Schwanenlied von Faolan (Wenn der letzte Ton verklingt) ================================================================================ Kapitel 1: Schwanenlied - Wenn der letzte Ton verklingt ------------------------------------------------------- Blitzende Lichter. Hämmernde Bässe. Klebrige Böden. Die Masse an Menschen bewegten sich zum Rhythmus der Musik. Ihre Stimmen kämpften gegen die Lautstärke und verloren. Schwitzende Leiber stießen aneinander. Bier und Schnaps floss in rauen Mengen in die durstigen Kehlen, die erschöpft vom Singen waren und kein Ende finden wollten. Die Band heizte dem Publikum mächtig ein, ließen die Sorgen vergessen. Ließen vergessen, dass es keinen Morgen gab! Er würde das alles hier vermissen. Fünf Jahre lange haben sie ihn gefeiert. Der Sänger auf der Bühne gab an diesem Abend sein Bestes. Man konnte es spüren, in jedem Ton, den er ins Mikrofon sang und die Menge liebte es. Sie liebten ihn, verehrten ihn, riefen seinen Namen: “Cloud!” Dies war sein letztes Konzert. Wenn es endete, würde damit alles für ihn Enden! Man sagt, dass das Lied eines Schwans dann am schönsten ist, wenn er auf der Schwelle des Todes steht. Genau dies traf auch hier zu. Es war Clouds Schwanenlied. Würde seine Stimme in dieser Nacht verhallen, dann für immer. Es war sein Geheimnis. Nur er wusste es, sonst keine Menschenseele. Es war besser so. Alles hatte seinen Preis und das war seiner... Er hatte es so weit gebracht. Die Stimmung in der Halle war bis zum Schluss fesselnd. Die Gäste waren wahrlich auf ihre Kosten gekommen. Ganz und gar berauscht vom Alkohol und von seiner Musik. Er hatte alles gegeben. Für sie. Für sich. Mit der Band ging es zurück ins Hotel, wo die Party weiterging. Ausgelassen feierten Cloud mit ihnen ihren Erfolg auf der Bühne. Ein paar Drinks, eine letzte Zigarette. Ein letztes Mal mit den Menschen Zeit verbringen, die mit den letzten Monaten zu seiner Familie geworden waren. Ein letztes stilles Lebwohl, ehe er sich unter den Vorwand kurz frische Luft schnappen zu wollen, aus dem Hotel und durch die dunklen Straßen der Stadt schlich . Ziellos war er nicht, er wusste genau wo er hin musste. Auf ein Taxi verzichtete er, ganz als wolle er das unausweichliche doch noch etwas länger hinauszögern. Mittlerweile war ihm die Angst anzumerken, das leichte Zittern, das sich ständig durch die Haare fahren. Doch gab es für ihn keine Rettung. Weglaufen war zwecklos. Vor dem Tod konnte man nicht fliehen. Cloud hatte sich sein Schicksal selbst gewählt. Fünf Jahre als Star gefeiert zu werden, war ihm nicht zufällig zu gestoßen Der Preis für seine Karriere war sein Leben. Er hatte sich verkauft. Er bereute es, dass die Zeit so knapp bemessen war. Dass er nicht noch mehr in diesem kurzen Augenblick geschaffen hatte. Alles was er besaß, alles was er errungen hatte, musste er zurücklassen. Als der Sänger stehen blieb, fand er sich vor einem billigen Hotel wieder. Ganz wie damals, als er noch ein unbedeutender Sänger ohne Geld in den Taschen war. Als er nicht mehr hatte als einen Traum. Damals, als er sich wünschte, dass es endlich besser laufen würde, dass man hören wollte, was er zu sagen hatte. Es waren fünf Jahre vergangen, seit man seinen Wunsch erhört hatte und er für eine Gegenleistung eingewilligt hatte. Fünf Jahre in dem man ihn gefeiert hatte, in denen er alles hatte, was er je haben wollte. Zimmer 302. Die letzte Tür am Ende des Flurs, der mehr als spärlich beleuchtet war. Der Teppich auf dem Boden war abgewetzt, die Dielen darunter knarrten. Sein Ableben hatte er sich doch etwas glamouröser vorgestellt. Doch wo es anfing, sollte es auch enden. Welch Ironie. Zaghaft klopfte er an der Tür. Sein Herz hämmerte vor Angst in seiner Brust. Seine Instinkte erwachten, rieten ihm zur Flucht. Doch wusste er, dass es keinen Ort auf dieser Welt gab, wo er sich verstecken konnte. Man würde ihn finden. Er würde nur aufschieben, was nicht abwendbar war und in dieser Zeit in Angst leben. Er wusste, worauf er sich eingelassen hatte. Es war zu spät. “Komm herein.” Eine tiefe Männerstimme, geduldig und gütig drang durch die Tür, von der bereits das aufgeklebte Holzmuster ablöste. Sie lullte ihn ein und vermochte es ihm die Angst für einen Augenblick zu nehmen. Als Cloud eintrat, fand er sich in ein Zimmer wieder, welches vor fünf Jahren nicht besser ausgesehen hatte. Die Tapeten lösten sich an einigen Stellen von den Wänden. Das Bett hatte bereits bessere Tage gesehen und aus Richtung des Badezimmers wehte ein modriger Geruch herüber. In all dem stand ein Mann, der an diesem Ort nichts anderes als deplatziert wirken konnte. Frisch rasiert, gestylt, teure Kleidung. Alles an ihm schrie nach Raubtier. Sein Lächeln, seine ganze Ausstrahlung ließen den Sänger alles um ihn herum vergessen. “Es freut mich, dass du den Weg hierher gefunden hast, Cloud.” Seine Stimme nahm ihn völlig gefangen. Er war ganz und gar gebannt. Clouds Beine versagten ihm den Dienst. Er konnte sich nicht mehr bewegen. Wie eine Fliege, die bereitwillig ins Netz der Spinne getappt war. Kaum hatte der Sänger geblinzelt, stand der Mann auf einmal hinter ihm an der Tür. Das Geräusch des Schlüssels verriet ihm, dass man ihn in diesem Zimmer eingesperrt hatte. “Nicht, dass ich befürchten würde, dass du wegläufst. Eher gehe ich auf Nummer sicher, damit wir nicht unerwartet Besuch bekommen und gestört werden.” Cloud schluckte. “Wird es weh tun?”, fragte der Sänger mit leiser brüchiger Stimme. Der andere Mann schritt durch den staubigen Raum und legte sein Jackett ab. Er hing es ordentlich über eine Stuhllehne, danach krempelte er sich die Ärmel seines strahlend weißen Hemdes hoch, ließ sich für seine Antwort Zeit. “Nur wenn du es willst.” Ein sanftes Lächeln erschien auf seinen sanften Gesichtszügen. Mit einer Geste deutete er Cloud näher zu kommen. Dieser war noch immer steif wie ein Brett und wunderte sich, als seine Beine sich wie von selbst in Bewegung setzten. Er trat zum anderen Mann, der sich nun neben dem Bett platziert hatte. “Erinnerst du dich noch an damals, als wir uns das erste Mal begegnet sind?” Cloud nickte nur. Angst strömte ihm aus jeder Pore. Die Nacht würde er nie vergessen! Ihre Blicke, wie sie sich zum ersten Mal getroffen hatten, die Augen, die ihn seitdem nicht mehr losließen. “Ich bin ein Fan von Anfang an. Weißt du, ich habe schon damals an deinen Lippen gehangen, da hast du noch in diesen langweiligen Cafés und als Straßenmusiker dein Talent vergeudet.” Erst war Cloud verwirrt, dann schien etwas wie Hoffnung in ihm aufzukeimen. “Wollen Sie damit sagen, dass ich heute nicht sterben werde?” Der Mann fing heiter an zu lachen, ganz so als wäre es das witzigste was er seit langem gehört hatte. “Aber mitnichten, mein Lieber. Abgemacht ist abgemacht. Du hast dich zu diesem Handel bereit erklärt. Was wäre ich für ein Geschäftsmann, wenn ich jetzt nicht einfordre was mir zusteht?” Cloud spürte die großen festen Hände des Mannes an seinem Körper, wie sie ihn packten und festhielten. Er hatte keine Chance sich zu befreien, selbst wenn er es versucht hätte. Er fühlte die Lippen an seiner Kehle und ein kurzer Schmerz, der sich süßlich in etwas wunderbaren verwandelte. Eine Welle der Ekstase rollte durch seinen Körper, als sich Zähne durch sein Fleisch bohrten. Das hier würde sein Ende sein! Sein Leben verwelkt, wie eine schöne Rose, doch für was? Für was das alles? Seinen großen Traum, den er fünf Jahre lang gelebt hatte. War es das wert gewesen? Ja! er hatte in den fünf Jahren gelebt, wie andere in ihrem ganzen Leben nicht! Kein Schrei drang aus seiner Kehle, dafür ein wohliger Seufzer. Die Welle der Ekstase und Erkenntnis spülte Zweifel und Sorge davon und ließ ihn in seinen letzten Momenten den Pein vergessen, bevor ihn die Dunkelheit empfing mit offenen Armen. Die Kraft schwand aus seinem Körper, bis man ihn regungslos auf dem Bett ablag. “Dein größter Fan seit der ersten Stunde, für jetzt und bis in alle Ewigkeit…” Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)