Herz über Kopf von Centranthusalba ================================================================================ Kapitel 3: Sarah ---------------- „Und du willst wirklich nicht mit zu Masakos Geburtstagsparty?“ Elsa schüttelt den Kopf. „Ich muss lernen“, meint sie nur und versenkt sich wieder in ihre Lektüre. Sarah steckt den Kopf zur Wohnzimmertür herein, wo Elsa auf dem Sofa liegt. „Du weißt schon, dass wir Party studieren, Frau Eventmanagerin?“ Elsa streckt die Zunge heraus. „Ja, aber ich glaube nicht, dass ich auf Masakos Party das hier lerne.“ Demonstrativ hält sie ihr aufgeschlagenes Buch hoch. Sarah blinzelt. Buchhaltung und Jahresabschluss prangt ihr auf dem schmucklosen Umschlag entgegen. „Urks“ kommentiert sie nur. Schnell wendet sie sich wieder ab. „Du kannst mir ja erzählen, was prüfungsrelevant ist.“ „Neeee“, kontert Elsa, „da quälst du dich schön selber durch.“ Diesmal ist sie es, die die herausgestreckte Zunge erntet. Elsa wusste, wie sie die kleinen Kabbeleien zwischen ihnen zu deuten hatte. Sie kannte Sarah schon seit ihrem ersten Tag in der Mittelstufe. Damals war das Mädchen mit den roten Haaren neu an ihre Schule gekommen. Quasi vom ersten Tage an, waren die beiden Schülerinnen unzertrennlich gewesen. Gemeinsam hatten sie sich durch die Widrigkeiten des Teenagerlebens gekämpft, hatten gemeine Mathelehrer genauso überstanden wie gebrochene Herzen, eigene und jene, für die sie selbst gesorgt hatten. Sarah war auch stets an ihrer Seite gewesen, bis Mario sich am Ende des achten Schuljahres einen Ruck gegeben hatte und Elsa endlich gefragt hatte, ob sie nun zusammen seien. So richtig. Beinahe hätte Sarah lauter gejubelt als Elsa über die gute Nachricht. Sie haben einfach alles mit einander geteilt. Geheimnisse konnten sie nie lange vor der anderen verbergen, und eigentlich wollten sie das auch gar nicht. Als sie sich unter den Hauptveranwortlichen für den Abschlussball ihres Jahrganges wiederfanden und auch bei weiteren Gelegenheiten feststellten, dass ihnen das Organisieren Spaß machte, suchten sie unabhängig von einander eine Uni, die Eventmanagement als Studiengang anbot und als sie sich am gleichen Tag mit dem selben Angebot in der Tasche wieder zusammensetzten, um über ihre Zukunftspläne zu sprechen, da war klar gewesen, dass ihr Weg auch weiterhin nur ein gemeinsamer sein konnte. Elsa fühlte sich glücklich, so eine Freundin zu haben, auch wenn sie, so wie heute, über einige ihrer Macken nur den Kopf schütteln konnte. „Ich geh noch mal ins Bad. Kann sein, dass Viktor gleich kommt. Machst du auf, wenn er klingelt?“ „Hmmm.“ Elsa hört die Tür des Badezimmers schlagen. Seufzend lehnt sie sich zurück in die Sofakissen. Ihre Augen folgen den Zeilen vor ihnen, aber in Gedanken zählt sie die Sekunden, die Sarah im Bad verbringt. >Tu mir das bitte nicht an<, denkt sie, >wehe es klingelt, bevor du da wieder rauskommst.< Brrrrrrrt. Brrrt. Elsa fährt zusammen. Sie unterdrückt einen Fluch, wartet noch zehn Sekunden und erhebt sich dann doch vom Sofa. Mit weichen Knien geht sie zur Tür. „Oh Elsa, du?“ Viktor ist sichtlich irritiert, dass sie es ist, die ihm öffnet. Elsa wendet sich schnell wieder ab. Beinahe panisch vermeidet sie es ihn anzusehen. „Sarah ist noch im Bad. Sie ist gleich soweit“, murmelt sie. „Hm“ „Wieso gehst du eigentlich mit? Du kennst Masako doch gar nicht“, versucht sie mit einer eher nebensächlichen Frage abzulenken. „Nein, ich kenne sie nicht. Aber ich habe ja erfahren, dass man auf Sarah besser aufpasst, wenn sie feiert… und Spiele verliert.“ Elsas Herz krampft sich zusammen. Egal, was er sagte, alles führte sie zu diesem einen Moment zurück. „Ich habe ihr auch schon gesagt, dass sie sich diesmal nicht auf so etwas einlassen soll.“ Mitten im Flur dreht sie sich zu ihm um. Sie hatte eine Reaktion auf ihre Worte erwartet und als diese nicht kam, hatte sie sich ohne nachzudenken zu ihm umgewandt. Sie bereut es sofort. Fast bleibt ihr das Herz stehen. Viktor steht nah vor ihr. Sehr nah. Er sieht ihr geradewegs in die Augen. Nachdenklich mustert er sie. Elsa hält die Luft an. Genauso hatten sie sich neulich gegenübergestanden. Und dann hatte er ihr Gesicht in beide Hände genommen und … „Elsa, ich…“, beginnt er. „Bin soweit!“ Mit einem lauten Knall schlägt Sarah die Badezimmertür auf. Elsa und Viktor zucken beide erschrocken zusammen. Augenblicklich besinnt sich Elsa und flüchtet zurück ins Wohnzimmer. Mit rasendem Herzen greift sie nach ihrem Buch und setzt sich in jene Ecke des Sofas, die am weitesten vom Flur entfernt ist. Sarah streckt noch einmal ihren Kopf zur Tür herein. „Wir sind dann weg“, trällert sie. Sie kann nur Elsas rote Stirn hinter dem aufgeschlagenen Buch erkennen, die sich nickend auf und ab bewegt. Dann schließt sie die Tür und lässt ihre Freundin allein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)