Waschbärenüberfall von Alaiya ================================================================================ Kapitel 1: Ein Waschbär geschenkt --------------------------------- „Also stand ich da, direkt an der Klippe und Owlbert war nirgends zu sehen“, erzählte Eda mit weiten Gesten, „und diese Coven-Idioten hatten mich in die Ecke gedrängt.“ Sie genoss Raines angespanntes Interesse, als sie eine dramatische Pause machen. „Sie hatten mich fast. Der Anführertyp hat irgendwie sowas gerufen: ‚Jetzt haben wir dich, Owl Lady! Du wirst für deine Verbrechen bezahlen!‘ Und ich denke mir nur: ‚Verdammt, sie haben mich wirklich.‘ Sie wollten echt einen Fesselzauber auf mich sprechen und dann…“ Sie grinste breit, als sie fühlte, wie sich ihr Partner neben ihr anspannte. „Dann bin ich von der Klippe gesprungen!“ Raine zog hörbar die Luft ein, was Eda ein Lachen entlockte. „Du bist gesprungen?“ „Jap!“ Eda grinste breit. „Ich bin gesprungen. Und ich bin noch immer hier!“ „Aber… wie? Warum? Sicher…“ Raine war deutlich nicht sicher, ob they lachen oder Eda nur ungläubig anstarren sollte. Sie zuckte bloß mit den Schultern. „Na ja, technisch gesehen hab ich drauf gebaut, dass Owlbert rechtzeitig zurückkommt. Ist er aber nicht. Aaaaaaber… Der Fluch hat mich übermannt und ich nehme mal an, das Eulenbiest ist einfach weggeflogen. Weiß nicht. Als ich aufgewacht bin, lag ich auf jeden Fall im Wald.“ Als ob von der einfachen Erwähnung beschworen, musste sie sich eine einzelne Feder aus dem Haar zupfen. They atmeten tief aus. „Eda. Du kannst nicht so unvorsichtig sein. Wenn ich nur daran denke, was du alles tun könntest wenn ich nicht…“ Dennoch konnte they nicht länger das Lachen zurückhalten, als they eine Hand auf ihre legten. „Eda, ich wüsste nicht was ich tun würde, sollten mich die Nachricht ereilen, dass die Eulenfrau getötet wurde!“ „Ach, mach dir keine Sorgen, Rainstorm. Mich bringt man nicht so leicht um.“ Sie beugte sich vor, um einen kurzen Kuss zu stehlen. Für einen Moment saßen sie einfach da, sahen sich einander in die Augen. Raine hatte keine Idee, was ihr diese Treffen bedeuteten. Es war einfach so schön – jemanden da zu haben, mit dem man reden konnte. Jemand anderes als Hooty, der Eda noch immer regelmäßig einen Schauer über den Rücken jagte. Sie warf der Tür einen Vorsichtigen Blick zu. Immerhin konnte man nie sicher sein, wann der Dämon einen zarten Moment unterbrechen würde. Doch es war an diesem Tag nicht Hooty, der sie unterbrach. Stattdessen war es Owlbert, der auf sie zugeflogen kam, vor Furcht heulend. Er drückte sich gegen Edas Schulter. „Was ist denn mit dir los?“ fragte sie sanft. Mit Vorsicht nahm sie den Palismen von ihrer Schulter, um ihn sich anzuschauen. Da waren leichte Kratzer auf seinen Hölzernen Feder und Tränen in seinen Augen. Er hatte deutliche Angst. Die Frage war bloß: Vor was? Bevor sie jedoch fragen konnte, beantwortete ein lautes Rumpeln die Frage. „Was war das?“, fragte Raine. Eda tätschelte den Kopf ihres Palismen, ehe sie aufstand. „Sollten wir uns wahrscheinlich ansehen.“ Sie war sich nicht ganz sicher, was passiert war. Um den Nachmittag mit Raine zu haben, hatte sie Owlbert in die Menschenwelt geschickt, damit er ihr wunderschönen Müll besorgen konnte. War er verfolgt worden? Einen Zauberkreis malend beschwor Raine theire Geige, die they anstelle eines Stabs nutzte. Dann nickten die beiden Hexen einander zu und schlichen vorsichtig zu der Treppe hinüber. Was auch immer es war: Es schieb im Obergeschoss zu sein. Ein weiteres Rumpeln. Irgendetwas war umgefallen. Da waren andere seltsame Geräusche. „Vielleicht eine Giraffe?“, murmelte Raine. „Ja, vielleicht…“ Eda stieg als erste die Treppen hinauf. Nun konnte sie auch ein Kratzen hören. Irgendwer oder irgendetwas schien sehr panisch zu sein. Die Laute kamen aus einem alten Lagerraum, in dem Eda ihrem Menschenmüll aufbewahrte – wie auch alles andere, was sie vielleicht irgendwann mal gebrauchen könnte. Dinge, wie das Portal halt. Wenn sie es gerade nicht nutzte, bewahrte sie es hier auf. Owlbert zitterte auf ihrer Schulter. Was auch immer es gewesen war, es hatte definitiv Eindruck bei ihm hinterlassen. Dennoch hatte er es irgendwie geschafft, die Tür hinter sich zu schließen. Noch einmal drehte sich Eda zu Raine um, nickte them zu und trat dann die Tür ein, nur um mit einem wütenden „Kreeeeee!“ begrüßt zu werden. „Was zum…“, murmelte Eda, als sie sah wie die kleine graue Kreatur panische Kreis durch das Zimmer rannte, während Boxen, Taschen und deren Inhalte sich über den Boden verteilten. Ein Menschending aus Glas zerbrach und ein anderes Ding, das aussah, wie ein toter Fisch, fing plötzlich an zu singen, während es seine Flossen rhythmisch bewegte. Dies sorgte bei der kleinen Kreatur jedoch nur für mehr Panik. Einen Moment später hatte das Tier jedoch bemerkt, dass die Tür offen war und rannte auf sie zu. „Hey, du kleiner…“ Eda brückte sich, um sich die Kreatur zu schnappen, hatte jedoch nicht mit den scharfen Krallen gerechnet. „Raine!“, rief sie, doch auch ihr Partner war zu überrascht, um zu reagieren. Das Tier – denn es musste ein Tier sein – rannte auf den Flur hinaus und suchte verzweifelt nach einem Ort um sich zu verstecken. Erst jetzt reagierte Raine. They spielte eine kleine Melodie, beschwor damit ein Netz mitten im Flur. Doch die Kreatur schien so etwas erwartet zu haben. Sie machte eine Kehrtwende und rannte im nächsten Moment die Treppen hinab. „Kreeeee!“ „Mist,” murmelte Eda und nahm die Verfolgung auf. Ihr brennendes Gesicht ließ sie sich schon fragen, ob das Biest wohl irgendwie giftig sei. Es sollte es nicht sein, oder? Größere Kreaturen aus dem Menschenreich waren selten giftig. „Was passiert hier, hoot?“, kam die nervige Stimme Hootys von unten. „Egal was du tust: Lass das Biest nicht raus!“, rief Eda. „Und friss es nicht!“ „Kreee!“ „Aber warum nicht, hoot?” Eda sprang das letzte Stück Treppe hinab und versuchte sich zu orientieren, um zu sehen, wohin das Biest verschwunden war. „Tu’s einfach nicht!“ Ein metallenes Krachen verriet ihr, dass die Kreatur in die Küche geflohen war. Sie folgte, nur um gerade noch sehen zu können, wie das Biest quer über den Tisch sprang und dabei ihr Apfelblut umwarf, wobei es den Inhalt großzügig über den Küchenboden verteilte. „Hey, du kleines Mistvieh! Das war meins!“ Am Ende war es jedoch Raine, dier es schaffte die Situation zu deseskalieren. Auf einmal füllte erneut Musik das Haus. Eine sanfte Melodie, die in Eda ein seltsames Gefühl der kompletten Friedfertigkeit hervorrief. Ein anderer Zauber. Für einen Moment wirkte es noch so, als würde es nicht auf das Tier wirken, doch dann stoppte es in seiner panischen Rennerei. Es stellte seine flauschigen Ohren auf und lauschte der Musik. Zum ersten Mal konnte Eda das Biest richtig begutachten. Es war nicht klein, aber auch nicht richtig groß. Es war etwa so groß wie der Palismen ihrer Mutter. Das Tier war größtenteils grau und wirkte irgendwie ein wenig dick. Da waren außerdem Streifen auf seinem Schwanz, sowie auch ein großer, schwarzer Streifen in seinem Gesicht, der es fast so wirken ließ, als würde es eine Maske tragen. Nun setzte es sich hin, fast wie es ein Hexenkind tun würde, und begann das Apfelblut von seinen Pfoten zu lecken. Eda schluckte ihre Wut auf das Tier. Es war nicht seine Schuld. Wahrscheinlich hatte es nur unwissentlich Owlbert verfolgt. „Ist schon okay, du kleines Mistvieh,“ sagte sie sanft und ging vorsichtig zu der Kreatur hinüber. Diese beobachtete sie weiterhin misstrauisch, versuchte jedoch nicht wieder zu fliehen während die Musik weiterhin spielte. Dann hob Eda es hoch. Es war sowohl überraschend weich, als auch überraschend schwer. „Dummes, kleines Mistvieh,“ flüsterte sie. „Einfach Owlbert durch das Portal gefolgt, hmm? Du gehörst hier doch nicht her.“ „Kek?“ Die Kreatur beobachtete sie fragend. Nun stoppte Raine ihren Zauber – und das Tier blieb weiterhin ruhig. Eda war sich fast sicher, sie hatte schon mal ein Bild von einer solchen Kreatur gesehen. Ja, stimmt. Da hatte es doch dieses Bild gegeben. So eine Kreatur als Dieb verkleidet. Ein kleiner Dieb, eh? Irgendwie gefiel ihr das. „Passiert dir so etwas häufiger?“, fragte Raine und schnüffelte am Fell des Tieres. (Dieses stank!) Eda zuckte mit den Schultern. „Manchmal. Aber meistens sind’s Katzen.“ Immerhin liebten die Menschen ihre Katzen. „Und was machst du dann mit ihnen?“ „Ich bringe sie zurück.“ Eda lächelte, ehe ihr Blick in die Küche fiel. Hier sah es aus, wir an einem Tatort. „Wobei ich dieses Mal glaube ich erst aufräume…“ *** Eine halbe Stunde später hatte Eda bereits beschlossen, dass dieses kleine Biest eigentlich recht niedlich war. Vor allem verstand es erstaunlich gut, wie man bettelte. Immer wieder streckte es seine beiden pelzigen Hände aus und schaute sie aus schwarzen Knopfaugen an. „Bist du ein kleines, niedliches Mistvieh?“, fragte sie und warf dem Tier einen weiteren Keks zu. Raine beobachtete es. „Bist du sicher, dass es Hexenessen essen kann?“ „Ach, dem kleinen geht’s gut. Ich glaub, der kann einfach alles essen.“ „So wie ich, hoot!“, stimmte Hooty zu. Dabei entging Eda nicht der hungrige Blick, dem er dem Tier zuwarf. Wenn das kleine Mistvieh nicht vorsichtig war, würde es als Hootys Abendessen enden. „Wir sollten es in seine Welt zurückbringen,“ meinte Raine schließlich. Eda seufzte. Tatsächlich mochte sie die kleine Kreatur jetzt schon, die so viel besser erzogen schien, als die meisten Straßenkatzen, die sie so eingesammelt hatte. Und irgendwie war der Kleine halt schon niedlich mit seiner Maske und diesen süßen kleinen Fellhänden. Aber natürlich hatte Raine recht. Vielleicht hatte das kleine Mistvieh zuhause eine Familie. Oder vielleicht würde es noch wachsen – und in dem Fall… nun, das Haus hatte nur so viel Platz. Außerdem gab es ja noch Hooty, der es wahrscheinlich im Schlaf verspeisen würde. „Du hast Recht.“ Schon wieder war die Kreatur am betteln und schaffte es so noch einen Keks zu erschnorren. Sie hielt den Keks in seinen kleinen Händen – wie ein Hexenbaby es machen würde. Dennoch waren ihre Ohren aufgestellt und immer wieder warf sie Hooty einen misstrauischen Blick zu. Owlbert war noch immer kein Fan. Er hatte sich entschlossen, dass es zu gefährlich war die Kreatur hier einfach sitzen zu lassen. Deswegen schmollte er oben auf dem Schrank. „Sag mal Raine,“ meinte Eda und warf ihrem Partner einen Blick zu. „Wie fändest du es, mich in die Menschenwelt zu begleiten?“ Sie waren immerhin zwei Monate zusammen – und soweit hatte sie them noch nie diese andere, seltsame Welt gezeigt, in die nur sie reisen konnte. They dachte ein wenig darüber nach. „Ist es denn sicher dahin zu gehen?“ Eda lachte. „Klar! Da passiert nichts.“ „Sagt die Frau, die es für klug hielt, von einer Klippe zu springen.“ Eda rollte mit den Augen. „Ach, komm schon, Rainstorm. Vertrau mir!“ Raine seufzte ergeben. „Klar. Okay. Dann zeig mir die Menschenwelt.“ Sie grinste. „Perfekt!“ Während sie aufstand, schaute sie zu der Kreatur hinüber. „Komm, kleines Mistvieh. Lass uns dich nach Hause bringen.“ Natürlich verstand die Kreatur sie nicht. Sie protestierte, als Eda sie aufhob, versuchte wieder sie zu kratzen, doch dieses Mal wusste Eda, wie sie das Tier greifen musste. Hooty warf ihnen einen deprimierten Blick zu, der wahrscheinlich so etwas wie „Soviel zu meiner Abendplanung“ bedeutete. Doch sie würde sicher nicht zulassen, dass er ihren neuen kleinen Freund aß, der bereits beschlossen hatte, dass es doch ganz okay war, auf ihrer Schulter zu sitzen. „Wichtiger Sicherheitshinweis für die Menschenwelt,“ sagte Eda und nahm sich ihr Kopftuch. „Bedecke deine Ohren. Sonst fragen die Leute komische Sachen.“ They sah sie zweifelnd an, ging dann aber zu ihrem Schrank hinüber, um sich eine Kappe zu leihen. „Das ist eigentlich auch schon alles, was du willsen musst.“ Na ja, um ehrlich zu sein, war das alles, was Eda wusste. Doch es sollte schon passen. Sie hatte bisher in der Menschenwelt nie Probleme gehabt. Also zuckte sie mit den Schultern und stieg erneut die Treppen hoch. „Du weißt schon, dass du stinkst, du kleines Mistvieh?“, fragte sie das Tier. „Kek!“, antwortete es. In der Menschenwelt war es bereits Abend, als sie durch das Portal in die furchtbar langweilige Kleinstadt stiegen. Sie waren im selben alten Haus in dem sich das Portal irgendwie immer öffnete. Über das Haus wusste Eda wenig, außer dass es lange verlassen und am zerfallen war. Auch Raine trat hinter ihr aus dem Portal. „Hier sieht es … anders aus, als ich erwartet habe.“ „Das ist nur ein altes Haus,“ sagte Eda. Für einen Moment zögerte sie, ehe sie them bei der Hand nahm. Es war etwas, das sie selten in der Hexenwelt taten. Umso schöner war es, es einmal zu probieren. Raine errötete, doch dann griff sie ihre Hand fester. „Kekek!“, sagte das kleine Mistvieh und kletterte auf den Boden. Es schnüffelte, ehe es erwartungsvoll Eda und Raine ansah. „Kekeke!“ „Was sagt er?“, fragte they. „Seh ich aus, als würde ich es verstehen?“ „Na ja, du siehst schon ein wenig aus, als würdest du zur selben Spezies gehören,“ stichelte Raine. Eda streckte them die Zunge heraus, ehe sie sich der Kreatur zuwandte. „Was gibt’s?“ „Keke!“ Sie zeigte mit der Schnauze in eine Richtung. „Ich glaube, der Kleine will, dass wir ihm folgen.“ „Also verstehst du es doch!“ They grinste. Als Eda den ersten Schritt machte, schien es, als hätte sie Recht. Die Kreatur rannte voraus und wartete an der Eingangstür des Gebäudes. Als sie ihr öffneten, rannte das Biest heraus, ehe es wieder wartete. „Huh.“ Was tat die Kreatur? Wollte sie ihnen etwas zeigen? Eda schaute zu Raine, dier nur mit den Schultern zuckte. „Du bist diejenige, die es versteht.“ Da Eda eh nichts besseres einfiel, folgte sie dem Mistvieh, das hinaus über die Wiese hinüber zu den anderen Häusern rannte. Menschenhäuser, wie Eda wusste, da sie die Mülleimer schon mehr als einmal bestohlen hatte. Schon wieder wartete die Kreatur auf sie, ehe sie zu den Bäumen rannte, die hinter den Häusern wuchsen. Menschenhäuser waren schon seltsam. Sie sahen sich alle so ähnlich. Eda verstand es nicht. Warum wollten Menschen in Häusern ohne jedwede Individualität leben? Aber Menschen waren am Ende eh eine seltsame Spezies. Sie bewegten sich auch in komischen, lauten und stinkenden Metallboxen auf Rädern fort. Seltsam. Einfach nur seltsam. Schon setzte sie an, Raine davon zu erzählen, als die Kreatur sich zu ihnen umdrehte. „Kek!“ „Wir kommen ja schon! Wir kommen.“ Sie lachte um dem Tier weiter zwischen die Bäume, die nicht ganz ein Wäldchen bildeten, zu folgen. „Keke!“, machte das Tier als sie einen der Bäume erreichten. Zu Edas Überraschung antworteten gleich mehrere Stimmen. „Kekekeke!“ Und ehe Eda verstand, wie ihr geschah – kletterten eine ganze Reihe kleinerer Kreaturen derselben Art den Baum hinab und rannten zum kleinen Mistvieh hinüber. Das waren Kinder, verstand sie. Hungrige Kinder, die sich sofort an die Zitzen des Mistviehs hängten. „Ich glaube, dein kleines Mistvieh ist eine ‚sie‘, kein ‚er‘“, flüsterte Raine. „Ich glaube nicht, dass es ihn interessiert.“ Eda grinste, während das Mistvieh ihnen stolz seine drei Kinder präsentierte. „Was willst du mir sagen?“ Die Kreatur wusste eine Antwort. Sie hielt ihre kleinen Hände in bettelnder Geste nach vorne und brachte Eda zum Lachen. Sie schaute zu Raine. „Hast du schon mal von Menschen gestohlen?“ Raine seufzte nur und verbarg their Gesicht hinter den Händen. „Irgendetwas sagt mir, dass das nicht gut enden wird…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)