Be my One and Only - 私の唯一無二になりなさい von Mina_Tara (**KageHina**) ================================================================================ Kapitel 10: Akt I: Part X– first sight --------------------------------------   [10 Minuten zuvor]       „Shoyo?“   „…“, der Angesprochene reagierte erst nicht auf seinen Namen, zu sehr war er in seiner Lektüre vertieft, die er gerade in seinen Händen hielt. Es war immer so, wenn er in seinen Schulbüchern vertieft war. Da sein Alltag komplett routinemäßig durchgeplant war, verbrachte der junge Mann die Zeit zum Lernen immer nach Unterrichtsschluss in der Bibliothek. Hier fand er zumindest für wenige Stunden Zeit für sich. Nichts und niemand konnte ihn hierbei aus der Ruhe bringen. Gedankenversunken rückte er seine Brille zurecht und schlug eine Buchseite weiter.   „Shoyo!“, erst als der Orangehaarige ein Tippen an seiner Schulter spürte, befand er sich von hier auf gleich wieder im hier und jetzt.   „Hm?“, irritiert sah der Angesprochene auf und widmete seine Aufmerksamkeit seinem Gegenüber, der sich zurück in seinen Sessel sinken ließ. Es handelte sich hierbei um einen jungen Mann mit mittellangem blondiertem Haar. Am Haaransatz zeigte sich allerdings dessen Naturhaarfarbe – Dunkles Braun. Sein Mitschüler war wieder komplett in seiner Spielkonsole versunken. Immer wieder kaute er auf einem Zahnstocher herum.   „Was ist denn los, Kenma?“, fragend hob Shoyo eine Augenbraue nach oben und legte seinen Kopf schief. Zuerst hat er ihn angesprochen und nun war die Spielekonsole wieder wichtiger.   Der Blonde sah kurz auf und fixierte den Orangehaarigen mit seinen goldenen Iriden, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder der Handkonsole schenkte.   „Wie lautet nochmal der Code für die Freischaltung vom Schlüsselschwert? Ich habe mein Notizbuch gerade nicht da. Ich komme hier aktuell nicht weiter“, immer wilder tippte der Blonde auf der Konsole herum und schlug seine Beine über Kreuz.   Ein genervtes Fluchen drang aus seinen Lippen. Eine Zornesader bildete sich bereits an seiner Schläfe. Es war mehr als offensichtlich, dass Kenma genervt war und kurz davor war die Fassung zu verlieren. Bei der letzten Aktion hatte er schon vor lauter Wut die Nintendo Switch aus dem Fenster geworfen – ein Wunder, dass die Konsole das tatsächlich überlebt hat.   „2PXT!“, antwortete Shoyo und lächelte seinen Kumpel an, der, nachdem er den Code eingegeben hatte, ein freudiges „Yuhuu!“ von sich gab und die Faust nach oben hielt. Binnen einer Sekunde war die schlechte Laune versiegt. Bei dem Anblick musste der Orangehaarige erneut grinsen.   Kenma war einer seiner besten Freunde. Früher hatten sie immer zusammen gezockt und zig Spieleabende bis tief in die Nacht miteinander verbracht. Sie kannten jedes Game in und auswendig. In der Mittelschule waren sie unter dem Namen „Gaming Nerds“ bekannt gewesen. Sie kannten jeden Bug im Spiel und die Codes konnten sie im Schlaf aufsagen. Eine schöne Zeit, an die sich Shoyo nur zu gern zurückerinnerte. Allerdings führten diese Erinnerungen ihm auch immer wieder vor Augen, was er einmal besaß – welch Freude er damals in seinem Leben hatte. Sein Innerstes zog sich schmerzlich zusammen – Wehmut stieg in ihm auf. Bevor der Orangehaarige jedoch weiter in alten Zeiten schwelgen konnte, riss ihn eine weitere Stimme aus seinen Gedanken.   „Meine Güte, würdest du deine Energie bloß einmal für dein Gehirn verwenden, anstatt für den Spielekram…“, neben Kenma saß ein weiterer Mitschüler, der gerade dabei war, einen Aufsatz zu schreiben. Er besaß lockiges kurzes blondes Haar und eine schwarze Brille. Genervt sah der Kleinere zu seinem Nachbarn.   „Ich wüsste nicht, was es dich angeht… Lass mich doch...“, beleidigt blies Kenma seine Backen auf und warf dem Größeren einen scharfsinnigen Blick zu.   „Du könnest weitaus bessere Noten haben! Das ist dir klar, oder?“   „Mensch, Tsukishima! Nerv jemand anderen mit deinem unnötigen Gelabber! Ich lerne halt abends, als Nachteule bin ich dazu in der Lage“, ein freches Grinsen zierte Kenmas Lippen, als er erneut zu seinem Klassenkameraden aufsah.   „Tzk, wenn du meinst?“, verächtlich zuckte der Blonde mit seinen Schultern und fixierte seine Brille, die ihm etwas vom Nasenrücken gerutscht war.   „Aber so hab ich immerhin weniger Konkurrenz, nicht wahr, Hinata?“, der Größere sah schließlich zu Shoyo rüber, der schräg gegenüber vor ihm saß. In seinen Augen flackerte die Herausforderung, dessen war sich der Kleinere bewusst.   Der Orangehaarige schüttelte nur den Kopf und widmete sich wieder seinem Buch. Das war Kei Tsukishima, wie er leibt und lebte. Er strebte den schulbesten Abschluss an und er stand ihm im Weg. Dabei lernte Shoyo nicht dem Ruhm wegen. Er hatte ein ganz anderes Ziel. Schließlich will er später mal gut Geld verdienen, um sich und seiner kleinen Schwester ein gutes Leben bieten zu können. Dazu war ein guter Schulabschluss die Grundvoraussetzung.   Es waren Dinge, die seine Klassenkameraden nicht verstanden – vor allem Tsukishima nicht. Der Blonde sah ihn stets als Konkurrenten an, wobei Shoyo hierauf keinen Wert legte. Vielleicht war das auch der Grund, weshalb der Größere ihn als „arrogant“ und „besserwisserisch“ bezeichnete. Dabei passten die Bezeichnungen besser zu Tsukishima selbst.   „Ach, da seid ihr ja!“, ein weiterer Mitschüler gesellte sich zu ihnen hinzu. Seine weißen Haare standen zu Berge und seine Augen erinnerten an die eines Laubfrosches. Die grünen Augen schauten auf Shoyo herab, der wieder in seinem Schulbuch vertieft war. Neugierig sah er über dessen Schulter.   „Ehm… Hinata, weißt du eigentlich, wie spät es ist?“, irritiert sah der Weißhaarige schließlich zur Wanduhr auf, die gegenüber an der Wand hing. Nachdenklich kratzte er sich daraufhin am Hinterkopf.   „Warum fragst du, Hoshiumi?“   „Weil wir inzwischen 15 Uhr haben. Beginnt deine Schicht nicht in einer Stunde?“   Augenblicklich hielt der Orangehaarige inne.   „WAS SO SPÄT SCHON??“, geschockt sah Shoyo auf. Ein Blick auf die Uhr genügte, um zu realisieren, dass sein Klassenkamerad Recht hatte. Verdammt – er war schon viel zu spät dran.   „Super, danke Hoshi – ich bin dir was schuldig!!“, so schnell der Orangehaarige konnte, sammelte er die Bücher zusammen. Hastig stapelte er sie aufeinander und hob den Stapel hoch.   „Ach Quatsch! Pass lieber auf, dass du niemanden umrennst. Sicher, dass du das allein schaffst? Sieht schwer aus…“, der Weißhaarige hingegen musterte den Kleineren und legte seine Stirn in Falten.   „Nein! Nein! Passt schon, danke. Ich muss dann auch los, bye~“, Shoyo verabschiedete sich schließlich von seinen Klassenkameraden und machte sich auf den Weg. Während er einen Schritt vor den nächsten tätigte, dachte er bereits an die heutige To-Do-Liste, die er noch abzuarbeiten hatte.   Zu allem Übel erwartete ihn heute auch noch eine Sonderschicht auf der Arbeit. Er arbeitete als Kellner in einem sehr noblen Restaurant und heute fanden dort gleich zwei geschäftliche Meetings statt. Somit ging seine Schicht heute wieder sehr lange. Wenn er sich gut dranstellte, bedeutete dies auch, dass es wieder viel Trinkgeld gab. Zum Glück war Natsu heute nach der Schule bei einer Bekannten.   Tante Mura war eine alte Freundin der Familie und nahm die Kleine regelmäßig zu sich, wenn der Orangehaarige arbeiten musste. Früher schon hatte die alte Dame oft auf sie aufgepasst. Er verband mit ihr sehr tolle Erinnerungen, die er nicht missen wollte. Tante Mura war schließlich auch schon um die 60 Jahre alt. Sie genoss ihre Rente in vollen Zügen und sagte auch selbst schon, dass er und Natsu wie Enkelkinder für sie wären, die sie gerne betreute. Sie war inzwischen Witwe und ihre vorherige Ehe war auch kinderlos geblieben. Deswegen verbachte sie viel Zeit mit der Kleinen. Sie war eine hilfreiche Stütze. Sie taten sich gegenseitig gut. Vor allem Natsu ließ die alte Dame wieder jung erscheinen. Ein zärtliches Lächeln schlich sich auf Shoyos Lippen. Er war froh, dass sie alle gesund und wohlauf waren.                 Langsam schritt er weiter voran und hatte Mühe das Gleichgewicht zu halten. Die Bücher waren verdammt schwer – nichts im Vergleich zu einem vollen Tablett, das er inzwischen einwandfrei balancieren konnte. Zudem versperrte ihm der Bücherstapel auch noch die Sicht.   „Ehm… Verzeihung… dürfte ich bitte an Ihnen vorbei?“, Shoyo hatte mitbekommen, dass jemand vor ihm stehen musste, aber leider kam die Reaktion seines Gegenübers zu spät. Bevor der junge Mann wusste, wie ihm geschah, lief er nichtsahnend in seinen Vordermann hinein. Lautes Gepolter folgte und ein lauter Knall.   „Oh nicht doch.“, hilflos sah sich Shoyo in dem Chaos um.   Die Bücher lagen kreuz und quer auf dem Boden verteilt. Als er auch noch einen jungen Mann vor sich liegen sah, der zuvor mit seinem Hinterkopf gegen das Bücherregal geknallt war, ließ die Panik in ihm aufsteigen. Zu allem Überfluss war sein Gegenüber auch noch bewusstlos.     //Shit!! Shit!! Das ist gar nicht gut!!//     Langsam, aber sicher verlor der Orangehaarige seinen letzten Funken an Selbstbeherrschung. Die Panik übernahm immer mehr seinen Verstand – sein Körper begann bereits zu zittern. Das braune Augenpaar war immer noch auf den Schwarzhaarigen gerichtet.   „Oh nein... oh nein…“, immer wieder murmelte er dieselben Worte.   Plötzlich spürte er eine Hand auf seiner Schulter. Erst jetzt registrierte der junge Mann, dass er mit dem Bewusstlosen nicht allein war.   „Ganz ruhig Hinata...“   Als Shoyo aufsah, blickte er in ein braunes Augenpaar, das ihn herzlich ansah. Er kannte den jungen Mann, der gerade vor ihm stand.   „Oh nein, Suga... das war keine Absicht.“   „Sh… das bekommen wir wieder hin… Es war ein Unfall, Hinata. Beruhige dich bitte, ja?“   „Trotzdem! Ich hätte nicht so viele Bücher schleppen sollen. Ich bin doch so ein Idiot“, die Hände des Kleineren ballten sich zu Fäusten. Schuldgefühle übermannten ihn – wegen seiner Dummheit war ein Beteiligter zu Schaden gekommen.     //Oh Kami… es tut mir leid…//     Vorsichtig kniete sich der Silberhaarige vor den Bewusstlosen und rüttelte an ihm. Shoyo stand einfach nur hintendran. Er fühlte sich so hilflos.   „Kageyama… hey Kageyama… Aufwachen.“   Erst in diesem Augenblick hatte Shoyo die Gelegenheit einen genauen Blick auf den Schwarzhaarigen zu werfen. Seine Strähnen hingen ihm tief ins Gesicht und seine Mimik wirkte friedlich. Seine blasse Haut leuchtete im Licht der untergehenden Sonne hinter ihm auf. Für einen Moment fühlte sich der Kleinere regelrecht hypnotisiert.     //Was für ein hübsches Gesicht...//     „Kageyama! Aufwachen!“   Immer noch stand Shoyo an Ort und Stelle und konnte seinen Blick nicht von dem Schwarzhaarigen abwenden, der daraufhin nach wenigen Minuten zu sich kam. Vorsichtig öffnete dieser seine Augenlider und für einen Moment stand Shoyos Welt still. Seine braunen Iriden blickten in ein tiefes Meeresblau, in dem man augenblicklich versinken konnte. Noch nie hatte er solch intensive Augen gesehen. Während Kageyama sich vorsichtig aufrichtete, hielt er sich die Schläfe. Er musste Schmerzen haben. Wieder stiegen Schuldgefühle in Shoyo auf, weshalb er langsam vor dem Größeren auf die Knie sank. Wie von selbst fand seine rechte Hand zu Kageyamas Hand, die sich weiterhin an seiner Schläfe befand.   „Hey, geht es dir wieder gut?“, erneut trafen sich ihre Augenpaare. Die Anziehungskraft, die zwischen ihnen herrschte, konnte Shoyo nicht in Worte fassen. Erneut sah er dem Schwarzhaarigen tief in die Augen. Er konnte einfach nicht wegsehen.   Es dauerte eine Weile, ehe der Größere schließlich antworten konnte. Der Blickkontakt zwischen den Beiden blieb weiterhin bestehen.   „Ja, ist… noch alles dran…“, Kageyama stand definitiv noch komplett neben sich. Aber ihm schien es so weit gut zu gehen. Erleichterung machte sich in Shoyo breit. Ein kleines Lächeln zierte seine Lippen, ehe er sich schließlich aufrichtete. Währenddessen sah der Schwarzhaarige den Kleineren genauer an. Er schien erst mit sich zu hadern.   „Moment mal, du bist doch…“, bevor Kageyama das Wort an ihn richten konnte, wurden sie durch einen lauten Ruf unterbrochen.   „Shoyo! Da bist du ja!“, eine junge Frau kam auf den Orangehaarigen zu gerannt und blieb neben ihm stehen. Schwer atmend stemmte sie ihre Hände auf die Knie.   „Yachi…“, der Orangehaarige sah die junge Frau irritiert an. Wieso war sie so in Eile? Als ob die Blondine gerade seine Gedanken gelesen hätte, erhob sie sich und verschränkte ihre Arme vor ihrem Oberkörper.   „Meine Güte Shoyo! Ich hab dich schon überall gesucht. Wir wollten doch zusammen zum Dinner laufen! Ich warte schon seit 15 Minuten vor dem Eingang!“   Plötzlich fiel dem Orangehaarigen wieder ein, weshalb er es eben noch so eilig hatte. Deswegen hatte Yachi nach ihm gesucht. Das hatte er im Eifer des Gefechts total vergessen!   „Oh verdammt – es tut mir leid. Mir ist ein kleines Malheur passiert“, entschuldigend signalisierte er mit seinem Kopf Richtung Boden, wo die Bücher immer noch kreuz und quer verteilt lagen. Yachi schüttelte fassungslos den Kopf.   „Achje… du bist mir ja auch ein Dussel! Du ziehst das Chaos echt magisch an, was? Ich gehe dann schonmal vor und sage unserem Chef Bescheid, dass es bei dir ein paar Minuten später wird, ja?“, manchmal könnte Shoyo die Blondine einfach nur umarmen. Herzlich nickte der junge Mann ihr zu.   „Ich danke dir, Yachi~“   Zuvor verabschiedete sich die junge Frau noch von den anderen und machte sich auf den Weg. Shoyo sah ihr eine Weile nach. Yachi Hitoka war seine beste Freundin – mit ihr konnte man Pferde stehlen. Sie war ein Jahr jünger als er und ging in die 2A. Zudem war sie auch diejenige, die ihm den Job im Dinner verschafft hatte. Schließlich war ihr Vater der Inhaber des noblen Restaurants. Die Beiden arbeiteten regelmäßig zusammen, sodass die Zeit immer schnell verging. Sie hatten viel Spaß und dafür war der Orangehaarige ihr mehr als dankbar. Sie stand ihm in so vielen Situationen bei. Auch teilten sie dasselbe Hobby - die Blondhaarige war nämlich ebenfalls Musikerin. Mit ihrem Keyboard leistete sie ihm öfters Gesellschaft, wenn er denn mal die Zeit dazu fand sich mit seiner Violine zu beschäftigen.   Schließlich widmete Shoyo seine Aufmerksamkeit wieder Sugawara und Kageyama, der sich zwischenzeitlich taumelnd erhoben hatte. Erst jetzt fiel ihm auf wie riesig der Schwarzhaarige war. Kageyama musste mindestens 15 cm größer sein als er. Allein vom Hochsehen, wurde dem Orangehaarigen flau im Magen. Unbehagen machte sich langsam in dem Kleineren breit und Unwohlsein stieg in ihm auf. Er musste zugeben, dass Kageyama gutaussehend war, aber dennoch vergas er nicht, wo ihre Grenzen lagen. Zu oft hatte Shoyo diese Grenze von seinesgleichen zu spüren bekommen.   Den Größeren gehörte der Himmel – er hingegen musste sich mit dem Boden zufriedengeben.   Sofort machte sich Shoyo an die Arbeit und hob ein Buch nach dem anderen auf. Kageyama schien ihn herbei genau zu beobachten. Er hatte zwischenzeitlich auf einem Sessel Platz genommen. Das blaue Augenpaar behielt ihn genau im Auge. Sugawara war zwischenzeitlich im Krankenzimmer verschwunden, um dem Schwarzhaarigen ein Kühl-Akku zu besorgen. Somit war der Orangehaarige mit dem Größeren momentan allein. Shoyo spürte, wie Panik in seine Glieder kroch. Er wusste, dass er niemanden vorverurteilen sollte – doch vor großen Typen hatte er Angst. Um dieser unwohlen Situation zu entfliehen, beschleunigte er sein Tempo. Dabei war er jedoch so hektisch, dass eines der Bücher wieder aus seiner Hand fiel.   „Shit!!“, fluchte der junge Mann vor sich hin und wollte gerade nach dem Buch greifen, als eine fremde Hand ihm zuvorkam.   „Hier…“, eine tiefe Stimme wand das Wort an ihn, woraufhin ein eiskalter Schauer über Shoyos Rücken wanderte. Schwer schluckend hielt der Orangehaarige in seiner Bewegung inne und schaute auf.   Kageyama war vor ihm in die Hocke gegangen, hatte das Buch aufgehoben und hielt es dem Kleineren entgegen. Nun war der Größenunterschied nicht mehr so gewaltig. Blaue Iriden sahen den Orangehaarigen eindringlich an. Jene Augen, die den Kleineren schon von Anfang an in den Bann gezogen hatten.   Für einen Moment hielt Shoyo den Atem an, als er das Buch an sich nehmen wollte. Ihre Finger berührten sich hierbei nur eine Sekunde, doch diese reichte aus, um dem Kleineren einen weiteren Schauer über den Rücken zu jagen. Kageyama war so freundlich zu ihm – dass er trotz seines Gesundheitszustands sogar bereit war ihm zu helfen.   „Danke…“, flüsterte Shoyo und konnte seinen Blick nicht abwenden. Er ergriff nicht die Flucht – er blieb standhaft. Sein Blick blieb standhaft. Etwas faszinierte ihn an seinem Gegenüber.   Shoyo war es gewohnt, dass Größere ihre Macht und Überlegenheit demonstrierten. Dass sie Kleineren zeigten, wo deren Platz war. Einige unschöne Aufeinandertreffen mit Ushijima waren für seine Ängste verantwortlich – hatten ihm die einen oder anderen Alpträume beschert.       […] „Ein Insekt wie du gehört auf den Boden – am besten zertreten wie eine kleine Küchenschabe!“ […]       Allein, wenn er an Ushijimas Worte vor den Sommerferien dachte, stellten sich seine Nackenhaare zu Berge. Traurig wand Shoyo schließlich den Blickkontakt ab und widmete seine Aufmerksamkeit dem Boden vor sich. Sein ganzes Leben lang musste er sich schon mit solchen Ignoranten und Idioten auseinandersetzen.       […] „Zwerge sollten unter sich bleiben – wer will sich schon mit so einem Abschaum abgeben!“ […]       Die beleidigenden Worte hatten ihre Wirkung nicht verloren. Sie waren immer noch so scharf wie ein Messer, das tiefe Wunden in sein Herz rammte. Fest drückte Shoyo die Bücher an sich und biss die Zähen aufeinander. Er fühlte sich hin und her gerissen.   Tief in Gedanken versunken sah das braune Augenpaar wieder auf. Sollte er tatsächlich einen Schritt auf sein Gegenüber zugehen? Er wusste nicht was er sagen sollte. Wusste nicht, ob er ein Gespräch beginnen sollte. Langsam erhoben sich die Beiden und Shoyo wand dem Schwarzhaarigen schließlich den Rücken zu. Der Orangehaarige konnte sich einfach nicht entscheiden – sollte er tatsächlich seine Komfortzone verlassen? Die Entscheidung wurde ihm jedoch abgenommen, als er wieder diese schöne tiefe Stimme hinter sich vernahm.   „Warte bitte…“, der Schwarzhaarige hatte seine Hand nach dem Kleineren ausgestreckt. Es wirkte so, als ob er ihn in diesem Moment aufhalten wollte.   Inzwischen war die Sonne hinter den Gebäuden verschwunden und warf ihre letzten Sonnenstrahlen durch das Fenster, das sich zwischen ihnen befand. Shoyo drehte sich daraufhin um und sah seinem Gegenüber wieder tief in die Augen. Das Sonnenlicht spiegelte sich in den meeresblauen Iriden wider. Die Ausdrucksweise kam ihm auf sonderbare Weise bekannt vor.   „Wie lautet dein Name?“, wieder hallte diese ausdrucksstarke Stimme durch den Raum. Der Angesprochene stand wie angewurzelt da. Es fiel Shoyo generell schwer Vertrauen zu fassen. Die meisten Schüler hielt er auf Abstand, aber an Kageyama vermochte er etwas zu erkennen, dass er nicht in Worte fassen konnte.     War es, weil der Schwarzhaarige so höflich ihm gegenüber gestimmt war? Waren es immer noch die Schuldgefühle, weil er für dessen Schmerzen verantwortlich war? Oder war es das Gesamtpaket, das ihn in den Bann zog?     „Shoyo Hinata…“, kam ihm schließlich über die Lippen und sah weiterhin gebannt den Größeren vor sich an.   Der Schwarzhaarige stand einfach nur da. Auf den ersten Blick wirkte seine Gestalt bedrohlich. Die Eiseskälte, die er durch seine Mimik nach außen trug, war selbst für Shoyo spürbar. Eigentlich war er genau die Sorte Mann, vor der sich der Kleinere immer in Acht nahm und einen großen Bogen drumherum machte. Aber warum sprachen seine Augen dann eine ganz andere Sprache? Wer war dieser sonderbare Kerl?   „Und du?“, der Orangehaarige wusste nicht, was dieses chaotische Aufeinandertreffen zu bedeuten hatte.   „Tobio Kageyama…“, antwortete der Größere und verneigte sich daraufhin vor dem Orangehaarigen, der ihn immer noch gefesselt ansah. Ein Riese verneigt sich vor einem minderwertigen Zwerg. Unglaube spiegelte sich in dem braunen Augenpaar wider. Eines war sich Shoyo in diesem Augenblick ganz gewiss – etwas hatte sich verändert.             Allerdings war ihm zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst, dass sich sein Schicksal, mit dem des Schwarzhaarigen kreuzen sollte. Der erste rote Faden war gesponnen und es war nur eine Frage der Zeit, bis beide Beteiligten dies realisieren sollten.     Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)