Love Letter - still you von Tasha88 ================================================================================ Kapitel 10: 10 -------------- “Es geht ihr genauso wie dir.” Dieser Satz schwebt durch den Raum, in dem sich Mario und Gregor befinden. Ersterer sitzt an seinem Schreibtisch und versucht eine Hausarbeit zu schreiben. Ablenkung soll guttun, oder? Zweiterer ist vor 15 Minuten reingekommen, hat die Schuhe ausgezogen und sich kurz darauf mit dem Rücken auf sein Bett fallen lassen. Mit unter den Kopf gelegten Armen starrt er die Zimmerdecke an. Außer einem `Hallo´ hat er kein weiteres Wort mit seinem besten Freund gewechselt. Und nun das. Mario ist für einen Moment wie erstarrt. Was genau will Gregor damit sagen? Etwa dass … Abrupt dreht er sich mit seinem Schreibtischstuhl herum, richtet seine ganze Aufmerksamkeit auf seinen besten Freund. Dieser sieht inzwischen auch in seine Richtung und kaum dass sich ihre Blicke treffen, spricht er weiter. “Sie fühlt wie du.” “Du meinst …” “Meine Schwester, ja.” “Aber … woher … wie …” Nun ist es Mario, der keine Worte finden kann. Seine Hände zeichnen unbeabsichtigt und nervös Kreise in die Luft. “Sie ist heute Mittag bei meinen Eltern ausgerastet. Hat mir die Schuld daran gegeben, dass ihr beide kein Paar seid. Ich meine”, Gregor zieht eine Hand nach vorn, greift seinen Nasenrücken mit Daumen und Zeigefinger und drückt diese zusammen, während er auch seine Augen fest zusammenpresst, “sie hat ja auch recht damit. Ich habe den Brief vergessen. Aber …”, mit einem Seufzen sinkt die Hand wieder und der Jüngere dreht erneut seinen Kopf, sodass sich sein Blick und der seines besten Freundes wieder treffen, “sie meinte, dass wenn das nicht passiert wäre, dann wärt ihr ein Paar geworden und immer noch glücklich.” Auf diese Beichte, Aussage, wie auch immer man es nennen will, herrscht Stille. Zum Schneiden dicke Stille. Mario kann nicht fassen, welche Worte gerade gefallen sind. Bedeutet das nicht, dass Elsa sich wünschen würde, dass sie beide, sie und er, ein Paar wären? “Was … bedeutet das?”, fragt er vorsichtig. “Ich weiß es nicht, Mario. Aber Folgendes weiß ich: Ihr seid beide in einer Beziehung. In jeweils einer, die schon länger als nur ein paar Monate geht. Also egal, was ihr macht, klärt das vorher.” Auf diese Antwort herrscht wiederholt Schweigen im Raum. Aber was soll Mario auch sagen? Gregor hat vollkommen recht. Er ist in Namiko zusammen. Und er liebt sie ja auch. Oder? Eine leise Stimme in seinem Inneren bringt ihn erneut zum Schwanken. Er muss nachdenken und sich seinen Gefühlen klar werden. Dringend! ~✒️~ Während sie die Treppe hinunterläuft, kramt Elsa in ihrer Tasche, ob sie alles dabeihat. Sie will zur Bibliothek, um dort zwei Bücher zurückzubringen und zwei neue auszuleihen, die sie für ihr Studium benötigt. Sie hat gerade das Wohnheim verlassen und hebt ihren Kopf, als sie wie erstarrt stehen bleibt. “Hey Elsa.” Sie braucht einen Moment, ehe sie antworten kann. “Hallo, Gregor.” Zögernd tritt sie auf ihn zu. “Du willst zu mir?” Sofort nickt er und zieht eine Hand aus der Hosentasche, mit der er durch seine Haare streicht. “Ja. Ich …”, er mustert seine Schwester, die ihn immer noch beäugt, “ich möchte mich bei dir entschuldigen. Für Sonntag. Aber auch noch mal für die Sache vor fast drei Jahren. Du hast vollkommen recht. Ich habe es wirklich versaut. Und ich kann auch verstehen, dass du mir nicht mehr vertrauen kannst.” Erstaunt sieht Elsa ihren Bruder an, ehe sie zu ihm tritt. “Gregor, es ist … ich muss mich viel mehr bei dir entschuldigen. Alles, was ich dir an den Kopf geworfen habe, das war nicht fair. Wir müssen nicht darüber reden, wie beschissen es war, dass du den Brief nicht weitergegeben hast, obwohl ich dich darum gebeten habe. Aber es ist meine eigene Schuld, dass ich es nie geschafft habe, es Mario zu sagen. Ich hätte zu ihm gehen können, schon zuvor. Oder danach noch mal das Gespräch mit ihm suchen. Ich kann also nicht dich dafür verantwortlich machen, dass ich nicht mit ihm zusammen bin. Das liegt allein in meiner Verantwortung. Es tut mir leid, dass ich so gemein war.” Überrascht lässt Gregor seine Hand sinken, ehe ein Lächeln auf seine Züge tritt. “Ach Schwesterherz. Ich hab dich lieb.” “Ich dich auch.” Die Geschwister sehen sich lächelnd an, ehe Gregor mit seinem Kinn in eine Richtung deutet. “Lust auf einen Tee? Dann könnten wir noch ein wenig reden. Also wenn du Zeit hast, natürlich nur.” Elsa hebt ihre Hand, blickt auf die schmale, silberne Uhr an ihrem Handgelenk und nickt gleich darauf. “Ja, gerne. Ich muss nachher noch in die Bibliothek, aber eine Stunde habe ich für dich.” “Weißt du was, Schwesterherz”, kurzerhand greift Gregor nach ihrer Hand, die sie gerade erst wieder hat sinken lassen und hakt sie damit bei sich ein, “dann gehen wir doch einfach in das Café im Erdgeschoss der Bibliothek. Dann ist dein Weg nachher kürzer.” ~✒️~ “Darf ich dich etwas fragen?” Erstaunt hebt Elsa ihren Kopf. Gregor rührt mit einem Löffel in der heißen Schokolade, die er sich bestellt hat. Sie selbst hat einen Tee vor sich stehen. “Natürlich.” “Gut.” Nachdenklich lässt er den Löffel sinken. “Wegen Sonntag …” Schon färben sich Elsas Wangen vor Unbehagen rot. Sie weicht Gregors Blick aus. “Ja?” Ihre Stimme klingt unsicher. Vermutet sie, was er fragen wird? “Was du da alles gesagt hast, bezüglich Mario.” “Ja …?” Doch, ihre Stimme ist eindeutig unsicher. “Es hat sich so angehört, als hättest du damit noch nicht abgeschlossen. Als hättest du mit Mario noch nicht abgeschlossen.” Auf diese Aussage, eher eine Feststellung, herrscht einen Moment Ruhe. Elsa lässt ihren Kopf etwas sinken. Sie greift nach den Zuckerpäckchen und reißt eines auf, schüttet die weißen, feinen Kristalle in den noch heißen Tee. Mit einem Löffel rührt sie sofort um, beobachtet angestrengt, wie sich der Zucker in der Flüssigkeit auflöst. Vorsichtig hebt sie ihren Kopf und erkennt, dass Gregor sie genau mustert. Schnell nimmt sie das nächste Zuckerpäckchen und verfährt damit genauso. Schließlich legt sich eine Hand auf ihre, verhindert so den Griff nach dem nächsten Päckchen. “Elsa. Ich weiß, dass du normalerweise maximal zwei Stück Zucker in deinen Tee wirfst. Im Normalfall jedoch keinen. Das hier wäre nun das sechste Zuckerpäckchen. Wenn du unsicher bist, dann erzähle es mir einfach, ja? Ich höre dir zu und bin für dich da. Ich bin es, dein Bruder. Und ich merke, dass es dich beschäftigt.” Erstaunt blickt Elsa auf die aufgerissenen und leeren Zuckerpäckchen neben ihrer Tasse. Es sind wirklich schon so viele? Das ist ihr gar nicht aufgefallen. Es war gut, sich auf etwas anderes zu konzentrieren, sich keine Gedanken über das zu machen, was Gregor gefragt hat, sich stattdessen abzulenken. Sie legt den Löffel neben die Tasse, spürt dabei, wie ihre Finger zittern. “Ich … weiß nicht, was ich sagen soll”, flüstert sie, weicht seinem Blick immer noch aus. “Fang einfach von vorn an. Eines nach dem anderen. Ich stelle dir einfach mal eine Frage. Hast du immer noch Gefühle für Mario? Nach der langen Zeit?” Es dauert ein wenig und Gregor befürchtet schon, dass er keine Antwort bekommen wird. Doch dann … “Ja. Ich … denke schon.” Elsas Hände finden sich um ihre Teetasse, nutzen diese, um sich festzuhalten. “Ich konnte ihn zumindest nie vergessen. Dabei habe ich doch alles dafür getan. Ich bin ihm aus dem Weg gegangen. Habe dafür gesorgt, dass ich ihm nicht mehr begegne. Ich bin nicht mehr zu den Spielen der Kickers. Wenn ich mitbekommen habe, dass er dich besucht hat, bin ich entweder woanders hin oder ich habe mich in meinem Zimmer verschanzt. Auf diese Art und Weise hatte ich gehofft, ihn einfach zu vergessen.” “Hat wohl nicht so gut funktioniert, was?”, brummt Gregor leise, aber sanft, entlockt seiner Schwester ein leises Lachen, das im nächsten Moment unter der Träne verschwindet, die ihre Wange hinabläuft. “Überhaupt nicht. Genauer gesagt, ich war mir sicher, dass ich die Gefühle für ihn gut verdrängt und in mir vergraben habe. Und dann erfahre ich, dass er diesen Brief immer noch hat. Den Brief, in dem ich ihm meine gestanden habe, was ich für ihn empfinde. Von dem ich ausgegangen bin, dass er mir aufgrund dessen einen Korb gegeben hat, weil er meine Gefühle eben nicht erwidert. Und dann treffe ich ihn und alles in mir wird wieder aufgewühlt. Noch dazu erfahre ich ein paar Wochen später, dass dieser vermeintliche Korb ein Missverständnis war. Dass er den Brief nicht bekommen und dass er genauso für mich empfunden hat. Das hat alles mit einem Schlag zurückgebracht. Und seitdem bekomme ich diesen Gedanken nicht mehr aus dem Kopf. Was wäre, wenn es anders gelaufen wäre? Wären wir glücklich? Noch ein Paar? Ich kann mir nicht vorstellen, dass es nicht so wäre. Aber dann ist da auch immer wieder die Tatsache, dass es eben nicht so ist. Wir sind kein Paar. Wir sind nicht zusammengekommen. Und …” “Und du hast Mamoru.” Elsas Griffe um die Tasse herum festigen sich. “Ja”, flüstert sie. Es ist, als würde sie diesen schon allein durch ihre Gedanken betrügen. “Liebst du ihn?” Erneut zögert Elsa auf Gregors Frage, scheint genau nachzudenken. “Ja. Also … ich liebe ihn schon, denke ich zumindest. Ich habe mich damals nur auf ihn eingelassen, weil er so hartnäckig war. Und dann kam Marios Korb und um mich abzulenken, mit dieser Sache klarzukommen, habe ich schließlich zugestimmt. Und er ist ja auch nett, trägt mich auf Händen, ist immer für mich da.” “Na ja, nett ist jetzt kein Adjektiv, dass ich mir für meine Partnerin wünschen würde …” Auf den Einwand ihres Bruders hebt Elsa ihren Kopf und schüttelt diesen. “Nein, so meinte ich es nicht. Ich glaube, was ich damit sagen will ist, dass es mir leichtgefallen ist, mich auf ihn einzulassen. Und ich habe Gefühle für ihn entwickelt. Ich liebe ihn schon. Aber Mario …” “Da hat es sich anders angefühlt.” “Genau.” Gregor mustert seine Schwester genau, die inzwischen wieder auf ihren Tee hinunterblickt. Sie hebt die Tasse, führt sie zu ihrem Mund und nimmt einen Schluck, nur um im nächsten Augenblick das Gesicht zu verziehen. “Zu süß?”, fragt er und kann das Grinsen nicht unterdrücken, das über sein Gesicht huscht. Auch Elsa grinst schief, während sie zustimmend nickt. “Ja. Die vielen Zuckerpäckchen waren keine gute Idee.” Sie sehen sich an, ehe Gregor seufzt. “Weißt du, Schwesterherz, ich finde, Mamoru hat sich die letzten Jahre echt gut gemacht. Wie du sagst, er hat dich auf Händen getragen und sich viel Mühe gegeben. Ich mag ihn, er ist ein netter Kerl, ich hoffe, das weißt du. Also, dass ich ihn mag. Dass er ein netter Kerl ist, davon gehe ich aus, denn ansonsten wärst du sicherlich nicht mit ihm zusammen.” Ein sanftes Lächeln huscht über Elsas Gesicht. Ihr Bruder hat recht. Mamoru ist schon ein feiner Kerl. Aber reicht das? Das Lächeln schwindet wieder, was Gregor nicht entgeht, daher redet er schnell weiter. “Ich mag Mamoru. Aber Mario … Früher hatte ich immer gehofft, dass ihr beide zusammenfindet. Aber mir war immer klar, dass ihr das selbst schaffen müsst und ich mich nicht einmische. Umso dämlicher ist es, dass ich schlussendlich Schuld daran bin, dass dein Liebesgeständnis nicht bei ihm ankam … Wenn ihr beide ein Paar gewesen wärt, das hätte ich schon toll gefunden.” “Weil Mario auch Fußballer ist und ihr dadurch immer tolle Gesprächsthemen hättet.” “Nein. Weil Mario ein toller Typ ist. Das war er schon immer. Und dich hätte ich ihm ohne zu zögern anvertraut. Mit Mamoru musste ich erst noch warm werden.” “Mario kennst du aber auch schon viel länger.” “Das stimmt zwar, aber mit ihm bin ich von Anfang an klargekommen. Seit dem Zeitpunkt, als wir hierhergezogen sind. Also damals, in das Haus unserer Eltern.” “Ich weiß.” Elsa schmunzelt. Dass Gregor nicht die Stadt meint, in der sie wegen ihrer Studiengänge gezogen sind, ist ihr bewusst. “Ich weiß auch, dass du recht hast. Aber es ändert nichts an der Tatsache. Ich bin mit Mamoru zusammen und empfinde etwas für ihn. Mario hingegen”, sie reibt sich übers Gesicht, ehe sie seufzt, “er ist einfach meine Schwärmerei von früher.” “Ja?” “Natürlich.” Mit einem schiefen Grinsen, das ihre Augen nicht erreicht, mustert Elsa ihren Bruder. “Ich war sehr in Mario verliebt. Natürlich kommen da immer wieder `Was-wäre-wenn´-Gedanken, aber die sind meinem Freund gegenüber nicht fair. Und deshalb darf ich sie nicht zulassen. Ich habe Mamoru, er hat seine Freundin. Wir dürfen nichts riskieren. Ich darf nichts riskieren, nur weil ich so nostalgisch werde.” Wieder beobachtet Gregor seine Schwester. Die Worte, die sie ausspricht, die klingen gut überlegt. Sinnvoll. Aber ihre Augen wirken trüb. Traurig. Ob das was sie sagt, wirklich das ist, was sie fühlt? In dem Augenblick hebt sie ihre Tasse erneut zu ihrem Mund. Nach einem Schluck bemerkt sie erneut das Dilemma. Schmunzelnd schüttelt er seinen Kopf. “Na komm, Schwesterherz, bestellen wir dir einen neuen Tee.” Und damit winkt er der Kellnerin zu, die im nächsten Augenblick auf sie zueilt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)