Das Jahr unter einem Dach von Suga-chan ================================================================================ Kapitel 3: Umzugspläne ---------------------- Umzugspläne „Wakatoshi hat mich gefragt, ob ich zu ihm ziehen will“, berichtete Satori Eita einige Tage nach Valentinstag. Sie saßen gerade gemeinsam in der Wohnküche auf dem Sofa und wollten sich einen Film ansehen. Erstaunt sah der Musiker seinen Ex-Freund an. „Wie bitte? Wann das denn?“ So wie er Satoris neuen Freund inzwischen gelernt hatte, machte er nicht den Eindruck auf ihn, dass er so etwas sagen würde. Aber es gab ja immer wieder Überraschungen. „An Valentinstag, als wir abends bei ihm waren. Er hat mich einfach so gefragt, ohne dass wir vorher mal darüber gesprochen haben. Aber er hat dann gemeint, dass er gerne jeden Tag mit mir verbringen möchte, und das fand ich sehr süß.“ Mit einem zufriedenen Lächeln sah Satori ihn an und Eita ging durch den Kopf, wie glücklich er in diesem Moment aussah. Er setzte sich auf. Ein wenig hatte er Angst vor dem, was gleich kommen würde. Immerhin hatten sie ausgemacht, dass sie bis zu ihrem Abschluss zusammenwohnen würden. Das wirkte auf einmal so hinfällig. „Und was hast du daraufhin geantwortet?“ „Dass ich noch etwas Zeit brauche, um ihm eine Antwort zu geben. Ich meine, so lange sind wir ja noch nicht zusammen. Dennoch…Mir gefällt der Gedanke, mit ihm zusammenzuleben.“ Das Lächeln wurde größer und an seinem Blick erkannte Eita, dass er es sich schon ausmalte. Er schluckte. So sehr er sich auch für ihn freute, so fühlte er sich gleichzeitig auch vor den Kopf gestoßen. „Ich freue mich ja wirklich für euch, aber…was wird dann aus unserer Wohnung? Und alles?“, hakte er vorsichtig nach. Die kommende Antwort bereitete ihm ein jetzt schon Bauchschmerzen. Satori legte den Kopf schief und sah ihn recht lange an. „Darüber habe ich auch schon gedacht, Eita, keine Sorge. Ich würde diese Entscheidung niemals treffen, ohne vorher mit dir darüber gesprochen zu haben. Und vielleicht ist es etwas früh, aber vielleicht könntest du Shirabu fragen, ob er zu dir ziehen will.“ Eita blinzelte schnell. „Das kann nicht dein Ernst sein, Satori! Ich glaube kaum, dass er ja sagen würde! Das mit uns…Es ist noch nicht so fest, dass ich ihm diese Frage stellen könnte!“ Er schüttelte heftig den Kopf. Nein, das konnte er seinen Freund einfach nicht fragen. Shirabu würde an die Decke gehen und das wollte er sehr gerne verhindern. Zwar hatte er nicht mehr das Gefühl, dass er sich bei jedem Wort genau überlegen musste, was er zu ihm sagte, aber so eine Sache…Nein, das ging nicht. Satori lachte bloß. „Denk doch einfach mal drüber nach. Ansonsten kannst du dir einen anderen Mitbewohner suchen, wenn ich mich dafür entscheiden sollte, zu Wakatoshi zu ziehen. Es ist ja noch nichts in Stein gemeißelt.“ Eita konnte nicht sagen, ob ihm diese Idee besser gefiel. Die ganze Sache musste er wohl noch einmal richtig durchdenken. Und dann noch einmal mit Satori darüber sprechen. ~ ♡ ~ Natürlich begleitete ihn die Worte von Satori in seinem Alltag. Immer wieder dachte Eita darüber nach, wie es sein würde, wenn er mit Shirabu zusammenleben würde. Ihm gefiel der Gedanke, dass er ihn jeden Morgen und jeden Abend sehen konnte und noch mehr, dass er jede Nacht im gleichen Bett mit ihm schlafen würde. Es war schon sehr verlockend. Und so dachte er auch daran, als er mit Shirabu in dessen Wohnung auf dem Bett lag und den Abend ausklingen ließ. Sein Freund benutzte seinen Oberarm als Kopfkissen, während er in ein paar Unterlagen aus seiner Vorlesung las. Eita selbst scrollt hin und wieder durch sein Handy, aber sein Blick lag meistens auf seinem Freund. Er mochte es ihm beim Lernen zuzusehen. „Shirabu?“, fragte er dennoch. Vielleicht sollte er das Thema mit dem Zusammenziehen einfach ansprechen. Über die Idee zu sprechen, sollte hoffentlich zu keinen großen Probleme führen. „Hmh?“, machte der Jüngere und sah von seinen Unterlagen auf. Eita lächelte ihn an und legte sein Handy beiseite, um ihn eine verlorene Haarsträhne aus dem Gesicht zu schieben. „Was würdest du davon halten, wenn wir zusammenziehen?“ Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, setzte sich Shirabu auch schon ruckartig auf und sah ihn an, als hätte er den Verstand verloren. „Zusammenziehen?! Wie kommst du denn auf so etwas?!“ Er wirkte auf einmal richtig aufgebracht, was diese Aussage anging. Das irritierte den Älteren und er setzte sich ebenfalls auf. „Na ja, Satori hat mit Wakatoshi darüber gesprochen und will eventuell zu ihm ziehen. Und da ist bei uns das Thema aufgekommen, dass du ja dann zu mir ziehen könntest.“ Damit war die Katze aus dem Sack. Wenn Shirabu jetzt schon so an die Decke ging, konnte er ihm auch die Wahrheit sagen. „Sag mal, spinnst du, Semi-san?! Wir sind noch nicht ganz drei Monate zusammen und du redest schon vom Zusammenziehen! Das geht doch nicht!“ Der Medizinstudent stand vom Bett auf und ging ein paar Schritte von ihm weg. An seinem Gesichtsausdruck konnte Eita sehr gut erkennen, wie sehr ihn die Sache aufregte. Klar, da sie beide recht hitzköpfig waren, gerieten sie öfters aneinander, was meistens dann im Bett endete. Dieses Mal hatte er das Gefühl, dass sie vor dem ersten richtigen Streit in ihrer Beziehung standen. So stand er ebenfalls vom Bett auf und hoffte, noch irgendwie Schadensbegrenzung zu betreiben. „Shirabu, bitte. Es ist nur ein Gedankenspiel und nichts, was ich jetzt von dir verlange. Aber ich finde den Gedanken schön und möchte deshalb mit dir darüber sprechen. Ohne irgendwelche Verpflichtungen.“ Sein Freund blieb stur. „Vergiss es! Drei Monate sind einfach zu früh! Wir wissen ja noch gar nicht, ob das mit uns überhaupt hält!? Immerhin hast du dich auch von Tendou getrennt, obwohl ihr zusammengewohnt habt. Das könnte uns genauso gut passieren!“ Diese Worte trafen Eita. Mehr, als er es wohl wahrhaben wollte. Natürlich war er trauriger darüber gewesen, als Satori und er sich getrennt hatten, obwohl sie gerade erst zusammengezogen waren, aber dass Shirabu auf die Idee kam, dass ihnen das ebenso treffen konnte…Das saß. „Wow, echt super, was für Hoffnung du in unsere Beziehung setzt. Ich hätte echt gedacht, dass wir an diesem Punkt schon vorbei wären.“ Auch wenn er niemand war, der eine Konfrontation mied, wollte er gerade am liebsten gehen. „Ich bin nur realistisch! Mehr nicht. Ich will nur alle Eventualitäten abwiegen, bevor wir irgendwie überstürzen. Wir können in…“, Shirabu hielt inne und überlegte, „in einem Jahr oder so wieder darüber sprechen.“ Hört er da raus, dass die Stimme des Jüngeren leicht zitterte? Nein, das musste er sich einbilden. Sein Blick war weiterhin fest und undurchdringlich. Eita schüttelte den Kopf. Enttäuschung bereitete sich in ihm aus. „Ich glaube, es ist am besten, wenn ich jetzt gehe, bevor das hier noch eskaliert. Du weißt jetzt, wie du dazu stehst, und ich werde das Thema nicht wieder ansprechen. Melde dich einfach bei mir, wenn du dich wieder beruhigt hast.“ Er drehte sich um und steuerte die Wohnungstür an. Er hatte immer noch die leise Hoffnung, dass Shirabu nach seiner Hand griff und ihm sagte, dass er bei ihm bleiben sollte. Tat er aber nicht. ~ ♡ ~ Akira war froh, als er von der Universität nach Hause kam. Er hatte das Gefühl, dass der Tag heute einfach nicht herumgehen wollte. Jetzt wollte er sich nur noch aufs Sofa werfen, etwas essen und mit Tobio kuscheln, während sie ihre Serie weiterschauten. Mehr wollte er von diesem Abend nicht. Bevor er hoch in die Wohnung ging, sah er noch nach, ob sich Post in ihrem Briefkasten befand, aber dieser schien schon geleert worden zu sein. Das hieß, dass Tobio schon zuhause war. Bequem stieg Akira die Treppen in den ersten Stock hinauf und schloss die Wohnungstür auf. „Tobio, ich bin zuhause“, sagte er in normaler Lautstärke und zog seine Schuhe aus. Jacke und Tasche wurden achtlos in die Ecke gestellt, während er die Wohnküche ansteuerte. Dort fand er seinen Freund auf dem Sofa sitzend vor. Er hielt einen Zettel in der Hand, den er genau studierte. Tobio hob den Kopf, sein Blick war unlesbar. „Hallo Akira“, begrüßte er ihn, während der Jüngere an dem Couchtisch vorbeiging und sich neben ihn setzte. „Ist alles in Ordnung?“, fragte er, kaum wie er es sich auf dem Polster bequem machte. Der Ältere drehte den Zettel in seinen Händen und reichte ihm ihn dann. „Ich weiß nicht so ganz. Lies dir das erst einmal durch.“ Die Skepsis in Akira wuchs. So kannte er Tobio gar nicht. Wenn irgendetwas war, sagte er ihm eigentlich immer sofort. Also nahm er ihm den Zettel ab, der sich als Brief entpuppte. Er stammte von einem Volleyballverein aus Okinawa. Er las sich ihn durch und schluckte dann. „Du bist für ein Testspiele eingeladen wurden…mit der Chance, dass sie dich übernehmen werden“, fasste er für sich selbst zusammen, was er dort gelesen. Er sah auf und Tobio nickte. „Ja. Mein Trainer hat gemeint, dass er Anfragen an verschiedene Vereine schickt. Sie sind die ersten, die mir eine Rückmeldung geschickt haben. Ich meine, es ist schon eine große Chance, aber…“ „aber du müsstest dafür nach Okinawa ziehen, wenn du für sie spielen willst“, beendete Akira den Satz für ihn. Sein Gegenüber nickte und sie sahen sich für einen Augenblick lang nur an. Er wusste nicht so recht, was er von dieser Situation halten sollte. Natürlich war sich Akira bewusst, dass es für Tobio der größte Traum war, endlich professionell Volleyball zu spielen. Er freute sich ja auch für ihn, aber er würde lügen, wenn es ihm nicht lieber wäre, wenn ein Verein in Tokyo sich um ihn bemühen würde. „Willst du es denn versuchen?“, fragte er vorsichtig. Er hatte Angst vor der Antwort. Wenn Tobio nach Okinawa ziehen würde, fragte er sich, was das mit ihrer Beziehung machen würde. Er nahm sich fest vor, dass er nachsehen würde, wie groß die Entfernung zwischen Tokyo und Okinawa war. „Ja, würde schon gerne zu dem Testspiel fliegen, um es mir wenigstens mal anzusehen. Das wäre in drei Wochen.“ Ganz glücklich sah Tobio auch nicht aus. Wahrscheinlich war ihm genauso bewusst, was es für ihre Beziehung bedeuten würde, wenn er sich für Okinawa entschied. „…Akira, wenn du es nicht willst, dann…“ Wieder beendete Tobio den Satz nicht, aber er schüttelte den Kopf. „Lass mich noch ein bisschen darüber nachdenken, okay? Ich weiß gerade nicht, was ich überhaupt denken soll. Ich freue mich für dich, aber ja…unsere Beziehung…wir würden uns dann nicht mehr jeden Tag sehen können.“ Jetzt sprach er seine Bedenken doch aus. Tobio nickte. „Ja, lass dir die Zeit. Ich muss selbst auch noch darüber nachdenken.“ Aber irgendwie überkam Akira das Gefühl, dass er seine Entscheidung längst getroffen hatte. ~ ♡ ~ „Ich kann einfach nicht fassen, dass er mich gefragt, ob wir zusammenziehen wollen. Dabei sind wir noch keine ganzen drei Monate zusammen! Ist das denn zufassen?!“, machte Kenjirou in der Mittagspause seiner Laune Luft bei seinen Freunden. Er saß mit vor der Brust verschränkten Armen da und grummelte vor sich hin. Dass Semi überhaupt der Gedanke gekommen war, mit ihm zusammenzuziehen…Das ging einfach nicht in seinen Kopf. Futakuchi, der mit ihm am Tisch saß, war ihm einem skeptischen Blick zu. „Und das erzählst du uns, weil…?“ „Weil ihr meine Freunde seid! Darum! Und ihr müsst mir den Rücken freihalten!“, behauptete er lautstark, obwohl er das eigentlich gar nicht wollte. Er wollte nur gesagt bekommen, dass er nicht überreagierte. Es war doch vollkommen normal, dass man sich so darüber aufregte. „Du hast einen tollen Freundeskreis, Shirabu. Zwei Typen, mit denen du mal etwas hattest, Kawanishi und Yahaba.“ Futakuchi warf einen Seitenblick zu seinem Sitznachbar, der bis eben mit seinem Handy beschäftigt gewesen war. Er sah von diesem auf und ihn genervt an. „Fick dich, Futakuchi. Echt.“ „Jederzeit, wenn du nur willst.“ Futakuchi wackelte mit den Augenbrauen und streckte ihm die Zunge raus. Yahaba gab ein würgendes Geräusch von sich. „Zu meinem Freundeskreis zählt auch noch Yachi!“, mischte sich da Kenjirou wieder ein. Ihm war bewusst, dass Futakuchi irgendwo recht hatte. Und es war wahrscheinlich nicht die beste Entscheidung, dass er sowohl mit Futakuchi wie auch Terushima befreundet geblieben war, nachdem da mal etwas gelaufen war. Aber irgendwie…er hätte sie wahrscheinlich vermisst, wenn er den Kontakt abgebrochen hätte. „Yachi zählt nicht, da sie Kawanishis Freundin ist“, schmetterte Futakuchi das Gesagte rigoros ab. Die Augen des Medizinstudenten wurden zu Schlitzen. Ein provozierendes Grinsen erschien auf den Lippen seines Gegenübers, was er früher einmal sehr anziehend gefunden hatte. Inzwischen gab es nur noch Semi für ihn. „Aber um auf das zurückzukommen, was du gesagt hast, Shirabu“, richtete Yahaba da das Wort an ihn. Kenjirou wandte sich von Futakuchi ab und sah zu seinem zweitältesten Freund nach Taichi an. „Ich bin der Meinung, dass du ziemlich übertreibst. Ich meine, Kentarou und ich sind nach zwei Monaten Beziehung zusammengezogen und es funktioniert super. Ich glaube ja eher, dass du Angst davor hast, Semi näher an dich ranzulassen. Deshalb hast du auch das mit Futakuchi wie mit Terushima an die Wand gefahren.“ Mit einem wissenden Blick Yahaba ihn an. Kenjirou schluckte. „Recht hat er. Das mit uns hätte funktionieren können, Babe, wenn du es nur zugelassen hättest“, ein weiterer Spruch, den sich Futakuchi nicht verkneifen konnte. „Boar, jetzt halt mal den Mund! Ich habe keine Angst vor Nähe oder so etwas! Ich finde einfach, dass Semi-san mich viel zu früh gefragt hat und damit basta! Mit mehr hat das nichts zu tun!“ Der wissende Blick wurde nun mit Futakuchi ausgetauscht, der zustimmend nickte. Kenjirous Grummeln wurde lauter und verfluchte seine Freunde innerlich. Gleichzeitig konnte er sich aber nicht gegen die Tatsache wehren, dass Yahabas Worte doch etwas in ihm auslösten. ~ ♡ ~ „Pah…Angst vor Nähe…Das ist doch lächerlich…“, murmelte Kenjirou vor sich hin, als er auf dem Heimweg war. Da es Anfang März war, war noch recht frisch und er hatte sich einen Schal umgewickelt. Einen von Semi. Er hatte ihm ihn im Januar gegeben, als es draußen besonders kalt gewesen war. Semi. Kenjirou wusste immer noch nicht, was er mit dieser gesamten Situation machen sollte. Er wollte gerne wieder normal mit ihm reden, aber er befürchtete, dass das Thema Zusammenziehen wieder aufkam und alles kaputtmachte. Vielleicht hatte er doch Angst vor Nähe. „Hast du irgendwie ein Problem?“, wurde er da aus seinen Gedanken gerissen. Ruckartig blieb er stehen und drehte sich um. Dort stand Kunimi, einer seiner Nachbarn. Er war wohl auch auf dem Weg zurück. Kenjirou runzelte die Stirn. Eigentlich war er in letzter Zeit immer in Begleitung von Kageyama. Er hatte mitbekommen, dass sie ungefähr so lange ein Paar waren wie Semi und er. „Interessiert dich das wirklich? Oder suchst du nur ein Gespräch?“, blockte er sofort ab. Kunimi war nicht unbedingt jemand, dem er nahestand. Zu den meisten seiner Nachbarn pflegte er ein normales, aber distanziertes Verhältnis. Der Jüngere zuckte mit den Schultern und ging auf ihn zu. „Ja, ich denke schon. Du wirkst irgendwie so, als müsstest du mit jemanden reden.“ Kenjirou sah zur Seite. „Meine Freunde sind nur der Meinung, dass ich Angst vor Nähe hätte, nur weil ich nicht juhu geschrien habe, als Semi-san mich gefragt hat, ob wir zusammenziehen wollen.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust. Es wäre wahrscheinlich besser für ihn gewesen, wenn er dieses Gespräch einfach abgebrochen hätte. Er wollte sich nicht noch mehr mit dieser Situation beschäftigen. „Und hast du Angst vor Nähe?“ Er sah wieder auf. In Kunimis Blick konnte nicht lesen, was ihm gerade durch den Kopf ging. So etwas mochte Kenjirou nicht. Es machte ihn nervös. „Und wenn es so wäre?!“, fauchte er, um Abstand zu bekommen. Ihm überkam das Gefühl, dass ihn dieses Gespräch entglitt. Normalerweise wirkte die Taktik auch immer. Aber nicht bei seinem Nachbarn. „Dann ist das sehr schade. Ich würde nämlich gern noch länger mit Tobio zusammenleben, aber wahrscheinlich geht er nach Okinawa und dann müssen wir eine Fernbeziehung führen. Das will ich eigentlich, aber gleichzeitig will ich ihm auch keine Steine in den Weg legen.“ Der Medizinstudent blinzelte schnell aufgrund dieses Ausbruches von Kunimi. Denn so konnte man das wohl bezeichnen; er hatte ihn noch nie so viel reden hören. Auch kam es so aus dem Nichts, dass er es nicht einordnen konnte. „Warum geht er nach Okinawa?“, fragte er deshalb. Ein wenig neugierig war er ja schon. „Es stehen noch nicht ganz fest, aber ich glaube, dass er es tun wird. Er hat dort ein Angebot bekommen, um endlich professionell Volleyball zu spielen. Das ist sein größter Traum und an sich möchte ich auch, dass dieser Traum erfüllt wird.“ Der Jüngere sah ihn nun nicht mehr an, sondern starrte zu Boden. Kenjirou biss sich auf die Unterlippe. Okay, das war wirklich hart. Er hätte auch nicht gewusst, wie er darauf reagieren würde, wenn Semi mit so einer Nachricht zu ihm kommen würde. „Und jetzt hast du Angst vor einer Fernbeziehung?“, fragte er vorsichtig. Das Gespräch war in eine Richtung gegangen, die er nicht mehr kontrollieren konnte. Aber gleichzeitig konnte er ihn nicht einfach so stehen lassen. Das wäre mies gewesen. „Ja, habe ich. Ich weiß nicht, was es mit uns machen wird. Okinawa ist über tausend Kilometer von Tokyo entfernt. Ein Flug dorthin dauert zweieinhalb Stunden. Also kann ich dann nicht einfach so zu ihm fahren.“ Kunimi hob den Kopf wieder und zum ersten Mal konnte Kenjirou eine Regung in seinem Blick erkennen. Es war so etwas wie Trauer und Angst. „…Das ist verdammt scheiße. Hast du denn schon mit ihm darüber gesprochen?“ „Ich weiß nicht, was ich zu ihm sagen soll.“ Das verstand er sehr gut. „…Genauso geht es mir mit Semi-san. Und ja, vielleicht habe ich Angst vor Nähe, aber ich will ihn auch nicht wegstoßen. Aber ich glaube, das tue ich gerade.“ Er schluckte mit dieser Erkenntnis. Hatte er Semi wirklich schon von sich gestoßen? „…So ähnlich geht es mir auch. Es ist komisch zwischen Tobio und mir geworden, seitdem dieser Brief angekommen ist.“ Schweigend standen sie nun da. Beide ihren eigenen Gedanken nachhängend und gleichzeitig jeweils eine Entscheidung treffend. ~ ♡ ~ Eita war gerade damit beschäftigt, Noten auf das Blatt zu übertragen. So ganz zufrieden war er noch nicht mit Verlauf der Melodie. Irgendetwas fehlte ihm noch. Da klingelte es plötzlich an der Wohnungstür. Satori war nicht da, weshalb er sich wohl oder übel von der Arbeit losreißen musste. „Hoffentlich ist es etwas Wichtiges“, murmelte er, als er die Tür ansteuerte. Er erwartete keinen Besuch und wusste auch nicht, ob Satori schon wieder irgendetwas bestellt hatte. Aber als die Tür öffnete, staunte er nicht schlecht. „Shirabu…Was machst du denn hier?“ Sein Freund und er hatte in den letzten Tagen nicht miteinander gesprochen. Das Thema Zusammenziehen stand immer noch zwischen ihnen. „Hey, kann ich reinkommen?“, fragte er und wirkte dabei etwas unsicher. Eita stutzte. So kannte er ihn gar nicht und gleichzeitig erfüllte es sein Herz auch mit Wärme, dass er sich traute, ihm das zu zeigen. „Klar, komm rein.“ Er trat zur Seite, damit Shirabu in die Wohnung kam. Eita überlegte, ob sie in sein Zimmer gehen sollten, als sich auch schon die Arme seines Freundes um ihn legten. „…Tut mir leid, dass ich so scheiße zu dir war…“, murmelte er gegen seine Brust. Der Musiker blinzelte schnell, ehe er die Arme auch um ihn legte. Er sagte vorerst nichts, da er spürte, dass Shirabu noch etwas auf der Seele lag. „…Ich habe wohl ein wenig überreagiert…aber ich habe Angst davor, was es mit uns macht, wenn wir es überstürzen…Ich will mich nämlich nicht von dir trennen.“ Er sprach nur so laut, dass Eita ihn hörte. Er drückte ihn an sich. Das hier war eine neue Art von Nähe für ihn. „Ich will mich auch nicht von dir trennen. Kenjirou“, zum ersten Mal sprach er ihn mit Vornamen an, „Und ich habe auch nachgedacht. Ich verstehe, dass du Angst hast, nachdem Satori und ich uns von kurz nach unser Zusammenzug getrennt haben. Aber das waren andere Umstände. Die auf uns hoffentlich niemals zutreffen werden.“ Shirabu hob den Kopf und sah ihm ins Gesicht. Eita strich ihm sanft über die Wange. „Außerdem habe ich noch einmal mit Satori darüber gesprochen und er hat sich jetzt dafür entschieden, dass er für eine Woche zu Ushijima ziehen will. Um das Zusammenleben auszuprobieren. Wir könnten das auch machen und dabei genau darauf achten, was uns so wichtig ist, wenn wir zusammenleben wollen.“ Er spürte, wie die Anspannung in Shirabus Körper ein wenig nachließ. Eita war gleichzeitig froh, dass er sich nicht von ihm löste. Er wollte ihn noch länger halten. „Meinst du, dass das funktioniert?“, fragte er mit einer gewissen Skepsis in der Stimme. „Wir wissen es nur, wenn wir es auch ausprobieren.“ Eita zuckte mit den Schultern. Sein Freund überlegte kurz und nickte schließlich. „Okay, probieren wir es aus.“ Wie, um es zu besiegeln, küsste Shirabu ihn nun und Eita erwiderte diesen Kuss sehr gerne. Er hoffte, dass das mit dem Zusammenziehen klappte, da er gerne jeden Tag so mit Kenjirou verbringen wollte. ~ ♡ ~ „Akira, ich bin zuhause.“ Der Angesprochene blickte auf, als er hörte, wie sein Freund nach ihm rief. Er atmete tief durch. Heute wollte er endlich das Gespräch mit Tobio suchen. „Ich bin auf dem Sofa“, rief er zurück und zog seine Beine aufs Polster, um sich in einen Schneidersitz zu setzen. Er lauschte darauf, was sein Freund tat. Er brachte erst einmal seine Sportsachen in Badezimmer, wohl um sie später zu wachsen. Dann hörte er, wie seine Zimmertür geöffnet wurde, damit er sich wohl umziehen konnte. Tobio schlief nur noch selten in diesem Zimmer, da Akira das größere Bett besaß, wo sie zu zweit mehr Platz hatten. Schließlich kam er in die Wohnküche. Fragend sah er ihn an. „Ist etwas?“ Akira atmete ein weiteres Mal durch. „Ich möchte gerne mit dir reden. Wegen der Okinawa-Sache.“ Vorsichtig nickte der Ältere und kam zu ihm aufs Sofa. Der Jüngere griff nach seiner Hand und drückte sie. „Willst du dich trennen?“, fragte Tobio vorsichtig, aber Akira schüttelte schnell den Kopf. Er tat sich sehr schwer damit, was ihm so durch den Kopf ging, auszusprechen. „Nein, ich will nicht trennen. Ganz sicher nicht. Und ich will dich unterstützen, egal, ob du dich für Okinawa entscheidest oder nicht. Aber ich habe auch Angst davor. Wir werden dann eine Fernbeziehung führen müssen und ich weiß noch nicht so recht, wie das ablaufen wird…Okinawa ist so weit weg…“ Zum Ende hin war er immer leiser geworfen. Nun war es Tobio, der seine Hand drückte. „Ich weiß. Ich habe auch schon nachgesehen, wie lange es dauern würde, bis du zu mir kommen kannst oder ich wieder zu dir…Gleichzeitig möchte ich es nach wie vor gerne versuchen, also mit dem Testspiel. Und ich bin froh, dass du mich dabei unterstützen willst. Das bedeutet mehr unglaublich viel, Akira.“ Tobio lächelte ihn an. Akira lehnte sich nach vorne und bettete seine Stirn auf seiner Schulter. „Meinst du, dass wir es schaffen werden?“ „Probieren wir es.“ Tobio griff nach seinem Kinn, um seinen Kopf wieder anzuheben. Sie sahen einander an. „Okay, probieren wir es.“ Er lehnte sich nach vorne und küsste ihn. Akira hoffte sehr, dass sie es schafften. 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