Was danach kommt von ReptarCrane ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Aleistor hörte den Knall eine gefühlte Ewigkeit, bevor der Schmerz kam. Sein Körper wurde nach vorne geworfen und der Gurt schnitt in seine Brust, drückte ihm die Luft aus der Lunge, und irgendetwas knackte laut, aber Schmerz war da keiner. Nur Dunkelheit, und ein unangenehmes, schrilles Fiepen. Das Fiepen ließ irgendwann nach, wurde abgelöst von einem Wimmern; atemlos und verzweifelt, voller Panik. Es klang wie Mom, aber Aleistor war sich nicht ganz sicher, vielleicht war es auch Ally, und wenn es Ally war, dann war es schlimm, richtig schlimm, noch schlimmer als es ohnehin schon alles war, und das war kaum möglich, wenn es Ally war, dann musste er es schaffen sich zu bewegen, ihr zu helfen... Das war der Moment, in dem der Schmerz kam. Wie eine Welle überflutete er seinen gesamten Körper, erbarmungslos und ohne Rücksicht. Er schrie, oder versuchte es zumindest, aber da war noch immer keine Luft in seinen Lungenflügeln und alles was er herausbrachte war ein jämmerliches Krächzen, dazu ein zucken mit dem linken Arm, der einzige Teil seines Körpers, der ihm noch gehorchte und nicht nutzlos auf dem Rücksitz des Wagens hing wie eine weggeworfene Schaufensterpuppe. Seine Augenlider flatterten, einzelne Bilder erreichten sein Gehirn wie in einem schlechten Stop-Motion-Film, aber nichts davon erschien einen Sinn zu ergeben... verbogenes Metall, Glassplitter, der nach hinten geknickte Kopf seiner Mutter, die ihn mit leeren, glasigen Augen anstarrte während Blut aus ihrem geöffneten Mund lief und zu Boden tropfte. Überhaupt war überall Blut. Spritzer, Pfützen, herablaufende Rinnsale, Flecken, die schon dabei waren in die cremefarbenen Bezüge einzutrocknen. So viel Blut. Irgendwo schrie jemand, doch es klang nicht nach einer bekannten Stimme. Weit weg, wie aus einer anderen Welt. Unwichtig. Gleichgültig. Er wollte den Kopf sehen, wollte, nein, musste sehen was mit Ally war, ob sie noch neben ihm auf der Rückbank saß, und vor allem ob sie noch atmete... Aber er konnte nicht. Keinen Militmeter bewegte sich sein Körper, abgesehen von dem verdammten linken Arm, aber selbst der nur in solch geringem Ausmaß, dass er absolut nutzlos war. Als wäre er eine Marionette, deren Fäden durchgeschnitten worden waren. Wieder Rufe, flackernde blaue Lichter, die die Nacht erhellten. Jemand rüttelte an der Wagentür, ohne Erfolg, woraufhin - vermutlich waren Minuten, wenn nicht sogar Stunden vergangen, aber Zeit hatte keinerlei Bedeutung - das kreischende Geräusch von etwas zu hören war, das durch verbogenes Metall schnitt. Er wurde aus dem Wagen gezogen, schlug unsanft auf dem Boden auf - die Ersthelferin, eine Krankenpflegerin die gerade auf dem Rückweg von ihrer Schicht im Krankenhaus gewesen war berichtete der Polizei später, dass sie sich sicher gewesen war, dass der Junge nicht mehr am Leben gewesen war - und wurde vom Wagen weggezogen, der nicht mehr mehr war als ein verbeulter Haufen Schrott, der dem Baum, gegen den er frontal geprallt war, nichts entgegenzusetzen gehabt hatte. Eine ganze Weile lang lag Aleistor so da, sah Leute um sich herumlaufen von denen einige kurz innehielten, sich dann jedoch etwas anderem widmeten von dem er nicht sehen konnte, was es war. So als ob es niemand für nötig hielt, seine Energie an den verdreht daliegenden Jungen zu verschwenden, der in einer Blutlache auf dem Asphalt der Landstraße lag und mit leeren Augen in den Nachthimmel blickte. Hätte er sich selbst von außen betrachten können, so hätte Aleistor verstanden, wieso sich niemand groß um ihn kümmerte. Ein bei dem Aufprall aus der Autotür gebrochenes Stück scharfkantiges Metall hatte sich durch seine Brust gebort, und das mit solcher Wucht, dass es den Stoff am Rücken seines Hemdes zerfetzt hatte und dort wieder herausragte, wobei selbst für Laien ersichtlich war, dass es nicht nur den linken Lungenflügel, sondern auch sein Herz durchbohrt haben musste. Die Pflegerin, die ihn aus dem Wrack gezerrt hatte, war später bereit vor den Cops auf das Leben ihrer Mutter zu schwören, dass Aleistor tot gewesen war als sie ihn am Straßenrand ablegte. Kein Puls, kein Atmen, nichts. Nur der leblose Blick, und all das Blut. Andere Helfende bestätigten ihren Eindruck, und das nicht bloß bei dem 16 jährigen Jungen, sondern auch bei den drei anderen Insassen des verunfallten Wagens - sie alle hatten kein Zeichen von Leben mehr gezeigt, und ihre Körper hatten auch nicht ausgesehen, als sei das medizinisch überhaupt im Bereich des möglichen. "Die waren tot", erzählte der Mann, der als erstes am Unfallort angekommen war und die Polizei verständigt hatte, am nächsten Morgen beim Frühstück seinem Verlobten, als sie gemeinsam im Radio davon hörten, dass es einen Unfall im Nachbarort mit vier Schwerverletzten gegeben hatte. "Nichts mit 'schwerverletzt', scheiße, dem Typen hatt's halb den Kopf abgerissen! Unmöglich, dass der das überlebt hat! Und die Frau und die Kinder sahen auch nicht besser aus!" Niemand der Anwesenden konnte es wirklich nachvollziehen, und doch war es so - niemand war in dieser Nacht, in der das Familienauto der Klines auf gerader Strecke von der Fahrbahn abgekommen und mit ungebremster Geschwindigkeit gegen einen Baum geprallt war ums Leben gekommen. Es erschien wie ein Wunder, wie ein Geschenk Gottes. Doch sollte sich schon sehr bald herausstellen, dass es alles andere war als das. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)