Die letzte Hoffnung von BuchTraumFaenger ================================================================================ Kapitel 5: 5. Dabeisein ist alles --------------------------------- „Findest du nicht, wir hätten ihn doch auf nächstes Jahr vertrösten sollen?“, fragte Meister Kroko mit einem besorgten Blick auf die Endrunde. „Machst du Witze?“ Meister Ochse verschränkte die Arme. „Darauf habe ich nur gewartet.“ Meister Krokos Blick wanderte zu Meister Shifu. Doch dieser wollte sich in diese Sache nicht einmischen. Man konnte nur abwarten was passieren würde, weshalb er so seelenruhig wie möglich am Jury-Tisch verharrte. Im Gegensatz zu Po, der nervös hinter den Kulissen auf und ab ging. Seine Freunde beobachten ihn nachdenklich. Schließlich drang sich Mantis dazu durch, was zu sagen. „Willst du jetzt die ganze Zeit so herumlaufen?“ Po hielt abrupt an. „Wenn es mich beruhigt, dann ja.“ „Es bringt doch gar nichts sich so verrückt zu machen“, meinte Viper. „Sie hat recht“, stimmte Monkey ihr zu und das fand auch bei Crane Zuspruch. „Geh einfach raus und lass es auf dich zukommen.“ Pos Blick wanderte zu Tigress. Die Tigerin verschränkte die Arme und schaute ihn neutral an. „Du kannst eh nichts daran ändern, Po. Du musst so oder so jetzt gegen ihn antreten.“ Der Panda schluckte. „Ich hab ja nicht unbedingt Sorge, dass ich gegen ihn verlieren könnte“, verteidigte sich Po. „Es ist viel mehr, dass…“ Viper sah ihn entsetzt an. „Du überlegst doch nicht etwa ihn absichtlich gewinnen zu lassen, oder?“ Die anderen starrten Po an. Der Panda stand da und sah aus, als würde er das bejahen, doch dann schüttelte er heftig den Kopf. „Nein, nein, nein, nein… Wie kommst du denn darauf? Das wäre ja… das wäre doch…“ Doch dann schien er erneut zu überlegen. „Oder doch?“ Tigress spitzte die Ohren, als der Ansager den letzten Kampf ansagte. „Po, es ist so weit.“ Po merkte, wie er wieder weiche Knie bekam. „Oh, okay, also dann, dann muss ich wohl jetzt da raus, oder?“ „Äh, ja“, bestätigte Viper und lächelte ihn an. „Du musst jetzt da raus.“ „Okay.“ Langsam machte Po ein paar Schritte Richtung Arena, dann hielt er wieder inne und sah seine Freunde unsicher an. „Und ihr seid wirklich sicher, dass das das Finale ist? Ich meine, gibt es nicht auch ein Zwischenfinale? Oder ein Vorfinale? Autsch!“ Mantis hatte dem Panda einen kräftigen Tritt in den Hintern verpasst. Po stolperte nach vorne und wäre fast hingefallen. Draußen empfingen ihn auch schon die lauten Rufe der Zuschauer. Ein wenig ängstlich zog Po den Kopf ein und knetete nervös seine Finger. Dann marschierte er mit fast mechanischen Schritten auf das für ihn schon vertraute Kampffeld zu. Sheng war noch nicht anwesend, sodass Po sich solo auf den Platz begeben musste. Dort angekommen, sah er sich suchend um. Hatte Sheng vielleicht abgesagt? Doch Po konnte sich nicht vorstellen, dass er seinem Vater sowas antun würde. Pos Blick wanderte zu seinem Lehrer am Jury-Tisch, doch Shifu verzog keine einzige Miene. Der Panda holte tief Luft und sah zu den Zuschauerrängen hoch. Er zuckte beinahe zusammen, als ihn Shens Augen trafen, die wie Messer auf ihn einschlugen. Yin-Yu hingegen hatte den Flügel auf den Flügel ihrer Tochter gelegt und sah ziemlich besorgt aus. Po war kurz davor an den Jury-Tisch zu rennen und die ganze Sache abzublasen, als plötzlich die Rufe der Menge lauter wurden. Pos Blick wanderte nach vorne und da kam Sheng wirklich auf ihn zu. Der blaugrün-weiß gescheckte Pfau hatte die Flügel unter seinem Hemd zusammengelegt und schritt so würdevoll wie möglich über den Platz. In Po stieg ein mulmiges Gefühl hoch, als der Pfau endlich knapp einen Meter vor ihm zum Stillstand kam. Eigentlich hatte der Panda sich auf dieses Debüt gefreut, doch jetzt, wo er Shens Sohn gegenüberstand, wandelte sich die Vorfreude in tiefe Besorgnis um. Er hätte vielleicht sogar gerne noch mit ihm einen kleinen Plausch abgehalten bevor sie anfingen, stattdessen gingen ihm jetzt sämtliche Theorien und Fragen durch den Kopf. Was wenn Shen damals gestorben wäre? Shengs Mutter hatte ihm erst nach seiner Niederlage in Gongmen von der Herkunft seines richtigen Vaters unterrichtet. Hätte Sheng Nachforschungen angestellt und wäre irgendwann als Rächer vor ihm aufgetaucht? Po schüttelte innerlich den Kopf. Aber Shen war ja nicht tot und Sheng stand nur hier, um gegen ihn anzutreten – unter den Augen von seinem Vater. Po sah Sheng prüfend an. Aber auch auf dem Gesicht des Pfaus spielte sich ein Hauch von Unsicherheit ab. Hatte er auch die ganze Zeit über ihren bevorstehenden Kampf gegrübelt? Schließlich drehten sich beide schweigend zu den drei Meistern um. Meister Ochse erweckte einen gelassenen Eindruck, Meister Shifu saß in einer strammen Haltung und Meister Kroko knabberte seine Fingernägel runter. Pfau und Panda legten Pfoten und Flügel zusammen und verbeugten sich vor der Jury. Anschließend wandten sie sich einander zu und vollführten erneut nochmal eine Verbeugung voreinander. Dann nahmen sie Haltung ein. „Es geht los, es geht los!“, rief Zedong aufgeregt und sprang auf seinem Stuhl auf und ab. „Zedong, Junge, bitte“, mahnte ihn die alte Ziege und hatte Mühe den Jungen zu beruhigen, wobei sie am liebsten Shen beruhigen würde, wenn er sie lassen würde. Der weiße Pfau stand jetzt schon die ganzen Kämpfe durch statt sich mal hinzusetzen. Doch ihr war nicht verborgen geblieben, dass sich Shens Fingerfedern im buchstäblichen Sinne jetzt in das Geländer bohrten. Im Gegensatz zu Yin-Yu. Irgendwie hatte sie Angst. Es gefiel ihr nicht wie die beiden sich gegenüberstanden. Po und Sheng erweckten einen ziemlich unsicheren Eindruck, als hätten sie Sorge, dass der eine nicht mit Schlägen und Tritten, sondern mit Kanonen attackieren würde. Endlich trat der Schiedsrichter neben sie. Er klatschte in die Pfoten und der Kampf war eröffnet. Die Furiosen Fünf standen so dicht wie möglich am Kampfgeschehen und sahen gespannt zu. Doch dann… Statt wie erwartet, dass Panda und Pfau aufeinander lossprangen, gingen sie nur im Kreis, mit erhobenen Armen und Flügeln. Irgendwie schien keiner von beiden so recht sich zu trauen anzugreifen. Auch machte jeder von ihnen einen verkrampften Eindruck. Po kämpfte regelrecht gegen sich selber. „Komm schon, du schaffst das, du schaffst das“, redete er sich immer wieder ein. „Schlag doch einfach zu. Dann wird er schon reagieren…“ Doch dann fiel ihm wieder ein, dass Shen ihn beobachtete. Was wenn er sogar noch in die Kampfarena sprang und ihn angriff? Po kam dieser Gedanke zwar lächerlich vor, doch was ist, wenn bei Shen doch wieder der Wahnsinn ausbrach? Bilder von damals kamen ihm wieder in den Sinn. Diese Zerstörungswut, dieser Hass, diese Erbarmungslosigkeit… „Hey!“, rief Sheng und schlug zu. Offensichtlich hatte sich der gescheckte Pfau endlich dazu durchgerungen als Erster vorzustoßen. Aber vielleicht auch nur, um damit seinem Vater nicht lächerlich zu machen. Po wehrte seine Flügelschläge gekonnt mit seinen Pfoten ab und wagte es sogar vorzupreschen. Doch Sheng schwang sich über den Panda und landete hinter ihm. Plötzlich ging es Po wie ein Lichtblitz durch den Kopf. Er kannte diese Moves noch von früher. Shen musste mit seinem Sohn diese Bewegungen geübt haben. Po konnte in etwa vorhersehen, womit Sheng als nächstes gegen ihn kontern würde. Die Angriffe waren zwar agil und schnell, aber nicht so stark ohne Waffen. Der Panda ließ Sheng eine Weile seine Angriffe über sich ergehen. Dann zielte er mit aller Kraft seiner Tatzen in die nächste Bewegung und Sheng wurde mit voller Wucht nach hinten gestoßen. Die Menge sprang von ihren Sitzen. Wenn er aus dem Kreis flog, wäre er disqualifiziert. Aber der Pfau hielt sich aufrecht und konnte seinen Fall gerade noch rechtzeitig abbremsen. Auf den Zuschauerrängen bahnte sich eine Spannung an. Shenmi war so aufgeregt, dass sie aus ihrer Servierte irgendetwas falten musste. Jian zupfte immer wieder an seinem Instrument und wurde immer genervt von Xia unterbrochen. Zedong hingegen rief seinem Bruder immer wieder etwas zu. Und Yin-Yu war in diesem Augenblick mehr besorgt um Shen als um ihren älteren Sohn. Doch Shen verharrte in seiner Haltung wie eine Statue. Keiner konnte sagen, was in ihm gerade vorging. Inzwischen hatte Sheng sich wieder in die Mitte des Rings begeben. Po sah ihn besorgt an. War er jetzt sauer auf ihn? Zu seiner Erleichterung nahm der Pfau wieder die Kampfhaltung ein, und lächelte sogar. „Na komm“, forderte der Pfau ihn auf. „Lass uns Spaß haben.“ Zuerst war Po irritiert. Doch dann lachte er auf. „Alles klar!“ Erneut nahmen beide Kampfhaltung ein. Dann attackierte Po den Pfau mit Schlägen und Tritten. Dann wieder Sheng. Anschließend wieder Po. Dann wieder Sheng, sodass der eine den anderen immer wieder vor oder zurückdrängte, was wie ein Hin- und Her aussah. Meister Ochse und Meister Kroko tauschten irritierte Blicke aus. „Was zum Hornochse machen die da?“, fragte sich Meister Ochse empört. Mantis legte den Kopf schief. „Ich will mich ja nicht einmischen, aber das sieht so aus als würden sie wie Erstklässler Kung-Fu-Ping-Pong spielen.“ Tigress bedeckte ihr Gesicht mit der Pfote. Peinlicher konnte ein Kung-Fu-Kampf auf einem Champion-Wettbewerb nicht aussehen. Noch dazu lachten die beiden immer wieder, wenn der eine den anderen Mal zu hart anstieß. Auch die Pfauenkinder Zedong und Fantao konnten dieses merkwürdige Kung-Fu-Spiel nicht verstehen. Fragend sah Zedong die alte Ziege an. „Machen Kung-Fu-Kämpfer sowas immer in einem Finale?“ Die Ziege zwang sich zu einem gequälten Lächeln. „Es gibt immer ein erstes Mal, Junge“, sagte sie und streichelte ihn über den Kopf, wobei es ihr selber gar nicht leicht fiel die Ruhe zu bewahren. Wenn schon die Kinder das merkten, was würde erst… „Hört jetzt endlich auf damit!“, brüllte Shen. Die Ziege konnte gar nicht glauben, was sie da sah. Shen war aufgesprungen und stand jetzt auf der Brüstung. Die Leute im Stadion waren zwar laut, doch Shens Gebrüll konnten Po und Sheng deutlich vernehmen. Beide gefroren kurzfristig in ihren Bewegungen und sahen zu Shen hoch. „Po!“, rief jetzt auch Shifu. Der kleine Meister war von seinem Sitz aufgesprungen und stand auf dem Tisch. „Denk an die Ehre unseres Dorfes!“ Die Konkurrenten sahen einander an. Sie mussten einsehen, dass sie nicht ewig hin- und her spielen konnten. Sie mussten wohl oder übel jetzt ihre ganzen Kräfte für den Kampf gegeben. Po war hin und her gerissen. Wenn er gewann befürchtete er, Shen damit zu demütigen. Doch würde er absichtlich verlieren, würde er seine Freunde und seinen Meister enttäuschen und vielleicht auch Sheng. Traurig sah er den gescheckten Pfau an. „Tut mir leid.“ Jetzt führe Po seine Schläge stärker aus. Sheng reagierte schneller und wich ihm aus. Kurzfristig nutzte er sein Pfauenrad als Schutzschild, doch dadurch ließ sich Po diesmal nicht wie bei Shen irritieren. Er durchbrach die langen Schwanzfedern und traf Sheng volle Elle in den Brustkorb, sodass es den Pfau beinahe umhaute, wenn er nicht so eine gute Balance gehabt hätte. „Ups.“ Zerknirscht biss sich Po auf die Unterlippe. So heftig hatte er eigentlich nicht zuschlagen wollen. „Po!“, schrie Shifu ihn an. „Reiß dich jetzt bitte zusammen!“ „Mach ihn alle!“, brüllte jetzt Meister Ochse, sehr zur großen Verwunderung von Meister Kroko, denn eigentlich war es der Jury nicht erlaubt Partei zu ergreifen. Wenigstens ging das Gebrüll in den ganzen Angefeuere der Menge beinahe unter. Sogar Shens Fluchen verhallte fast, doch da Sheng als Pfau ein erstklassiges Gehör besaß, konnte er, wenn auch leider, jedes einzelne Wort verstehen, was sein Vater ihn zubrüllte. „Po, du bist der Drachenkrieger!“, versuchte Shifu es auf die diplomatischere Art und Weise. Po hob die Augenbrauen. „Ach ja, stimmt, ich bin der Drachenkrieger. Hab ich fast schon wieder vergessen.“ Po sprang vor und wollte Sheng mit einem Kick aus dem Ring katapultieren, doch Sheng wich erneut aus, sprang hinter den Panda und schlug ihm in den Rücken. „Autsch!“ Knötrig rieb sich Po über den Rücken. „Na schön. Dann jetzt auf alles! Drachenpower!“ Po sprang hoch und wollte Sheng von oben attackieren. Angestachelt sprang Sheng ebenfalls hoch. Oben prallten sie in der Luft mit den Füßen gegeneinander. Anschließend fielen sie wieder runter und beide purzelten kurzfristig über den Boden, sprangen aber sofort wieder auf. Dann attackierten sie sich erneut mit Tritten, Schlägen und Ausweichen, wobei Po der harte Zuschläger und Sheng mehr der geschmeidige Ausweicher war. Meister Ochse wurde immer ungehaltener. Da konnten ihm auch nicht Meister Krokos Worte besänftigen. Auch Shen rief seinem Sohn immer wieder zu, dass er sich nicht blamieren sollte. Schließlich wurden dem Panda und dem kämpfenden Pfau das ständige angebrüllt werden langsam zu viel. Mit einem lauten Aufschrei rannte beide aufeinander los. Kaum trafen sie aufeinander, flog der Staub und hüllte die beiden in eine Staubwolke ein. Für einen kurzen Moment wurde es still. Keiner der Zuschauer konnte etwas sehen. Endlich verzog sich der Staub. Der harte Zusammenprall der beiden Kämpfer hatte Sheng fast an den Rand des Rings weggestoßen. Doch er stand immer noch, wenn auch in einer etwas gebeugten Haltung. Den fünf Freunden klappten die Münder runter. Das war unmöglich. Nach so einen Hieb von Po war bis jetzt noch kein Gegner aufrecht stehengeblieben. Der Pfau stand auf wackeligen Beinen und richtete sich keuchend auf. Auch Po sah man an, dass er aus der Puste war, hielt sich aber noch deutlich stabiler als der Pfau. Die Furiosen Fünf reckten die Hälse. Würde Sheng weiterkämpfen? Sheng erhob sich. Po verengte die Augen und war bereit für einen nächsten Angriff. Doch dann presste Sheng seine Flügel zusammen und neigte den Kopf. Die Menge stieß ein lautes Raunen aus. Sheng gab freiwillig auf. Der Kampf war zu Ende. Der Schiedsrichter zeigte auf Po. Die Zuschauer brachen in lautes Jubeln aus. „Das ist mein Sohn!“, rief Mr. Ping begeistert in die Runde. „Drachenkrieger! Drachenkrieger! Drachenkrieger!“, riefen alle. Po sah sich irritiert um. „Heißt das, ich hab gewonnen?“ „Du hast es geschafft, Po!“, rief Monkey und in kürze sah sich Po von seinen Freunden umringt. „Du bist der Kung-Fu-Champion!“, gratulierte ihn Viper. „Ich, ein Champion?“ Zuerst stand Po völlig teilnahmslos da. Dann drang es endlich zu ihm hindurch. „Yeah! Ich bin der Champion! Ich bin der Champion!“ Er riss die Arme in die Luft und hüpfte jubelnd auf und ab. Doch im nächsten Moment wurde er von Meister Ochse gepackt und fast nach oben gehoben. „Das war eine Spitzenleistung, Drachenkrieger!“, lobte der Ochse ihn übertrieben. „Dem hast du es gezeigt!“ „Gezeigt? Oh.“ Ernüchtert ließ Po die Arme sinken und sein Blick suchte nach seinem ehemaligen Gegner. „Hey, war ein guter Kampf gewesen“, hörte er Sheng sagen. Sofort drehte sich Po zu dem Pfau um, der ihm noch etwas erschöpft seinen Flügel reichte. Zögernd ergriff Po den Flügel mit seiner Tatze. „Aber das nächste Mal bin ich besser“, meinte Sheng und lächelte schwach. „Vielleicht gewinne ich sogar.“ Po hob die Mundwinkel und schüttelte seinen Flügel. „Ich freue mich schon darauf.“ Der Panda konnte nicht anders und gab Sheng einen ordentlichen Panda-Drücker, was Sheng nur halbbegeistert über sich ergehen ließ. Dabei wanderte sein Blick nach oben zu den Zuschauerrängen, doch sein Vater hatte die Tribüne verlassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)