Raum und Zeit von behrami ((Titelvorschläge werden entgegengenommen)) ================================================================================ Kapitel 8: Statesman – 2017 | Übung 23 – Übungsziele: 1365 • 1477 • 1972 ------------------------------------------------------------------------ „Dann bin ich auch nicht deine Mutter.“ Frigga schaute Loki mit glatt aufeinander gepressten Lippen an, aber er spürte, was für Emotionen sie dahinter verbarg. Schon ihr gekränktes Lachen, kurz nachdem er sie angeschrien hatte, hatte ihm das Herz gebrochen. Nun konnte Loki kaum auseinanderhalten, ob sie eine Frage gestellt hatte oder ob es eine Aussage war. Er zögerte. Atmete ein, wie um Zeit zu gewinnen. Blinzelte. Blinzelte erneut. Sein Magen krampfte sich zusammen. Dann streckte er den Rücken durch und antwortete abgeklärt: „So ist -.“ NEIN, NEIN, NEIN! Verdammt noch mal! Lass. Dich. Nicht. Ablenken! × 1365 • Loki ließ den Kopf nach hinten fallen und schloss für einen Moment die Lider, damit die anderen sein Augenrollen nicht sehen konnten. Thor war so ein unglaubliches Rindvieh. Sicherlich entnervten viele Brüder ihre Geschwister, aber Loki war davon überzeugt, dass Thor ein ganz besonderes Exemplar war. Seit er Mjölnir vor gut drei Wochen von Vater erhalten hatte, hatten wirklich alle Asen nur noch Augen für ihn. Egal, wohin er ging, die Köpfe drehten sich nach Thor, ihrem Prinzen, um und obwohl selbst Sif und die Tapferen Drei von ihm angestrengt wirkten, sonnten sie sich doch in dem Glanz, den der Hammer auf sie warf. Nun, es war keine Überraschung, denn für abhängige Persönlichkeiten war es nun einmal schwer, sich nicht auch mit fremden Lorbeeren zu schmücken. Loki verschränkte die Hände unter dem Kopf und ertastete das grüne Gras. Es war saftig und feucht und gesund. Es ging Asgard blühte auf und seit Langem hatte es kaum einen Vagabunden mehr hierher verschlagen. Die Kunde, dass die Krieger von Asgard, angeführt durch die beiden Prinzen, ihre Heimat mit Erfolg vor Eindringlingen schützten und sich dabei alles andere als stümperhaft anstellten, hatte sich offenbar in den Neun Welten herumgesprochen. Und das war auch schon der Fall gewesen, bevor Thor diesen unsäglichen Hammer bekommen hatte. Loki unterdrückte ein Seufzen und beobachtete die anderen, die anfingen, mit Thor ein Spiel zu spielen. Sif, Volstagg und Fandral warfen unter Hoguns strengem Blick abwechselnd Felsbrocken, die sie am Rande der Weide entdeckt hatten, und Thor schwang mit ausladenden Bewegungen seinen Hammer, um zu testen, ob die Brocken entweder in kleine Kiesel zersprangen oder wie ein Geschoss durch die Luft segelten. Wann immer Letzteres der Fall war, schlugen sie hinter Loki in die steil abfallende Felswand ein. Dann donnerte ein Hallen durch die Tiefebene am Rande von Asgard. Loki vermutete, dass man den Lärm noch im Palast vernehmen konnte. × 1477 • Sif lief in ihrem gewohnten, zielgerichteten Schritt an ihm vorbei. Wenn er so darüber nachdachte, war sie wirklich eine beeindruckende Person. Tatsächlich traute Loki ihr zu, nicht nur Feldherrin für die Streitmacht zu werden, sondern, hätte es keine festgeschriebene Thronfolge gegeben, auch die Herrschaft zu übernehmen. Sie war klug, resolut und empathisch. Nicht ohne Grund war sie dazu auserkoren worden, die Verbrecherin Lorelei zu verfolgen und zurückzubringen, nachdem sie versucht hatte, mit den Männern, die sie magisch kontrollierte, in anderen Welten einzufallen. Selbst den Tod ihres Geliebten Haldors schien Sif unerwartet schnell verarbeitet zu haben. Das Einzige, was Loki an ihr zweifeln ließ, war ihre unverhohlene Eitelkeit. Anders als die anderen weiblichen Kriegerinnen von Asgard hatte sie sich beispielsweise nie dafür entschieden, ihre langen Haare abzuschneiden oder unter einen Helm zu zwingen. Zwar hatte ihr Zopf sie noch nie in brenzlige Situationen gebracht, aber was nicht war, konnte natürlich immer noch werden. Es brauchte nur einen Gegner, der sie bei den Haaren packte, und dann… War es nicht vielleicht besser, sie im Voraus auszuschalten? Nicht, dass sie noch irgendwann einmal ganz Asgard in Gefahr brachte. Geräuschlos rückte Loki ein Stück hinter dem Wandvorsprung vor und hob die Hand neben den Kopf. Ein kleines Messer materialisierte sich golden leuchtend zwischen seinen Fingern. Loki stand in einer Nische verborgen, die er schon als Kind als hervorragendes Versteck ausgemacht hatte, wollte man belauschen, was im Thronsaal gesprochen wurde. Es würde nicht lange dauern, bis Sif ihren Bericht bezüglich Loreleis Ergreifung an Odin abgeliefert hatte und noch einmal diesen Weg lief. Er musste nur… warten. Es juckte Loki in den Fingern. Er hasste Warten. Als die große Tür zum Thronsaal aufschwang und Sifs gerüsteten Stiefelschritte über den Korridor hallten, sog Loki ein letztes Mal die Luft ein. Ein Wurf und es war vorbei. Nur ein Wurf. Er hörte Sif näherkommen und genau in dem Moment, in dem sie an Lokis Erker vorbeischritt, warf er lautlos sein Messer. Der Dolch sirrte durch die Luft. Sif schien ihn nicht zu bemerken. Loki sah schon, wie er sein Ziel erreichte. Doch in dem Moment, in dem er sie im Nacken hätte treffen sollen, hob Sif unvermittelt die Hand. Erst dachte Loki, sie würde sich schützen, doch offenbar war es nur ein Gruß: Eine der Wachen am Eingang des Korridors stammte aus ihrer Kompanie. Diese kleine Bewegung reichte jedoch aus, um ihren seidigen Zopf aus der genau berechneten Flugbahn zu nehmen und so durchschnitt die Klinge nur einen Teil ihres zusammengebundenen Schopfes. Die abgetrennten Haare schwebten lautlos hinter ihr zu Boden. In seinem Versteck verzog Loki peinlich berührt das Gesicht. Vermutlich würde Sif in kürzester Zeit herausfinden, wer für ihren neuen Haarschnitt verantwortlich war. Sie würde ihm vermutlich den Kopf abreißen wollen. Und sie war keine von denen, die in Anbetracht ihrer royalen Stellung die Prinzen nicht anpackten. Naja, immerhin beachtete ihn dann überhaupt mal wieder jemand. × 1972 • Gelangweilt streifte Loki durch die Bibliothek auf der Suche nach neuen Themen, die ihn interessieren konnten. Die Menschen hatten immer eine solche drollige Auswahl an Büchern. Zu seiner Linken befanden sich Exemplare über Astrologie. Offenbar eine Wissenschaft, die die Menschen lehrte, wo der Zusammenhang zwischen Sternenkonstellation und Schicksal war. Ihrer Meinung nach entschieden die Planeten und Sterne darüber, ob sie krank wurden, reich wurden oder doch von ihren Liebsten verstoßen. Als Loki das erste Mal davon gehört hatte, hatte sein Puls sich beschleunigt. Konnte es solche Verkettungen geben, die das Handeln bestimmten? Doch schon nach kurzer Zeit, die er zwischen zwei Buchdeckeln verbracht hatte, stellte er fest, dass die ganze Abteilung nur Irrsinn enthielt. Die Sterblichen wollten offenbar glauben, aber zu wissen, schienen sie nichts. Zu Lokis Rechten erstreckte sich hingegen ein langes Regal mit Büchern über Astronomie. Hier hatte Loki noch nie zugegriffen. So sehr die Allväter den Menschen schon vor tausenden von Jahren beizubringen versucht hatten, wie das Universum funktionierte, sie schienen es einfach nicht zu begreifen. Seine Mutter hatte Loki von klein auf mit Astronomie-Büchern versorgt und sein Wissen überstieg das der Menschen bei Weitem. Es ergab also keinen Sinn, sich hier noch weiter bedienen zu wollen. Ziellos zog Loki weiter und entdeckte schließlich bei den Neuerscheinungen einen scharlachroten Einband mit dem Aufdruck eines Mannes im Anzug mit Schulterpolstern. Er entsprach der aktuellen Mode in diesem Teil Midgards, aber Loki hielt nicht sonderlich viel davon und entschied sich bei seinen gelegentlichen Ausflügen auf die Erde nach wie vor für eher körperbetonte Jacketts. Schon von Kindesbeinen an hatte er stets androgyne Kleidung bevorzugt. Bei der Person auf dem Einband handelte es sich offenbar um den Autoren des Buches, einen J. Jonah Jameson. Aber das, was Loki eigentlich hatte innehalten lassen, war der Titel, der in großen weißen Buchstaben gegen einen schwarzen Hintergrund gedruckt war, ganz ähnlich der typischen Optik einer irdischen Zeitung: SCHLECHTE PRESSE IST GUTE PRESSE Stirnrunzelnd las Loki, was auf den hinteren Buchdeckel gedruckt war. Dann klappte er es mit gehobenen Augenbrauen auf, blätterte an verschiedenen Stellen ein wenig und ließ es letztlich unter seiner Anzugjacke verschwinden. Nur zwei Tage später reihte Loki es in seiner persönlichen Ecke in der Palastbibliothek ein. Man sah dem Buch die Gebrauchsspuren eines konzentrierten Lesers an. × Loki grinst, als er einen Blick hinüber zu seiner kleinen Auswahl an Büchern in seiner Kabine der Statesman wirft. Auch hierher hat er Jamesons Buch mitgenommen. Er kann nicht ganz sagen, warum ausgerechnet diese Erinnerung ihn so amüsiert, aber vielleicht ist das genau die Information, die er über sich selbst gebraucht hat, um zu verstehen, wie seine Gedanken, seine Aufmerksamkeit und seine Konzentration auf einzelne Fakten funktionieren. Dadurch kann er beurteilen, ob ein Szenario ihm glaubhaft oder nicht erscheint. Er muss letztlich nicht alles perfekt gestalten, sondern eine Szene muss dort stimmig sein, wo die Aufmerksamkeit des Erlebenden liegt. So simpel diese Erkenntnis auch ist, Loki realisiert, dass es sich bei dieser Übung um einen Meilenstein in der Vorbereitung seines Plans handelt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)