Raum und Zeit von behrami ((Titelvorschläge werden entgegengenommen)) ================================================================================ Kapitel 1: Statesman - 2017 --------------------------- Das Klopfen an der Metalltür klingt hohl im leeren Flur nach. Nur dumpf kann er die Geräusche der Besatzung durch die endlosen Gänge und Wände des Flugschiffs hören, obwohl sie zu hunderten an Bord waren. Schon seine Schritte hier her haben gehallt, als befände er sich auf einem Friedhof. Mit einem harten Schlucken klopft er erneut. Thor hat gar nicht erst lange versucht, Loki unter den Asen, die sich zu hunderten in der Halle der Statesman drängen, zu finden, sondern ist direkt auf die Brücke des Schiffs hinaufgestiegen. Wenn Loki sich irgendwo eingerichtet hat, dann sicherlich nicht in den unten liegenden Lagern und Maschinenräumen, sondern oben, wo die Kommandos gegeben werden. Und die an der Tür angebrachten goldenen Hörner teilen Thor ihr Übriges mit. „Loki!“ Thor klopft ein letztes Mal, doch er bekommt keine Antwort. Kurz überlegt er, sich abzuwenden. Schließlich drückt er kräftig gegen die Tür. Zu seiner Überraschung öffnet sie sich ohne großen Widerstand. Offensichtlich hat sein Bruder sie nicht verriegelt, wie Thor aber angenommen hatte. Krachend schlägt sie im Inneren des Raumes gegen die Wand und Loki fährt hoch. Loki hatte es sich auf einem prunkvollen Bett bequem gemacht. Jetzt sitzt er aufrecht und die verkrampften Schultern sprechen von Alarmbereitschaft. Erst langsam bemerkt Thor, dass der ganze Raum, den er mit einer leicht gehobenen Augenbraue registriert, vollkommen anders aussieht als jeder andere Winkel des Flugschiffes. Während die Statesman eigentlich ein sakaarisches Transportschiff und nicht für längere Aufenthalte ausgelegt ist, sieht dieser Ort eher nach ihren Gemächern im Palast von Asgard aus. Fein gedrechselte Holzmöbel, deren Polster mit Stoffen überspannt sind, seidene Vorhänge links und rechts des prominenten Fensters, Regale voller alter und wertvoller Bücher, sowie ein Tisch, dessen glänzend polierte Platte unter verschiedenen Schriften kaum noch zu sehen ist. In einer entfernten Ecke steht sogar ein Steinbecken, das leicht dampft und darauf schließen lässt, dass es warmes Wasser enthält. Alles ist erleuchtet mit asgardischen Fackeln, die ohne Feuer einen warmen, goldenen Schein verbreiten. „Was ist das hier?“ Lokis Kopf ruckt provokant und mit drohendem Unterton sagt er: „Erwartest du von mir, dass ich wie ein Herumtreiber hause?“ Während er sich von seiner Bettstatt erhebt, streicht Loki sich über das Haar. Er hat sich seiner Kampfausrüstung entledigt und trägt weder seinen waldgrünen Umhang, noch die Schulterverstärkungen. Loki steht nun aufrecht im möblierten Raum, als gehöre ihm das Schiff und alles, was darauf zu finden ist, und Thor zweifelt keine Sekunde daran, dass sein Bruder tatsächlich in der Lage ist, nach eigenem Willen so viel Materie zu beschwören. Thor schmunzelt für einen kurzen Moment, dann blinzelt er wohlwollend. Anders als Loki trägt Thor noch immer den Brustpanzer, den er sich als Gladiator auf Sakaar gewählt hat. Die Flucht von Asgard lief so übereilt ab, dass niemand der Zufluchtsuchenden weitere Ausrüstung mit an Bord gebracht hat. Auch wenn Heimdall seine Schützlinge schon einige Zeit vor Hela verborgen hatte, die meisten waren nicht mit mehr geflohen als dem, was sie am Leib trugen. Die Ressourcenknappheit wird ihnen noch den Hals zuschnüren. Aber immerhin: Während Odin stets Wert daraufgelegt hat, dass seine Familie sich vorzeigbar präsentiert, gibt es auf der Statesman nun auch keinen Bedarf mehr für unbequeme Herrschaftszeichen. „Mir war nicht bewusst, dass Inneneinrichtung dir Freude bereitet, Bruder.“ Loki wirft Thor einen langen, verkniffenen Blick zu, ohne etwas zu sagen, dann wendet Thor sich ab und betrachtet die Szenerie vor dem Fenster. Um sie herum herrscht nichts als funkelnde Galaxie. Verschiedene Sternennebel leuchten in unterschiedlichen Entfernungen und abwechselnden Farbtönen, je nach Atmosphäre und Wellenlänge des Lichtes. Zu anderer Zeit hätte Thor sich daran erfreut, doch heute wünscht er sich nichts sehnlicher, als bereits jetzt ein Anzeichen der verbleibenden Acht Welten zu entdecken. Wenigstens deutet auch nichts mehr auf die Zerstörung Asgards hin. Thors Herz krampft sich zusammen. Asgard. „Was treibst du hier?“, fragt er, um sich abzulenken, und greift sich einen Gegenstand von Lokis Schreibtisch. Es ist ein kleiner Hammer aus Metall mit wuchtigem Kopf, der an einem winzigen Karabiner hängt. So etwas ähnliches hat er schon einmal an Darcys Autoschlüssel gesehen, aber es erinnert ihn auch an Mjölnir. „Und was ist das?“ Bevor Loki antworten kann, wirft Thor das kleine Ding nach ihm. Reflexartig fängt Loki es auf, indem er seine langen Finger darum schließt. „Wie ich bereits sagte: Ich bin hier.“ Loki blinzelt und schaut Thor direkt in die Augen. Eine Pause entsteht, aber keiner von beiden wendet den Blick ab. Wie Thor erwartet hat, ergreift Loki nach kürzester Zeit das Wort. Mit einem Nicken in den Raum sagt er: „Nun, ich habe mir erlaubt, mich zurückzuziehen.“ Loki verschränkt die Arme vor der Brust, den kleinen Hammer am Karabiner noch immer fest in der Hand. „Gibt es etwas, das du von mir benötigst, mein König?“ Lokis Worte triefen vor Hohn. Thors Anerkennung als Herrscher von Asgard ist noch keine zwei Stunden her und schon steht die Angelegenheit zwischen ihnen. Thor weicht nun doch Lokis Blick aus. Dass sein kleiner Bruder anfangs zögerlich, dann aber doch an seiner Seite an der behelfsmäßigen Zeremonie teilgenommen hat, bedeutet Thor viel. Vielleicht sollte er ihm jetzt tatsächlich ein wenig Abstand gewähren. Aber es ist schwer, Loki zu vertrauen, erstrecht wenn man ihn aus den Augen lässt. Schließlich sagt Thor: „Nein, ich brauche nicht direkt etwas“ und lässt Loki den Sieg des Hohns. Stattdessen greift Thor sich das nächstbeste Buch vom Schreibtisch und betrachtet für einen Moment den Titel. Es ist ein abgegriffenes Exemplar, offenbar ist es bereits durch viele Hände gegangen und ist oft gelesen worden. Die Frontseite ist einheitlich grau und nur ein einziges Wort prangt darauf. „Was ist das, ‚S.E.N.F.‘?“ Die Druckart verrät, dass dieses Buch sicherlich nicht von Asgard stammt. Sein Aussehen erinnert Thor an die Unterlagen im Forschungslabor von Jane Foster und Erik Selvig. Schneidend entgegnet Loki: „Und seit wann interessierst du dich für Wissenschaft?“ Loki streckt fordernd die Finger aus und Thor übergibt ihm ohne weitere Fragen das Buch, hebt dann in einer entschuldigenden Geste beide Hände. „Wenn du nichts zu sagen hast, schlage ich vor, dass du jetzt gehst. Ich werde mich ausruhen. Nicht jeder von uns ist gebaut wie ein Stier.“ Thor zögert kurz, dann nickt er. „Gut.“ Er tritt zurück zur Tür, die noch immer offensteht und greift vorsichtig die Klinke. „Wenn du mich suchst, ich bin-“ „Bei deinem Volk. Wo auch sonst.“ Loki Mundwinkel zucken nach oben, den Kopf hat er leicht schief gelegt, aber das Lächeln erreicht seine Augen nicht. Thor zieht die Tür vorsichtig hinter sich zu, darauf bedacht, die angebrochenen Angeln nicht gänzlich zu zerlegen. Als er die Treppe zur Brücke nimmt, lächelt er. Vielleicht gleicht das Schiff doch keiner Grabstätte. Er ist da. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)