Was?“ Naruto stutzte kurz. „Was hat denn jetzt der Krieg mit irgendwas zu tun?“ „Der ... der Hokage ist … schwach!“ „Komm wieder zu dir, Jun!“ Naruto packte den Jungen erbost an den Schultern. „Es reicht jetzt wirklich!“ „Naruto!“, alarmierte Kakashi ihn, als er sah, was passierte. „Verschwinde da!“ Wenn Naruto rückblickend daran dachte, was sich danach abgespielt hatte, dann erschien es ihm immer so, als wäre alles in Zeitlupe abgelaufen. Er erinnerte sich daran wie Kakashi ihn wegzog, wie Juns ganzer Körper von ausströmendem Chakra umhüllt war und wie hunderte von Senbon sich formten und auf sie zurasten. Naruto erinnerte sich wie er von Kakashi weggeschleudert wurde und wie er trotzdem von einigen Nadeln getroffen wurde. Er erinnerte sich wie er auf dem Boden aufprallte, die stechenden Schmerzen der Senbon spürte und dennoch wieder aufsprang, um nach Kakashi zu sehen. Und Naruto erinnerte sich vor allem daran, dass Kakashi blutüberströmt da lag, von so vielen Nadeln an so vielen lebenswichtigen Punkten durchbohrt, und er es kaum noch schaffte zu atmen. Naruto rannte zu ihm, kniete sich neben ihn und überlegte mit zitternden Händen, was er nun tun sollte. Sein Kopf war völlig leergefegt, er konnte nur daran denken, dass dies unmöglich die Realität sein konnte, höchstens ein sehr, sehr böser Traum, und dass er - jetzt so wie niemals zuvor – Sakura unbedingt hier brauchte. „Alles … alles wird wieder gut, Kakashi-sensei. Alles wird wieder gut“, stammelte er unbeholfen und tränenüberströmt. „Es … es tut mir … so ...“ „Das … ist … “, setzte Kakashi schwer atmend und hörbar mit großen Schmerzen an, während eindeutig Blut durch die Maske sickerte, die sein Gesicht verdeckte, „das ist nicht …“ Er verlor das Bewusstsein, bevor er den Satz zu Ende bringen konnte. Hilfesuchend blickte Naruto zu Jun, der noch an der gleichen Stelle wie vorhin stand und am ganzen Körper zitterte. „Was … was ...“ Juns Blick ging ins Leere. „Was habe ich …? Ich wollte nicht …ich wollte nicht …!“ „Jun!“ Naruto zwang sich dazu, seine Fassung wiederzuerlangen. Ihm war bewusst geworden, dass er der Einzige war, der etwas tun konnte. „Jun! Bitte, du musst mir helfen!“ „Ich wollte … ich wollte das nicht ...“ Der Junge sah zwar zu ihm, doch es war offensichtlich, dass er durch ihn hindurch starrte. „Jun! Komm wieder zu dir, ich brauche dich!“ „Was habe ich getan?!!“ Einen lauten, durch Mark und Bein gehenden Schrei ausstoßend, lief Jun davon und ließ Naruto allein zurück. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)