Love Letter - still you von Tasha88 ================================================================================ Kapitel 12: 12 -------------- Es ist wie ein Déjà-vu. Elsa kommt die Treppen ihres Wohnheimes herunter, tritt durch die Haustüre ins Freie und ihr Name erklingt. Jemand wartet auf sie. Vor ein paar Wochen war es ihr Bruder, der dort stand. Der mit ihr sprechen wollte und wobei es unter anderem um denjenigen ging, der nun vor ihr steht. “Mario?”, entkommt ihr ungläubig. Dieser steht da, streicht mit einer Hand durch die kurzen Haare auf seinem Hinterkopf. Man kann seiner Geste entnehmen, dass er sich unwohl fühlt. Sie tritt ebenso unsicher auf ihn zu, bleibt einen knappen Meter vor ihm stehen. “Was kann ich für dich tun?”, fragt sie, während ihre Hände mit dem Band ihrer Tasche spielen, das über ihre Schulter hängt. “Ich …”, er lässt seine Hand wieder sinken, “ich wollte mich für Namiko entschuldigen. Das, was sie letzten Sonntag gesagt hat, war nicht sonderlich nett von ihr.” Elsas Wangen nehmen einen roten Ton an und sie schiebt sich eine Haarsträhne hinters Ohr. “Das musst du doch nicht. Du hast nichts falsch gemacht.” “Aber es ging um den Brief … Um deinen Brief.” Auch seine Wangen nehmen einen dunkleren Ton an. “Oh … ja …” Eine Hand immer noch hinter ihrem Ohr, senkt Elsa ihren Kopf und weicht seinem Blick aus. “Trotzdem ist es, wie ich es ihr gesagt habe – und dir auch schon mal. Es ist allein deine Entscheidung, was du mit diesem Brief machst. Du entscheidest, ob du ihn wegwirfst oder ob du ihn behältst. Wenn es eine Erinnerung ist, die du gerne behalten willst, dann …” “Es ist nicht nur eine Erinnerung!”, platzt es aus Mario heraus. Die Verwirrung ist Elsa anzusehen, als sie ihren Kopf wieder hebt. “Es …” Er stockt. Ihm wird klar, was er gerade gemacht hat und schluckt. Doch er ist aus einem bestimmten Grund hier und genau deshalb ist es in Ordnung, es auszusprechen. Das zu sagen, was es tatsächlich bedeutet. “Ja, es ist eine Erinnerung”, richtet er mit fester Stimme an seine Gegenüber. “Es zeigt mir, dass du genau dasselbe empfunden hast, wie ich für dich. Und dann ist es auch eine Abmahnung an mich selbst. Es zeigt mir, dass ich einen Fehler gemacht habe. Hätte ich dir einfach schon früher meine Gefühle für dich gestanden, dann wäre es nie passiert. Hätte ich mich damals nicht von meinen Freunden aufziehen lassen, wäre ich nicht weggerannt. Und dann ist da noch der Punkt …” Marios dunkle Augen liegen direkt auf Elsas hellbraunen. Der Blick aus ihnen ist ernst. “Dass ich ihn nicht wegwerfen kann. Deinetwegen. Ich kann dich nicht vergessen. Will es auch nicht. Ich bin in Namiko verliebt, ja. Ich bin mit ihr zusammen. Und doch … doch bist da immer noch du und ich kann dich nicht vergessen.” Er hat es gesagt. Das ausgesprochen, was ihn schon so lange begleitet und was er sich selbst nie so richtig einzugestehen gewagt hat. Er hat ihr die Wahrheit gesagt. Elsas Augen sind geweitet. Man kann ihr anmerken, dass sie sich überfahren fühlt. Und er kann es verstehen. Immerhin hat sie auch eine Beziehung, schon ein paar Jahre. Sie haben sich lange nicht gesehen oder sind sich aus dem Weg gegangen, da ist er sich nicht ganz sicher. Und dann ist da ein kleiner Zwischenfall, der alles wieder aufreißt. Und wegen dem sie weiß, dass er ihren Brief noch hat. “Mario … ich …”, bringt sie mit leiser Stimme und krächzend hervor. “Ich … ich weiß, du bist mit Mamoru zusammen. Und ich ärgere mich darüber, jeden Tag. Als ich damals zu dir gekommen bin, dir auf deinen Brief antworten wollte und dir sagen, dass ich genauso empfinde und mit dir ausgehen will, da … An diesem Tag hast du mir Mamoru vorgestellt, als deinen Freund. Es war für mich wie ein Schlag ins Gesicht. Ich war zu spät, ich war schuld, dass du …” “Mario. Du …” Elsa schüttelt ihren Kopf. Sie muss schlucken, den Kloß aus ihrem Hals bekommen, doch es funktioniert nicht. “Elsa, ich war so sehr in die verliebt. Ich wollte nie eine andere. Du hattest auch Gefühle für mich. Ich war derjenige, der es versaut hat. Aber”, Hoffnung leuchtet in seinen Augen auf, “du empfindest auch noch etwas für mich, nicht wahr?” Es dauert einen Moment, in dem Elsa nach Worten sucht, ihren Mund öffnet und wieder schließt. Doch das Einzige, was sie hervor bekommt, ist sein Name. “Mario …” “Gregor hat es mir gesagt. Dass du auch noch nicht mit mir abgeschlossen hast. Als du erfahren hast, dass er den Brief verloren hat. Du hast dich mit ihm gestritten. Wäre es dir egal, dann wäre das nicht passiert. Und du hast damals, als wir über den Brief geredet haben, gesagt, dass er dir auch noch etwas bedeutet. Dass alles andere gelogen wäre. Elsa”, er tritt direkt zu ihr, greift nach seinen Händen und hält diese fest, während sein Blick immer noch voller Hoffnung auf ihrem liegt, “bitte sei ehrlich zu mir. Was empfindest du für mich?” Elsas Herz schlägt nicht nur doppelt, sondern vermutlich zehnmal so schnell wie zuvor. Seine Worte müssen erst zu ihr durchdringen. Doch sie kann es nicht verleugnen. Etwas macht sie gerade sehr glücklich. Aber … Sie sieht sich um, beobachtet die Menschen um sie herum. Was, wenn jemand, der sie kennt, das hier sieht? Nicht, dass Mamoru etwas davon mitbekommt. Kurzerhand zieht sie eine ihrer Hände aus Marios und dreht sich herum. Die andere Hand hingegen hält sie weiterhin fest. “Komm mit. Lass uns woanders reden, wo uns nicht so viele Menschen sehen.” Und damit läuft sie los, Marios Hand fest in ihrer haltend und ihn so hinter sich herziehend. Marios Herz stockt, als Elsa ihre Hand aus seiner entfernt. Er beobachtet sie, als sie zu einer Bank läuft, die eher in einem Seitenarm des Parks steht, in dem sie sich nun befinden. Es kommt kaum jemand hier vorbei. Er versteht, warum Elsa ihn mit hierher genommen hat. Die Hände in die Hosentaschen schiebend, folgt er ihr. So langsam gewinnt die Unsicherheit in ihm, verdrängt den Mut, den er vorher noch aufgebracht hat. Er folgt ihr zu der Bank. Erst als sie mit der flachen Handfläche neben sich auf die Sitzfläche klopft, zieht er seine Hände wieder hervor und lässt sich langsam neben sie sinken. Sein Blick ist stur nach vorn gerichtet. Er traut sich nicht, sie anzusehen. Natürlich sind sie beide nun hier, aber hat das etwas zu sagen? “Ich … vermutlich wiederhole ich mich”, flüstert sie unerwartet, ist sich trotzdem sofort Marios Aufmerksamkeit sicher, “ich würde lügen, wenn ich sagen würde, da ist nichts mehr. Du …”, sie zögert erneut, überlegt, was genau sie sagen soll, kann, “warst der erste Junge, für den ich je etwas empfunden habe. Meine ganze erste Verliebtheit, das warst du für mich. Und du warst der Erste, dem ich einen Liebesbrief geschrieben habe. Auch der Einzige bisher.” “Mamoru hast du keinen geschrieben?” “Nein. Warum auch? Außerdem habe ich keine gute Erfahrung damit gemacht.” Kurz huscht ihr Blick zu ihm, nur um gleich darauf wieder nach vorn gerichtet zu werden. “Das tut mir leid.” “Muss es nicht. Du kannst nichts dafür. Und ich habe daraus gelernt.” “Gregor nichts mehr anzuvertrauen?” Ihre Mundwinkel heben sich für einen Augenblick belustigt. “Das auf jeden Fall. Zumindest so etwas.” “Auch keine Liebesbriefe mehr zu schreiben?” “Hmm … ich weiß nicht. Vielleicht irgendwann wieder. Aber bis heute will ich es nicht.” “Was hast du dann noch gelernt?” Nun dreht Elsa ihren Kopf zu ihm, um ihn anzusehen. “Das ist mir erst jetzt klar geworden. Dass ich manche Dinge direkt ansprechen muss. Denn hätte ich mit dir geredet, anstatt dir nur einen Brief zu schreiben, wäre heute alles anders. Oder?” Marios Herzschlag nimmt einen Takt zu. Ihre Worte. Diese transportieren viel mehr, als Elsa laut ausspricht. Empfindet er doch genauso. “Ja”, flüstert er mit krächzender Stimme. “Doch egal, was gewesen wäre”, sie wendet ihren Kopf wieder ab, doch Mario hat die Träne im Augenwinkel noch glitzern sehen, “heute ist es anders. Du bist in einer Beziehung, ich ebenfalls. Vielleicht sollte es einfach nicht sein.” “Denkst du das wirklich?” Marios Stimme ist herausfordernd. “Denkst du, unsere Zeit ist vorbei?” “Was?” Elsa sieht ihn verwirrt an. “Wie meinst du das?” “Denkst du wirklich, dass es das für uns war? Dass das damals, dieser Brief, dein Brief, dass der unsere einzige Chance gewesen ist? Ich meine, wir beide sind hier und wir beide spüren, dass da noch etwas ist. Anscheinend haben wir beide noch nicht miteinander abgeschlossen. Was also, wenn genau das jetzt unsere Chance ist?” Elsas Finger umfassen den Rand der Sitzfläche der Bank fester. Sagt er das gerade eben tatsächlich? “Aber …”, sie muss schlucken, “woher weißt du, dass das nicht irgendwelche alten Gedanken sind, die wir in die aktuelle Situation projizieren? Wir hatten die letzten Jahre keinen Kontakt. Dann reden wir miteinander, gerade über diesen Brief, über das, was wir damals empfunden haben. Vielleicht bilden wir uns diese Gefühle auch nur ein.” “Nein. Ich zumindest bilde mir nichts ein. Elsa, ich habe deinen Brief behalten. Weil meine Gefühle für dich immer da waren. Wenn da nichts mehr wäre, dann wäre es auch ein Leichtes für mich, den Brief einfach wegzuwerfen. Doch ich konnte es nicht.” Er streckt eine Hand aus, legt sie sanft auf Elsas Wange, dreht so ihren Kopf zu sich. Sein Daumen zieht sanfte Kreise über ihre weiche Haut. “Kannst du einfach sagen, dass da nichts mehr ist?” Sie schüttelt verneinend ihren Kopf, jedoch nur so leicht, dass seine Hand bleibt, wo sie ist. “Das kann doch nur bedeuten, dass es viel mehr ist, als nur eine Erinnerung an früher.” “Mario, das ändert nichts daran, dass du eine Freundin hast und ich einen Freund.” “Wenn wir Gefühle füreinander haben, könnte es aber etwas daran ändern.” “Und woher willst du wissen, dass diese Gefühle echt sind und eben nicht doch nur eine Erinnerung? Ein Traum, vielleicht sogar ein Wunsch, den wir früher einmal hatten?” Er hält inne, zieht sich ein wenig zurück. Ihre Worte haben anscheinend getroffen. Doch er fängt sich schnell wieder. Seine Hände suchen ihre, halten diese fest. “Elsa, ich will es nicht bereuen. Eine weitere Chance, mit dir glücklich zu werden, erneut vergehen zu lassen. Ich will es nicht noch einmal falsch machen. Und daher …” “Ja?” Er schließt einen Augenblick die Augen, atmet tief durch. Kann er das nun wirklich machen? Doch er empfindet es genauso, wie er es gerade laut ausgesprochen hat. Er will kein weiteres Mal riskieren, sie zu verlieren. “Was, wenn wir herausfinden können, ob unsere Gefühle echt und nicht nur eine Einbildung sind? Würdest du dann mit mir zusammen sein wollen? Würdest du Mamoru verlassen? Für mich? Denn … ich denke, ich werde mich von Namiko trennen.” Ihre Augen weiten sich und ihr Mund steht zu einem kleinen und lautlosen O offen. “Elsa. Geben wir uns drei Tage. Drei Tage, in denen wir uns Gedanken machen können. In denen wir überlegen, was wir wollen. Wir nehmen uns diese Zeit bewusst. Und wenn wir uns für uns entscheiden, dann kommen wir hierher. Dann treffen wir uns in drei Tagen noch einmal, genau hier, an dieser Bank. Und dann können wir zusammen sein. Wir beenden alles andere und beginnen hier neu. Zusammen. Was denkst du?” “Das …” Elsa weiß nicht, was sie sagen soll. Doch trotzdem neigt sie ihren Kopf leicht. Mario. Er ist derjenige, in den sie jahrelang verliebt war. Wie sie es vorher zu ihm gesagt hat. Ihre erste große Liebe. “In Ordnung. In drei Tagen, um diese Uhrzeit”, Mario hebt sein Handgelenk und sieht auf die Uhr daran, “um 17.10 Uhr, treffen wir uns wieder hier. Bis dahin ist uns hoffentlich klar, was wir wollen.” “Das … Und woher wollen wir wissen, ob es echt ist?” Dieser Gedanke treibt Elsa immer noch um. “Dadurch!” Und plötzlich festigt Mario seinen Griff an ihrer Wange, legt seine Zweite auch an ihre andere und beugt sich zu ihr, bis sein Atem ihre Lippen streift. “Sag mir, wenn ich es nicht tun soll”, bringt er leise hervor. Elsas Herz flattert wie ein kleiner Vogel in ihrem Brustkorb. Sie weiß, dass sie eigentlich nein sagen sollte. Aber … sie will es. Sie will es schon seit Jahren wissen. Wie fühlt es sich an, wenn Mario sie tatsächlich küsst? Hosted by Animexx e.V. 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