Darksiders von Askar ================================================================================ Kapitel 3: Artefakt gefunden und der Silberturm ----------------------------------------------- Greif und Reiter flogen hinunter. Noch immer waren dicke Wolken zu sehen und versperrten noch weiterhin die Sicht. Was dieses Unterfangen noch gefährlicher machte. Vereinzelt kleine Inseln und Felsbrocken schwebten rauf und runter, rechts und links. Von überall kamen sie und verschwanden sogleich. Diese atemberaubenden Gebilde waren im ganzen Himmel verbreitet. Und auf jenen lebten die Engel. Doch so beeindruckend sie auch seien, so sind sie gerade jetzt und in den Wolken versteckt eine äußerst tödliche Gefahr. Diese...Wolkenwelt glich momentan an einem himmlischen Minenfeld. Zu jeder Zeit und jetzt sofort würde Loona mit ihrem Greif geradewegs gegen eines der Felsen kollidieren. Viele Male mussten sie langsamer fliegen. Dem ein oder anderen vorbeiziehenden Felsen ausgewichen und dennoch so riskant diese Aufgabe war, umso größer war die Neugier des jungen Engels gewachsen. Sie war schon so weit gekommen und wollte einfach nicht zurück. Einen Moment ihrer Unachtsamkeit flog plötzlich ein großer Felsen direkt vor ihnen. "VILVI VORSICHT!!", schrie sie. Ein lautes Kreischen kam aus dem Vogel heraus und mit einer scharfen Linkskurve verhinderte es knapp eine Katastrophe. Einzig die riesigen Schwungfedern des rechten Flügels streiften die Kanten des felsigen Gebildes. Sogleich flog ein zweiter, ein wenig kleinerer Felsen ihnen entgegen. Dieses Mal jedoch wurde dieser gesehen und beide setzten zur Landung an. Vilvi war noch sehr aufgeregt von der Situation, die böse geendet hätte. Loona war ebenso erschrocken wie ihr gefiederter Freund und atmete ein und aus. "Das war verdammt knapp…", seufzte sie. Sie schaute noch nach oben und blickte auf jenen Felsen, den sie vor sich hatten. Sie sah zu wie dieses unheimlich wirkende Ding langsam und lautlos in die massive Wolkenwand verschwand. "Es ist so...beklemmend". Sie schweifte ihren Blick und sah wie gigantische Schatten mit dröhnendem Geheul an ihnen vorbeizog. "Sogar sehr beängstigend. Dieser Ort...wirkt so unwirklich und doch ist sie erschreckend real". Sie legte ihre linke Hand auf den Hals des Tieres, um es so beruhigen zu können. Nach einer kurzen Zeit war dies auch gelungen. Noch weiter verharrten sie auf der kleinen Insel, ehe sie sich entschließen ihre Reise fortzusetzen. Sie flogen weiter hinunter und noch immer waren die Wolken mauerdick. Ob das je ein Ende finden wird? Doch plötzlich öffnete sich eine kleine Lücke und aus diesem schien Licht hindurch zu scheinen. "Das ist es! Wir haben es fast geschafft!". Sogleich manövrierte Loona ihren Greif in diese Lücke und schoss hindurch. Hinein ins Licht. Aus der Wolkenwand hinaus. Das Licht blendete sie, obgleich das sehr unüblich war. Als Engel war sie die grellen Strahlen gewohnt, doch durch das stundenlange Fliegen durch die Wolken wurde ihre Augen etwas überfordert. Nach einem kurzen Blinzeln öffnete sie langsam ihre Augen...und konnte nicht glauben was sie sah... Dieser Ort... war schier endlos. Tatsächlich gab es eine Welt jenseits der dicken Wolkendecken. Unter den himmlischen Landen gab es eine weitere Welt. Jetzt begriff Loona, dass der Himmel unterteilt war. auf dieser "irdischen" Welt erblickte man Wälder, dessen Kronen aus herbstfarbenen Blättern bestanden und von weitem wie ein endloser See aus purem Gold auszuschauen schien. Weit, weit am Horizont waren gigantische Berge, die im Sonnenlicht fast zu verschwinden begannen. Und gigantische Lichtsäulen durchbrachen die Wolkendecke und erhellten diesen Ort in ein einzigartiges Licht, dass kein Engel es je zu träumen vermochte! „Unglaublich...“, sprach die Weißhaarige leise. „Wir leben schon...seit Äonen auf unserer Welt und wir konnten uns nicht im Entferntesten vorstellen, dass es hier unten...auch eine Welt gibt!“. Sie lächelte. So etwas Unglaubliches würde sie niemals wieder vergessen „Hach, ein Jammer...“, fuhr sie fort, „ ... dass ich meine Utensilien nicht dabeihabe. Ich würde diesen Ort nur zu gerne malen. Nun gut sobald ich den Stab gefunden habe, fliege ich erneut hinunter“. Diese Aussage kam überraschend. Lepha schien auf den ersten Blick ein sehr ernster und gewissenhafter Krieger sein, doch in ihr schlummerte eine Künstlerseele. Sie malte mit großer Freude und zur Entspannung des sonst so harten Dienstes bei der Höllenwache. Vilvi gurrte nur etwas und kratzte sich am Ohr. „Hmhmhm du wirst mich begleiten, mein Großer“. Ein erneutes Gurren kam aus dem Vogel. Gefolgt von einem Schnauben. Kurz kraulte die Kriegerin ihren gefiederten Freund am Hals „Los. Finden wir den Stab. Er muss hier irgendwo in der Nähe sein“. Nach dem Gesagten trieb sie Vilvi an noch weiter hinunterzufliegen. Unter ihnen war ein Wald. Es dürfte also schwierig werden dort irgendwo landen zu können, doch das hinderte den Engel nicht dazu nach einer Lösung des kleinen Problems zu suchen. Während sie hinunter glitten, schweifte sie ab. Sie bemerkte riesige Krater an vereinzelnden Plätzen. „Das mussten Kontinente und Inseln gewesen sein, die... aus dem Boden herausgerissen wurden. Etwas Gewaltiges ist an diesem Ort. Wahnsinn.“ Was es auch immer gab, diese Welt steckt voller Zauber und Mächte, die so gewaltig waren, dass sie erschreckend und ehrwürdig zugleich waren. Wenige Augenblicke danach kreischte Vilvi und landete an einem bemoosten Felsvorsprung. „So...“, sprach Lehpa. „Dann schauen wir uns mal hier um.“ Sie streckte ihren rechten Arm aus und lies eine goldene Lanze erscheinen. Diese Welt mochte zwar noch so atemberaubend sein, doch überall gab es Gefahren und etwas Böses. Und der Engel dachte nicht daran schon so schnell zum Quell zu gelangen... Sträucher, Ranken, Baumstämme, die umgeknickt am Boden lagen. Überall wo die junge Frau hin trottete, sah sie verwachsene Orte, die einem beim Wandern behinderten. Manchmal hing sie sogar mit ihren schneeweißen Schwingen an den Pflanzen fest, sodass sie anfingen zerzaust auszusehen. Ein Schnauben und Seufzen kamen aus ihr heraus. Vilvi blieb weiterhin an Ort und Stelle. Bei seiner Größe hätte er niemals durch diese dichte Bewaldung gepasst. Stattdessen richtete er seine scharfen Blicke über die goldbraunen Kronen der Bäume auf der Suche nach einer möglichen Gefahr für seine Herrin. Lepha ging weiter langsamen Schrittes voran. Sie hatte die Vermutung, dass der Stab von Arafel hier ganz in ihrer Nähe sei. „Irgendwo hier in diesem Gebiet muss er sein“, flüsterte sie und schaute sich um. Einige der goldenen Blätter zerschnitten, um so weiterzugehen. Sie erreichte dann einen Hang. Von dort aus hatte sie wieder einen Überblick auf den Bereich. Sie schweifte ihren Blick und bemerkte etwas merkwürdig Schimmerndes am Horizont. Es war selbst für normale Verhältnisse im Himmelsreich sonderbar und machte sich bereit dorthin zu fliegen. So spreizte sie ihre Schwingen aus und mit einem Satz sprang sie in die Höhe und glitt rasch über den Platz hinweg. Wenige Augenblicke danach landete sie auf einem kleinen, vom braunen Moos bewachsenen Hügel. Sie bemerkte beiläufig, dass kleine weiße Fusseln um sie herumschwebten. Sie glichen Pollen, die über alle Winde verstreut flogen. Das Glühen war intensiver je näher sie sich diesem zuwandte...und erreichte die Quelle. „Beim Namen des Nichts...“. Sie stockte kurz. Ihr bot sich ein beklemmender Anblick. Sie betrachtete die glänzenden Überreste von jenen, der die Quelle des Ödlichts war. „Der Archon...“. Sein Leichnam war teils unter seinem Mantel verhüllt und doch dring ein Teil kränklichen Lichts hindurch. Schwarze, vertrocknete Ranken schlangen seinen Körper. Flügel, die keines Engels waren sondern von einer Krankheit befallen, lagen tot auf dem Boden. „Uriel hatte wirklich Recht. Das Verderben fiel dem Himmel anheim und befall den Archon“. Der junge Engel sah noch etwas. Eine tiefe, sehr tiefe Schnittwunde durchzog den gesamten Körper samt der zerschlissenen, verwitterten Robe. Sie verengte die Augen und spannte ihren Körper an. Die junge Frau kannte dieses Werk nur zu gut. Nur einer hatte in dieser schweren Stunde den korrumpierten Archon herausgefordert...und gewann den Kampf. Sie vermochte es nicht seinen Namen Preis zu geben. Je länger sie den Leichnam ansah, umso finsterer wurden sie und ihre Gedanken an die Person. Sie schüttelte dann den Kopf und konzentrierte sich auf ihre Mission. „Der Archon fiel mit dem Stab hinab in die Tiefe...doch wo ist er?“, fragte sie sich und schaute sich um. Weit konnte er nicht sein. Wo war der Stab von Arafel. Weiße und goldene Pollen flogen sanft um Lepha und um den Platz herum, während sie weiter nachdachte und schaute sich um. „Hmm...“, murrte die Speerkämpferin. „Es kann doch nicht so schwer sein einen Stab zu finden“. Die hügeligen Blumenwiesen sahen beachtlich aus, hinderten den Engel jedoch ein liegendes Objekt ausfindig zu machen. Sie schaute sich erneut den Leichnam des Archons an. „Hier fiel er hinunter. Er hatte aber seinen Stab bei sich...wo könnte er also...“. Sie wollte zu Ende sprechen, doch wurde ihr linkes Auge von etwas geblendet. Sie hielt sich ihre Hand vor das Auge und schaute zur Quelle. Weit dahinter funkelte etwas. Wenn das nicht der Stab war, würde sie sich die Federn aus ihren Flügeln rupfen. Schnurstracks ging sie zur Lichtquelle und tatsächlich. Dort, auf einer Wiese, lag der Stab. Und schien unversehrt. Sie bemerkte auch, dass ebenfalls dunkle, verkrustete Ranken lagen tot um den Stab herum. „Hier steckst du“, lächelte sie und nahm den Stab behutsam an sich. Sie spürte sofort, dass aus dem Stab eine ungeheure Macht hervorging. Einige Augenblicke lang war sie gefesselt von der Kraft, dass sie ihn beinahe fallen ließ, war jedoch gefasst genug, um ihn zu halten. „Bringen wir dich nach Hause“. Sie wandte sich um und pfiff laut. Ein lauter Schrei vernahm sie und erblickte ihren treuen Freund am Horizont. Mit einem lauten Knall landete der Greif wenige Schritte entfernt vor der jungen Kriegerin und stapfte langsam auf sie zu. Lepha fuhr mit ihrer Hand über seinen dunklen Schnabel hinweg. „Fliegen wir zurück. Ich habe den Stab gefunden. Es wird Zeit zu gehen.“ Sie setzte sich dann auf, ließ ihre Lanze verschwinden und befestigte den Stab vor sich am Sattel. „Vilvi. Flieg!“, befahl sie ihrem gefiederten Gefährten und mit einem kräftigen Schlag der Schwingen erhob sich das Tier in die Lüfte. Immer höher und weiter, der Boden immer weiter entfernt. Er durchbrach sodann die Wolkendecke und beide waren nicht mehr zu sehen. Ein langer, steiler Flug lag nun hinter ihnen. Vilvi durchstieß erneut mit raschem Wind die Wolkendecke und flog nun über sie. Loona war nun wieder in ihrer Welt. Riesige, schwebende Kontinente, die geradezu auf den Wolken zu schwimmen schien. Auf ihnen waren Gebilde kolossalen Ausmaßes errichtet und ragten majestätisch gen Himmel. Stab und Sattel fest im Griff flog sie mit ihrem Greif weiter. Passierte kleinere Kontinente und Türme und sah schon am Horizont ein Licht, dass niemand zu träumen vermochte. Eine Stadt war zu sehen. So strahlend, dass jeder, der es erblickte, seinem Zauber erlag. "Wir sind fast da", sprach sie mit einem Lächeln und flog schneller. Sie näherte sich der weißen Stadt, so wie sie von den Engeln und anderen Kreaturen der Welten genannt wurde, und erblickte ein gewaltiges Tor. Es war ein gewaltiges und mächtiges Konstrukt und für sie kein Hindernis. Wesen, die der Erde gebunden war, mussten durch dieses Gebilde hindurch, wenn sie die Stadt betreten wollten. So flog sie an dieses vorbei. Nach dem sie rasch viele Gebäude und Türme überflog, näherte sie sich einem riesigen Plateau. Das hiesige Gelände der Höllenwache. Eine mächtige Streitkraft mit den tapfersten und besten Kriegerengeln kämpften, trainierten und bereiteten sich darauf vor die Legionen der Hölle zu vernichten. Loona hörte einen hallenden Klang. Ein Zeichen ihrer Rückkehr. Da das riesige Gelände in unterschiedliche Einheiten geteilt war, flog sie auf jenen zu, der sie angehörte. Der Platz der Piloten. Ein lautes Krächzen kam aus dem Ortho und setzte zur Landung an. Alle Engel machten für sie Platz und mit einem lauten Knall stand das gewaltige Tier fest auf den Boden. „Willkommen zurück“, sprach eine ihr bekannte Stimme mit ihr. Sie stieg rasch von Vilvi ab und salutierte vor dem Engel. „Hauptmann Reva. Ja das bin ich. Der Auftrag, den ich vom General erhielt, wurde erfolgreich beendet.“ „Das ist wunderbar! Ich denke mir, dass du sie jetzt aufsuchen willst. Bringe deinen Ortho zu den Stallungen und melde dich unverzüglich beim General, Pilotin“. Ein erneutes Salutieren folgte und rief einen Engel herbei, den sie ihren Greif anvertraute. Dieser machte sich sogleich auf den Weg und brachte Vilvi zu den Stallungen. Loona hielt den Stab von Arafel in Händen und begutachtete es. Doch dann marschierte sie selbstsicher und entschlossen auf das riesige Hauptgebäude zu, wo sich Uriel derzeit befand. „Der Stab! Du hast ihn tatsächlich gefunden!“, wurde die Pikenierin sogleich von ihrer obersten Vorgesetzten begrüßt. „So wenig Vertrauen, General?“ Uriel hielte kurz inne, dann lächelte sie knapp. „Du hast der Höllenwache und dem Himmel einen großen Dienst erwiesen.“ Sie sprach während sie den Stab in Händen hielt. „Es ist so lange her...seit ich ihn sah. Einst in drei Teile zerbrochen, stärkten die Bruchstücke den Zerstörer...und doch war es ausgerechnet ein Reiter, der sie wieder vereinte und sie von der Welt fortbrachte.“ Reiter. Das Wort hallte in Lephas Ohr wie ein unerträglicher Laut. Nur einen Augenblick verfinsterte sich ihr Blick, doch riss sie sich zusammen und ließ sich ihren Zorn nicht anmerken. „Oh...“, Uriel entdeckte kleine, trockene Überreste des Verderbens. „Ich fand den Stab so und ich denke kaum, dass dieser...Wuchs... für uns noch eine Bedrohung darstellt“, antwortete die Kriegerin. Uriel nickte zustimmend, wollte aber dennoch sichergehen, dass das Verderben auch endgültig von der Schöpfung verschwand. „Ich werde mich darum kümmern.“ Sie legte vorsichtig den Stab beiseite und seufzte leise. Und plötzlich starrte sie das Mädchen mit großen, neugierigen Augen an. „Erzähl!“, fing sie mit Freude an zu sprechen, „Wie war es?! Erzähl mir alles was du gesehen hast!“ „Es ist unglaublich!“ die junge Frau hatte nun ebenso denselben Gemütszustand wie der General. „Sie ist so anders. So magisch! Du musst es mit eigenen Augen gesehen haben! Unter unseren Füßen...befindet sich tatsächlich eine völlig neue Welt! Ich entdeckte Berge, Wälder, Flüsse...und gigantische Krater, aus dessen Boden unsere Heimat herausbrachen und nun über den Wolken schweben... und auf denen wir leben.“ Ihre Augen strahlten regelrecht. Man spürte, wie sehr sie das Verlangen hatte, dorthin erneut zu reisen und erzählte munter weiter, was sie noch sah. „Das ist wirklich unglaublich... das müssen wir uns näher ansehen“. Lepha nickte lächelnd. „Ich sehe schon, dass du dir das erneut ansehen willst“, Uriel bemerkte den leicht vorfreudigen Blick, den die Pikenierin anwendete. „Ein wenig?“, kicherte sie nur. „Dann tu das, aber jetzt entlasse ich dich hier und geh wieder zurück zu Reva. Du hast für heute sehr viel getan und ruh dich aus. Melde dich für heute ab und geh nach Hause“. Sofort salutierte Loona und verneigte sich kurz vor ihr. „Wir sehen uns dann später... Mutter“, sprach sie dann und lächelte weiterhin. Anschließend suchte sie ihren Ausbilder auf. Nach einer kurzen Weile fand sie diesen bei seinem eigenen Ortho. Die Unterhaltung zwischen ihnen fiel recht kurz aus. „Ich verstehe. Dann weiß ich Bescheid. Gute Heimkehr, Lepha.“ Die junge Frau tat was Uriel ihr vortrug. Sie ging zu ihrem Vorgesetzten, um sich bei ihm abzumelden. Sie verneigte sich kurz vor Reva und setzte dann ihren Weg zum Haupttor fort. //Ich muss dorthin zurück. Ich muss es einfach!//. Der Gedanke, dass unter ihren Füßen, unter der ganzen Weißen Stadt ja sogar im ganzen Himmelsreich, weit jenseits der riesigen Wolkendecke und dem gähnenden Abgrund... eine andere Welt befand. Die Engel hatten sich nie die Mühe gemacht sich nur im Entferntesten daran zu denken, was unter den Kontinenten vielleicht verborgen sei. Die Engel dachten nur, dass dort nichts sei. Dass die Welt eine Leere war und das einzige Leben oberhalb der Wolkenmeere war. Weiße Stadt, Silberwall, Ödlicht. Alles Orte und Ländereien des Himmels, die auf riesigen schwebenden Inseln existierten. Und das war auch alles was sie wissen konnten... oder wollten. Ihre Gedanken wurden je unterbrochen als sie ein Tumult am Platz auf der Wache belauschte. Sie war neugierig und zugleich verwirrt was da vor sich ging. Sie sah zu einer kleinen Gruppe, die sich bildete. Im Zentrum stand ein großer Engel, dessen Haltung eine deutliche Sprache las. Ein langes Schwert hielt er mit seiner rechten Hand. Die Klinge war mit Blut beschmiert und der Blick des Engels glich fast dem eines Dämons. Sein Haar dunkel und silberstrahlend, die Spitzen leicht gefranst. Und die Augen... sie stachen heraus wie zwei bedrohliche Lichtpunkte in der puren Dunkelheit. Lepha überkam ein Gefühl von Unmut und Unbehagen. Sie spürte deutlich, dass mit diesem Engel etwas nicht stimmte. Er schien aggressiv. Kämpferisch....da kannte sie einen, auf den es perfekt zutraf und wenn sie an den dachte, widerte es ihr an. Sie sah, dass dieser Engel von seinem Vorgesetzten keine Miene verzog, als dieser ihn kritisierte seinen Sparring Partner so zu verletzen. Ihm gefiel es wohl die Macht über Andere zu haben, um sich so überlegen zu fühlen. „Erbärmlicher Engel“, murmelte sie nur, „Er wird es wohl nicht mehr lernen...“ Gerade als sie gehen wollte, rannte einer der Rekruten hektisch zum Platz zu seiner kleinen Gruppe und erzählte, dass sich ein Reiter in der Weißen Stadt aufhielt. Loona erstarrte. Ihr Blick vor Schock aufgeweitet. Ein dicker Kloß war im Hals und konnte ihn einfach nicht hinunterschlucken. //Ein...Reiter//. Die Vorstellung, dass sich eines der Reiter hier aufhielt traf ihr mehr als ein Dolchstoß mitten ins Herz. Sie hielt nicht viel von ihnen. Eigentlich überhaupt nicht. Sie hasste sie. Es gab nichts, was ihre Verachtung noch mehr verdiente als die Vier. Sie hatte Geschichten gehört, dass sie Seite an Seite mit Engeln in Schlachten zogen. Man könnte meinen, dass sie Verbündete seien, doch das wäre wohl sehr leichtsinnig gewesen das zu glauben. Sie handeln nur im Namen des Rates. Einer gottlosen Institution, die die Verträge zwischen Himmel und Hölle erzwangen. Ihr Hass wurde mit einem langen Kampf mit der Neugier von dieser vertrieben und ging zu jenem Engel, der diese Nachricht behauptete. "Wer", sprach sie. Es hörte sich nicht nach einer Frage an. Eher eine Aufforderung ihr ganz schnell Antworten zu geben. Der Engel schaute in die ausdruckslosen Augen der jungen Frau. "Wen meinst d-". Er wurde jäh unterbrochen. Von Loona. Dessen Blick nun eine ganz andere Sprache sprach. Kalt. Böse. Hasserfüllt. Sie konnte sich gerade noch zurückhalten, um nicht ihren Speer zu rufen. Der junge Engel, eingeschüchtert vom unerbittlichen Starren der jungen Frau, überlegte er rasch und sprach nur einen Namen aus. „Tod...“ Lepha wandte sich ruckartig von dem Engel ab und spreizte ihre Schwingen. Mit einem Satz erhob sie sich in die Lüfte und flog zum Zentrum der weißen Stadt. Sie vermutete den Reiter dort, denn falls er beabsichtigte wichtige Persönlichkeiten oder Einrichtungen zu besuchen...so musste er durch das Zentrum schreiten. Zielstrebig näherte Loona sich immer weiter dem Ort, den sie aufzusuchen vermochte. Und landete auf eine Erhöhung. Da sah sie ihn. Ein Umhang aus kränklichem Flieder, zerrissen und verfranzt wehte er umher. Sein Haar, schwarz wie eine Rabenfeder hing schlaff an seiner breiten, blassen Schulter herab und die verzerrte Knochenmaske aus verschmutztem Weiß bedeckte sein Gesicht. Nur zwei glühende Augen blitzten durch die Maske hindurch. "Was willst du...", sprach sie leise und zu sich selbst, als sie ihn beobachtete wie er auf seinem zerfallenen und kränklich wirkenden Ross die Straße entlang ritt. Die Kriegerin war erstaunlich gefasst, vertraute sie doch dem Nephilim nicht wirklich. Und doch war der Engel klug genug, um keinen Angriff zu riskieren, denn sie wusste, dass der Reiter mit dem Namen Tod kein leichter Gegner für sie war... Lieber war sie geduldig und beobachtete das Treiben der Bruderschaft der Vier. Sollte einer von ihnen Verbrechen, egal wie schwerwiegend, begehen, so würde sie sie persönlich töten. Ein kurzer Schmerz holte sie aus den Gedanken. Unmerklich hatte Lepha ihre Nägel in die Handfläche gebohrt. Sie hatte nicht bemerkt, dass sie ihre Hand zur Faust geballt hatte.* Tod ritt voran und ignorierte die Blicke von Engeln, Erschaffern und anderen Kreaturen, die den Himmel besuchten, sei es geschäftlich oder zum reinen Vergnügen. Loona harrte immer noch auf ihrem Platz und ließ ihn ziehen. Sie wusste nicht, warum er in der Weißen Stadt zugegen war und vielleicht würde sie es eines Tages erfahren, doch ihr bleibt nichts anderes als zu warten, bis er nicht mehr in Sichtweite war. „Ich werde schon herausfinden, was du hier wolltest, fahler Reiter“, sprach sie leise und gesellte sich nun zu den Personen am Platz. Sie versuchte ihre Gedanken zu sammeln und da sie gerade am Platz war, konnte sie sich nicht nehmen sich hier umzusehen. Das ließ sie das Ereignis von eben fast vergessen und erfreute sich stattdessen an den Kostbarkeiten in den verschiedensten Läden. Die Weißhaarige war hier im Himmel eine gefürchtete Verfechterin der Höllenwache und kein unbekannter Engel. Viele bewunderten sie wegen ihrer Stärke und Tapferkeit, aber auch an ihrem eisernen Willen und den Sinn für die Kameradschaft, sich für andere aufzuopfern. So kannte man sie meistens, aber das war nur eine Seite von ihr. Sie war eine Entdeckerin, eine Forscherin. Sie wollte alles wissen, was interessant und wichtig für sie war und eines ihrer bevorzugten Orte, um zu forschen, war der Silberturm. Und da die junge Frau schon Mal in der Nähe war, konnte sie die hiesige Bibliothek auch aufsuchen. Der Silberturm. Es war nur ein kleiner Wimpernschlag für einen Engel an Orte zu gelangen, der fliegen konnte. Und das war bei Lepha nicht anders. Nicht selten überflog sie die ein oder andere alte und marode Verbindungsbrücke, die kaum noch von jemanden genutzt wurde, denn die Engel brauchen sie für gewöhnlich nicht. Die Pikenerin landete schließlich vor den goldverzierten Toren der Bibliothek, die halb geöffnet für alle Besucher den Zutritt des monumentalen Gebildes gewährte. Jeder Schritt unter ihren Stiefeln klang melodisch, wenn sie die weiß gepflasterten Marmorböden entlanglief und hallten klangvoll in den riesigen Hallen im Inneren der Bibliothek. Licht schimmerte durch die Fenster und drang die Schatten beinahe zurück. Die Architektur mag für Engelsaugen nichts Besonderes sein, doch für all die anderen Kreaturen des Schöpfers konnte sich bei diesem überwältigenden Anblick kaum satt sehen. Jeder, der kein Engel war und den Himmel besuchte, bewunderte die Bauten, die ihre Welt noch so viel mächtiger und ehrfürchtig machte, doch eigentlich waren die Engel selber keine Meister der Baukunst. Vielmehr sollte man den Erschaffern sie mit Lobpreisungen überschütten, denn sie waren diejenigen, die die Städte hier für die Engel errichteten. Lepha sah sich eifrig und neugierig um und bewunderte die Erschaffer für ihr handwerkliches Geschick, doch als sie daran dachte, musste sie wieder an Tod denken. Man munkelte schon so lange, dass der Reiter die Fähigkeiten eines Erschaffers besaß. Und sie wusste nicht, ob sie diese Gabe des Schaffens auch in den Händen eines wilden und rücksichtslosen Nephilim wissen wollte. Sie schüttelte ihre Gedanken fort und machte sich auf dem Weg zu ihrem altbekannten Platz in der Bibliothek. Jedes Mal, wenn sie die Bücher hier lesen wollte, saß sie an einer Fensterbank und direkt daneben standen - neben den reich verzierten dunklen Tischen und Stühlen - die alten, großen, mehrstöckigen Bücherregalen. Gefüllt mit hunderten, nein mit tausenden Büchern. Lächelnd dachte sie, wie es wäre, wenn sie es schaffen sollte, jedes Buch hier in der Bibliothek einmal gelesen zu haben, aber das war natürlich nicht möglich. Sie würde eine Ewigkeit dazu brauchen und selbst diese Zeit hatte sie nicht. Stattdessen schnappte sie sich einfach ein mittelgroßes Buch. Mit dunkelgrünem Ledereinband und kleinen goldfarbenen Verzierungen überall am Buch. Eine alte Geschichte über ein verlorenes Volk, dass jemand schrieb. Ein Märchen sicher, aber vielleicht auch nicht. Darüber machte sie sich öfters Gedanken, ob einige der Geschichten wirklich passierten oder alles nur ein Traum war. Dann begann sie still zu lesen... *Das war ein Krampf gewesen, diese Stelle umzuschreiben, nur damit du das weißt, Ba-chan xD Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)