Die letzte Hoffnung von BuchTraumFaenger ================================================================================ Kapitel 2: 2. Die Familienehre ------------------------------ Gegenwart – Irgendwo in China „Ich kann es noch gar nicht fassen, dass ich hier stehe.“ Aufgeregt schaute der Panda Po sich um. Er befand sich zusammen mit seinem Lehrer, Meister Shifu, auf dem obersten Stockwerk einer Arena. Von dort aus hatten sie einen guten Überblick. Das Publikum hatte schon teilweise Platz genommen und wartete darauf, dass das Programm losging. Meister Shifu legte seelenruhig die Handflächen zusammen. „Ja, Po. An diesem Ort hatte Meister Oogway die ersten Kämpfer herausgefordert. Seitdem ist es Tradition geworden, in dieser später erbauten Arena, die Kung-Fu-Wettkämpfe auszutragen. Sowohl die der besten Teams, als auch des besten Einzelkämpfers. Und heute wird der beste Kung-Fu-Kämpfer zum Sieger gekürt. Auch Oogway hatte diesen Kampf immerzu gewonnen.“ „Wirklich?“ Po war tief beeindruckt und schaute ehrfürchtig unter sich. „Wow! Dann stehen wir ja gewissermaßen auf heiligem Kung-Fu-Boden.“ „Po! Konzentriere dich besser auf den Kampf“, fügte Shifu schnell hinzu, aus Sorge, der Drachenkrieger könnte noch den Boden küssen. „Oh, ja, klar.“ Schnell erhob der Panda sich wieder und rieb aufgeregt die Handflächen aneinander. „Ich kann es nur einfach nicht glauben, dass ich hier bin! Ich hab schon immer davon geträumt einmal an den Wettkämpfen teilzunehmen.“ Shifu holte tief Luft. „Du vertrittst unser Dorf, Po. Von dir hängt alles ab. Vor allem, als der Drachenkrieger, hegt man eine hohe Erwartung an dich.“ Po zog die Augenbrauen zusammen. „Alles klar!“ und knallte seine Fäuste zusammen. „Dann zeige ich denen mal in der Arena wie ein richtiger Kung-Fu-Kampf aussieht.“ „Fein, fein“, meinte Shifu anerkennend. „Es wäre gut, wenn er es nicht vermasseln würde“, murmelte er leise. Aber Po war ohnehin viel zu aufgewühlt, um auf murmelnde Nebengeräusche zu achten und versuchte sich einzig und allein nur auf den vorliegenden Kampf zu konzentrieren. Langsam und besonnen ließ er seinen Blick über der Arena schweifen. Sie war nicht gerade das pompöseste, aber dennoch groß und beeindruckend genug. Sie bestand aus überdachten Zuschauertribünen. Dort konnte man sowohl sitzen als auch stehen. Irgendwie erinnerte es ihn an Zuhause im Hof des Jade-Palastes. In der Mitte der Arena lag der freie Himmel und unten das freie Feld für die Kämpfer. Po rutschte für einen kurzen Moment das Herz in die Hose. Ob er die erste Runde gut packen würde? Aber er war doch der Drachenkrieger. Von daher konnte das kein Problem sein. Schließlich holte er tief Luft und stemmte die Brust raus. „Dafür wurde ich geboren, dafür wurde ich ausgesandt, dafür wurde ich trainiert, dafür wurde ich… äh… jedenfalls ist es mein… ist es mir eine große Ehre hier stehen zu dürfen.“ „Oh, Po!“ Verwundert schaute Po zur Seite, wo nicht nur sein Pflegevater, Mr. Ping, mit einem Wägelchen anrollte, sondern auch mit einem Schwein, dass ebenfalls einen Karren mit sich herzog. „Ich hab hier ein Souvenir für dich!“, rief Mr. Ping fröhlich und drückte Po etwas in die Tatzen. Stirnrunzelnd betrachtete der Panda das schwarz-weiße Püppchen. „Was soll das sein?“, fragte er, obwohl er schon ahnte was es war. „Eine Drachenkrieger-Sieger-Plüschfigur“, erläuterte der Gänserich. „Ich dachte, du wolltest hier nur Nudeln verkaufen.“ „Oh, Mr. Han und ich haben ein Doppelgeschäft abgeschlossen. Ich verkaufe Nudeln und er Drachenkrieger-Souvenirs. Jeder, der bei mir ein Nudelgericht kauft, bekommt eine Plüschfigur dazu.“ Der Gänserich legte seine Flügel auf Pos Bauch. „Ach, ich bin ja so stolz auf dich, Po. Wer hätte je gedacht, dass du mal hier stehen würdest. Mein kleiner Po.“ Po lächelte verlegen und legte seine Tatzen auf die Schultern des Gänserichs ab. „Schon okay, Dad.“ Doch im nächsten Moment löste sich Mr. Ping wieder von ihm. „Und wenn du gewinnst, dann gehen die Plüschies weg wie warme Tofu-Gerichte.“ Über Pos Mund drang ein gequältes Lächeln. „Ja, schon klar, Dad. Das heißt natürlich falls ich gewinnen sollte… Ich meine, ich bin doch hier nicht der einzige Kung-Fu-Profi. Also, das heißt…“ „Aber natürlich gewinnst du!“, fiel der Gänserich ihm ins Wort. „Denn du bist doch der Drachenkrieger!“ „Äh… ja, ja, das ist… stimmt schon… nur… Ich meine, vielleicht hab ich ja auch ein Black-Out, oder einen Krampfanfall…“ „Oh, wir müssen los!“, rief Mr. Ping beim Blick auf die Zuschauer, die sich immer mehr in die Zuschauerränge drängten. „Wir wollen noch was verkaufen, bevor es anfängt. Wir sehen uns auf dem Siegerpodest, Po!“ Mit offenem Mund starrte der Panda-Krieger den davonlaufenden Verkäuferwägen hinterher. Für einen Moment war Po völlig außerstande ein Wort zu sagen, weil alles Mögliche durch seinen Kopf ratterte. Würde er wirklich gewinnen? Hilfesuchend schaute er neben sich. „Äh, Meister, ich…?“ Doch zu seiner Verwunderung musste er feststellen, dass Shifu nicht mehr neben ihm stand. Suchend sah der Panda sich um. „Äh, Meister? Meister Shifu?! Äh, ich denke, ich brauche doch nochmal moralische Unterstützung!“ Völlig aufgewühlt verließ der Panda seinen Aussichtsplatz und rannte hinter die Zuschauerränge. Wo konnte der kleine Meister sein? Po konnte nur vermuten, dass er sich schon in die Umkleidekabinen begeben hatte, wo sich alle Teilnehmer versammelten. Po beschleunigte seine Schritte. Kaum hatte er die vielen Treppen hinter sich, raste er in die Richtung eines Hauses, von wo es auch direkt in den Hof der Arena ging. Doch kaum war Po um die Ecke des Hauses gerannt, prallte jemand mit voller Wucht gegen seinen Bauch. Der Panda riss die Augen auf und starrte auf die Person am Boden, die so hart gegen seinen felsenfesten Körper geprallt war. „Sheng?“ „Drachenkrieger?“ Schnell erhob sich der blaugrün-weiß gescheckte Pfau und verneigte sich respektvoll. Doch Po war so überwältigt von diesem unerwarteten Wiedersehen, dass er seine Arme um den Pfau schlang. „Sheng, alter Kumpel! Wie lange haben wir uns nicht mehr gesehen?“ „Zwei Jahre, denke ich mal“, japste Sheng mühsam in Pos Griff. „Zwei Jahre? Meine Güte, wie schnell die Zeit vergeht. Mir kommt es vor, als wäre es erst gestern gewesen, wo wir von Mendong wieder nach Gongmen kamen und uns verabschiedeten…“ Er ließ Sheng los. „Oh! Wie geht es der Familie? Sind sie auch hier?!“ Aufgeregt schaute Po sich um. „Nun, ehrlich gesagt“, begann der Pfau mit leiser Stimme, „bin ich alleine hierhergekommen.“ Po sah ihn überrascht an. „Oh, willst du dir auch die Kämpfe ansehen?“ Nervös rieb Sheng seine Flügel aneinander. „Na ja, ich hab… ich hab mich auch angemeldet.“ Dem Panda fiel die Kinnlade runter. „WAS?! Echt jetzt?! Ist ja irre! Wir kämpfen in derselben Arena? Cool! Sind deine Flügel schon regiestierte Waffen? Es wundert mich aber wirklich, dass dein Vater nicht mitgekommen ist. Er müsste doch sehen wollen, was du alles draufhast. Obwohl, er ist ja kein Fan von Kung-Fu.“ Sheng beugte sich zögernd zu dem Panda vor und raunte ihm so leise etwas zu, als ob er Angst habe, man würde ihn hören. „Mein Vater weiß nicht, dass ich hier bin.“ Das schleuderte den Panda erneut in ein tiefes Loch und starrte den gescheckten Pfau entsetzt an. „WAS?! Aber was wird er sagen, wenn er erfährt, dass du hier…?“ „Ich weiß es bereits.“ Beide fuhren erschrocken herum. Panda und Pfau erbleichten beim Anblick des weißen Herrschers vor ihnen, der sie düster ansah. Po versuchte es auf die heitere Tour. „Oh, Shen! Hi! Wie geht’s? Lange nicht mehr gesehen. Meine Güte, wie lange ist das jetzt her? Ein Jahr, zwei Jahre?“ Der weiße Pfau stand da mit verschränkten Flügeln und sah alles andere als entspannt aus, sodass Po Mühe hatte sein Lächeln auf den Mund zu behalten, versuchte aber dennoch einen erneuten Anlauf. „Hey, hast du dein Aussehen verändert?“ Prüfend musterte der Panda das Gewand seines ehemaligen Rivalen. Er trug wie immer seine silberne Robe, nur waren die Ärmelränder nicht grau, sondern feuerrot und in Form von kleinen Flammen und der Verschluss seines Robengewandes war durchgehend rot. Auch auf seinen Rücken befand sich nicht das übliche silberne Zeichen, sondern trug diesmal die Form eines roten Pfaus. „Sieh schön aus“, meinte Po anerkennend und hob den Daumen. „Passt auch zu seinen roten Tupfen.“ Shen verengte die Augen zu gefährlichen Schlitzen und Po musste den Versuch der Erheiterung aufgeben. Etwas kleinlaut legte er die Zeigefinger zusammen. „Ich meine ja nur.“ Doch Shens Augenmerk galt nicht dem Panda, sondern seinem Sohn. „Sheng! Ich hab dir doch untersagt…!“ „Tut mir leid“, fiel der gescheckte Pfau ihm ins Wort. „aber ich konnte nicht anders. Ich musste kommen. Ich möchte doch so gerne mal in der Arena stehen.“ Der weiße Pfau verengte seine Augen nur noch mehr. „Du weißt genau, dass wie ich dazu stehe…“ „Wozu trainiere ich denn?!“, rief Sheng aufgebracht. Shen stieß ein wütendes Schnauben aus. „Damit du dich verteidigen kannst, nicht um dich zum Gespött des ganzen Landes zu machen!“ Po sah ihn stirnrunzelnd an. „Zum Gespött des Landes? Also jetzt halt mal, der Wettkampf ist die höchste Ehre, die man hier als Kung-Fu-Krieger einholen kann.“ „Genau das ist das Problem.“ „Wie jetzt?“ Sheng seufzte und beugte sich zum Panda vor. „Er will nicht, dass ich verliere“, raunte er ihm zu, was bei Po eher auf Unverständnis stieß. „Hier geht es doch nicht unbedingt um das Gewinnen“, betonte der Panda. „Sondern darum, dass man das Privileg hatte an diesen Kämpfen teilgenommen zu haben.“ Shen sah ihn mit stechendem Blick an. „Und wie würdest du dastehen, wenn du verlieren würdest?“, fragte er giftig. Wieder sank Po der Mut. Jeder erwartete, dass er gewann, aber was ist, wenn nicht? Einen Moment stand Po völlig geschockt in der Schwebe und stelle sich schon vor, wie man ihn mit den Drachenkrieger-Siegespuppen bewerfen würde. Doch noch bevor er zu der Vorstellung kam, dass Shifu ihn noch aus dem Jade-Palast werfen könnte, wurde sein Gedankengang von einer fröhlichen Mädchenstimme unterbrochen. „Panda Po, Panda, Panda!“ Erneut fiel dem Panda die Kinnlade runter, als er eine kleine weiße Figur auf sich zu rennen sah. „Shenmi?“ Im nächsten Moment warf sich das weiße Pfauenmädchen dem Panda entgegen. Po hob sie hoch und betrachtete sie eingehend. „Wow, hey! Bilde ich es mir nur ein, oder bist du ein bisschen gewachsen?“ Pos Begeisterung wurde abgelenkt, als noch ein paar weitere Pfauenvögel auf ihn zukamen. Verwundert hob er das Mädchen auf den Arm und schaute die anderen mit großen Augen an. „Yin-Yu, Xia, Zedong, Fantao, Jian? Ihr seid alle mitgekommen? Wow, wollt ihr euch auch die Wettkämpfe ansehen? – Autsch!“ Po rieb sich den Bauch, in den der Pfauenjunge Zedong ihn so spaßhalber reingeboxt hatte. „Lass mich raten, du hast wohl auch trainiert, oder?“ Zedong hob stolz den Kopf und stemmte die Flügel in die Hüften. „Ich bin fast schon genauso gut wie Sheng.“ Er verzog beleidigt den Schnabel. „Doch Kinder dürfen ja nicht mitmachen.“ „Also beim Malwettbewerb würde ich jederzeit gewinnen“, meinte Fantao beschwichtig und wedelte mit seinem Pinsel vor Zedongs Gesicht herum. Seinem Bruder gefiel das gar nicht und stieß ihn weg. „Na, na, na“, mischte sich Yin-Yu ein und schob die beiden auseinander, bevor sie sich dem Panda zuwandte. „Sei gegrüßt, Drachenkrieger“, begrüßte die ältere Pfauenhenne ihn und verneigte sich kurz, bevor sie den Grund für ihr Erscheinen erläuterte. „Ich hätte es zuhause sonst gar nicht ausgehalten vor Sorge.“ Po hob die Augenbrauen. „Wegen Sheng?“ „Nein, wegen…“ Sie deutete mit einem Kopfnicken zu Shen. Allmählich verstand Po, dass sie befürchtete, dass das Ganze noch in einen harten Vater-Sohn-Streit enden könnte. Und es sah wirklich so aus, als könnte Shen die Beherrschung verlieren. Xia teilte ihre Sorge, nachdem auch sie sich vor dem Drachenkrieger verneigt hatte, wenn auch auf eine mehr kameradschaftliche Art. „Hallo, Po. Vater ist im Moment wirklich nicht gut zu sprechen.“ Besorgt schaute Po wieder zu Shen und Sheng. Shen hatte seinen Sohn inzwischen am Flügel gepackt und sah ihn dabei drohend an. „Du gehst jetzt da rein, meldest dich ab und kommst wieder zu mir!“ Doch Sheng riss sich los. „Nein, Vater! Ich möchte auch mal was machen, was ich möchte.“ „Wer will sich hier abmelden?“ Alle schauten auf. Vor ihnen standen die zwei bekannten Figuren eines Ochsen und eines Krokodils, dicht gefolgt von einem kleinen roten Panda. „Oh! Meister Ochse! Meister Kroko!“, rief Po teils begeistert, teils zerknirscht. „Und Meister Shifu! Genau nach Euch habe ich die ganze Zeit gesucht.“ Shenmi winkte dem Ochsen fröhlich zu. Meister Ochse erwiderte die Begrüßung des Mädchens mit einer heiteren Mimik. Doch sobald sein Blick auf Shen fiel, vereiste sein Lächeln sofort wieder. „Du hast wirklich Nerven dich hier blicken zu lassen.“ Der weiße Pfau stieß ein genervtes Knurren aus. „Es war nie mein Wunsch gewesen hierherzukommen. Aber da du schon mal hier bist, kannst du einen Namen von der Teilnehmerliste streichen, und wir werden wieder gehen.“ Zedong sprang auf. „Och! Ich wollte mir aber auch die Kämpfe ansehen!“ „Du bist ruhig!“, befahl Shen und zog seinen Sohn am Ärmel weg, ziemlich sicher, dass Sheng seiner Aufforderung nachkommen würde, sowie der Rest der Familie. Doch kaum hatte der weiße Herrscher ein paar Schritte getan, verschränkte Meister Ochse schnaubend die Arme. „Hast du so große Angst davor, dass er verliert?“ Shen blieb wie vom Donner gerührt stehen. Dann drehte er sich langsam zum Ochsen um und sah ihn wütend an. „Du weißt ganz genau, was ich von eurem Kampf-Theater halte. Es ist äußerst kindisch seine Kräfte für sowas zu verschwenden.“ Po fand diese Beleidigung jetzt gar nicht nett, hielt aber eisern den Mund geschlossen, um jetzt nicht noch mehr Öls ins Feuer zu gießen, doch Meister Ochse schien es darauf anzulegen, seinen Erzrivalen und ehemaligen zukünftigen Unterweiser aus der Fassung zu bringen. „Tz, gegen den Drachenkrieger hat er doch eh gar keine Chance.“ Yin-Yus Gesicht nahm einen besorgen Ausdruck an, als sie merkte, wie Shens Flügel sich verkrampften. „Habe ich das gesagt?!“, fauchte Shen. In diesem Moment trat Sheng wieder vor. „Also, eigentlich wollte ich nur mitmachen…“ „Siehst du“, meinte der Ochse schadenfroh, sichtlich zufrieden, dass jemand anderes außer ihm dem weißen Pfau die Stirn bot. „Es sei denn, du zwingst ihn dazu sich feige zurückzuziehen.“ Po sah den Meister schockiert an. Mit diesem Grundsatz hatte er nicht vorgehabt in den Ring zu steigen. „Also, ich hab gedacht, Dabeisein wäre alles…“ Doch der Ochse ignorierte seinen Kommentar. „Willst du jetzt immer noch den Rückzieher machen?“ Shen schwang seine Robe. „Vom Zurückziehen habe ich nie etwas gesagt!“ Po warf Shifu einen hilfesuchenden Blick zu. „Meister, jetzt sagt doch auch mal was.“ „Also, dann wird er mitmachen?“, hackte Meister Ochse ungehindert nach. „Nein!“, lehnte Shen ab. „Hey!“, schrie Sheng empört. „Fragt jemand auch mal mich, was ich will?! Ich will doch einfach nur einmal dabei sein!“ Der gescheckte Pfau zog etwas den Kopf ein, als sein Vater ihn so bedrohlich ansah. Nur Zedong hatte keine Hemmungen im Hintergrund seine Meinung zu äußern. „Also ich finde es cool, dass er da reingeht.“ „Du hältst dich da raus!“, wies sein Vater ihn zurecht. Sheng versuchte noch einmal die Ruhe zu bewahren und holte tief Luft. „Vater, lass mich das ausprobieren. Es spielt doch keine Rolle, ob ich gewinne…“ „Du wirst nicht bei diesem Zirkus mitmachen!“, befahl Shen entschieden. „Dein „Dabeisein“ wird nicht nur dich, sondern auch die ganze Familie betreffen!“ Sheng verengte die Augen. „Nur auf die Familie oder deinen Stolz?“ Das brachte den weißen Pfau kurzfristig zum Verstummen, doch er fühlte sich äußerst gekränkt. Sheng seufzte verbittert. „Du kannst doch nicht von mir erwarten, dass ich mich für den Rest meines Lebens danach ausrichte, wie es dir passt. Ich mach doch hier nichts Ungesetzliches.“ Meister Ochse rümpfte die Nase. „Das hätte mich als nächstes weniger gewundert…“ Shen fuhr herum. „DU…!“ „Shen, bitte, beruhige dich!“ Wie aus dem Nichts erschien auf einmal die Wahrsagerin und stoppte den aufgebrachten Pfau mit ihrem Gehstock. Po sah sie verwundert an. „Du auch hier? Wer denn noch?“ „Siehst du es denn nicht?“, versuchte die alte Ziege Shen zu besänftigen. „Er lässt sich nicht umstimmen. Und das wird er auch nicht tun.“ Shens Pfauenkamm begann zu zittern. „Woher willst du das wissen?“ „Ich brauche nur dich anzusehen und ich weiß es.“ Po musste kichern. „Du willst wohl damit sagen, dass beide denselben Dickschädel haben, nicht wahr?“ Als ihn Shens böser Blick traf, zog er den Kopf ein. „Das sollte ein Kompliment sein.“ „Und was euch angeht“, wandte sich die alte Ziege an die Meister, „solltet ihr euch besser auf eure Arbeit konzentrieren und nicht den anderen die Freude verderben. Immerhin leitet ihr doch die Jury, oder etwa nicht?“ Meister Ochse grinste. „Natürlich leiten wir die Jury, so wie immer.“ Er rieb sich die Hufe. Es würde ihn nur eine Freude bereiten, dass Shen sich über seinen Sohn ärgern würde. Doch ein mahnender Blick der Ziege veranlasste ihn diesen Gedanken nicht auszusprechen. In diesem Moment strich der grünschillernde Pfauenjunge Jian über sein Musikinstrument, einer kleinen chinesischen Pipa, und summte etwas vor sich hin. „Warum die Köpfe einschlagen?“, murmelte er ruhig. „Dafür ist doch das Kampffeld da.“ Alle sahen ihn fragend an. Zedong gab dem Panda einen Stoß in die Seite. „Manchmal redet er irgendein Zeug, dass er Poesie nennt. Ich glaube, die Musik macht ihn noch ganz wirr.“ „Was Jian wohl damit sagen will ist“, mischte Xia sich ein, „dass in der Arena schon genug gekämpft wird. Im Privaten müssen wir das jetzt nicht auch noch tun.“ Ihr Blick wanderte zu ihrem Vater. „Vor allem nicht in der Familie.“ Shen verschränkte die Flügel. „Ihr seid also alle gegen mich!“ „Sieht ganz so aus…“ Schnell hielt Po sich den Mund zu. „Meister Ochse! Meister Kroko! Meister Shifu!“, rief auf einmal ein Gänserich zu ihnen rüber, der wahrscheinlich zum Betreuer der Arena gehörte. „Es ist schon ziemlich spät! Wir müssen langsam anfangen!“ „Wir kommen schon!“, rief Meister Ochse zurück und wandte sich nochmal an Sheng. „Also, mach mit, oder lass es.“ Damit verschwand er im Haus für die Teilnehmer. Auch Meister Shifu winkte Po zu sich heran. „Po, du kommst jetzt besser auch mit.“ Ausnahmsweise war der Panda dankbar für dies Aufforderung und trat den Rückwärtsgang an, weil Shen ihn immer noch so böse anschaute. „Ich… äh… ich werde dann mal schnell mich in die Umkleideräume begeben. Ich meine, ich hab zwar nichts, was ich umziehen muss, oder anziehen muss… aber ich möchte mich noch vorbreiten… seelisch… psychisch und physisch… im Körper und Geist… vielleicht auch noch etwas essen… also bis dann!“ Schnell verschwand der Panda durch die Tür ins Haus. Sheng blieb noch eine Weile stehen und sah seinen Vater mit bockig, bittendem Gesicht an. Die anderen schauten besorgt von einem zum anderen. Schließlich riss Shen seinen Umhang herum und kehrte seinem Sohn den Rücken zu. „Mach doch was du willst! Mein Einfluss auf dich ist anscheinend nicht mehr stark genug!“ Mit diesen Worten wandte er sich ab und ging wütend davon. Sheng sah ihn etwas betrübt nach, doch dann spürte er die Flügel seiner Mutter, die sich auf seiner Schulter niederließen. „Sheng, wie immer es auch ausfallen wird“, meinte sie warm. „Ich werde immer stolz auf dich sein.“ Der gescheckte Pfau lächelte seiner Mutter zu. „Danke, Mutter.“ „Jetzt geh schon“, sagte Yin-Yu und schob ihn zum Haus. „Du kommst noch zu spät.“ Schnell rannte der Pfau davon. Zedong rief ihm noch „Schlag sie alle!“ zu, bevor er noch von der alten Ziege wieder zurückgenommen wurde. „Zedong, mein Junge“, sagte die Wahrsagerin. „Gewinnen ist nicht alles.“ „Aber das macht doch mehr Spaß“, beharrte der kleine gescheckte Pfau. Die Ziege streichelte ihn über das Köpfchen. „Du wirst noch lernen, was es heißt, dass es mehr gibt, als nur zu gewinnen.“ Sie fing Yin-Yus besorgten Blick auf und wiege wehmütig den Kopf. „Die beiden sind sich wirklich ähnlich. Keiner will sich was einreden lassen.“ Die ältere Pfauenhenne nickte bekümmert. „Genau das macht mir für die Zukunft manchmal Sorge.“ Po, der noch in einer versteckten Ecke gelauscht hatte, zog sich bedrückt zurück. Eigentlich hatte er sich wahnsinnig auf den Wettkampf gefreut und jetzt musste ausgerechnet sowas passieren. Mit hängenden Schultern begab er sich ins Haus zu den Umkleideräumen. Und außer seinem teilweise leeren Magen wusste er nur, dass er sich jetzt schlechter fühlte als vorher. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)