Grace and Disaster von Hypsilon (Haikyuu!! on Ice!!!) ================================================================================ Kapitel 3: Combined ------------------- Nach den Programmen der Kür stand die vorübergehende Reihung fest, die Kenma nach seiner fehlerfreien Performance mit acht Punkten Vorsprung auf Yamagata anführte. Dem wiederum stand Iizuna knapp im Nacken. Bokuto befand sich vorerst auf dem vierten Platz und machte ein Gesicht wie sieben Tage Regen. Kuroos aufmunternde Worte verdunsteten wie Wassertropfen auf heißem Stein. Ein Jammer, aber Kenma würde es hinnehmen, wenn sein Konkurrent nun aufgab. Azumane träumte sich noch auf die Treppe, denn wenn er es beim Kurzprogramm gut machte, könnte er Yamagata verstoßen, denn der neigte zum Übertreiben und somit zum gehäuften Punkteabzug durch Fehler und Imperfektionen. Bei den Kurzprogrammen machte Yamagata den Anfang. „Drück mir die Daumen“, sagte er, als er sich an Kenma vorbei auf die Eisfläche schob. Da war er wieder. Dieser undefinierbare Blick. Genauso schnell, wie er ihn aufgeschnappt hatte, war er aber auch schon wieder aufgelöst und Yamagata machte mit seiner altbekannten riskanten Abfolge an Schritten, Drehung und Sprüngen weiter. Mit Overwhelmed von Ryan Mack hat er ein kurzes Stück gefunden, das ihm eine Einlage mit vielen Richtungswechseln erlaubte. Diesmal hatte er sogar die riskanten Sprünge im Griff und wechselte sie mit weicheren ab, allerdings nur um mit einer Drehung darauf beinahe das Gleichgewicht zu verlieren, sich umzujustieren und sofort die Fahrt wieder aufzunehmen. Yamagata hatte gut daran getan, den Song auszuwählen, denn er erlaubte ihm, die kurzen ruhigen Parts für das Ausdrehen zu nutzen. Kenma vermutete, dass ihm das die Führung eine Weile retten würde. Schön, fand er. Denn wie schon im Vorjahr und davor bei den Asia-Finals hat er mit Yamagata um den ersten Platz gekämpft. Nur, dass ihnen im letzten Jahr Semi Eita aus Miyagi einen Strich durch die Rechnung gemacht hat und sie beide verschoben hat und bei den Asia Finals wurden sie von einem Underdog aus Kasachstan um den Titel gebracht. Bei der Weltmeisterschaft hatte keiner der beiden antreten dürfen, weil sich Suna für Japan durchgesetzt hatte, an der Meisterschaft hat er sich die Zähne aber am kanadischen Talent ausgebissen. Kenma war damals für Japan knapp hinter Yamagata auf dem dritten Platz. Diesmal wollte er ihn überholen und am besten gleich so hoch, dass sich niemand mehr vor ihn drängen konnte. Azumane vor ihm war ein Nervenbündel ähnlich wie Bokuto. Sie haben es beide nicht geschafft, Yamamata vom vorübergehenden Podest zu stoßen. Das wollte nun Oikawa um jeden Preis erreichen. Sein durch den Sturz angeschlagenes Knie wurde in der Pause getaped, man hat ihm Magnesium gegeben und ihn Sonderübungen machen lassen. Sein Trainer hat ihm geraten, es sein zu lassen. Aufzugeben und im nächsten Jahr wieder anzutreten, aber Aufgeben war das Letzte, was er tun würde und so trat Oikawa an. Souverän glitt er über das Eis an die Mittelposition und startete mit einer salutähnlichenbewegung in sein Kurzprogramm zum Quidditch World Cup Themensong von Patrick Doyle. In den knapp zwei Minuten schaffte es die veelaartige Erscheinung – wenn man schon im Genre blieb – von verspielter trickreicher Choreographie zu aggressiver einschüchternder Abfolge zu switchen und nicht nur den Zuschauern den Atem stocken zu lassen. Yamagata sah schon während der Verneigung nach dem perfekten Programm zu den Schiedsrichtern. Nach kurzer Absprache war Oikawa nun drei Punkte hinter Yamagata. Er hatte gut aufgeholt, aber nicht geschafft, was er wollte. Ein vierfacher Rittberger perfekt gelandet mehr und es wäre an ihm gewesen, das oberste Podest zu verteidigen. Aber stattdessen trat Kenma nach ihm gefühlt direkt gegen Yamagata an. Was der Schüler der Shiratorizawa Akademie konnte, war nicht in Kenmas Repertoire, aber er hatte mit seinem schwunghaften Kurzprogramm zu Mantis Lords aus Hollow Knight zumindest eine kleine Überraschung parat. Er hielt den Anfang mit schnellen Schrittfolgen und Wendungen passend rasant und hektisch. Ein durchaus sauber chaotischer Stil, den Kuroo ihm beim Training angeraten hat. Den Mittelteil füllte Kenma mit Drehungen aus denen er kontrolliert panisch mit den Händen nach unsichtbaren Seilen griff, um sich aus einer dargestellten Gefahr zu ziehen, aber sein Gesicht verriet nichts davon. Es war stets konzentriert auch nach der angedeuteten Befreiung, aus der er sich mit einer Kombination aus Zweifach- und Dreifach Sprüngen öffnete und die er mit einem Kniefall abschloss. Kein Muskel wurde zu viel angespannt aber auch keine weitere Emotion drang weiter als über seine Nasenspitze hinweg. Nur heftiges angespanntes Atmen. Erst als er seinen Punktestand sah, wechselte sein Gesichtsausdruck wieder. Seine Augen verengten sich und seine Mundwinkel zogen triumphierend nach oben. Empfänger dieses Grinsens war Yamagata, der sich seines Sieges schon so sicher war. Auch Kenma hätte ihn schon siegreich erwartet, aber mit der Sprungkombination zum Schluss hat er sich die notwendigen Punkte geholt, um das Podest zu erklimmen. Vorerst. Den Titel aber holte Iizuna mit einem unerwartet chaotischen aber perfekt choreografierten Kurzprogramm zu Diamond Mind von Rasputina. „Ich wollte eben diese Goldmedaille“, sagte er kichernd. Sein erfreutes Grinsen hätte nicht breiter sein können, dass sich Kenma bei dem Gedanken ertappte, dass Iizuna den Titel alleine deswegen mehr verdient hatte, als alle anderen. Kenma stand neben ihm. Um seinen Hals hing die silberne Medaille. Er war stolz, keine Frage. Aber er war auch enttäuscht. Seine Programme waren perfekt, von Anfang bis zum Schluss. „Etwas schwach zum Ende“, hat Kuroo zwar gesagt, aber so war das nun einmal. Kenma war angestrengt und müde, sein Körper hat weh getan und er hätte mit aufwendigeren Sprüngen zum Ende einen Sturz riskiert. Den Sturz, den Yamagata bei seiner Kür provoziert und auf eine fast schon verbotene Weise ausgebessert und vertuscht hatte. Dennoch stand der Läufer aus Miyagi zurecht auf dem dritten Treppchen mit der bronzenen Medaille. Er und Kenma hatten in der Gesamtwertung nicht einmal einen Punkt Unterschied, aber auf so etwas kam es eben an. Der Sprung, den Kenma nicht gewagt hat, hat ihn somit zwar den ersten Platz gekostet, ihn aber auch vor dem dritten bewahrt. Er war also zufrieden. ❄️ Nach den ganzen Pflichteinlagen wie der Siegerehrung, dem gemeinsamen Foto für die Zeitungen und der ein oder anderen Zeile, die er einem Reporter schenken musste, war Kenma wie eh und je eiligst dran, die Olympiahalle zu verlassen. Aber Kenma war in Gedanken. Seiner Performance fehlte es an nichts und dennoch reichte es nicht für den Sieg. Er dachte wieder an Kuroos Worte und auch die seiner Trainer. Wegen seinem Ausdruck. Und er dachte daran, dass andere Fahrer so viel Mimik hatten, dass sie Regungen in seinem Körper auslösten. Bei Suna wollte er sich am liebsten übergeben. Iizuna ließ ihn irgendwie wohl fühlen und Yamagata regte ihn auf. Warum, wusste er selbst nicht. Es beschäftigte ihn aber so sehr, dass er unachtsam wurde und die Horde aufgeschreckter Mädchen erst erkannte, als es bereits zu spät war. „Kenma!“ – „KenKen!“ – „Ein Selfie, bitte!“ - Verdammt! Für gewöhnlich schaffte er es, diese Ansammlungen bereits aus der Entfernung zu erkennen und auszuweichen, abzuwarten oder sich irgendwie anders mit Kuroo aus dem Staub zu machen. Aber gerade hatte er weder Kuroo bei sich, noch hat er sie frühzeitig erblickt. Die weiblichen Fans, die den Eiskunstläufern nachschwärmten und lästig waren. Zumindest in Kenmas Ansicht. Oikawas Fangirls waren da gesegneter, denn der Läufer aus Miyagi war den Jubelrufen und den Kameras viel mehr zugeneigt und er nahm sich auch gerne Zeit für seine Fans. Für Kenma blieb nun aber nur die Flucht. Aus einer Kurzschlussreaktion heraus war er einfach weggelaufen. Vergebens, denn auch Mädchen konnten laufen und das gar nicht mal so langsam. Doch Kenma war wendig wie eine Katze und wusste durch seine Videospiele, dass es immer versteckte Wege gab, in die man abzweigen und verschwinden konnte. Und tatsächlich, er fand eine Seitengasse, just in dem Moment, als ihn ein älterer Herr passierte. Die Gasse war enger. Nur eine Fahrtrichtung war hier möglich und Kenma konnte sich in der Auslassung der Tür eines Wohngebäudes verstecken. Er war außer Puste, sein Atem ging schnell. Mit weiterer körperlicher Betätigung hatte er an diesem Tag nicht mehr gerechnet. Es war über die Maße anstrengend. Auf das laute, näherkommende Motorgeräusch hin, drängte er sich tiefer in die Auslassung. „Kozume? Brauchst du ne Mitfahrgelegenheit?“ Vor Kenma blieb ein Motorrad stehen. Ein schwarzes und ein cooles zwar, aber nicht so beeindruckend wie die, die er aus Rennspielen kannte. Dafür kannte er die Stimme, selbst wenn sie durch den gurgelnden Motor etwas überdeckt wurde. Kenma hob den Blick und sah in Yamagatas Gesicht, das sich unter dem Jethelm abzeichnete. „Hier“, sagte der Ältere und warf ihm einen zweiten Helm hin. Kenma wollte ablehnen, doch dann hörte er das Kreischen der Mädchen wieder und hatte nicht nur den Helm schneller als geplant auf dem Kopf sondern saß in Windeseile hinter seinem Konkurrenten auf der kleinen Yamaha Virago. Mit dem Geräusch des ankurbelnden Motors kniff er die Augen zu und widersprach umgehend seinem Vorsatz, die Hände nicht um den Fahrer zu legen. Viel zu fest und viel zu eng klammerte er sich ob der auftrabenden Geschwindigkeit an Yamagata und hoffte inständig, dass er ihn nicht in eine noch viel schlimmere Situation verfrachtete. Tat er nicht. Yamagata war mit ihm aus dem tokioter Stadtverkehr gefahren und hielt beim Hamarikyū-Park nicht unfern der City. Erst als Kenma das Brummen des Motors nicht mehr vernahm, lockerte er langsam seinen Griff. Yamagata machte zu seiner Überraschung keinen blöden Scherz darüber, weil er sich benahm wie eine Mimose. Von Tora hätte er sowas erwartet, denn Tora war schon irgendwie ähnlich cool wie Yamagata. Zumindest wäre er es gerne. Yamagata strahlte diese Coolness mit jeder Faser seines Seins aus und schien sich nicht einmal besonders bemühen zu müssen. Nein, eigentlich doch ganz anders als sein Klassenkamerad. „Danke“, sagte Kenma zurückhaltend und reichte den Helm zurück an dessen Besitzer. „Keine Ursache. War nicht ganz uneigennützig“ Der Helm wurde wie der von Yamagata am Lenker angemacht. Dann wurde geboten, den Park zu betreten. „Warum nicht uneigennützig?“, fragte Kenma. Er ging weiters schweigend neben ihm her. Daran, zumindest ein paar Meter zu gehen, war nichts einzuwenden. Außerdem schlug ihm sein Herz immer noch bis zum Hals und sein Körper reagierte eher aus Reflex. Yamagata antwortete nicht. Noch nicht. Erst führte er Kenma an der 300-jährigen Kiefer vorbei und schlug den Weg zum Kyu-Inabu Shrine ein. „Gratuliere zum zweiten Platz“, sagte er wie nebenbei. Ein weiteres knappes „Danke“ kam von Kenma. Er wusste, er sollte der Bronzemedaille nicht gratulieren, denn er war Schuld daran, dass es für Yamagata nicht Silber wurde und der schätzte das auch. Er wollte es nicht unter die Nase gerieben bekommen, schlechter als Kenma gefahren zu sein. Auch wenn ihr Punkteunterschied eine Frechheit war. 0,75. „Kozume. Ich wollte dich fragen, ob wir beide nächstes Jahr gemeinsam zum Paarlauf antreten“, ließ Yamagata die Bombe platzen. Kenma blieb stehen, noch bevor sie am Shrine angekommen waren. Erstmals seit langem war seinem Gesicht nahezu jeder Gedanke und Zweifel abzulesen. Yamagata schmunzelte und verschränkte die Arme vor der Brust. Starke Arme, aber nichts, worauf Kenma je einen Schwerpunkt gelegt hatte. „Mein Trainer meinte, dass ich etwas ändern muss. Er hat den Paarlauf vorgeschlagen, weil auch Semi im Doppel fährt und richtig gut ist mit seiner Partnerin. Eigentlich ist das nicht mein Ding, aber ich will’s probieren und er meinte, ich soll dich am besten gleich fragen“, sprach Yamagata weiter. Er setzte seine Schritte fort und ging direkt auf den Shrine zu. Kenma zögerte, aber er folgte ihm. Über die Schwelle trat er allerdings nicht. Immerhin wusste er nicht, wofür Yamagata hier war und er wollte ihm seine Privatsphäre geben. Außerdem ließ ihn diese Frage regelrecht erstarren. Wie kam er denn bitte auf so eine dumme Idee? Sie beide im Doppel? Lächerlich. Oder? Yamagata blieb direkt hinter der Tür stehen und drehte sich zu Kenma um. Er griff nach seinem Handgelenk und zog mit einem fordernden Gesichtsausdruck daran. „Also? Fahren wir zusammen?“, fragte er. Kenma stolperte über die Schwelle und kam vor Yamagata zum Stehen. Seine Hand nahm er wieder zu sich. Die Gedanken kreisten. Die Stille im Shrine ließ es auch zu, dass er abdriftete. Er dachte an Yamagatas Kür und Kurzprogramm und an seine früheren Choreographien. Der Junge aus Miyagi war ein begnadeter Eiskunstläufer. Soviel war klar. Aber er war nicht fehlerfrei wie Kenma, dafür fuhr er immer riskant und ausgefallen. Sie waren so unterschiedlich. Wie kam sein Trainer also auf die Idee? „Und warum wir beide?“, fragte er deswegen. Das Offensichtliche, nämlich, dass weder er noch Yamagata Paarläufer waren, sprach er erst gar nicht an. So desillusioniert konnte der Andere ja nicht sein. Yamagata ging zum Gebetstisch. Aus der Seitentasche seiner Lederjacke zog er ein Feuerzeug und entzündete ein Räucherhölzchen. Noch ohne zu antworten steckte er es in den Sand und wandte sich zu Kenma um. Er hielt ihm das Feuerzeug hin, genauso wie ein zweites Hölzchen. Kenma nahm es irritiert an. „Weil ich es ausschließlich mit dir tun würde.“ Die Irritation wurde größer. „Wie bitte? Warum ausgerechnet mit mir? Warum nicht mit Iizuna oder Oikawa?“, fragte er. Yamagata deutete ihm, das Hölzchen anzuzünden und Kenma tat es geistesabwesend. „Weil sie langweilig sind. Keiner von ihnen oder den anderen Läufern wäre auf mein Motorrad gestiegen. Zumindest keiner von denen, die ich gelassen hätte. Mit deinem Kumpel Kuroo hätte ich das nicht gemacht, auch nicht mit Bokuto oder Suna. Du bist einfach, verzeih mir meine Direktheit, aber du bist perfekt. Du hast die richtige Größe für mich, einen ausgezeichneten Stil, auch, wenn da mehr geht und du bist einfach wunderschön, allein das passt schon für mich“, sagte er mit einem Schneid in der Stimme, den Kenma von Kuroo kannte, wenn er mit Mädchen sprach. Na ganz toll. Auf die Frage, warum Yamagata nicht mit einer seiner Mitschülerinnen fahren wollte oder eben einem Mädchen aus einer anderen Schule in Miyagi, schnaubte Angesprochener. „Ich kann mit Mädchen nicht umgehen. Die finden mich einschüchternd und aggressiv“, sagte er und zuckte mit den Schultern. „Also?“ ❄️ Kenma dachte lange über die Frage und Yamagatas Worte nach. Er hat ihn mit seiner Antwort auf später vertröstet. Dafür wurden Handynummern ausgetauscht. Selbst auf die digitale Wiederholung der Frage hatte er noch nicht geantwortet. Nicht, bis er mit Kuroo darüber gesprochen hatte. „Und der Kerl will ausgerechnet mit dir fahren?“, wiederholte der Kenmas sich ständig wiederholende Frage an sich selbst. Er lachte aufgekratzt und hielt sich den Bauch. „Yamagata ist doch gar nicht dein Typ. Also… nicht dass ich wüsste, was dein Typ ist, aber ich mein so beim Eislaufen. Du brauchst doch wen, der auf dich eingeht und besser wärs, jemand mit Erfahrung im Paarlauf, wenn du das denn überhaupt willst. Du bist Einzelläufer, ein sehr guter", auch das waren Gedanken, die Kenma sich bereits gemacht hat und dennoch konnte er Yamagata nicht einfach absagen. „Es wird auch total umständlich, mit ihm zu trainieren“, sagte Kenma ein paar Tage später zu Kuroo und drückte wild auf seiner Konsole herum. Kuroo hielt inne. „Moment! Du ziehst das wirklich in Betracht? Ne warte… du hast dich entschieden, oder? Du willst mit ihm fahren, oder?“, fragte sein bester Freund ungläubig und tatsächlich schien es so, als hätte sich Kenma bereits entschieden. Er würde mit Yamagata im Paarlauf antreten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)