Under Our Wings von BuchTraumFaenger ================================================================================ Kapitel 7: 7. Ein alter Feind ----------------------------- „Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass ein Albino-Pfau keine große Bedrohung darstellen könnte, wie ein Tiger, ein Panda, ein Nashorn oder ein anderer bedeutender Kung-Fu-Meister. Aber eben diese Fehleinschätzung ist die Essenz vom Bösewicht Lord Shen: Er ist ein mysteriöses, unberechenbares, hinterhältiges Wesen, das versteckt Waffen unter seinen Federn trägt, sowie eine Einstellung, dass ihm in der Vergangenheit zutiefst Unrecht getan wurde.“* - (The Art of Kung Fu Panda 2, Seite 47) * frei übersetzt ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ „Shen!“, hörte er sie noch rufen. Doch er ignorierte ihr Flehen. Ohne Plan und Ziel rannte die weiße Gestalt des Pfaus durch die Bäume. Er mied bewusst die Häuser des Dorfes. Zwar wollte er nicht als Feigling gelten, doch eine Konfrontation mit Gegnern konnte er im Moment nicht gebrauchen. Er wollte allein sein. Einfach nur allein sein. Alles um ihn herum kam ihm so surreal vor. Es war ihm, als würde er durch einen Traum stolpern, aus dem er verzweifelt den Ausgang suchte. Doch im Inneren wusste er, dass das alles Realität war. Keuchend kam er an einem Baum zu Stillstand. Er lehnte sich dagegen und rang nach Luft. Er hatte so sehr gehofft, nie wieder ihre Gesichter sehen zu müssen. Nicht solange er auf der Erde war und mit Stolz hätte sterben können. Stattdessen kam er sich vor wie ein gedemütigter Hund. Er hatte nichts vorzuweisen, womit er prallen konnte. Nichts womit er zeigen konnte, dass er mit allem recht gehabt hatte. Tränen stiegen ihm in die Augen. Zornig schlug er mit der Faust auf den Waldboden. Das war so unfair! Das war so unfair! Keuchend kniete er im feuchten Laub. Seine Fingerfedern krallten sich in die Erde. Schließlich hob er entschlossen den Kopf. Er brauchte einfach einen neuen Plan. Es musste einen geben. Seine Eltern sollten nur nicht denken, dass er an allem Schuld hatte. Er musste es einfach beweisen. „Alles eine Lüge!“, fauchte er. „Sobald ich meinen Körper wieder vollständig bewegen kann, werde ich Rache an denen nehmen, die mir das angetan haben.“ Er grinste. Ja, er würde jeden Einzelnen von ihnen martern für seine Niederlage! Jeden! Plötzlich hob er den Kopf. Sein sensibles Gehör vernahm Stimmen. Irgendwo zwischen den Bäumen brannte ein Lagerfeuer. Wer konnte das sein? Shen war nicht unbedingt neugierig, doch als er kurz das Jaulen eines Wolfes hörte, wurde er doch hellhörig. Waren das vielleicht seine Leute? Was war mit ihnen eigentlich nach seinem „Tod“ passiert? Hatte man sie aus der Stadt gejagt, oder einen Teil davon verhaftet? Oder sogar hingerichtet? Mühsam erhob er sich und ging mit teilweise schwankenden Schritten auf das Feuer zu. Dort erkannte er zwei Gorilla-Gestalten. Es mussten seine Leute sein. Shen sah an sich herunter. Klebte noch Blut auf seinem Hemd? Vielleicht umso besser. So konnte er etwas Eindruck schinden. Er wischte sich die Blätter von der zerrissenen Robe, die ihm am Stoff haften geblieben waren und strich seine Federn glatt. Anschließend steckte er seine Flügel unter die Ärmel, wie die Lords es stets zu tun pflegten und schritt mit hoch erhobenem Haupt über das Gras auf das Feuer zu. „Guten Abend, Gentlemen“, grüßte er in die Runde. Einem der Gorillas fiel fast die Kinnlade runter, als er seinen ehemaligen Chef auf sich zukommen sah. „L-Lord Shen?“ Jetzt tauchte auch ein Wolf im Licht auf. „Sie hier? Wir dachten Sie wären tot.“ Shen setzte ein selbstsicheres Grinsen auf. „Tut mir leid euch enttäuschen zu müssen. Das war nur Strategie.“ Wieso hatte er eigentlich nicht gleich daran gedacht, statt sich in den Tod reißen zu lassen? Die Wahrsagerin würde sich wundern, dass ihre Verheißung völlig falsch gewesen war. Der Pfau ließ seinen Blick schweifen. Er zählte ungefähr fünf Gorillas, und sieben Wölfe. Direkt vor dem Lagerfeuer saß noch eine weitere Gestalt. Vermutlich auch ein Wolf, zumindest von der Struktur her. Dennoch war sie ungewöhnlich groß. Sogar noch größer als die von Wolf-Boss. Der Lord räusperte sich. „Nun? Lagebericht. Was ist eigentlich vorgefallen, während meiner Abwesenheit?“ In diesem Moment drehte sich die große Gestalt am Feuer zu ihm um. Shen erstarrte von seiner stolzen Haltung ins blanke Entsetzen. Das war kein Wolf, sondern ein Komodowaran. Entsetzt riss Shen die Augen auf. „Xiao Dan?“, hauchte er fassungslos. Der Komodowaran blickte den weißen Pfau verwundert an. Allerdings ohne den Schrecken im Gesicht. Die Echse trug eine vergoldete Rüstung und sogar eine Art Dolch zierte das Ende von ihrem langen Reptilienschwanz. „Lord Shen?“ Der Waran schien selber nicht zu wissen, was er sagen sollte. „Das… das ist aber eine Überraschung.“ Shens Gesicht nahm schlagartig einen aggressiven Ausdruck an und er wich etwas zurück. „Was willst du hier?!“, fuhr der weiße Pfau ihn an. „Man hat dir verboten das Land je wieder zu betreten!“ Zuerst stand Xiao Dan völlig verdattert da. Schließlich schien er endlich Ordnung in seinem Kopf geschaffen zu haben und begann gehässig zu lachen. „Tja, für mich ist die Frist abgelaufen. Besonders nach deinem Ableben, und das Ableben von diesem Nashorn.“ Shen fauchte wie eine giftige Schlange. „Ich dachte, meine Familie hat dir klipp und klar deutlich gemacht, dich nie wieder in Gongmen blicken zu lassen! Du solltest nie wieder hierherkommen!“ Beide sahen sich an. Dann stieß der Waran ein amüsiertes Zischeln aus. „Ha! Dachtest du wirklich, ich würde mich auf ewig von zwei Hühnern abschrecken lassen? Nur wegen diesen Kung-Fu-Meister-Puppen konnten wir die Stadt nie einnehmen. Auch nicht nach dem Dahinscheiden der bunten Gänse. Doch dank deiner Leute hatten wir etwas mehr Spielraum für eine Invasion…“ Doch dann verfinsterte sich die Miene der Echse. „Bis dieser fette Panda alles verhunzt hat.“ Shen hob die Augenbrauen. „Ein Panda sagst du?“ Sein Magen krampfte sich zusammen. Es ärgerte ihn zwar, dass ausgerechnet sein schlimmster Feind diese Schuppenträger in die Flucht schlagen konnte. Dennoch war er halbwegs froh darüber, dass es Xiao Dan auch diesmal nicht gelungen war die Stadt Gongmen zu vernichten. Und man sah dem Komodowaran-Anführer an, dass er über seine Niederlage nicht gerade erfreut war. Doch trotz allem ließ er es sich nicht nehmen, den Pfau etwas zu hänseln. „Dennoch war unser wieder versuchter Sturz der Stadt ganz allein dein Verdienst“, führte er mit einem breiten Grinsen aus. Shen hob mit säuerlicher Geste die Augenbrauen. „Mein Verdienst?“ Xiao Dan kicherte. „Mit deinem Eindringen in der Stadt hast du uns die Gelegenheit geben, auf die wir x-Jahre lang gewartet haben. Allerdings waren deine Waffen zu mächtig. Dafür, dass der Panda dich beseitigt hat, na ja, fast beseitigt hat, haben wir die Gelegenheit der Verwirrung genutzt, um die Stadt zu erobern. Deine Leute waren ein wirkungsvolles Ablenkungsmanöver gewesen.“ Das verwirrte den weißen Pfau für einen Moment und veranlasste ihn in die Gesichter seiner ehemaligen Gefolgsleute zu schauen. Shens Flügel begannen leicht zu zittern. Nicht vor Angst, sondern vor Wut. „Wie konntet ihr es wagen euch mit dem schlimmsten Feind Gongmens zu verbünden?!“ Einer der Wölfe trat vor. „Tja, vielleicht weil er gut bezahlt.“ Shen wollte ihm einen Schlag ins Gesicht verpassen, doch einer der Gorillas erkannte sein Vorhaben und versetzte dem Pfau einen harten Hieb in die Rippen. Stöhnend sank Shen auf die Knie, aber nur für ein paar Sekunden. Sofort war er wieder auf den Beinen und stierte grimmig in die Runde. „Das ist Meuterei!“ Xiao Dan lachte. „Das ist Strategie. Im Chaos bietet sich immer die Gelegenheit. Du musst zugeben, unser Plan war diesmal besser als früher. Nicht umsonst, nennt man uns die geborenen Eroberer.“ Shen durchbohrte ihn mit giftigen Blicken. „Ihr seid nur Zerstörer!“, fauchte er. „Ihr wollt Gongmen nur zerstören.“ „War das nicht auch dein Plan gewesen?“, konterte Xiao Dan bissig. Shen knurrte laut. „Mein Plan war Eroberung und Macht. Keine sinnlose Zerstörung ohne Ziel und Plan. Es war mein Bestreben, mich unvergesslich zu machen, während man eure stümperhafte Hirnlosigkeit schon bald wieder vergessen wird!“ Im nächsten Moment zog Xiao Dan sein langes gebogenes Schwert hervor, das Shen bei dem Anblick erst mal zum Verstummen brachte. Dem Komodowaran gefiel das sofort und hielt dem weißen Pfau die scharfe Klinge weiter vor. Shen senkte den Kopf und wich zurück wie eine aggressive Katze. Der Waran lachte bei dieser Geste. „Noch immer dasselbe kleine Küken von damals, was?“ Shen fauchte wütend. „Das wirst du nicht wagen.“ Xiao Dans Grinsen wurde immer breiter. Langsam ging er auf den ehemaligen Prinzen zu. Und mit jedem Schritt wich Shen noch weiter zurück, bis sein Rückzug von einem hinter ihm stehendem Gorilla abgebremst wurde. Doch noch ehe Shen wieder woanders ausweichen konnte, packte der große Affe ihn an den Schultern und hielt ihn fest. „HEY!“, schrie Shen ihn an und versuchte sich aus seinen starken Griffen zu befreien. „Ich bin euer Meister! Ihr habt mir zu gehorchen!“ Xiao Dan lachte laut. „Das ist jetzt meine Truppe. Du bist nur eine Witzfigur.“ Shen unterdrückte einen Schrei, als der Gorilla Druck auf seine zierlichen Knochen ausübte. „Von dir lassen wir uns gar nichts mehr sagen“, grunzte das beharrte Ungetüm. Am liebsten hätte Shen ihn hier und jetzt das Fell über die Ohren gezogen, doch zu seinem Entsetzen tauchten jetzt noch mehr Komodowarane aus dem Hintergrund auf. Einige von ihnen trugen schwarze Hemden mit rotem Gürteln um die Hüften, andere wiederum waren ähnlich gepanzert wie Xiao Dan, nur nicht in Gold. Verzweifelt suchte Shen nach einer Möglichkeit sich zu verteidigen, doch er trug keine Messer mehr in seinem Gefieder. Alle hatte er beim Panda verschossen. Er hatte noch nicht mal sein Lanzenschwert bei sich. Nicht einmal ein bisschen Schießpulver. Und eine Verteidigung im Nahkampf war mit seinen frischen Wunden praktisch unmöglich. „Tja, du wolltest ein Denkmal?“, höhnte Xiao Dan. „Fein, wir kommen deiner Bitte gerne nach und werden jetzt dir ein Denkmal machen lassen. Allerdings als befiederter Kadaver in der ödesten Provinz.“ Doch dann schien er zu überlegen. „Aber du könntest uns eventuell vielleicht noch nützlich sein.“ Shen hob angespannt die Augenbrauen. „Deine Waffen sind äußerst effektiv“, meinte der Waran anerkennend. „Vielleicht könntest du uns ein paar davon machen. Deine Wölfe waren so frei und haben uns schon ein paar kleinere davon zukommen lassen.“ Shen sog scharf die Luft ein. „Ich arbeite nicht mit solchem Abschaum wie euch!“, konterte er entschlossen. Dem Waran juckte diese Beleidigung überhaupt nicht. Er schob sein Schwert noch weiter vor, sodass sie Shens Schnabelspitze berührte. Shen wagte kaum zu atmen. Alles was er nur tun konnte war in Xiao Dans grinsendes Gesicht zu starren. „Ehrlich gesagt“, meinte der Komodowaran belanglos, „habe ich auch nichts anderes von dir erwartet.“ Er verstärkte den Druck der Klinge auf Shens Schnabel. Der Pfau war jetzt schon soweit zurückgewichen, dass sein Kopf gegen den Bauch des Gorillas drückte. Der Waran lachte. „Tja, dein Papi wird dich diesmal nicht mehr retten können. In dem Fall werden wir dir verhelfen, ihm noch schnell hinterher zu folgen.“ Plötzlich traf den Waran ein gewaltiger Schlag von der Seite. Ein Schatten hatte ihn mit voller Wucht ins Gesicht getreten, die die Echse ein paar Meter wegschleuderte. Sofort nahm sich der Schatten den Gorilla vor und versetzte ihm einen harten Hieb, die das große Tier zu Fall brachte. Als der Schatten für eine Sekunde zum Stillstand kam, erkannte Shen die Gestalt eines Pfaus. Doch noch ehe er was sagen konnte, stieß der Pfau ihn zur Seite. „SCHAFF IHN WEG! SCHAFF IHN WEG!“, schrie Liang. Im nächsten Moment spürte Shen Flügel um sich, die ihn wegzogen. Kurz darauf sah er in das bittende Gesicht seiner Mutter. Doch noch bevor sie ihn aus der Gefahrenzone zerren konnte, schaute Shen nochmal zurück, wo Liang jeden Angreifer mit Flügeln und Füßen abwehrte. Überall wo er konnte verteilte er Schläge. Ein Wolf stürzte sich mit Schild und Schwert auf ihn. Doch Liang schlug ihm das Schutzschild aus den Pfoten und zerkratze sein Gesicht mit den Krallen seiner Füße. Xiao Dan hatte sich inzwischen wieder erholt. Wütend schwang er sein Schwert und stürzte sich auf den Eindringling. Doch Liang wich ihm geschickt aus und trat ihm ins Brustschild, die den Waran erneut wegstieß. Als Liang sich nach dem nächsten Angreifer umsah, hielt der Komodowaran verwundert inne. „Lord Liang?” Doch sofort sprang der Pfau auf den Gorilla. Dieser brüllte auf und wollte sich mit fliegender Faust auf den Lord stürzen. Liang wich dem Schlag aus, sodass die Faust nicht ihn, sondern unglücklicherweise Xiao Dan traf. Die Schlagkraft des Zentner schweren Affen schleuderte den Anführer jetzt x-Meter weit über die Baumwipfel. Wölfe, Gorillas und Komodowarane waren so geschockt von dem plötzlichen Abflug ihres Bosses, dass sie für einen Moment wie betäubt da standen. Doch als sie sich wieder besannen, war der Pfau schon verschwunden. „Geht es dir gut?“, erkundigte Ai sich besorgt, nachdem sie Shen ein gutes Stück weit mit sich gezogen hatte. „Es geht mir gut!“, fuhr Shen sie unwirsch an. „Bist du ganz sicher, Junge…?“ „MIR GEHT ES GUT!“ Wütend stieß er Ai von sich. In diesem Moment tauchte auch Liang keuchend neben ihr auf. „Wie konntest du mich nur so blamieren?!“, fuhr Shen ihn an. „Ich wäre auch mit ihm alleine fertig geworden!“ Lord Liang war zwar noch sehr kurzatmig, doch er ging sofort auf die Konversation ein. „Ach…wirklich?“, japste er mit strengem Unterton. „Dann waren wir wohl… etwas… zu früh da gewesen, oder?!“ „Bitte, bitte!“, ging Ai dazwischen. „Streitet euch nicht!“ Ihr Blick fiel auf ihren Sohn. „Shen, wir wollten nur verhindern, dass er dir wehtut.“ Sie ging auf ihn zu. Doch Shen wich ihr erneut aus. „Ich bin kein kleines Kind mehr!“, schnauzte er sie an. Ai seufzte schwer. „Wir wollen dich doch nur beschützen…“ „Verdammt nochmal! Ich hab den Schnabel voll von eurem Schutz! Merkt ihr denn nicht, dass ich die ganzen Jahre versuche von euch loszukommen?!“ Stille entstand. Ai sah ihn traurig an. Shen konnte ihren Anblick nicht mehr ertragen. Genauso wenig wie die tadelnden Augen von seinem Vater, weshalb er ihnen trotzig mit verschränken Flügeln den Rücken zuwandte. Mittlerweile hatte Liang wieder soweit seine Kräfte gesammelt und sah sich nach hinten um. „Ich glaube kaum, dass sie unserer Spur folgen können. Es wird bald regnen.“ Nach einer kurzen Denkpause ging er zu Shen und wies mit dem Flügel ihn an ihm zu folgen. „Bis zur Hütte ist es nicht mehr weit. Komm mein Sohn.“ Liang hatte gerade ein paar Schritte nach vorne getan, als Shens nächste Worte ihn erstarren ließen. „Ich dachte, ich bin nicht mehr dein Sohn“, erinnerte Shen ihn eisig an damals. Langsam drehte sich Liang zu ihm um. Shen hatte die Flügel in die Hüften gestützt und sah ihn kalt an. „Hast du das vergessen?“ Ais Blick wanderte zwischen den beiden Pfauen besorgt hin und her. Sie befürchtete wieder einen Konflikt. Schließlich wandte Liang sich gedemütigt ab. Als Shen ihn weggehen sah, wandte auch er sich ab. Ai beobachtete wie Shen etwas vom Weg abbog. „Shen, wo willst du hin?“ „Lass mich in Ruhe!“ „Ai lass ihn“, hörte sie Liang leise reden. „Mach es nicht noch schlimmer. Er muss sich erst einmal wieder beruhigen.“ Am liebsten hätte Ai was dagegen eingewendet, doch dann fielen auf einmal mehrere Regentropfen vom Himmel. Der Regen konnte sich nicht mehr länger zurückhalten und öffnete ungehemmt seine Schleusen. Besorgt schaute Lady Ai aus dem Fenster. Draußen war es dunkel und auch der Regen war stärker geworden. Shen saß immer noch unter einem Baum an derselben Stelle, an dem sie ihn zurückgelassen hatten. Liang hatte sich schon ins Bett gelegt. Der Kampf von vorhin hatte ihn ziemlich geschafft. Ai prüfte nochmal, ob er schlief. Dann holte sie sich einen Regenschirm und huschte durch die Tür nach draußen. Der Regen prasselte ununterbrochen auf das undichte Blätterdach des Baumes nieder, unter dem der weiße Pfau sich zusammengekauert hatte. Er merkte nur kurz auf, als er ein leises Rascheln im Gras und langsame Schritte vernahm. „Shen, deine Verbände werden nass“, sagte Ai besorgt. „Möchtest du nicht langsam reinkommen?“ Doch der weiße Pfau schwieg. Niedergeschlagen senkte die Pfauenhenne den Blick. „Wenn du reinkommst, ich hab auf dem Stuhl einen frischen Mantel hingelegt. Denn kannst du dann anziehen. Okay?“ Wieder erhielt sie keine Antwort. Mit traurigem Blick ging Ai wieder ins Haus zurück. Ai horchte auf, als jemand die Tür öffnete. Sie lauschte. Schlurfende Schritte schleiften über den Boden. Sie hielten kurz an, dann gingen sie weiter, bis sie mit einem Mal verstummten. Lady Ai ließ sich wieder auf ihr Kissen sinken, als sie das Rascheln einer Decke hörte. Shen hatte sich wieder in die Koje hinterm Vorhang niedergelassen. Wenigstens etwas, was der Pfauenhenne für heute Abend etwas Ruhe schenkte. Zumindest solange sie nicht wieder an Xiao Dan denken musste. Er hatte schon vielen Jahren versucht Shen zu töten. Alle der Pfauenfamilie wollte er hinrichten… Vor knapp 40 Jahren… Die Lady von Gongmen sah sich verschreckt um. Auf dem Hof des Palastes lagen überall die zerstreuten Körper der Komodowarane. Dicht vor ihr bäumten sich schützend die drei Kung-Fu-Meister auf. In ihrer Mitte stand der Lord der Stadt Gongmen. Lord Liang war verletzt, aber er lebte. Allmählich kam wieder Bewegung unter den am Boden liegenden Echsen. Einer in goldener Rüstung wagte sich sogar nahe an die Palaststufen, auf der die Meister mit dem Lord sich aufgestellt hatten. „Verlasst die Stadt und kommt nie wieder!“, forderte der blaue Pfau die gefallenen Krieger. Xiao Dan fauchte ihn wütend an. Als Meister Donnerndes Nashorn drohend seinen Hammer schwang, wich die Echse zurück. „Na schön. Heute magst du gewonnen haben“, stieß der Komodowaran mit gepresster Stimme hervor und hob die Faust. „Aber irgendwann, das schwöre ich dir, bekommen wir die Stadt Gongmen!“ Sein Blick wanderte hoch zur Pfauenhenne, die auf dem obersten Treppenabsatz stand. Gierig fixierte der Komodowaran-Anführer sie. „Und wer weiß, vielleicht fangen wir sogar mit deinem Sohn an!“ Erschrocken drückte Lady Ai das Bündel in ihren Flügeln enger an sich. Das weiße Küken fiepte ängstlich. Es weinte immer noch. „Verschwindet!“, brüllte der verwundete Pfau und wies zum Tor. Auch die Kung-Fu-Meister rückten weiter vor. Die Echsen sammelten sich. Fauchend standen sie nochmal aufrecht, dann huschten in rasender Geschwindigkeit davon. Lady Ai zitterte bei dieser Erinnerung und grub ihre Fingerfedern in Liangs Nachthemd. An wen immer sie auch ein Gebet richtete, so hoffte sie, dass es bei irgendjemanden Erhörung fand. Ihrem Sohn durfte nichts passieren. „Dieser verdammte Pfauen-Clan!“, fluchte Xiao Dan und rieb sich die immer noch schmerzende Reptilienschnauze. Auch die anderen rieben sich die blauen Flecken und die Wölfe leckten ihr Fell. „Was machen wir jetzt?“, fragte ihn ein anderer Komodowaran. „Wenn die wieder im Land sind, dann hauen wir besser wieder ab.“ Xiao Dan drehte sich blitzschnell um und packte seinen Kumpanen brutal am Kragen. „Niemand macht hier den Rückzieher!“, fauchte er wütend. „Das haben wir schon vor 40 Jahren getan! Nein.“ Er ließ ihn los und grinste. „Damals hatten sie ihre Kung-Fu-Babysitter in der Nähe gehabt.“ Sein Blick wanderte in den Wald. „Hier draußen aber sind sie ohne Schutz.“ Der Komodowaran-Anführer kicherte gehässig und strich über sein langes gebogenes Schwert. „Perfekt für uns.“ „Wozu das denn?“, wunderte sich ein Waran. „Die haben doch keine Stadt mehr, die wir ihnen abnehmen können.“ Xiao Dan überkam ein gemeines Kichern. „Mag sein. Dennoch würde ich zu gerne ihre Leichen hängen sehen.“ Belustigt betrachtete er sein Spiegelbild auf seinem Säbel. „Wie sagt man doch so schön: Rache verjährt nie.“ Also ab hier treffen Kung Fu Panda 2 Film und Videospiel aufeinander. Xiao Dan ist der Hauptbösewicht des KFP 2 Videospiels. Nachdem Sieg über Shen versucht er Mithilfe von Shens verbliebenen Leuten und seinen Komodowaran-Soldaten die Stadt Gongmen einzunehmen. In dieser Geschichte wird er eine größere Rolle einnehmen, weil er in diesem Fall ein Erzfeind der Pfauenfamilie darstellen wird. Shen kennt ihn noch, als er ein kleines Küken gewesen war. Mehr Hintergrundinformationen werden erst im Laufe der Geschichte preisgegeben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)