Under Our Wings von BuchTraumFaenger ================================================================================ Kapitel 1: 1. Wiedergeboren --------------------------- Hallo miteinander. Vielleicht überrascht es euch, dass ich eine neue Geschichte hochlade, obwohl ich „Die letzte Ehre“ noch nicht fertiggestellt habe. Nun, für diejenigen, die es schon wissen, aufgrund dessen, dass der Film Kung Fu Panda 2 heute 10 Jahre alt wird, wollte ich eine ganz besondere Geschichte über Lord Shen schreiben. Diese Geschichte „Under Our Wings“ wird sich grundlegend von den bisher dagewesenen Shen/Eltern Geschichten unterscheiden. Ich dachte, wie es wohl wäre, wenn seine Eltern noch am Leben wären. Was ist, wenn sie mehr als nur sterben wollten, wegen des Verlustes ihres Sohnes? Nun, jetzt könnt ihr es hier lesen. :-) Viel Spaß! Hier ist nun meine Version von der Wiedervereinigung zwischen Shen und seinen Eltern - aber NICHT in einem Leben im Jenseits. ;-) Übrigens hat die Geschichte nichts mit meinen aktuellen Geschichten zu tun! Noch ein kleiner Hinweis: Für Shens Eltern wählte ich Namen, die mir am besten gefielen. Das soll aber nicht heißen, dass das ihren wirklichen Namen entspricht. Es ist schade, dass DreamWorks ihre Namen nie genannt hat, und ich besitze nun auch nicht so viel Kenntnis über chinesische Namen. Vielleicht existieren weitaus bessere Namen als meine, aber wenn ich ihre Namen kennen würde, würde ich sie natürlich hinschreiben. :-D Aber, nun, es ist ja nur Fanfiktion und vielleicht auch besser als nur „Vater“ und „Mutter“ zu schreiben. :-S Okay, wünsche euch eine schöne Lesezeit! ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ „Sie haben dich geliebt. Sie haben dich so sehr geliebt, dass es sie umgebracht hat dich wegschicken zu müssen.“ (Wahrsagerin, Kung Fu Panda 2) Bemerkung des Autors: Haben sie das wirklich? ;-) ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ 1. Wiedergeboren (~ 2 Jahre nach Shens Verbannung) Der Abend hing schwer über der Stadt Gongmen. Dabei stand keine einzige Regenwolke am Himmel. Und nicht nur in den Straßen und Häusern, auch im Palast drückte die Stimmung schwer auf jedem Gemüt. Auch der Wahrsagerin. Mühselig setzte die alte Ziege einen Fuß auf den anderen, als sie sich in die privaten Gemächer des Fürstenpaares begab. Genauer gesagt, von nur einem Teil davon. Sie schob die Tür auf. Der Raum war schön eingerichtet, fast wie ein Wohnzimmer. Doch nichts von all der Pracht konnte die traurige Seele des Herrschers aufheitern. Zuerst sah sie ihn nicht. Erst ein leises Schluchzen ließ sie aufhorchen und ihre Augen wanderten in eine bestimmte Richtung. Der Lord lag zusammengesunken auf einem Sofa. Die Wahrsagerin wagte kaum den Mund zu öffnen. Doch irgendwie überwand sie sich dann doch dazu, obwohl es nicht viel war, was ihr über die Lippen kam. „Lord Liang?“ Ein Ruck ging durch den älteren blauen Pfau. Dennoch hob er nur langsam den Kopf. Sein Gesicht war durchnässt von Tränen. Der Ziege fiel es schwer ihm ins Gesicht zu sehen und senkte den Blick mit Reue und Wehmut. „Es tut mir furchtbar leid. Ich habe es gerade erfahren.“ Der Tod seiner Frau war vor wenigen Stunden eingetreten. Der Arzt hatte es bereits bestätigt. „Wenn ich irgendetwas für Euch tun kann…“ „Meine Frau ist tot“, hauchte der Lord in einer leeren, tonlosen Stimme. „Was soll mich noch hier halten?“ Die Augen der Ziege weiteten sich entsetzt. „Mein Lord! Verstehen Sie mich nicht falsch, aber Ihre Gemahlin würde es sicher nicht wollen, dass Ihr ihr so schnell nachfolgt. Bedenkt doch, was dann aus Eurem Reich wird.“ „Wem soll ich es denn geben?“ Die Stimmte des Pfaus klang so schwer, dass die Ziege Sorge hatte, er würde an seinen eigenen Worten ersticken. Und dementsprechend sah er auch aus. Statt sich wenigstens zu erheben oder ein paar Schritte zu gehen, rollte sich der blaue Pfau einfach auf den Rücken und schloss die Augen. „Wenn ich sterbe, möge man mich zu meiner Frau in den Sarg legen.“ „Mein Lord!“ Schnell eilte die Ziege zu dem Herrscher und umfasste seinen Flügel. „Das dürfen Sie nicht sagen! Was immer auch auf Eurem Weg passieren mag, ich bin mir sicher, dass Sie wieder aufstehen werden.“ „Bist du dir so sicher wie deine Wahrsagung über meinen Sohn?“ Die Haltung der Ziege wandelte sich um in tiefe Bestürzung und sie beugte sich schwer auf ihrem Gehstock. Es waren bereits zwei Jahre nach dem Massaker im Panda-Dorf vergangen und dass der Lord und seine Frau ihren eigenen Sohn aus der Stadt verbannen mussten. Niemand wollte mehr daran erinnert werden und dennoch konnten sich die Eltern einfach nicht davon losreißen. Weder geistig noch körperlich. „Euch blieb keine andere Wahl“, versuchte die Ziege das Gespräch fortzusetzen. „Entweder Tod oder Verbannung. Ihr tatet das einzig Richtige.“ Zumindest hoffte sie das. Sie selber hätte es gegenüber den anderen nie zugegeben, aber sie hätte vielleicht nicht mehr weiterleben wollen, wenn man den jungen Lord hingerichtet hätte. „Erst mein Sohn, jetzt meine Frau.“ Die Stimme des Lords klang schwach, was die Ziege sehr erschreckte. „Der eine ist nicht mehr. Zumindest nicht hier. Und sie - sie ist nicht mehr in der Lage mit mir zu reden.“ „Ihr müsst Euch nur ausruhen“, sagte sie. „Ich kann Euch gerne etwas zur Beruhigung bringen.“ „Mich beruhigen?“ Wieder war die Stimme des Lords um einiges leiser geworden. „Der Tod ist mein einziges Mittel, um Ruhe und Frieden zu finden.“ Die Wahrsagerin wich etwas von ihm weg. Er war einfach nicht mehr derselbe Lord, der ihr anfangs vorgestellt worden war. Es war als lege ein völlig Fremder vor ihr. Zuvor war er voller Lebensfreude und immerzu entschlossen seine Ziele durchzusetzen. Jetzt war er nur noch ein Schatten, der keinen Lebenswillen mehr besaß. „Mein Lord machen eine schwere Zeit durch“, sagte sie schließlich. „Ich bitte Sie inständig sich nicht weiter zu quälen. Euch trägt keine Schuld. Ihr habt alles für Eure Familie getan, was Ihr konntet. Da kann Ihnen keiner einen Vorwurf machen.“ Sie wandte sich ab. „Wenn Ihr es wünscht, werde ich solange in der Nähe verweilen. Wenn Ihr etwas braucht, könnt Ihr mich jederzeit rufen.“ Sie machte ein paar Schritte zur Tür, doch bevor sie den Raum verließ richtete sie noch einmal ein paar beruhigende Worte an ihn. „Machen Sie sich keine weiteren Sorgen. Es wird bestimmt alles wieder gut werden.“ Kaum hatte sie die Tür hinter sich geschlossen, stieß der blaue Pfau einen tiefen Seufzer aus. „Das hoffe ich sehr.“ Die Wahrsagerin entfernte sich nicht allzu weit vom Zimmer. Im nächsten Gang ließ sie sich nieder und lehnte sich gegen die Wand. Eine Weile hing sie ihren Gedanken nach. Sie fühlte sich immer noch für das schwere Unglück im Panda-Dorf verantwortlich. Vielleicht wäre nie etwas passiert, wenn sie nie in die Zukunft beschaut hätte und einen Krieger in schwarz und weiß vorhergesagt hätte, die den zukünftigen jungen Prinzen von seinem Vorhaben abhalten sollte. Die Ziege verfluchte sich selber. Warum hatte sie nicht gespürt, dass Shen sie belauscht hatte? Und selbst wenn, warum hatte sie das Unglück nicht vorhergesehen, das danach kommen würde? Gedemütigt vergrub sie das Gesicht in den Hufen. Nach einer Weile schlief sie schließlich ein. Es vergingen ein paar Stunden als die Rufe der Wachen sie aus ihrem Schlaf rissen, die durch die ganzen Gänge des Palastes widerhallten. „Der Lord ist tot!“ „Wie ist das passiert?“ „Gift.“ Völlig geschockt sprang die Ziege auf und rannte los. Sie stolperte mehrmals über ihren Rockzipfel bis sie schweratmend das Zimmer erreichte, in dem sie sich zuvor noch mit dem Herrscher unterhalten hatte. Gerade kamen zwei Antilopen-Soldaten heraus. In den Hufen hielten sie eine Trage, bedeckt mit einem Laken. Der Arzt, eine schon ältere Gazelle, begleitete den Leichenzug. Als er die Wahrsagerin erblickte, neigte er den Kopf. „Ich werde mich um die Bestattung kümmern.“ Fassungslos beobachtete die Ziege wie man die Leiche des Lords wegschaffte. Dann sank sie zusammen und eine erneute Welle der Schuld schlug über sie her. Jetzt hatte ihre Prophezeiung nicht nur ein ganzes Dorf und der Lady von Gongmen das Leben genommen, sondern jetzt auch noch dem Lord. Die Ziege hielt sich die Hufe an den Kopf. Was würde jetzt aus ihrem Sohn werden? Er war jetzt völlig auf sich alleine gestellt auf der Welt. Was würde passieren, wenn er erfuhr, dass er seine Eltern verloren hatte? Die beiden hatten noch nicht mal ihr hohes Alter erreicht. Die alte Frau war so tief in ihrem Verdruss versunken, dass sie die Gespräche um sie herum gar nicht mehr mitbekam. „Er wollte mit seiner Frau in den Sarg gelegt werden.“ „Der Sarg steht unten schon bereit.“ „Wann soll die Beerdigung stattfinden?“ „In drei Tagen. Der Lord hatte es so angeordnet.“ „Meister Donnerndes Nashorn. Von heute an hat der hohe Rat des Kung-Fu das Wort über die Stadt Gongmen.“ Das Nashorn klopfte mit dem großen Hammer auf den Boden. „Wir werden das Erbe des Pfauen-Clans in Ehren halten.“ Der Lord blinzelte. Um ihn herum war es stockdunkel. Die Luft roch stickig und modrig. Lord Liang kroch ein eiskalter Schauer unter die Federn. Der Gedanke als Leiche hier jetzt liegen zu müssen, so hatte er sich sein Dasein nach dem Tod nie vorstellen können. Allmählich ließ die betäubende Wirkung des Trankes nach. Kurz nachdem er das Getränk getrunken hatte, war er zusammengebrochen. Genauso wie er es geplant hatte. Er bewegte die Flügelspitzen und Fußzehen. Unter sich konnte er weiches Polster fühlen. Er hätte es nie zugegeben, doch es war schon irgendwie angenehm in einem Sarg zu liegen. Zumindest von der Bequemlichkeit her. Er seufzte schwer. Der Pfau konnte nicht glauben, dass er das tat. Er hatte die ganze Welt angelogen. Sowohl Freunde als auch Fremde. Jeder dachte er sei tot. Ebenso seine geliebte Frau, die neben ihm lag. „Ai?“, wisperte er vorsichtig, aus Angst sie würde ihm nicht antworten. Erleichterung machte sich in ihm breit, als er ein leises Murmeln und ein Rascheln vernahm. „Liang?“ Das starke Schlafmittel, das er ihr vor vielen Stunden verabreicht hatte, ließ allmählich nach. „Sind wir… sind wir…“ „Ja“, hauchte der Pfau bestätigend. „Wir liegen in einem Sarg.“ Er konnte ihre Anspannung spüren. „Nur keine Sorge“, beruhigte er sie schnell. „Die Luft reicht noch aus-“ „Du weißt, dass ich Platzangst habe!“, zischte die Pfauenhenne diesmal etwas lauter und eindringlicher. Liang machte das weniger aus, doch auch er spürte eine Unruhe in sich austeigen. „Warte einen Moment.“ Langsam richtete er sich auf und hob den Deckel an. Der Sarg war nicht verschlossen. So wie er es angeordnet hatte. Vorsichtig lugte er durch den Spalt. Sie waren allein. Sie befanden sich im untersten Teil des Palastes. So wie er es dem Arzt befohlen hatte. Alles verlief genau nach Plan. Nachdem der Lord sich vergewissert hatte, dass sich niemand in der Nähe befand, hob er den Sargdeckel höher und hielt ihn über den Kopf. „Klettere raus“, flüsterte er seiner Frau zu. Sofort machte sich die Pfauenhenne auf allen Vieren auf und schwang sich aus dem hölzernen Gefängnis. Anschließend half sie ihrem Mann den Deckel zu halten, damit sie ihn geräuschlos wieder auf seinen Platz legen konnten. Einen Moment verharrten beide und lauschten. Nichts war zu hören. Sie waren allein. Und da war niemand, der sie sah. Lord Liang sah sich um. Der Keller bestand aus kahlen Steinwänden mit ein paar verzierten Säulen und vereinzelten Fackeln an den Seiten. „Komm schnell.“ Er ergriff ihren Flügel und gemeinsam eilten sie einen Flur die Treppe runter. Auf der letzten Stufe gelangten sie in eine Art Abstellkammer. Liang kniete sich auf den Boden und tastete den Steinboden ab. Als er auf einer der Platten drückte gab diese kurz nach. Dann schwang sie zur Seite und gab den Weg zu einem Geheimgang frei. Beide Pfauenvögel schauten hinein. „Mir nach“, sagte der Lord und stieg als Erster hinunter, während die Lady zögerte. „Können wir keine Fackel mitnehmen?“, fragte sie unsicher. Liang schüttelte den Kopf. „Wir dürfen keine Spuren hinterlassen. Dazu gehört auch keine Mitnahme von Gegenständen jeglicher Art. Nun komm! Ich kenne den Weg auch blind.“ Er hielt ihr seinen Flügel hin. Schließlich gab Ai sich einen Ruck und folgte ihrem Mann ins Dunkel. Der unterirdische Gang fungierte einst als Fluchtweg, der vor vielen Jahren erbaut worden war, im Falle einer Belagerung der Stadt. Der Gang endete hinter einem Felsen unter einer mit Gras bewachsenen Falltür im Gebüsch. Nachdem der Lord sich vergewissert hatte, dass sie niemand beobachtete, stieg er aus und half seiner Frau aus dem Loch heraus. Sie befanden sich jetzt im angrenzenden Wald. Die Stadt lag jetzt fast einen halben Kilometer entfernt. Von einem Hügel aus sahen sie auf die glänzende Metropole Gongmen herab, die vom Morgenlicht bestrahlt wurde. Dies war ihre Heimat. Seit Generationen. Das Land ihrer Vorfahren. Still legte der blaue Lord seinen Flügel über die Schultern seiner Frau. „Es war die einzige Möglichkeit. Ein Zurück gibt es jetzt nicht mehr.“ Er nahm seine Frau beim Flügel Hand. „Jetzt komm. Ich habe bereits alles vorbereitet. Die Sachen finden wir in einer alten Hütte im Wald. Dort werden wir uns zurecht machen. – Für ein neues Leben.“ Das Ehepaar beeilte sich. Sie durften nicht riskieren zufällig von einem Waldläufer entdeckt zu werden. Die Holzhütte war gut getarnt und extrem klein. Dort holten sie einen Beutel mit alten bäuerlichen Kleidern heraus. „Hier die Farbe.“ Liang reichte seiner Frau einer Art Farbpulver. Schnell entkleidete sie sich und rieb sich damit ein, sodass sich ihr rosa-türkises Gefieder in ein hölzernes Braun verwandelte. Bevor auch ihr Mann sich dieser Arbeit zuwandte, holte er ein Messer hervor. Als seine Frau das Messer in seinem Flügel sah, überkam sie ein ungutes Gefühl. „Liang? Wozu?“ Die Augen des Lords waren ernst. „Niemand darf mich erkennen.“ Mit einem schnellen Ratschen schnitt er über die hintersten Enden seiner langen Schwanzfedern. Ebenso verfuhr er mit seinen langen Bartfedern am Schnabel. Anschließend zerschnippelte er alle Federn in kleine Stücke und steckte sie in einen Sack. Dann nahm auch er ein Farbpulver zur Hand. Und es dauerte nicht lange und sein dunkelblaues Gefieder verwandelte sich in ein dunkles Grün. Sie verstauten die restlichen Materialien in ihr Gepäck und setzten sich zum Schluss Strohhüte auf. Nachdem sie sich vergewissert hatten, nichts zurückgelassen zu haben, rief Liang zur Eilte. „Komm. Das Schiff aus Japan wird jeden Moment im Hafen eintreffen. Wir müssen den Zeitpunkt genau abpassen, um keinen Verdacht zu erwecken.“ Sie begaben sich zur Landstraße, die an der Küste entlangführte. Ab dieser Strecke spazierten sie in gemäßigtem Tempo weiter. Auf dem Weg kam ihnen ein Ziegenbock entgegen. Liang spürte wie Ai wieder nervös wurde und griff beruhigend nach ihrem Flügel. „Bleib ganz ruhig“, raunte er ihr zu. „Sie kennen uns nicht und wir kennen sie nicht.“ Liang nickte dem Passanten zur Begrüßung zu. Dieser blieb kurz stehen. Anscheinend meinte er ihre Silhouetten zu erkennen. Kein Wunder, kannte doch jeder das Ehepaar der Stadt Gongmen. Doch als er einen näheren Blick auf die beiden zerlumpten Vögel wagte, grüßte er nur kurz zurück und schüttelte über sich selber den Kopf. Nach einer kurzen Strecke blieb Liang stehen und deutete nach vorne. „Dort drüben liegt das nächste Dorf.“ Sie marschierten auf das vorderste Haus zu, vor dem ein Schaf gerade dabei war Holz zu hacken. „Sei gegrüßt“, begann Lord Liang. Das Schaf hielt in seiner Arbeit inne und betrachtete das Pfauenpaar verwundert. „Kann ich Ihnen helfen?“ „Wir sind aus Japan“, erklärte der grün angemalte Pfau. „Wir sind gerade von einer langen Schiffsreise hier angekommen und suchen nach einem Ort, wo wir uns niederlassen können.“ „Und mit wem habe ich die Ehre?“, erkundigte sich das Schaf. „Mein Name ist Makkuro“, stellte der ehemalige Lord der Stadt Gongmen sich vor. „Und das ist meine Frau Nara.“ Nara, alias Lady Ai, verneigte sich respektvoll. „Sie kann noch nicht so gut Chinesisch“, fügte Makkuro, Lord Liang, hinzu. Das Schaf rieb sich übers Kinn. „Nun, bei uns stehen wirklich ein paar Hütten leer. Gongmen ist auch nicht mehr die große Blüte, was sie mal gewesen war. Besonders seit dem schrecklichen Vorfall in einem Panda-Dorf hat es einige vertrieben.“ Der Pfau seufzte, ließ sich aber nichts anmerken. „Es würde uns genügen“, sagte er stattdessen. „Nun denn. Dann folgt mir.“ Das Schaf legte die Axt beiseite und führte das Ehepaar an ein paar verlassenen kleinen Häusern vorbei, die er ihnen der Reihe nach vorstellte. Liang, oder Makkuro, nahm jede der Hütten genau in Augenschein. Erst am letzten Haus, das ganz am Ende des Dorfes stand, beendete er seine Begutachtung. „Dieses hier ist perfekt.“ Das Schaf nickte und stieg über die Terrasse, um die Tür zu öffnen. „So, da wären wir.“ Das Pfauenpaar trat ein. Vor ihnen stand ein Tisch mit Stühlen, daneben die Küche mit einer Feuerstelle und in einem Nebenzimmer Betten. Liang ging durch den Esszimmerraum und strich hier und da mit den Fingerfederspitzen über die Flächen. Schließlich faltete er die Flügel zusammen und warf seiner Gattin einen zufriedenen Blick zu. „Wir nehmen es“, sagte er schließlich. „Das freut mich zu hören“, sagte das Schaf. „In dem Fall werden wir die Formalitäten dann später erledigen, sobald Sie sich von der Reise erholt haben. Und dann auch noch die Aufgaben, die in unserem Dorf anfallen.“ Liang nickte. „Natürlich dürfen Sie das. Iroiro to arigatōgozaimashita (Danke für alles)“, sagte er zum Schluss auf Japanisch. Der Pfau war zum ersten Mal seit langem dankbar für seine gute Schuldbildung. Besonders in Sachen Fremdsprachen. Das Schaf wollte sich gerade zur Tür wenden, als es sich nochmal umdrehte. „Verzeihen Sie meine Bemerkung. Aber mit Verlaub, ich dachte immer, Pfaue haben lange Schwanzfedern.“ Auf diese Frage hatte Lord Liang schon eine Antwort parat. „Es ist eine alte Sitte in unserer Gemeinde sich nach der Hochzeit die Schwanzfedern abzuschneiden“, erklärte er. Das Schaf runzelte die Stirn. „Okay. Sitten gibt’s. Sonderbar.“ Murmelnd verließ es die Hütte. Lady Ai sah sich um. Noch nie hatte sie in einer Hütte gewohnt. Weder früher noch sonst irgendwann. Nicht einmal im Urlaub. Von der Decke hingen Spinnweben und überall lag Staub und sie wusste, dass es hier keinen Putzdienst gab. „Liang?“, begann sie schließlich. „Ich weiß nicht, ob ich dieses Leben auf ewig durchstehen kann.“ Tröstend legte ihr Gatte seine Flügel auf ihre Schultern. „Tut es für ihn. Wir müssen versuchen so ein Leben zu führen.“ Betrübt hielt sie seine Flügel. „Er fehlt mir so sehr. Könnte ich ihn doch noch einmal sehen. Nur noch ein einziges Mal. Nur noch einmal ihn berühren.“ Der Lord drückte seine Frau eng an sich. „Das werden wir. Verlass dich drauf.“ Er strich ihr über den Kopf. „Aber nun komm. Wir müssen noch ein Feuer machen.“ Es dauerte nicht lange und das Feuer brannte in der Feuerstelle in der Küche. Die zwei Pfaue saßen davor und schnitten ihre königlichen Gewänder in Streifen, die sie dann anschließend nach und nach in die Flammen warfen. Das gleiche passierte auch mit Liangs abgeschnittenen Federn. Traurig sahen sie zu wie das lodernde Feuer ihre Vergangenheit auffraß. „Liang?“, begann Ai nach einer Weile des Schweigens. „Jetzt wo wir nicht mehr unter Beobachtung stehen… Könnten wir nicht einfach diesen Ort verlassen und nach ihm suchen?“ Ihr Gatte sah sie mit warmem Blick an, doch dann schüttelte er den Kopf und umfasste ihren Flügel. „Er hat es mir geschworen. Damals. An jenem Tag. Er wollte zurückkommen. Ich bin mir sicher, dass er das tun wird.“ Er stand auf und ging nachdenklich ein paar Schritte auf und ab. „Bis dahin werden wir hierbleiben… und auf ihn warten. Und wenn er kommt… werden wir über ihn wachen. Ohne dass er es merkt.“ Er sah aus dem Fenster in die Ferne, so als würde er dort seinen Sohn sehen. Er war dort. Irgendwo, da draußen. Mein Sohn. Nun, ich hoffe, ich hab euch mit meiner „was-wäre-wenn-Shens-Eltern-noch-am-Leben-sind“ Theorie nicht erschreckt. Ich kenne nicht die wahren Charaktere von Shens Eltern und es beruht alles in dieser Fanfiktion auf Spekulationen. Seid mir von daher nicht böse, falls ich deren Charakter falsch beschreibe. Es ist das erste Mal, dass ich sie ganzheitlich in einer Geschichte auftreten lasse. Was genau die beiden zu diesem Vorhaben bewogen hat, wird im Laufe der Geschichte noch erklärt. Das nächste Kapitel knüpft direkt an den 2.Film an. :-) Viel Spaß und auf bald! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)