Die letzte Hoffnung von BuchTraumFaenger ================================================================================ Kapitel 11: 11. Gefährliches Japan ---------------------------------- Shen reckte den Hals. Am Horizont tauchte eine Küste auf. Ungeduldig behielt er das Stück Land in der Ferne im Auge bis endlich der Kapitän zu ihm eilte. „Mein Lord, wir erreichten die Küste Japans in 5 Minuten.“ Shen zeigte kaum eine Regung, doch innerlich war er total aufgewühlt. „Und dieses Gebiet ist unbewohnt?“, erkundigte er sich nochmal mit leichtem Desinteresse in der Stimme. Die Antilope nickte. „Wie Sie es wollten. Aber wir können dann nicht so nah ans Ufer fahren wegen der Felsen.“ Shen winkte abweisend mit dem Flügel. „Es genügt schon, wenn Sie ein paar Meter davorhalten. Den Rest bewältige ich alleine.“ Der weiße Pfau wartete noch eine Weile, bis das Schiff nahe genug an der Küste schwamm, die nur aus reiner Vegetation und großen runden Steinen bestand. Shen band sich sein Lanzenschwert auf den Rücken fest, welches er zuvor noch in ein Tuch eingewickelt hatte. Man musste nicht sofort sehen, dass er bewaffnet war. Und eine kleine Reisetasche, die er auf seiner Schulter umhängte. Anschließend stellte er sich auf die Reling und suchte die Küste nach einem passenden Landeplatz ab. Doch noch ehe er abspringen konnte, hielt der Kapitän ihn noch zurück. „Wenn Sie aber wieder nach China wollen, dann müssen Sie in den Hafen von Koyosho einsteigen. Dort gehen wir vor Anker.“ Shen nickte. „Weiß Bescheid.“ Dann schlug er kräftig mit den Flügeln und stieß sich vom Schiff ab. Da das Deck nicht sehr hoch stand, musste er einiges an Kraft aufwenden, um nicht ins Wasser zu fallen. Pfaue konnten nicht besonders gut fliegen, allerhöchstens gleiten, wenn sie von einer großen Höhe sprangen. Doch schließlich erreichte Shen trockenen Fußes das steinige Ufer. Dort angekommen schüttelte er einmal kurz sein Gefieder und sah sich suchend um. Überall lagen große Steine herum und weiter dahinter erstreckte sich ein großes Waldgebiet. Shen stieß einen tiefen Seufzer aus. Es wäre vielleicht angenehmer gewesen in einem Hafen einzufahren, doch der weiße Pfau wollte kein Risiko eingehen. Wenn schon Yamato so aufgebracht über ihn gewesen war, vielleicht war anderen japanischen Bewohnern ebenfalls ein weißer Pfau bekannt. Und einen Aufruhr konnte er jetzt am aller wenigsten gebrauchen. Er wollte ungestört nur in das Dorf kommen, das weiter im Landesinneren lag. Er holte eine Karte heraus. Dem Plan nach müsste er etwas in den Wald hinein bis er auf einen Pfad stieß. Er packte die Karte wieder weg und ging schnurstracks durch die Sträucher. Po, der sich immer noch am Schiff festgeklammerte, hielt sich hilflos den Mund zu. Das ganze Geschaukel über die ganzen Stunden bekam seinen Magen nicht gerade gut. Zudem konnte er sich noch nicht mal mit irgendetwas ablenken. Überall nur Wasser, Wasser, Meer, Wasser, Küste… Er riss die Augen auf, als er eine weiße Gestalt zwischen den Bäumen verschwinden sah. „Hey, hey, hey, warte!“ Schnell stieß der Panda sich vom Schiff ab, das weiter an der Küste entlangfuhr und paddelt im Fass auf das Land zu. Nach einem guten Marathon-Schwimmen erreichte er keuchend das rettende Ufer. Beherzt packte er einen Felsen und zog sich daran aus dem Wasser. Nach einer Minute Verschnaufpause zwängte sich der schwarz-weiße Bär aus dem Fass und riss voller Freude die Arme in die Luft. „Land!“ Der Panda war so erleichtert, dass er die Steine abknutschte. Doch im nächsten Moment zwickte ihn etwas ins Gesicht. „Autsch!“ Erschrocken sprang Po auf und rieb sich seine schmerzende Nase. Ein kleiner Krebs hatte ihn in die Schnauze gezwickt. Empört über diesen „Kuss“ krabbelte das Schalentier eilig zwischen den Steinen davon, während Po immer noch damit beschäftigt war seinen Kussunfall zu verarbeiten. „Japan tut ganz schön weh“, klagte er. Doch dann fiel ihm wieder ein, wieso er überhaupt hier war und sah sich suchend um. Wo war Shen? Der Wald wirkte friedlich und unschuldig, doch auf Shen hatte die Ruhe der Natur keine Wirkung. Immer wieder schlug der Pfau heftig einen Farn beiseite oder schob einen störenden Ast von sich. Ab und zu hielt er inne, wenn er meinte im Sonnenstrahl, der durch das Blätterdach schien, eine weiße Gestalt zu sehen. Schließlich hielt er es nicht mehr länger aus. Er blieb stehen und atmete einmal tief durch. Dann sah er sich aufmerksam um. Auf dem Schiff hatte er die Anspannung halbwegs noch ausgehalten, doch jetzt war er völlig unruhig und nervös. Gedankenverloren ließ er seinen Blick schweifen und fragte sich, ob er gerade den Fleck von Japan überschritt, auf dem auch sein Bruder irgendwann mal gegangen war. Japan war für Shen nicht ganz unbekannt. Er hatte viel darüber gelesen in seiner Schulzeit, oder wenn Geschäftsleute aus Japan nach Gongmen kamen und von ihrem Land berichteten. Dennoch hatten ihn die Belange seines Vaters nie sonderlich interessiert. Shens Flügel verkrampften sich. Er schloss für einen Moment die Augen und versuchte etwas zu fühlen. Manche Leute behaupteten Geschwister würde irgendetwas seelisch verbinden. Sie würden sogar die Gegenwart des anderen spüren können. Nach einer Weile öffnete er wieder enttäuscht die Augen. Er fühlte gar nichts. Schließlich rang Shen sich dazu durch weiterzugehen, bis er auf den erwarteten Waldpfad stieß. Er sah sich nochmal um, ob jemand unterwegs war. Als er niemanden sah, setzte er seinen Weg fort. „Mm, ist nicht gerade ein riesiger Unterschied zu Zuhause“, murmelte Po vor sich hin und wanderte durch das Dickicht des japanischen Waldes. Er wusste zwar nicht, wo genau er hin sollte. Er konnte nur geradeaus laufen in der Hoffnung auf etwas Brauchbares zu stoßen, dass ihn wieder auf Shens Fährte führte. Er hielt abrupt an, als er einen breiten Pfad kreuzte. „Oh Mann, endlich ein Stück Zivilisation.“ Glücklich über diese Entdeckung machte Po ein paar Schritte auf der Waldstraße. Der Panda schaute nach rechts und nach links. In welche Richtung war Shen gegangen? Ratlos kratzte Po sich am Kopf. Dabei wanderte sein Blick auf den Boden, wo er einen Vogelfußabdruck auf einem Stück feuchter Erde entdeckte. Er war noch ganz frisch und der Größe nach zu urteilen konnte es nur von einem großen Vogel stammen. Po machte einen Freudensprung. Shen war also nach links gegangen. „Und da behauptet Shifu immer ich würde keine Spuren erkennen“, schmunzelte der Panda vor sich hin und ging nun ebenfalls die Straße nach links runter. Doch es dauerte nicht lange und Po stand vor einem neuen Problem. Das Problem einer Weggabelung. Prüfend betrachtete Po die Schriftzeichen auf den Schildern, die in der Mitte der Abzweigung standen. Er konnte sie nur bedingt entziffern, und selbst wenn so konnte er mit den Ortsnamen nicht viel anfangen. Er wusste noch nicht einmal, wo genau er sich in Japan befand. Irgendwo Süd-West, das war klar, aber wo musste er jetzt hin, um ans Reiseziel zu kommen? Auf einmal fing Pos Nase etwas auf. Irgendein leckerer Geruch lag in der Luft. Interessiert hob der Panda den Kopf höher und hielt die Nase in den Wind. „Mm, das riecht ja hier sehr gut.“ Der Duft kam aus der Richtung, wo die Straße nach rechts runterführte. Da ihm im Moment eh nichts Besseres einfiel, folgte er dem Geruch und bog nach rechts ab. Es dauerte nicht lange und er gelangte zu einem großen Haus, was einem kleinen Restaurant glich. „Meine Rettung!“, jubelte Po. Er hatte schon lange nichts mehr gegessen und vielleicht war Shen sogar dort. Er stieg eine Holztreppe hoch und schob vorsichtig die Tür auf. Der Raum dahinter lag im Halbdunkeln. Das Licht schien nur bedingt durch die kleinen Fenster. Auch waren nicht viele Gäste anwesend. Nur ein paar Ziegen, ein paar Sikahirsche und ein älterer Dachs saßen im Raum verteilt an Tischen. Pos Blick wanderte zur Theke, wo dahinter ein Honsho-Wolf mit Schürze stand und ziemlich gelangweilt dreinschaute. Als er den Panda hereinkommen sah, hob er nur kaum sichtbar die Augenbrauen. Er war Fremde wohl gewohnt. „Konnichiwa“, murmelte er mit einem leichten Kopfnicken, was Po erst mal innehielten ließ. Konnte er sich hier überhaupt verständigen? „Äh, ja, konnichiwa…“, grüße er zurück, wobei er nicht wusste, was er jetzt sagen sollte. Doch der Wolf verzog gleichgültig den Mund. „Der Herr kommen aus China?“ Po hob erleichtert den Kopf. „Äh, ja. Sie sprechen Chinesisch?“ „Hört man doch. Was darfs sein?“ Po trat näher an die Theke heran und besah sich die Menüliste, mit der er aber nichts anfangen konnte. „Äh, was können Sie denn empfehlen?“ Der Wolf seufzte genervt. „Okonomiyaki, Soba, Ramen, Udon mit verschiedenen Beilagen und Onigiri, kann man auch in der Tüte mitnehmen, aber das kostet extra.“ Po rieb sich ratlos das Kinn. „Äh, könnten Sie das etwas erläutern? Die Gerichte meine ich.“ Der Wirt verdrehte die Augen. Offensichtlich hatte er nicht gerade Lust auf einen Menü-Vortrag. „Okonomiyaki besteht aus gebratenem Teig mit verschiedenen Zusätzen. Wenn du es anders nennen willst, dann sag dazu eine Art zerhackter Pfannkuchen. Soba sind Nudeln aus Buchweizen, ebenfalls mit verschiedenen Beimengungen. Ramen, sind ebenfalls Nudeln in verschiedenen Ausführungen, je nachdem was du bevorzugst. Udon, sind unsere dicksten Nudeln und gibt’s mit Gemüse und Onigiri, sind Knödel aus Reis.“ Po merkte, wie sein leerer Magen heftig anfing zu knurren. „Mm, das ist sehr schwierig.“ Es klang alles köstlich. „Dann, dann, dann würde ich gerne…“ Plötzlich schlug der Wirt mahnend mit der Faust auf den Tisch. „Kannst du auch bezahlen?“ „Äh, na klar.“ Hastig wühlte Po in seiner Hosentasche und holte ein paar Münzen hervor. „Ich hab nur chinesisches Geld…“ „Nein“, lehnte der Wirt ab. „Nur japanische Währung oder Muscheln.“ Po klappte die Kinnlade runter. „Hä? Können Sie nicht wechseln?“ „Hab ich immer gemacht, bis der letzte mir Fälschungen untergejubelt hatte.“ Po stand völlig verloren vor der Theke und starrte den Wirt fassungslos an. „Heißt das, Sie wollen mir nichts geben?“ Der Wolf verschränkte die Arme. „Genau das.“ „Ach, kommen Sie schon“, bettelte Po, der den Duft von Essen jetzt gar nicht mehr ignorieren konnte. „Machen Sie doch eine Ausnahme. Ich… ich bin ja nicht nur irgendeiner. Ich bin der Drachenkrieger und gerade sogar Kung-Fu-Champion geworden.“ Der Wolf verzog gleichgültig den Mund. „Und wenn Sie der Kaiser von China wären, entweder so oder du kannst wieder gehen.“ Po legte flehend die Handflächen zusammen. „Oh, bitte, bitte, bitte, bitte!“ „Lassen Sie gut sein“, meldete sich auf einmal eine alte Frauenstimme neben ihm zu Wort. „Ich bezahle für den jungen Mann.“ Verwundert sah Po die alte Dame an. Es war ein Rotgesichtmakak oder wie andere sie nannten Schneeaffe, obwohl sie gar nicht rein weiß war. Das Fell war hellgraubraun und das Gesicht rot. Sie trug einen roten Kimono mit blauen Blumen. Aber was Po noch mehr wunderte war, dass ihr Chinesisch absolut akzentfrei war. „Sie können sich ruhig aussuchen, was Sie wollen“, lud die alten Schneeaffendame ihn ein. „Oh, das ist sehr nett von Ihnen“, bedankte Po sich noch völlig überrumpelt. Die Dame lächelte. „Sie müssen doch hungrig sein, nach so einer Schiffsreise.“ Po sah sie verwundert an. „Woher wissen Sie, dass ich gerade vom Schiff komme?“ „Ihre Hose ist feucht vom Salzwasser“, klärte sie ihn auf. „Und Algen hängen zwischen den Fußzehen. Und dem Geruch nach zu urteilen… waren sie in einem Fass gereist.“ Prüfend beschnupperte Po seine Arme. Roch er wirklich so streng? „Ich kenne mich gut mit Touristen aus“, führte sie weiter aus. „Ich war früher Fremdenführerin gewesen musst du wissen.“ „Oh, dann müssen Sie ja sehr viel wissen. Könnten Sie mir vielleicht eine Auskunft geben?“ „Wenn ich kann. Möchtest du mit mir einen Tee trinken?“ „Oh, gerne.“ „Dann komm mit.“ Sie winkte ihn zu einem niedrigen Tisch heran, wo schon Tasse und Kanne standen. Dort kniete sie sich davor auf den Boden. Dann deutete sie mit der Hand vor sich. „Nimm Platz.“ Po tat es ihr gleich und kniete sich an den Tisch gegenüber von ihr. „Danke.“ Sie bestellte eine zweite Tasse und es dauerte nicht lange und vor dem Panda dampfte eine Tasse grüner Tee. „Mit dem Alter kann man nicht mehr viel machen“, murmelte die Affendame vor sich hin, „aber solange der Verstand noch mitmacht. Was führt dich hierher?“ Po tippte nervös mit den Fingern auf der Tischplatte. „Nun, eigentlich suche ich gerade einen… äh… Freund von mir. Er ist hier ebenfalls abgestiegen, und jetzt suche ich ihn. Weil er hier jemanden sucht und die auch ich suche.“ „Und wen genau suchst du?“ Po beugte sich zu ihr vor. „Nach einer Bande von Ninjas, die vor einigen Tagen ein Dorf überfallen haben sollten.“ Die alte Dame ließ die Tasse sinken. „Grund Gütiger, du willst sie doch nicht etwa ehrlich zu Gesicht kommen? Oder willst du dir nur das überfallene Dorf ansehen? Vom Katastrophentourismus hab ich noch nie viel gehalten.“ „Nein, nein, nein“, stritt Po ab. „Ich bin nicht als Tourist hier… es ist viel mehr eine… na ja sagen wir… Hilfsaktion… oder Suchaktion. Also, nicht in dem Sinne, es geht nicht um die Ninjas direkt, sondern um etwas anderes. Aber kennen Sie sie denn? Sind die denn schon lange im Gauner-Geschäft?“ Die alte Affendame hob die Augenbrauen. „Nun, von diesen hat man bis jetzt noch nicht viel gehört, aber wenn, dann gäbe es auch nichts Positives zu berichten.“ Po spitzte die Ohren. „Was weiß man denn über sie?“ „Nun, es existieren keine handfesten Beweise, nur Gerüchte. Man sagt, dass sie sogar nicht aus Japan, sondern aus dem Ausland stammten. Niemand weiß genau wie viele es sind, doch man sagt, sie wären gute Kämpfer. Der Legende nach sollten sie von einem Samurai aufgenommen und unterrichtet worden sein.“ Pos Augen weiteten sich. „Samurais? Wow.“ „Jedoch töteten sie den Samurai und gründeten ihren eigenen Clan“, erläuterte sie ohne mit der Wimper zu zucken. Po hingegen blieb der Mund offenstehen. „Die haben ihren eigenen Lehrer umgebracht? Ist ja sehr makaber.“ „Wie gesagt, es ist nur ein Gerücht. Als Fremdenführerin muss ich Touristen auch was Interessantes bieten. Es könnte wahr sein, oder auch erfunden. Keiner weiß genau, was in solchen geheimen Kreisen als Tatsache dargestellt werden kann. Jedenfalls machten sie sich selbstständig. Sie selber nennen sich die „Schwarzen Tiger“.“ „Sie meinten wohl Panther, oder?“ „Ob sie nun Panther oder dunkel gefärbte Tiger sind, jedenfalls nennen sie sich so und sind dafür bekannt zu stehlen. Manchmal plündern sie sogar. Vor allem haben sie es auf kostbare Wertgegenstände abgesehen. Sie sollten sogar mal ein Schatzmuseum ausgeraubt haben.“ Sie machte eine kurze Pause, was Po Gelegenheit gab eine andere Frage zu stellen. „Und die haben auch… einen weißen Pfau?“ Die Affendame hob verwundert die Augenbrauen. „Du scheinst sehr viel zu wissen für einen, der nicht aus Japan stammt.“ Po lächelte verschmitzt. „Nun, nicht alles. Nur dass er ursprünglich aus China stammt, als Kind soll er von Zuhause weggelaufen sein.“ Der Rotgesichtmakak rieb sich übers Kinn. „Nun, den weißen Pfau hat man erst seit ein paar Jahren gesichtet. Niemand weiß, wo er vorher gewesen war. Aber…“ Sie lächelte ihn an, „ich weiß es.“ Po setzte sich kerzengerade auf. „Wirklich?!“ „Nun, nicht alles. Aber als Fremdenführerin kommt mal sehr viel herum. Als ich vor einigen Jahren, und das sind bestimmt schon 20 Jahre her, da war ich noch etwas jünger und gelenkiger. Da begegnete ich einem kleinen weißen Pfau, in der Nähe einer Siedlung. Ich fand es merkwürdig, weil mir noch nie ein weißer Pfau dieser Art begegnet war. Vielleicht rein weiße Pfaue, oder Pfaue mit weißen Flecken, aber noch nie einen mit schwarz-roten Flecken der Pfauenaugen.“ „Ja, das ist er!“, platzte es aus dem Panda heraus. „Was wissen Sie denn was über ihn?“ Doch zu seiner Verwunderung schüttelte die Affendame den Kopf. „Ich habe ihn nur ganz kurz zu Gesicht bekommen, dann war er auch schon wieder verschwunden, als hätte er Angst gesehen zu werden. Danach hab ich ihn auch nie wieder gesehen. Aber ich kann mit Sicherheit sagen, dass er schon als kleines Kind hier in Japan gewesen war.“ Po ließ enttäuscht die Schultern hängen. „Ach echt? Wo war das denn gewesen?“ „In einer einsamen Wohnsiedlung. Eine ganze Strecke weiter südlicher von Japan.“ „Wirklich? Mm.“ Nachdenklich kratzte sich Po an der Lippe. Diese Information war für ihn nicht unbedingt etwas Neues, aber Dao musste wirklich schon kurz nach seiner Flucht nach Japan gelangt sein. Aber wie genau? War er aus Versehen auf ein Schiff gekommen, oder hatte man ihn sogar entführt? Er sah die alte Affendame prüfend an, doch die hatte anscheinend nicht mehr zu berichten und trank ihren Tee. „Wie auch immer“, meinte Po nach einer Phase des Überlegens. „Genau den suche ich jedenfalls. Und wenn er wirklich gerade mit diesen Ninjas rumhängen sollte, dann werde ich ihn dann dort suchen müssen. Wissen Sie, wo man diese Banditen finden kann?“ Doch der Rotgesichtmakak schüttelte erneut den Kopf. „Das weiß keiner so genau. Würde man es wissen, so hätte die Regierung schon längst etwas dagegen unternommen. Sie kommen und verschwinden auch genauso plötzlich.“ Po rieb sich die angespannten Schultern. Demnach konnten sie nur hoffen im überfallenen Dorf mehr zu erfahren. Aber dafür musste er erst mal dorthin gelangen. Und dazu musste er erst mal Shen finden. Aber vorher musste er dringend noch etwas essen. „Okay, jedenfalls danke für die Einladung. Gilt die noch für das Essen?“ Er deutete zwischen Teetasse und Theke und hoffte, dass die Bezahlung nicht nur für den Tee galt. Doch die alte Dame lächelte ihm aufmunternd zu. „Bestell dir ruhig was du brauchst.“ Der Panda nickte. „Danke.“ Und erhob sich. „Du bist so ein netter Bursche“, fügte die alte Affendame hinzu. „Lass dich nur nicht von diesen Raufbolden erwischen. Es wäre schade um jemanden wie dich von der Welt zu verlieren.“ Po zwinkerte ihr zu. „Nur keine Sorge. Ich bin erster Kung-Fu-Champion geworden.“ Er wandte sich der Theke zu, doch die alte Affendame hielt ihn erneut zurück. „Und noch etwas junger Mann. Du hast dir für dein Ausflugsziel eine bedenkliche Gegend ausgesucht.“ Po sah sie verwundert an. „Wieso?“ „Diese Gegend liegt zwar sehr abgeschieden, und hier kommen meist nur Wanderer oder Waldbewohner hierher, aber es könnte auch jeder hinter einem Busch lauern, der ahnungslose Leute ausrauben will. Sei daher vorsichtig, wenn du die Wege beschreitest.“ Po dachte einen Augenblick nach, dann nickte er. Das waren ja nicht gerade schöne Touristenattraktionen hier. Und das Gespräch über die Ninjas ging ihm auch nicht mehr aus dem Kopf. Irgendwie fragte er sich, ob es überhaupt so eine gute Idee gewesen war, sich mit einer Bande kaltblütiger Räuber anzulegen. Po wusste nicht viel über Ninjas. Das meiste davon waren nur Gerüchte. Nachdenklich strich sich Po über seinen Bauch. Meister Shifu hatte ihm gesagt, er sollte auf sein Bauchgefühl hören. Po horchte in sich hinein. Was sagte ihm sein Bauchgefühl gerade? Im nächsten Moment stellte sich Po vor die Theke und schlug kräftig mit der flachen Hand auf den Tisch. „Eine Schüssel Soba-Nudeln und eine Tüte Onigiri zum Mitnehmen bitte!“ Auf dem Pfad, der nach links von der Weggabelung wegführte, war Shen schon ein gutes Stück weit gekommen. Die Umgebung war jetzt ein wenig steiniger. Teilweise ragten große Felsen aus dem Boden hervor. Es war schon später Nachmittag und die Sonne begann sich zu neigen. Der Pfau hob den Kopf, als er das Plätschern eines Baches vernahm. Da er kein Wasser bei sich hatte, bog er vom Weg ab. Am Bach kniete er sich nieder und löschte seinen Durst. Anschließend schöpfte er Wasser und machte sich damit sein Gesicht nass. Plötzlich hatte er das Gefühl nicht mehr alleine zu sein. Er konnte zwar niemanden sehen, aber er spürte, dass jemand herumschlich. Suchend sah er sich um. Schließlich blieb sein Blick an einem Busch hängen, zwischen deren Zweigen es merkwürdig leise Raschelte und Knackte. Shen war misstrauisch genug und packte zur Vorsicht sein Lanzenschwert aus. Ohne den Busch aus den Augen zu lassen, schlich er sich leise an. Wer immer es auch wagte sich an ihn heranzupirschen, der sollte sein blaues Wunder erleben. Es hatten schon zu viele den Fehler begangen, von ihm zu denken, dass er harmlos sei. Shen schob die Spitze von seinem Lanzenschwert weiter vor. Gleich hatte er den Busch erreicht. Auf einmal verstummte das Geräusch. Shen spannte die Muskeln an. Sein Blick durchbohrte fast das Gestrüpp und er versuchte etwas zwischen den Blättern zu erkennen. Dann erkannte er eine sehr, sehr langsame Bewegung im Geäst. Der Pfau reckte den Hals. Es kam auf ihn zu. Plötzlich ergriff ihn etwas von hinten. Shen stieß einen Schrei aus, doch sein Angreifer ließ ihm keine Zeit sich zur Wehr setzen zu können. Im nächsten Augenblick fühlte Shen sich von einem großen Körper gepackt, der ihn innerhalb einer Millisekunde kräftig umwickelte. Shen Blick wanderte kurzfristig zum Gebüsch, wo sich ebenfalls wieder etwas bewegte. Doch das was aus dem Gebüsch herauskam war keine Gestalt, sondern das Ende einer Schwanzspitze einer großen Schlange, während das andere Ende, oder genauer gesagt, das Ende mit dem Kopf sich daran machte, immer mehr seinen Körper um sein Opfer zu wickeln. Sofort war der Pfau bewegungsunfähig. Hilflos lag er in den Schlingen einzig seine Füße waren noch frei, doch die Riesenschlange behob diese Lücke sofort und schlang ihren Körper nur noch mehr um den großen weißen Vogel. Shen versuchte sich noch herauszuwinden, doch der Schlangenkörper umwickelte jetzt auch noch seinen Hals, dass ein Entkommen für ihn unmöglich machte. „Lass mich los!“, schrie Shen ihn an. Im nächsten Moment schnellte ein Schlangenkopf vor ihm und stierte ihm drohend in die Augen. „Erst Geld, dann wir können reden über deine Freilassung“, höhnte die große Schlange mit spöttisch düsterer Stimme. Ihr Akzent klang ein wenig ausländisch und auch nicht wie Japanisch, obwohl sie diese Worte auf Japanisch aussprach. Ihre Augen waren braun-gelb gemischt, ihr Körper war hellbraun-gelb überzogen mit schwarzen fleckenartigen Mustern. Für einen kurzen Moment war Shen wie gelähmt. So einer großen Schlange war er bis jetzt noch nie begegnet und schon gar nicht in dessen Würgegriff gewesen. Mit jedem Atemzug zog der Python seine Muskeln enger. Shen fiel es schwerer Luft zu holen. „Also, was ist jetzt mit deinem Geld?“, wiederholte die Schlange ihre Frage ungeduldig. Allerdings verstärkte sie ihren Druck kurzfristig. Shen krampfte zusammen. Nur mit Mühe bekam er einen Satz über die Schnabellippen. Japanisch konnte er extrem gut, sodass er auch auf Japanisch antwortete. „Ich… ich habe keins bei mir!“ Er versuchte sich zu befreien, doch vergeblich. Der Python hob verwundert die beschuppten Augenbrauen. Eigentlich wollte er den Pfau mit seinem Japanisch erst ärgern, doch als dieser auch auf Japanisch antwortete, stellte er seine nächste Frage auf Chinesisch, und das gar nicht mal schlecht. Er drehte den Pfau herum, sodass Shen auf mit dem Kopf nach unten hing. „Du behauptest allen Ernstes, du hast kein Geld?!“, fauchte der Python. „Na schön, ich kann es mir auch holen!“ Sogleich suchte seine Schwanzspitze nach der Tasche, die Shen zuvor im Gras abgelegt hatte und leerte sie aus. Doch außer ein paar einfachen Reiseutensilien befand sich wirklich nichts im Beutel. Empört warf das große Tier die Tasche wieder auf den Boden. „Wo hast du dein Geld?!“, brüllte er den bewegungsunfähigen Pfau an. Doch Shen blieb bei seiner Aussage. „Hab ich doch gesagt… ich hab nich…“ „Willst du mich für dumm verkaufen?!!“ Wütend warf der Python sich mit dem Pfau ins Gras und würgte den Vogel noch mehr. Shen meinte er würde gleich ersticken. Er konnte noch nicht mal seine Federmesser erreichen, um sich zu wehren. Stattdessen konnte er nur auf Erlösung hoffen. „Hey, ist das der berühmte Sumo-Kampfstil, oder was?“, fragte eine andere Stimme von hinten. Der Python unterbrach kurz seinen Würgevorgang und schaute verwundert auf einen Panda, der eine Papiertüte in den Pfoten hielt. „Was bist du denn?“, fragte die Schlange unhöflich. Shen hingegen stieg die Wut hoch. „Wie bist du wieder…?! Was hast du hier zu suchen…?! Du verdammter…!“ Weiter kam der Pfau nicht, denn im nächsten Moment wickelte der Python einen Teil seines Körpers um dessen Schnabel und Shen war jetzt sogar gezwungen fürs erste den Stummen zu spielen. Po räusperte sich. „Ich bin der Drachenkrieger. Und seit diesem Jahr Kung-Fu-Champion. Und ich hab mich nur gefragt, warum du meinen Companion im Würgegriff hältst. Oder ist das doch so eine japanische Begrüßungsformel für Touristen?“ Die Pythonschlange fauchte den Panda böse an. „Du bist wohl schwer vom Begriff! Das ist ein Überfall!“ Auf einmal hielt der Python inne und schnupperte interessiert. Der essbare Geruch von Onigiri stieg ihm durch die Zunge in die Nase. Geschockt musste Po mitansehen wie der Python mit seiner Schwanzspitze ihm einfach die Papiertüte aus den Pfoten riss. „Hey!“, rief der Panda empört. „Das ist mein Essen!“ Doch im nächsten Moment öffnete der Python seinen Mund und ließ die Reisgerichte in seinen Schlund wandern. Anschließend warf er die leere Papiertüte dem Panda vor die Füße. „Na dann hol sie dir“, höhnte der Python mit einem breiten Grinsen und schluckte die Onigiris hinunter. Wütend stierte Po zu ihm hoch. Bei Essen-Stehlen verstand er keinen Spaß, dennoch rief er sich seine Beherrschung zurück und atmete einmal tief durch. „Hör mal zu, Kumpel. Ich weiß zwar nicht, welche Ameise dich gebissen hat, aber was erlaubst du dir einfach harmlosen Touristen ihr Geld zu stehlen? Was ist das denn für eine Art? Willst dir wohl einen Palast davon kaufen, was? Oder sogar eine Insel.“ Der Python zischte ihn an. „Du Idiot! Ich will nur von dieser verdammt kalten Insel weg!“ Po hob verwundert die Augenbrauen. „Na dann tu das doch, oder was hindert dich daran?“ Der Python beugte sich mit düsterem Blick zum Panda vor. „Und womit soll ich ein Schiff bezahlen?“ „Wieso? Wo willst du denn hin?“ „Dich interessiert es wohl eher nicht, wo ich herkomme?“ Po verdrehte genervt die Augen. „Okay, wo kommst du denn her?“ „Aus Australien“, antwortete der Python kurz und knapp. „Und ich wollte nach Afrika.“ Der Panda sah die Schlange verwundert an. „Australien? Afrika? Äh, das liegt aber ganz wo anders. Da musst du schon nach Westen und nicht nach Norden…“ Ein lautes Fauchen von dem Python ließ ihn verstummen. „Da wollte ich auch hin! Nur irgend so ein Idiot hat mir ein falsches Schiff genannt. Ich wollte Richtung Afrika reisen, stattdessen bin ich in Japan gelandet. Mein gesamtes Reisegeld ist dabei draufgegangen!“ „Oh.“ Allmählich verstand Po. „Das ist natürlich ärgerlich. Konntest du die Reise nicht reklamieren? Oder warum arbeitest du das Geld nicht ab, statt es von anderen zu stehlen? Oder vielleicht Verwandten schreiben, die dir Geld schicken könnten?“ „Meine Verwandtschaft kann mich mal!“, keifte der Python. „Und selbst wenn ich Arbeiten könnte, um von dieser verfluchten Insel wegzukommen, niemand will mir was anbieten.“ „Aber weshalb nicht?“ Der Python kam mit seinem Kopf näher an ihn heran. „Darum.“ Mit diesen Worten öffnete er seinen Mund. Po gefror kurzfristig das Blut in den Adern, als daraufhin lange Giftzähne zum Vorschein kamen. „Oh, und ich dachte, wegen der Größe…“ „Ja, ja“, spielte der Python seinen Schock herab. „Welcher große Python hat schon Giftzähne? Frag mich nicht, was für einen familiären Hintergrund das hat. Keine Ahnung, was meine Mutter an einer Giftschlange gefressen hatte.“ Po schluckte. „Okay, ich werde nicht fragen.“ Nachdenklich rieb er sich übers Kinn. Eine Giftschlange war schon für einige Leute Anlass zur Besorgnis, aber eine riesige Giftschlange, war wohl eine Spur zu hoch. Viper hatte auch mal mit solchen Vorurteilen auf Schlangen zu tun gehabt, wenn er da an den Fall mit der Kobra Fu-Xi dachte. Selbst die eigenen Dorfbewohner hatten Viper aufgrund der Angriffe der Kobra angefeindet. „Tja, das kann ich dir nachfühlen, Kumpel…“ „Du weißt gar nichts!“, fuhr die Schlange ihm dazwischen, doch Po ließ sich diesmal davon nicht einschüchtern. „Oh, doch, meine Freundin ist auch eine Schlange. Und zusammen mit meinen anderen Freunden, sind wir das Kung-Fu starke Team.“ Mit diesen Worten holte er ein gemaltes Foto heraus, auf dem er und die Furiosen Fünf abgebildet waren. „Siehst du?“ Stolz hielt Po das Bild höher. Doch dem Python interessierte diese Aufmachung überhaupt nicht. Wütend packte er den Panda mit seiner Schwanzspitze und begann ihn nun ebenfalls um den Hals zu würgen. „Erspar mir dein Gesülze!“, schimpfte der Python. „Wenn du schon so schlangenfreundlich bist, dann gib mir dein Geld!“ Po versuchte seinen Hals zu befreien, doch der Python ließ einfach nicht locker. „Ich hab nur chinesisches Geld“, stieß Po mühsam hervor. „Ich meine, wenn dir das reicht…“ „Wie soll ich das denn jetzt wechseln?!“, schrie der Python lauter. „Denkst du man wird mich in eine Bank lassen?!“ „Dann frage ich mich aber, ob man dich überhaupt auf ein Schiff lassen wird“, entgegnete Po unwirsch, doch dadurch machte er die Schlange nur noch wütender. Und es dauerte nicht lange und Po war ebenfalls eingewickelt. „Hey, willst du uns jetzt beide umlegen?!“, protestieret der Panda empört. „Du tätest gut daran deine vorlaute Klappe zu halten!“, schimpfte der Python. Po spürte, wie der Python die Muskeln um ihn herum anspannte. „Wie wäre es denn, wenn wir dich mitnehmen?“ Der Python hielt inne. Sogar Shen sah verwundert auf, obwohl er immer noch von Kopf bis Fuß in Schlingen lag. „Wir wollen sowieso so schnell wie möglich wieder nach China“, führte Po weiter aus, „da könnten wir dich doch mitnehmen. Wir könnten doch eine Fahrgemeinschaft bilden.“ Der Python drückte seinen Körper enger um den Panda. „Willst du mich veralbern?!“ „Ich meine es ernst“, beteuerte Po. „Dann verrate mir doch, womit ich das bezahlen soll?“, forschte der Python böse. „Indem du uns freilässt“, bot der Panda an. „Das wäre doch ein guter Tausch, oder etwa nicht? Wir dürfen das erledigen, was wir in Japan erledigen wollen, und dann nehmen wir dich mit aufs Festland. Ist zwar nicht Afrika, aber besser als auf einer Insel zu bleiben.“ Po erstarrte kurzfristig, als der Python mit seinen Giftzähnen gefährlich nahe an ihn heranrückte. „Und wie wollt ihr das anstellen, dass ihr dem Kapitän erlaubt, eine riesige Giftschlange auf ein Schiff mitzunehmen?“ Po deutete auf Shen. „Weil ihm das Schiff gehört. Na ja, oder zumindest teilweise. Oder na ja, Meister Ochse sagte, er würde nur beschränkten Einfluss auf Gongmens Verwaltung haben, also es steht da noch nichts fest, aber er wird den Schiffseigentümer schon dazu überreden.“ Der Python besah sich den Pfau mit prüfendem Blick. „So wichtig sieht er gar nicht aus.“ Shen schnappte bei dieser Beleidigung hörbar nach Luft, soweit ihm überhaupt noch Luft zur Verfügung stand. „Nenn es wie du willst“, meinte Po belanglos. „Aber wir könnten es so machen, wenn du nicht für den Rest deines Lebens als Räuber neben der Straße lauern willst. Aber vorher müssen wir noch etwas erledigen.“ Der Python verengte die Augen. „Und was?“ „Wir wollen gegen eine Bande von Ninjas kämpfen. Oder zumindest was bei ihnen holen. Oder genauer gesagt jemanden…“ „Diese kampfsüchtigen Banditen von denen alle hier reden?“, fragte der Python verwundert und ließ Po los. „Du erwartest doch etwa nicht, dass ich da mitkomme?“ Po rieb sich seinen befreiten Hals. „Das hab ich auch nicht gesagt. Wir könnten uns doch im Hafen treffen.“ Der Python sah ihn misstrauisch an. „Und woher soll ich wissen, dass ihr mich nicht verschaukeln wollt?“ „Äh…“ Po wusste da im Moment auch nicht, wie er das beweisen sollte. „Also ich weiß nicht…“ Die Augen des Pythons wanderte auf das Lanzenschwert, welches Shen bei dem Überfall hat fallen lassen. Er hob es mit der Schwanzspitze auf und betrachtete es. „Mm, das hier scheint ja einiges Wert zu sein. Dann nehme ich das als Pfand mit.“ Po hob protestierend die Hand. „Äh, ich denke nicht, dass Sie das dürfen…“ Der giftige Python drückte den Pfau noch kräftiger, was Po notgedrungen dazu veranlasste nachzugeben. „Okay, okay, okay, dann eben so. Wir sehen uns doch eh später wieder, oder nicht?“ Der Python zischte. „Wenn ihr auf das Schiff kommt. Welches ist es? Und wo?“ „Das ist nicht zu übersehen. Es hat rote Segel. Und soweit ich auf der Anzeigetafel gelesen habe, wird das Schiff in Koyosho vor Anker gehen…“ „Na schön.“ Entsetzt beobachtete Po, wie der Python erneut damit begann den Pfau in seinem Griff kräftig zu drücken. Shen zappelte und rang nach Luft. „Hey, was soll das?!“, rief Po erschrocken. Der Python sah ihn düster an. „Nur damit dein Freund nicht auf dumme Gedanken kommt. Ich habe den Eindruck, er ist ein wenig zu angriffslustig.“ Einige Sekunden später lockerte die Riesenschlange zu Pos Erleichterung den Griff. Mit großen Augen sah Po zu, wie der Pfau halbohnmächtig aus dem Schlangenkörper zu Boden glitt. Der Python kümmerte sich nicht, um Shens erbärmlichen Zustand und kroch mit dem Lanzenschwert in der Schwanzspitze davon. „Ich erwarte euch dann im Hafen von Koyosho.“ Mit diesen Worten kroch er davon. Sprachlos starrte Po ihm nach. Doch dann fiel ihm Shen wieder ein. Besorgt beugte er sich über den Pfau, der schwer atmend im Gras lag. „Shen? Shen? Alles in Ordnung?! Sag doch was!“ Doch der Pfau war gar nicht in der Lage auch nur einen Satz von sich zu geben. Beruhigend hob Po die Arme. „Okay, okay, okay, erst mal tief Luft holen. Normal atmen…“ Der Panda wedelte mit den Pfoten über Shens Gesicht und fächerte ihm frische Luft zu. Nach einer Weile normalisierte sich Shens Atmung wieder. Und kaum hatte er sich halbwegs wieder gefasst, wanderten seine wütenden Augen auf den Panda. Po lächelte ihn an. „Hey, ich weiß wie du dich fühlst. Viper hatte mich auch mal im Würgegriff gehabt. Das war ein Erlebnis kann ich dir sagen, das hat auch ein Stück mein Leben verändert. Wer hätte je gedacht, dass beinlose Gesellen so eine Kraft aufwenden können… AUTSCH!“ Im nächsten Moment traf den Panda ein Fußtritt vom Pfau in die Magengrube. Mit schmerzverzerrtem Gesicht rieb Po sich den Bauch. „Oh, ich hab doch gerade noch gegessen.“ „Du verdammter Narr!“ Zornig sprang Shen auf. „Wie konntest du ihn entkommen lassen?!“ „Wieso?“, fragte Po. „Du kannst froh sein, dass ich das auf eine diplomatische Art und Weise gelöst hatte. Sonst hätte er dich mit ziemlicher Sicherheit zu Tode gewürgt.“ „Und dafür musstest du ihn mit meinem Schwert davonkommen lassen?!“, schrie Shen ihm dazwischen. „Shen, wir holen es uns ja wieder zurück“, versuchte Po ihn zu beruhigen. „Du hättest es bis aufs Blut verteidigen sollen!“ Shen sah aus, als würde er dem verschwundenen Python noch nachhaltig seine ganzen Federmesser in die Wirbelsäule schleudern. „Nun mal die Ruhe, Shen“, erhob Po mutig seine Stimme. „Spätestens in Koyosho treffen wir ihn ja wieder.“ „Und wer garantiert dir, dass dieses beinlose Kreatur es nicht an den nächsten versteigert?!“, beschwerte Shen sich weiter. Po zuckte die Achseln. „Warum? Nur weil er eine Schlange ist, heißt das doch noch lange nicht, dass er sein Wort nicht halten wird.“ „Er hat mich überfallen!“ Po verzog den Mund. „Also, würdest du mir das versprechen, ich würde dir glauben… AH!“ Dem Panda blieb der restliche Schrei im Hals stecken, als Shen sein Federmesser vor seiner Nase hielt. „Ich würde dir raten, darum zu beten, dass ich es wiederbekomme“, fauchte Shen zornig. „Sonst werden deine Knochen in der Sonne bleichen… Und zwar auf zwei Kontinenten gleichzeitig!“ Po zog eingeschüchtert den Kopf ein. „Hast du vielleicht Hunger?“ Mit diesen Worten holte er ein Onigiri aus der Hosentasche hervor, welches er beiseitegelegt hatte. Doch Shen holte mit seinem Flügel aus und schlug es ihm aus der Pfote. Das Reisbällchen wirbelte durch die Luft und landete in einer Dreckpfütze. Zuerst starrte der Panda mit offenem Mund auf das Malheur. Dann zog er erbost die Augenbrauen zusammen und sah Shen vorwurfsvoll an. „Schön. Fühlst du dich jetzt besser?“ Shen stieß ein lautes abfälliges Schnauben aus. „Wie kommst du eigentlich dazu zu behaupten, wir wären innerhalb kürzester Zeit wieder in China?!“ „Na ja, ich darf doch nicht so lange wegbleiben“, meinte Po. „Immerhin muss ich noch zu einem Kung-Fu-Fest.“ Der Panda wich einen Schritt von Shen weg, als dieser lauter und aggressiver zu atmen begann. Schließlich steckte Shen sein Messer wieder ein und schwang wütend seine Robe herum. „Warum verschwindest du nicht wieder zu deinem Kung-Fu-Verein?!“ Po zog die Augenbrauen zusammen. „Shen, was hast du eigentlich gegen Kung-Fu?“ Shen presste die Schnabellippen zusammen. Po meinte sogar, er würde fast weinen, doch dann drehte der Pfau seinen Kopf verbittert zur Seite. „Es geht dich gar nichts an.“ „Natürlich geht es mich was an, ich bin doch dein Freund.“ „DAS BILDEST DU DIR NUR EIN! Ihr und eurem verseuchten Gefasel von Freundschaften, könnt mir gestohlen bleiben!“ Shen riss seine Tasche vom Boden hoch und warf sie sich über die Schulter. Po sah ihn völlig verdattert an. Normalerweise verwendete Shen selten solch eine Ausdrucksweise, doch im Moment schien es dem Pfau völlig egal zu sein, was er von sich gab. Schließlich deutete Shen drohend mit einem Federzeigefinger auf den Panda. „Und ich habe längst nicht vergessen, dass ihr noch meinen Sohn mit hineingezogen habt!“ Po fühlte sich wie vor dem Kopf geschlagen. „Was habe ich denn jetzt schon wieder Falsches gesagt?“ Ein böser Blick von Shen und Po wich etwas zurück. „Okay, okay, okay… belassen wir es doch einfach dabei. Immerhin müssen wir noch deinen Bruder suchen.“ Shen stieß ein lautes Knurren aus, dass seine Kammfedern zitterten. Da war schon wieder dieses Wort „wir“. „Kannst du mich nicht einmal in Ruhe lassen?!“, knurrte der Pfau verbissen. „Nur ein einziges Mal?! Zudem müsste ich dich einsperren lassen. Du bist als blinder Passagier ohne Bezahlung auf einem Schiff mitgereist!“ Po schaute zerknirscht zu Boden. „Tut mir leid, ich war nur neugierig gewesen…“ Dem Panda stockte der Atem, als Shen mit düsterem Blick auf ihn zuging und ihn mit seinen Augen durchbohrte. „Neugier kann sehr gefährlich werden“, raunte Shen ihn unheilvoll zu. Po machte gerade den Mund auf, doch noch ehe er einen Laut von sich geben konnte, kam Shen ihm zuvor. „Was ist denn?! Hau doch einfach ab!“ „Wie du willst.“ Po kehrte ihm dem Rücken zu. „Dann werde ich dir eben nichts über deinen Bruder erzählen, dass mir eine alte Dame im Gasthaus gesagt hat, die Tee trinkt. Und ein Wirt der kein chinesisches Geld akzeptiert.“ Diese Verkündigung ließ den Pfau aufhorchen. „Was hat sie dir erzählt?“ Po drehte sich wieder zu ihm um. „Also darf ich mitkommen?“ „Was hat es damit zu tun?!“ Es ärgerte Shen maßlos, dass der fette Panda mehr wusste als er. Doch Po verzog keine Miene, sondern setzte nur ein Grinsen auf. „Nur wenn ich mitkommen darf, dann erzähle ich dir, was ich weiß.“ Shen verengte bösartig die Augen. „Erpresser.“ Po zuckte die Achseln. „Sieh es doch als eine Art Bezahlung an.“ Der Drachenkrieger schaute besorgt auf Shens Flügel, die sich bedrohlich anspannten und zu Fäusten geballt waren. Seufzend ließ Po die Schultern hängen und sah Shen bittend an. „Shen, könnten wir denn nicht zusammen weiterreisen? Nur zumindest für eine kleine Weile? Du wirst nicht mal merken, dass ich da bin.“ Das würde Shen am schwierigsten fallen. Dieser tollpatschige Panda, war doch gar nicht zu übersehen. Wütend verschränkte der weiße Pfau die Flügel und drehte dem Panda den Rücken zu. Schüchtern trat Po näher an ihn heran. „Nur für eine ganz kleine Weile wenigstens?“, hackte Po bittend nach. „Du kennst mich doch. Ich werde sonst eh nur heimlich hinter dir her gehen. Aber wenn du mich siehst, kannst du mich ja dabei im Auge behalten.“ Shen erwiderte nichts, sondern starrte nur in den Wald. Po ließ seinen Blick kurz durch die Gegend schweifen, dann schaute er wieder auf den weißen Pfau. „Also, je länger du mit deiner Antwort wartest, desto später wird es. Es wird ja gleich schon dunkel…“ „Na schön!“, unterbrach Shen genervt seine Predigt. „Dann erlaube ich dir mitzukommen.“ Noch ehe Po einen Jubel ausrufen konnte, kreuzte Shens Flügel wieder sein Blickfeld. „Aber ich dulde keine Beschwerden! Und das Reisetempo bestimme ich, verstanden?! Wenn du nicht mithalten kannst, dann halte ich deinetwegen nicht an!“ Po schluckte. Das war deutlich. Aber eine andere Wahl hatte er eh nicht, wenn er Shen begleiten wollte. „Alles klar. Hab verstanden.“ Etwas entspannter ließ der Pfau wieder den Flügel sinken. „Also, was weißt du?“ Po zuckte die Achseln. „Och, nicht viel. Nur, dass mir eine alte Dame berichtet hat, dass dein Bruder vor über 20 Jahren in einem kleinen Ort gesichtet worden war. Danach hatte sie ihn aber nicht mehr gesehen. Dafür hab ich erfahren, dass diese Ninjas mit Vorliebe gerne kostbare Schätze plündern sollen.“ Shen hob die Augenbrauen. „Das ist alles?!“ „Ich denke, ja.“ Shen stieß ein wütendes Knurren aus. Und dafür hatte er sich überreden lassen? Gekränkt wandte der weiße Pfau sich von dem Panda ab und begab sich wieder auf den Weg, den er zuvor entlanggegangen war. „Äh, Shen?“, fragte Po, woraufhin Shen sich genervt zu ihm umdrehte. „Was?“ „Hast du wirklich kein Geld bei dir? Ich dachte, du hättest es in Gongmen schon gewechselt.“ Zu Pos Überraschung huschte ein Lächeln über Shens Schnabelwinkel. „Panda, denkst du wirklich, ich würde es in der Tasche mit mir herumtragen, wo es jeder entwenden kann?“ Po sah ihn verwundert an. „Wo hast du es dann?“ Shen schnaubte kurz, doch dann hob er den Zipfel von seiner Robe und deutete auf den Saum, in dem etwas eingenäht worden war. Po betrachtete den Saum genauer. Der Stoff schien an dieser Stelle etwas dicker zu sein, was man von außen nicht sehen konnte. „Ich hab das Geld in meinem Mantel eingenäht“, verkündete Shen mit stolzer Stimme und ließ seinen Mantel wieder los. Dann schritt der Pfau mit hoch erhobenem Schnabel an den Panda vorbei. Po sah ihn für einen Moment sprachlos hinterher, dann lächelte er. „Na dann, müssen wir hoffentlich nicht verhungern.“ Dann lief er Shen nach, sichtlich darauf gespannt, was sie in den Wäldern Japans noch erwarten wird. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)