Wetten, dass ...? von yamimaru ================================================================================ Kapitel 17: #17 --------------- ‚Mmmh, Die.‘ Es roch herrlich nach Kaffee und eine zarte Berührung an seinen Lippen hob seine Mundwinkel. Oh, wie er es liebte, diesen Traum zu haben. Hier, in der Welt zwischen schlafen und wachen war er endlich ehrlich zu sich und konnte sich eingestehen, was er im hellen Licht des Tages vor sich selbst nie zugeben würde. Er seufzte verschlafen und wollte sich gerade tiefer in seine Decke kuscheln, als er ein Geräusch vernahm, das absolut nicht in seine Traumwelt passen wollte – der Auslöser einer Kamera. ‚Was zum …‘   Träge öffnete er ein Auge, das zweite folgte wesentlich schneller, als er begriff, dass er nicht allein in seinem Schlafzimmer war. Die kniete vor seinem Bett, das Handy noch verräterisch gehoben und ein so breites Grinsen im Gesicht, dass Kaoru gar nicht fragen musste, was zum Henker der andere hier tat.   „Du hast nicht wirklich gerade ein Foto von mir gemacht, während ich noch geschlafen habe?“, knurrte er und war mit einem Mal hellwach.   „Schau nicht so, als würdest du mich gleich fressen wollen. Ich brauchte einen Beweis, dass ich wirklich gewonnen habe. Und hey, ich hab dir Kaffee gemacht.“   „Du bist lebensmüde.“   „Och, Kaoru, sei nicht so. Schau doch, du hast gelächelt. Das wird mein neues Bild, wenn du anrufst.“   Missbilligend verzog er den Mund, während er auf Dies Handy starrte und versuchte, sich selbst in dem selig lächelnden Gesicht zu erkennen. Ob sein Freund auch noch so selbstzufrieden dreinschauen würde, wüsste er, wovon Kaoru geträumt hatte, als das Foto entstand? Sicher nicht. Er drehte sich zum Nachttisch, wo wie versprochen eine Tasse Kaffee auf ihn wartete und trank einen großen Schluck.   „Hast du ein Glück, das du an den Kaffee gedacht hast.“   „Ich kenne dich zu gut, um so einen Anfängerfehler zu begehen.“ Die erhob sich, steckte sein Telefon in die hintere Tasche seiner Jeans und ging zur Tür. „Willst du etwas frühstücken oder legen wir gleich mit deiner Verschönerung los?“   „Wovon redest du jetzt schon wieder?“   „Lila Haare, schon vergessen?“   „Oh nein.“ Kaoru stöhnte und rieb sich über die Stirn. Verdammt, seinen Wetteinsatz hatte er tatsächlich nicht mehr auf dem Schirm gehabt. „Wäre es nicht besser, wenn du das die Stylisten machen lässt?“   „Nee, mein Lieber, so leicht lasse ich dich nicht vom Haken. Das Färben bekomme ich gerade noch hin, du hast also nicht die geringste Ausrede.“   „Einen Versuch war es wert.“   „Also, was ist jetzt, erst frühstücken oder erst färben?“   „Erst die Farbe, dann hab ich es hinter mir.“   „Geht klar“, trällerte Die und verließ sein Schlafzimmer. Wieder entfloh ein leidender Laut Kaorus Kehle, bevor er sich vorsichtig, um seinen Kaffee nicht zu verschütten, zurück in die Kissen sinken ließ. Wenn ihm bis zu diesem Moment noch nicht klargewesen war, dass sein Freund viel zu viel Spaß an dieser ganzen Wettsache gefunden hatte, dann war es jetzt soweit. Er stellte den Kaffee auf den Nachttisch und drehte sich auf den Bauch, das Gesicht ins Kissen gepresst. Konnte er nicht einfach wieder einschlafen? In seiner Traumwelt war es so friedlich gewesen und es hatte dort sogar auch nach Kaffee geduftet und … Ruckartig hob er den Kopf, zwei Finger auf seine Lippen gelegt und den Blick starr auf einen Punkt vor ihm gerichtet. Er hatte das nur geträumt, oder? Oder? Sein Magen machte einen unangenehmen Purzelbaum und seine Gliedmaßen kribbelten, als würde sich sämtliches Blut um sein Herz versammeln, das wie wild gegen seinen Brustkorb hämmerte. Natürlich hatte er das nur geträumt, schließlich war seinem Freund überhaupt nichts anzumerken gewesen. Die war eine ehrliche Haut und sein Pokerface ungefähr so gut wie Kaoru Balletttanzen konnte – also miserabel. Er hätte daher auf jeden Fall etwas bemerken müssen, wäre das, was er geträumt hatte, wirklich geschehen. Ja, genau so musste es sein. Alles war nur ein Traum gewesen.   Er nickte sich selbst bestätigend, setzte sich auf die Bettkante und umschloss die noch immer warme Tasse mit beiden Händen. „Kein Grund zur Panik, Kaoru, altes Haus. Denk an deinen Blutdruck“, sprach er sich gut zu und verdrängte schnellstmöglich jeden weiteren Gedanken.   Dieses kluge, aber schwer umzusetzende Vorhaben hielt genauso lange, wie er sich im Bad verstecken konnte. Sobald er sein temporäres Refugium verlassen hatte, war er verloren. Die hatte ihn unverzüglich in Beschlag genommen, einen seiner Küchenstühle ins Bad gezerrt, den Boden mit aufgeschnittenen Müllsäcken ausgelegt und ihn auf besagtem Stuhl platziert. Und da saß er nun, die Augen geschlossen und angespannt bis unter die wortwörtlichen Haarspitzen, denn die Finger seines Freundes kämmten gerade viel zu angenehm durch sein Haar. Sorgfältig teilte Die eine Strähne ab, um im Anschluss die Farbe darauf zu verteilen. Dieser Vorgang wiederholte sich wieder und wieder, bis Kaoru nichts weiter übrig blieb, als jeden genießenden Laut herunterzuschlucken und zu hoffen, Die würde seine Gänsehaut nicht bemerken. Beim Friseur genoss er es über alle Maßen, eine Kopfmassage zu erhalten, aber keine Massage war je vergleichbar mit dem gewesen, wie er sich jetzt gerade fühlte. Wäre er ein Kater, er hätte zu schnurren begonnen. Ihm sollte das, was Die tat, nicht so gefallen, seinem Körper und den Schauern, die ihm über den Rücken jagten, war das aber herzlich egal. Man konnte sicher sterben, weil sich etwas zu gut anfühlte, oder? Kaoru war sich sicher, das bald herauszufinden, wenn sein Freund noch länger brauchte.   „Ist dir kalt?“   „Nein, warum?“   „Du zitterst.“   „Ich zucke, weil ich kitzlig bin, das ist ein Unterschied.“ Kaoru hoffte, dass sich die Spitzen seiner Ohren gerade nur warm anfühlten und nicht tatsächlich rot geworden waren.   „Ich bin gleich fertig.“   „Und dann?“   „Dann lässt du die Farbe einwirken. Das wird etwas länger dauern, ich hab extra was Mildes genommen, weil deine Haare schon blondiert sind.“   „Mhmh“, brummte Kaoru, als würde er auch nur die geringste Ahnung von den Dingen haben, über die Die gerade sprach.   „Während du wartest, kannst du dich ja schon mal rasieren.“   „Wie bitte? Warum sollte ich das tun?“   „Na, wir wollen den Retrolook spätestens zum Konzert doch perfekt haben.“   „Also reicht es, wenn ich mich dann rasiere.“   „Och, Kaoru, tu mir den Gefallen.“   „Was? Nein. Warum denn?“   „Bitte, bitte?“ Leider hatte Die den Stuhl so platziert, dass Kaoru einen direkten Blick in den Spiegel über dem Waschbecken hatte und somit auch auf seinen Freund, der direkt hinter ihm stand. Für die großen, bettelnden Hundeaugen war in ihrer Band normalerweise Toshiya zuständig, aber Die schien sich über die Jahre das eine oder andere von ihm abgeschaut zu haben. „Ich hab noch eine klitzekleine Kleinigkeit vor und dazu musst du einfach rasiert sein.“   Wie eine Ohrfeige meldete sich die Erinnerung an seinen Traum zurück und ließ ihn schwer schlucken. Er senkte den Kopf, natürlich nur, damit Die auch die Haare im Nacken mit Farbe bedecken konnte und nicht, weil er befürchten musste, sein Freund würde ihm seine Gedanken von der Nasenspitze ablesen können.   „Na schön, von mir aus, rasiere ich mich eben.“   „Das wollte ich hören. So, fertig.“ Die ging zum Waschbecken, wusch sich die Farbe von den Händen und reinigte gleich noch den Pinsel und die Farbschüssel, bevor er ihm ein schwarzes Handtuch um den Kopf legte. „So, damit tropft nichts und du kannst dich frei bewegen.“   „Danke. Ach, Die?“   „Ja.“   „Weißt du, ob ich Eier im Kühlschrank habe?“   „Ich weiß, dass dein Kühlschrank bis auf eine Packung Umeboshi und Fischsoße komplett leer war. Aber jetzt hast du welche.“   „Gut, dann mach ich Rührei, willst du auch?“   „Gerne.“   Kaoru schüttelte den Kopf, während er in die Küche schlurfte. Irgendwie war es schön, diese absolut banalen Gespräche mit seinem Freund führen zu können. Beinahe, als hätte er sich daran gewöhnt, Die um sich zu haben. Das nannte man dann wohl Ironie des Schicksals.   ~*~ Kaoru musste zugeben, dass ihm die Haarfarbe stand, nur an sein nacktes Gesicht würde er sich erst noch gewöhnen müssen. Wie lang war es her, dass er zum letzten Mal so glattrasiert war?   „Und? Wie ist die Farbe geworden? Darf ich reinkommen?“   „Klar.“   Die tauchte hinter ihm im Spiegel auf und musterte seine Haare kritisch, während Kaoru wortwörtlich die Spucke wegblieb. „Was hast du gemacht?“ Schwarz umrandete Augen funkelten ihn frech an und ein roter Mund verzog sich zu einem eben solchen Lächeln. „Ich hatte geplant, dass wir nachher noch in die Stadt fahren, einen Fotoautomaten in Beschlag nehmen und stilechte Puris von unserem Retrolook machen. Gerade hat es aber ziemlich zu schneien begonnen, also gebe ich mich mit einem Handyfoto zufrieden. Aber auf das Make-up verzichte ich nicht. Darum solltest du dich rasieren.“   „Meine Begeisterung kennt keine Grenzen.“   „Da ist er ja wieder, mein Mister Grumpy.“ Die lachte und schlug ihm gegen die Schulter. „Und da dachte ich schon, er wäre mir abhandengekommen.“   „Haha.“   „Nun zieh nicht so ein Gesicht. Ich kümmere mich um deine Haare, du machst den Rest und dann werden Fotos gemacht.“   „Du verspielst damit deinen Sieg.“   „Tu ich nicht. Gewonnen ist gewonnen.“   „So viel Aufwand für ein Foto.“   „Nein, nicht nur für ein Foto.“ Kaoru sah auf und über den Spiegel in Dies Gesicht. Sein warmer Blick ruhte auf ihm und die roten Lippen zierte ein fast zärtliches Lächeln. „So viel Aufwand für eine Erinnerung.“   Er schluckte, wusste darauf jedoch nichts zu sagen. „Dann leg schon los.“   „Wird gemacht, Boss.“   Kaorus Motto war es auch früher schon gewesen, Dinge mit Stolz zu ertragen, die er nicht ändern konnte. Diese Einstellung kam ihm auch jetzt zugute, als Die ihm eine Tasche mit Schminkzeug überreichte und sich dann an seinen Haaren austobte. Und wieder stellte sich ihm die Frage, wie lange es mittlerweile her war, dass er sich selbst geschminkt hatte? ‚Stolz, Kaoru, ertrage es mit Stolz.‘ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)