ZdM von RandomThoughts (Der Zirkel der Macht - Buch 1) ================================================================================ Kapitel 3 --------- 3 Die Sonne schien angenehm warm durch ein schräges Dachfenster, als Eva erwachte. Sie blinzelte, versuchte sich zu orientieren. Der Raum war ihr fremd. Sie lag in einem breiten Bett, das in einer Ecke stand. Ihr gegenüber war ein Schreibtisch mit einem Computer darauf. Davor war ein Bürostuhl – schwarzes Plastik mit dunkelroten Stoffbezügen – auf dem sie ihre Kleider liegen sah: Ihre Hose, ihren Pullover, beide sauber und ordentlich zusammengefaltet, so wie sie es jede Nacht vor dem zu Bett gehen zu tun pflegte. Sie hatte sich also zumindest selbst ausgezogen. Das war ein beruhigender Gedanke. Ich bin viel zu ruhig, ging Eva da auf einmal durch den Kopf. Sie hatte das Gefühl als ob sie in Panik geraten sollte ob der unvertrauten Umgebung, aber sie tat es nicht. Im Gegenteil: Die warme Morgensonne und das friedliche Zimmer bewirkten bei ihr eher ein Gefühl angenehmer Entspanntheit. Ihr Blick streifte kurz den großen Spiegel, der ihr gegenüber an der Wand des kleinen Zimmers hing, ehe sie die Wanduhr über der Türe aus hellem Holz entdeckte: Kurz nach halb Elf. Sie überlegte erneut, wo sie hier eigentlich war – oder was für ein Wochentag es war. Auf einmal kam ihr der Gedanke, weshalb sie nicht in der Schule war. Zusammen mit diesem Gedanken kam das erste Gefühl von Beklemmung oder Angst. Nein, weder Beklemmung noch Angst: Es war Schuld, ein schuldiges Gefühl, wie von einem schlechten Gewissen. Sie griff automatisch nach ihrem Handy, das neben ihr auf dem kleinen Tisch stand, der wohl zugleich als Nachttisch fungierte. Sie ignorierte die Anrufe in Abwesenheit – bestimmt zehn Stück, allesamt von ihren Eltern. Mit wenigen sicheren Bewegungen fand sie den Kalender, der in dem kleinen Gerät eingebaut war und sah, dass es ein Samstag Morgen war. Die plötzliche Anspannung wich wieder von ihr ab, zumindest zum Teil. Ganz wollte die Unruhe nicht mehr von ihr abfallen. Sie stand auf und fing an, sich leise anzuziehen. Es widerstrebte ihr, irgendjemanden auf sich aufmerksam zu machen, solange sie weder wusste wo sie war, noch wie sie hierher gekommen war. Als sie damit fertig war, betrachtete sie kurz ihr Ebenbild in dem Spiegel, der in dem kleinen Zimmer hing. Ein schlankes und für sein Alter ungewöhnlich kleines siebzehnjähriges Mädchen blickte ihr aus dunklen, etwas besorgten Augen entgegen. Auf einmal war die Erinnerung an ihren Traum wieder da. *** Der Raum war dunkel. Nicht schwarz, sondern einfach nur dunkel. Sie glaubte einen leichten Blauschimmer in der Ferne zu erkennen. Aber das war das Problem. Es gab keine Ferne. Es gab keine Grenzen. Es gab keinen Horizont. Der Raum erstreckte sich in die Unendlichkeit. Sie wusste, dass der Raum unendlich war. Vor ihr schwebte ein dunkles Oval im Nichts. Als sie ihre Aufmerksamkeit darauf richtete erkannte sie, dass es ein Spiegel war. Ein ovaler Wandspiegel, vielleicht einen Meter breit und eineinhalb mal so hoch. Sie konnte im Detail den silbernen Rahmen erkennen, die Ranken und sonstigen Verzierungen, die ein enges Geflecht von silbernem Schmuck bildeten. Inmitten des glitzernden Rahmens war Finsternis. Keine einfache Dunkelheit, so wie die aus der der endlose Raum – oder vielleicht eher Nicht-Raum – bestand, sondern echte Schwärze. Der Spiegel schien das Licht geradezu anzusaugen, gab keinen einzigen Leichtstrahl wieder frei. Und doch wusste sie, dass es ein Spiegel war. Alleine was sich in ihm spiegelte, das vermochte sie nicht zu sagen. *** Eva empfand eine leichte Beklemmung, als die Bilder aus ihrem Traum zu ihr zurück kamen. Sie schüttelte sich kurz, versuchte so die Ehrfurcht zu verdrängen, die sie vor dem Dunklen Spiegel empfunden hatte – eine Ehrfurcht die es ihr unmöglich gemacht hatte, sich dem Spiegel zu nähern oder direkt hinein zu blicken. Da kehrte langsam die Erinnerung an die vergangene Nacht zurück. Ganz langsam nur, in Bruchstücken, die keinen rechten Sinn machen wollten. Sie konnte sich an die Disco erinnern, die sie entgegen jeder Gewohnheit betreten hatte. Warum wusste sie nicht, und die Erinnerung daran war noch nicht wieder da. Sie konnte sich daran erinnern, wie sie angefangen hatte zu tanzen. Danach wurden ihre Erinnerungen zunehmend unreal. Sie erinnerte sich an sphärische Klänge und an leuchtende Farben, an bunte Flammen und an einen Tanz, nein, an den Tanz. Und dann waren da andere Erinnerungen. Erinnerungen an Leute. Ein paar junge Leute – ein junger Mann und zwei Mädchen, sofern ihre Erinnerung sie nicht ganz täuschte. Einzelne Bilder hatten sich tief in ihr Gedächtnis eingegraben: Die ausholenden Bewegungen des jungen Mannes, wenn er sprach; das Herumwirbeln roter Haare, wenn das eine der beiden Mädchen sprach. Die stillen aber tiefen Augen des anderen Mädchens, in einer ganz sonderbaren Farbe, wie Sand, nicht gelb, aber auch nicht grau, sondern irgendwie beides zugleich. Eva rief sich selbst zur Ordnung. Sie konnte nicht irgendwelchen Phantasiegebilden nachhängen. Sie musste lieber sehen, dass sie nach Hause kam. Sie erwartete sowieso schon jede Menge Ärger, auch ohne dass sie ihren Eltern erzählte, dass ... was eigentlich? Was war geschehen? Hatte sie sich irgendwie dazu überreden lassen, Drogen zu nehmen? Es war die einzige Erklärung für das, was sie gesehen hatte. Sie öffnete die Türe lautlos und spähte hindurch. Vor ihr lag ein kurzer Korridor, von dem mehrere andere Türen wegführten. Eine offene Holztreppe führte nach oben, in einen dunklen Raum. Am Ende des Flurs entdeckte sie die Wohnungstüre. Sie beschloss, leise hinauszuschleichen und dann auf direktem Weg nach Hause zu fahren. Da erklang plötzlich eine Stimme: "Du hast bestimmt Hunger. Setz dich zu uns, wie sind gerade am frühstücken." Eva blickte sich erschrocken um. Die Stimme musste aus einem anderen Raum gekommen sein. Direkt zwischen ihr und der Wohnungstüre war eine Türe nur angelehnt. Daher war die Stimme wahrscheinlich gekommen. Und die Stimme kam ihr bekannt vor. Sie hatte sie gestern Nacht bereits gehört. Sie gehörte zu dem jungen Mann, den sie zusammen mit den beiden Frauen gesehen hatte. Du bist nun erwacht, erinnerte sie sich an Fetzen von dem, was er gesagt hatte. Du bist nun wie wir, eine Magierin. Du kannst die Urkraft lenken, die das Universum im Innersten zusammenhält. Fieberhaft überlegte sie, was sie tun sollte. Hatte er sie gemeint? Und woher sollte er überhaupt wissen, dass sie in eben diesem Moment auf den Gang gekommen war. Sie hatte kein Geräusch gemacht, da war sie sich sicher. Sollte sie ihren Plan weiter verfolgen und so leise wie möglich zur Türe schleichen? Oder sollte sie einfach loslaufen, ohne sich noch einmal umzusehen? Da öffnete die Türe vor ihr sich plötzlich ganz, und der junge Mann aus ihrer Erinnerung erschien. Er sah sie direkt an und wiederholte seine Frage: "Möchtest du etwas essen? Wir sind eben beim Frühstück." Eva musste schlucken. Sie wusste nicht, was sie erwidern sollte. Schließlich sagte sie kleinlaut: "Okay." Er führte sie daraufhin in das Zimmer, aus dem er eben gekommen war. Es handelte sich um ein geräumiges Wohnzimmer, in dem die beiden Mädchen oder Frauen von vergangener Nacht in bequemen Ledersesseln um einen niedrigen Tisch saßen und frühstückten. Der Anblick des Zimmers irritierte Eva aber doch sehr. Die Wände waren dicht mit kitschigen Postern, Fächern, bunten Stoffen, einem echten ausgespannten Kimono und einer Halterung mit asiatischen Schwertern darin bedeckt. Die Regale waren aus schwarzem Holz und in den offenen Fächern standen Bücher, Schalen mit Steinen und exotischen Pflanzen, asiatische Schmuckgegenstände und immer wieder Abbilder von Drachen, teils aus Metall, teils aus Stein. Dazu kamen noch drei große Topfpflanzen, die den Raum noch exotischer erscheinen ließen, als er sowieso schon war. "Setz dich doch bitte", sagte die Rothaarige, während sie sich erhob und mit einer ungewöhnlichen Geste auf einen der Sessel zeigte. Die Bewegung ließ Eva unwillkürlich an eine asiatische Geisha oder dergleichen denken – was sicherlich auch an dem Kleidungsstück liegen mochte, dass die Frau trug. Eva vermutete, dass es ein Kimono war. Tatsächlich war es ein seidener Yûkata, aber das konnte sie nicht wissen. Der junge Mann ging derweilen an ihr vorbei zurück zu dem leeren Platz auf dem Sofa, auf dem er wohl bis eben gesessen hatte. Eva blieb zunächst unschlüssig im Raum stehen. Die ganze Atmosphäre war ihr unheimlich, und sie wollte eigentlich nur weg von hier. Aber es war ihr unangenehm, eine derart freundliche Einladung auszuschlagen. Schließlich setzte sie sich hin und sah sich zögerlich auf dem Tisch um. Auch hier offenbarte sich ihr wieder eine merkwürdige Mischung kultureller Elemente. Auf dem Teller der rothaarigen jungen Frau, von der sie glaubte, dass sie Bea hieß, lagen ein Apfel, ein halb gegessenes Stück Wassermelone und ein Büschel Trauben. Der junge Mann – Alex? – hatte derweilen eine Schüssel Reis und eine Schüssel mit einer Art trüben Suppe vor sich stehen. Das Dunkelblonde Mädchen mit den sandfarbenen Augen – Dana? – hatte derweilen ein halb gegessenen Nutellebrot und ein ebenfalls schon angeknabbertes Marmeladenbrot vor sich liegen. "Eva, richtig?", fragte die Rothaarige da. Eva musterte sie dezent. Sie war ähnlich klein und zierlich gebaut wie sie selbst, schien aber schon ein paar Jahre älter zu sein. Es war nicht nur ihr Aussehen, sondern ihr gesamtes Auftreten, das diesen Eindruck vermittelte. Sie wirkte viel sicherer und weltgewandter, als Dana das von ihren Klassenkameraden und Klassenkameradinnen kannte. Nein, nicht reifer, erkannte sie, eleganter, würdevoller, und auch irgendwie exotischer. Sie fühlte sich von ihrer ganzen Art her ein wenig an eine Prinzessin aus irgend einem Film erinnert. "Ja", brachte sie nach einer Weile heraus. "An wie viel kannst du dich erinnern?", fragte da der junge Mann. "Von gestern Nacht, meine ich." Sie musterte nun auch ihn vorsichtig aus den Augenwinkeln heraus. Ihr erster Eindruck bestätigte sich. Er wirkte irgendwie unreal schön: Großgewachsen, schlank, mit nahezu perfekt geformten Gesicht, dazu kurze dunkelbraune Haare, die etwas rebellisch nach oben weg standen und große, tiefbraune Rehaugen. Nur dass sie nicht an ein scheues Rehe erinnerten, sondern eher an einen starken und selbstsicheren Löwen, der vor nichts zurück schreckte und jede Herausforderung annahm. Genau wie Bea auch, gab auch er ihr irgendwie das Gefühl, klein und unscheinbar zu sein. Aber sein aussehen löste noch andere Gefühle aus. Sie merkte, dass es ihr unmöglich war, seinen Blick zu erwidern und blickte etwas verlegen nach unten, als er sie direkt ansah. Dabei empfand sie eine gewisse innere Anspannung, die sich auch später nicht mehr ganz legte, als sie nicht mehr in seiner Gegenwart war. "Nicht viel", brachte sie mühsam heraus. "Dann kannst du dich auch nicht an die Konstellation erinnern?", fragte er da. Was zum Teufel war eine Konstellation? "An die Entladung, meine ich", korrigierte er sich da, "an die Flammen, die du beschworen hast, an unser Gespräch im Anschluss, bei dem wir versucht haben dir zu erklären, was passiert ist? ...An dein Erwachen?" Sie schüttelte nur immer wieder den Kopf, murmelte gelegentlich: "Nein." Er holte einmal tief Luft, holte ein weiteres Mal weit mit seinen Armen aus, genau wie sie es von gestern Nacht in Erinnerung hatte – wie viel war tatsächlich wahr? Wo hörten die echten Erinnerungen auf und wo fingen die Halluzinationen an? Und begann dann zu reden: "Also noch mal von vorne: Du – bist – erwacht" – er betonte jedes der drei Wörter einzeln – "Du bist erwacht und bist jetzt eine von uns: Eine Magierin. Wir haben dich gestern im Lichtpalast gefunden und gerade noch verhindern können, dass du alles einäscherst. Warum wissen wir nicht, aber aus irgendwelchen Gründen bist du dorthin, mitten eine magische Entladung rein, und hast versucht ein mittleres Inferno zu beschwören. Wir konnten dich gerade noch aufhalten, und nachdem du gestern Abend so gut wie unansprechbar warst, haben wir dich erst mal hierher gebracht und in Beas Gästebett gelegt." Mit einem etwas weniger formellen Tonfall fügte er dann noch etwas leiser hinzu: "Und hast du eigentlich eine Ahnung, wie unbequem das Sofa hier ist?" Eva verstand kein Wort, von dem was er sagte. Sie verstand natürlich, was er sagte, aber es machte für sie keinen Sinn. Das war ihr wohl auch anzusehen, denn Bea mischte sich nun ein. Sie legte Alex die Hand beschwichtigend auf die Schulter – Eva war wieder beeindruckt von der Würde und leichten Schwere, die all ihren Bewegungen inne zuliegen schien – und sagte zu Alex: "Lass gut sein!" Das Bild einer orientalischen Prinzessin schwebte noch immer vor Evas innerem Auge, und Alex erschien ihr auch zunehmend wie ein Prinz – oder zumindest so wie die Prinzen, die sie als kleines Mädchen im Fernsehen gesehen hatte: Kräftig, stolz, zielstrebig und furchtbar, sollte ihr Zorn einmal geweckt werden. Sie kam sich selbst albern vor, angesichts dieser Assoziationen, aber die ungewohnte Umgebung trug sicherlich genauso ihren Teil dazu bei wie die Erscheinung und das Auftreten der beiden selbst. An Eva gerichtet sagte Bea dann mit sanfter, fast schon ein wenig gütiger Stimme: "Iss doch erst mal was. Hier, trink was, und dann erzähl uns erst mal in ruhe, woran du dich noch erinnern kannst." Dabei schenkte sie Eva eine breite, henkellose Tasse grünen Tees ein. Eva kannte das Getränk zunächst nicht, Bea verriet ihr aber, was es war, vielleicht nur um sie etwas zu beruhigen und ihr ein Gefühl von Sicherheit zu geben. Nach einer Weile fing Eva an zu erzählen. Sie erzählte zunächst nur von ihrem ungeplanten Ausflug in die Disco, obwohl sie eigentlich hatte lernen wollen. Irgendwann hatte sie irgendetwas nach draußen gezogen. Zunächst hatte sie nur einen kurzen Spaziergang machen wollen, aber der Weg wurde immer länger, ohne dass sie je das Gefühl gehabt hätte, einem bestimmten Ziel entgegenzusteuern. Dann erzählte sie, wie sie am Lichtpalast ankam, wie sie entgegen jeder Gewohnheit hineingegangen war und schließlich angefangen hatte zu tanzen. Dabei versicherte sie sich durch vorsichtige Blicke schon immer wieder, ob die drei sie noch ernst nahmen, oder ob sie sie bereits für verrückt erklärt hatten. Aber sie nahmen die Geschichte einfach hin, empfanden sie offenbar weit weniger merkwürdig als Eva selbst, und so erzählte sie immer weiter, auch jene Teile, die ihr noch mehr denn zuvor als Teil eines Traums oder möglicherweise als der Effekt von Drogen vorkam. "... und dann bin ich hier aufgewacht", schloss Eva, sah die drei an, vor allem Alex und Bea, und als sie nicht reagierten platzte es plötzlich aus ihr heraus: "Das ist doch verrückt! Ihr könnt mir das doch nicht glauben! Ich glaube es doch selbst nicht!!!" Die drei warfen sich kurze Blicke zu, und dann beugte sich Bea plötzlich zu Eva vor. "Ich will dir was zeigen", sagte sie. "Hier." Dabei formte sie eine Art Korb mit ihren beiden Händen. Und begleitet von einem leichten Summen in ihrem Hinterkopf erschien eine leuchtende Kugel darin. Eva stockte der Atem. Sie konnte die Kugel nicht nur sehen, sie wusste, dass sie existierte. Denn sie konnte sie auch spüren, wie eine Art leuchtenden Fleck in ihrem eigenen Bewusstsein. "Nimm Sie!", forderte Bea sie auf. Und ohne dass sie selbst die Entscheidung dazu traf, griffen ihre Hände nach Vorne und berührten die Kugel. Die Kugel besaß keinerlei Substanz, fühlte sich aber merkwürdig warm an. Auch die rötliche Farbe ließ Eva unwillkürlich an die eines Feuers denken. Das Summen in ihrem Hinterkopf wurde lauter, begann zunächst wie das knacken eines Feuers zu klingen, ehe es eine Art Melodie annahm. Und in diesem Moment kam auch die Erinnerung zurück, wie es gewesen war, in der vergangenen Nacht die kosmischen Energien zu lenken und durch ihren Geist hindurch zu leiten. Und da, in diesem einen Moment, wurde Eva bewusst, dass das alles real war. Der Raum, in dem sie saß, die drei unwirklich fremdartigen Personen, die Bilder der vergangenen Nacht in ihrer ganzen phantastischen Irrealität, es war alles wahr. Es war Realität, auch wenn sie nicht verstehen konnte wie. "Aber...", schnappte sie nach Luft, "ich verstehe nicht..." "Du hast den ersten Schritt in eine größere Welt getan, kleine Schwester", sagte Bea liebevoll. "Du hast gestern Nacht deine Augen geöffnet und siehst nun Dinge, die dem Großteil der Menschheit für immer verborgen bleiben werden. Die siehst die Welt nun wie se wirklich ist, hinter der Fassade scheinbar banaler Alltäglichkeit. Dich erwarten Wunder ohne gleichen." Die Energiekugel hatte sich derweilen spurlos wieder aufgelöst. Eva schluckte. "Aber wie, aber wie..." "Lass dir Zeit", sprach Bea sanft weiter. "Du musst nichts überstürzen. Lass alles erst mal einsickern, und wenn du uns brauchst, dann sind wir für dich da." "Das ist das Wichtigste", erklang da wieder Alex' volle Stimme, "dass du jemanden hast, der genauso ist wie du. Ich hatte am Anfang niemanden, und ich dachte erst lange Zeit, ich wäre verrückt geworden. Erst als ich Bea und unsere kleine Dana hier getroffen habe, da habe ich richtig begriffen, was überhaupt los ist. Die beiden haben mir gezeigt, was passiert ist, und was ich jetzt bin. Du hast zumindest von Anfang an jemanden und stehst nicht alleine da. Das ist schon ne ganze Menge wert, mehr als dir wahrscheinlich jetzt überhaupt klar sein kann..." "Aber...", stotterte Eva weiter, "aber... Magie?" "Schon gut", sagte Alex beruhigend, während er über den Tisch griff und ihr einige Male sanft über den Kopf strich. "Das ist ganz normal. Das ist mir auch so gegangen: Du zweifelst bis zuletzt, bis du nicht mehr anders kannst." Eva sagte nun nichts mehr. Sie sah die drei nur noch mit großen Augen an, unsicher was sie noch sagen, ja was sie überhaupt noch denken sollte." "Was hältst du davon", fragte Bea nach einem kurzen Schweigen, "wenn wir dir erzählen, wie wir erwacht sind? Vielleicht hilft dir das ja ein wenig, dich selbst zurecht zu finden." Eva nickte. Sie wusste nicht, was sie sonst sagen sollte. "Ich bin die Tochter eines Drachen", erklärte Bea da stolz. "Nicht wirklich seine Tochter, wenn ich ehrlich sein soll, aber er nennt mich bisweilen so." "Drache?", rutschte es Eva raus, ohne dass sie es verhindern konnte. "In der Tat", erwiderte Bea. "Findracor, der Feuerdrache, der große Rote Drache, der Herrscher über die Ebene des Elementaren Feuers. Er ruhte viele Jahrtausende in tiefem Schlummer, bis es mir gelang ihn in Trance zu berühren. Daraufhin erwachte er und nannte mich Freundin. Seitdem folge ich dem Pfad, den er mir aufgewiesen hat. Das allerwichtigste ist aber, dass er mich gelehrt hat, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Mein altes Leben war ehrlich gesagt einfach nur Scheiße." – Mit einem Mal fiel die erhabene, würdige Art on Bea ab und sie erschien Eva wie eine gewöhnliche junge Frau – "Ich hab damals im Supermarkt an der Kasse gesessen, hatte nen Freund, dem ich fast schon egal war, zumindest kommt's mir rückblickend so vor, und war in unserer Clique der Prügelknabe, auf dem alle rumgehackt haben. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie verlassen ich mich die ganze Zeit gefühlt hab – und habs nicht mal gewusst, weil ich nichts anderes gekannt hab. Aber dann ist Findracor erwacht. Ich hab ihn während einer Meditation erreicht, nachdem ich schon länger von ihm geträumt hatte." – Beas Finger fingen an, mit dem kleinen roten Steindrachen rumzuspielen, der an einem Lederband um ihren Hals hing; er war Eva schon gestern Abend aufgefallen, und vorhin wieder, aber inmitten der ganzen fremdartigen Eindrücke hatte sie ihm bisher keine weitere Beachtung geschenkt – "Während dieser einen Meditation erwachte er dann und nannte mich Freundin, und seitdem hat sich mein Leben vollständig verändert." – an diesem Punkt begann die Erhabenheit und Würde, die Eva bisher beobachtet hatte wieder in Beas Auftreten und Sprache zurück zu kehren – "Ich habe Steffen daraufhin zum Teufel gejagt, meinen alten Job hingeworfen und habe mittlerweile meine eigene kleine Modereihe. Lebe deinen Traum – DAS ist Magie." Und mit dieser theatralischen Formulierung schloss sie ihre Ausführungen. Ein kurzes Schweigen setzte ein. Eva wusste nicht, was sie sagen sollte. Da räusperte Alex sich und begann zu erzählen: "Ehrlich gesagt weiß ich bis heute nicht, wie oder warum ich erwacht bin. Es ist einfach passiert. Ich war auf dem Weg vom Kino nach Hause, als es einfach passierte. Ich hab nicht mal gemerkt, wie es passiert ist. Ich denke ich war in dem Moment zu sehr mit mir selbst beschäftigt. Aber irgendwann hab ich es dann bemerkt, und du kannst dir gar nicht vorstellen, wie verblüfft ich war..." "Komm endlich zum Punkt", unterbrach ihn Dana da, nicht unbedingt unfreundlich. "Okay", erwiderte Alex. "Irgendwas hat sich an dem Abend an mir verändert, oder vielmehr an meiner Art, die Welt wahrzunehmen. Ich dachte erst, ich wäre übermüdet, oder so, oder irgendwas wäre mit meinen Augen. Obwohl, eigentlich hab ich im ersten Moment gar nicht darüber nachgedacht, sondern es einfach nur zur Kenntnis genommen." "Alex...", ermahnte Dana ihn da erneut, und Eva musste ihr innerlich Recht geben. Er kam wirklich nicht zum Punkt. "Denn was plötzlich anders war", fuhr er fort als sei nichts gewesen, "waren die Menschen um mich herum. Ich hab sie plötzlich viel deutlicher gesehen als vorher, jeder einzelne war plötzlich im Fokus, war viel größer und detaillierter und farbiger, und die Umgebung um die Menschen herum war irgendwie grau und versank im Hintergrund. Also nicht wörtlich, nicht so als ob die Proportionen oder die Farben sich wirklich verändert hätten, aber es war irgendwie so, als ob die Menschen schärfer eingestellt wären, du weißt schon, wie in einem Film oder so, wenn bestimmte Sachen einfach einen Fokus kriegen." Eva wusste nicht, was er meinte. Aber sie nickte, verstand sowieso kaum mehr etwas von dem, was hier vor sich ging. "Später im Bett hab ich mich dann gewundert, was eigentlich los war und gedacht, das wäre irgendwas komisches gewesen – vielleicht hab ich’s mir sogar nur eingebildet – und am nächsten Tag würde alles wieder sein wie immer. Aber das war's nicht. Die Veränderung hat angehalten, und tut es noch immer, nach fast einem halben Jahr. Ich bin in dem Moment erwacht, wie ich später von Bea erklärt bekommen habe." "Ah", war alles, was Eva als Antwort herausbekam. "Aber glaub nicht, dass es nur bei dieser veränderten Wahrnehmung geblieben wäre", fügte Alex da noch hinzu. "Das war nur der Anfang. Ich habe seitdem gelernt die Magie zu nutzen, und du kannst dir wahrscheinlich noch gar nicht vorstellen, was ich schon alles gesehen und getan habe – und was du auch noch sehen und tun wirst." Das war allerdings wahr. Sie konnte sich wirklich nur schwer vorstellen, was er gesehen haben mochte, oder was sie noch erwarten mochte. Das war weit jenseits von allem, auf das sie in ihrem jungen Leben vorbereitet worden war. Aber so sehr es auch ihrem ganzen Weltbild widersprechen mochte, was sie hier sah und hörte, sie wusste einfach, dass es real war. Die kleine Energiekugel, die Bea beschworen hatte, hatte ihr jeden Rest an Zweifel genommen. "Und was ist mir dir?", fragte sie schließlich unsicher das junge Mädchen mit Namen Dana. Sie war vielleicht fünfzehn, hatte lange dunkelblonde Haare, die ihr bis über die Schultern hingen und war etwas größer und breiter als sie oder Bea. Aber das war nicht weiter ungewöhnlich, waren sie beide doch ungewöhnlich zierlich gebaut. Eva suchte ihr Aussehen dezent nach jener Art von exotischem Flair ab, das die anderen beiden umgab, aber sie fand nichts. Abgesehen von den Augen, deren Farbe tatsächlich ungewöhnlich war, schien sie ein ganz normales, junges Mädchen zu sein, das sich nicht von den jüngeren Schülerinnen an ihrer eigenen Schule unterschied. "Ich hab nicht viel zu erzählen", sagte Dana leise. Überhaupt wirkte sie auf Eva etwas still und schüchtern. "Ich bin offenbar die Wiedergeburt einer mächtigen keltischen Magierin", begann sie dann etwas monoton zu erzählen. "Frag mich nicht in der wievielten Generation schon. Ich hab Erinnerungsfetzen an die Zeiten der römischen Invasion in England und davor, hab scheinbar die Höhen und Tiefen des Mittelalters miterlebt, hab Dinge gesehen und gemacht, die in keinem Geschichtsbuch stehen, und wurde offenbar immer wieder wiedergeboren, bis zuletzt in diesem Körper. Ist alles ziemlich schwammig, zumeist nur vage Fetzen, ohne jeden Zusammenhang und ohne jede Erklärung, die mich plötzlich überkommen. Ich bin dann oft mehrere Minuten lang nicht ansprechbar. Meine Eltern sind schon mit mir zu zig Psychiatern gerannt, besonders als ich angefangen habe von den Vorerinnerungen zu erzählen. Die waren auch alle ratlos, und seitdem ich aufgehört habe darüber zu reden und mich wieder 'normal' verhalte, lassen sie mich in Ruhe. Ich hab seitdem auch weit mehr Freiheiten als früher, kann kommen und gehen wann ich will, kann tun und lassen was ich will, Hauptsache ich bin wieder 'normal'. Und ganz ehrlich, wenn ich’s mir aussuchen könnte, würde ich das hier am liebsten alles hinter mir lassen, so gern ich Alex und Bea hab, aber ich wär am liebsten eine ganz normale fünfzehnjährige Schülerin, die sich nicht mit Vorerinnerungen, Prophezeiungen und dergleichen rumzuschlagen braucht. Aber das geht einfach nicht. Ich bin was ich bin, und die beiden hier geben mir zumindest den nötigen Halt, den ich brauche, um dieses zweite Leben in den Griff zu kriegen." Dana hatte die ganze Zeit über aus dem Fenster geschaut, während sie gesprochen hatte, und Eva hatte deutlich das Gefühl gehabt, dass es ihr nicht leicht gefallen war. Aber jetzt sah sie sie direkt an und lächelte. Einen Moment lang glaubte Eva irgendwo in ihrem Hinterkopf etwas zu hören, wie ein erneutes Summen, aber etwas geordneter, schon fast wie eine Art Melodie. Da verschwand der letzte Rest von Zurückhaltung aus Danas Gesicht und sie sagte mit authentisch wirkender Herzlichkeit: "Und wenn mich nicht alles täuscht, dann werden wir beide auch noch sehr gute Freundinnen." *** Es war mittlerweile kurz vor zwölf. Dana saß mit ihren Schulheften am niedrigen Wohnzimmertisch, Bea saß friedlich schweigend neben ihr und skizzierte – Schnittmuster, wie Eva nun wusste. Alex wirbelte derweilen eines von Beas Samuraischwertern wild umher; bisweilen sah es kontrolliert und anmutig aus, bisweilen hatte Eva Angst um die Einrichtung und ihr Leben; die Anderen beiden achteten überhaupt nicht darauf, als wäre es das Natürlichste auf der Welt. Dazwischen hielt er immer wieder inne und sah sich nach ihr um, wechselte ein paar Worte mit ihr, fragte ob sie mit allem zurecht kam. Sie selbst stand schon die ganze Zeit an das Fenster gelehnt und blickte unschlüssig über den verlassenen Park und die graue Stadt. Eigentlich hätte sie schon längst nach Hause gehen sollen, aber irgend etwas hielt sie zurück. Und es war nicht die Angst vor ihren Eltern, die ihr heftigste Vorwürfe machen würden. Sie hatte keine Ahnung, was sie überhaupt sagen sollte, aber das kümmerte sie im Moment auch gar nicht. Ihr Leben hatte sich gerade verändert, und nicht nur das, die ganze Welt hatte sich verändert – zumindest für sie. Sie versuchte vergeblich, damit klar zu kommen, aber die hatte das Ausmaß all dessen noch gar nicht erfasst. Schrittweise und systematisch versuchte sie gerade alles aufzuarbeiten. "Ich kann das nicht!", platzte es plötzlich aus ihr heraus. "Ich kann das nicht! Das ist zuviel!" "Was ist denn los?", fragte Alex mit besorgter, fürsorglicher Stimme, das Schwert locker in einer Hand wiegend. Eva war zunächst selbst überrascht von ihrem plötzlichen Gefühlsausbruch. "Ich hätte gestern fast ich weiß nicht wie viele Menschen umgebracht!", eröffnete sie ihm dann. "Wie soll ich denn bitte schön mit so was leben?! Wie soll irgendjemand mit so was umgehen?" Alex sah sie einen Moment nachdenklich an, dann sagte er: "Das warst nicht du. Das war die Magie – Schicksal, wenn du so willst. Wenn du überhaupt was tun kannst, dann dich dem stellen wer du bist, Verantwortung übernehmen und die Magie meistern, damit du in Zukunft nicht noch mal die Kontrolle verlierst." "Aber... Aber", stotterte Eva, die Arme eng um den Körper geschlungen, den Blick von ihm abgewandt und auf den Boden fixiert. Da erhob sich Bea plötzlich vom Sofa, kam ein paar Schritte in ihre Richtung und sagte: "Lass dich nicht unterkriegen. Es kommt dir im Moment vielleicht wie eine schwere Bürde vor, aber du wirst bald Wunder sehen, die es mehr als wert machen." Es waren schöne Worte, aber sie kamen Eva hohl vor, bedeutungslos. "Könnt ihr beide und bitte für einen Moment alleine lassen?", wandte sich Alex da an die beiden Anderen. Sie nickten und ließen sie alleine. Eva hob den Blick und sah ihn abschätzend an. Sie empfand noch immer die selbe Anspannung in seiner Gegenwart, aber sie wurde im Moment von Unsicherheit und sogar einer kleinen Spur Angst überlagert, was er nun tun würde, da sie alleine waren. Er lehnte sich neben sie gegen das Fenster und blickte hinaus. Sein Blick schien über den Horizont zu wandern. Eva entspannte sich wieder etwas. "Ich kann dir einiges über Verantwortung erzählen, wenn du es wirklich hören willst", sagte er dann geistesabwesend. "Du musst noch eines über mich wissen: Ich bin nicht nur Magier, sondern auch Telepath. Bea und Dana haben beide große Macht, aber sie haben keine Ahnung davon was es heißt, Macht über den Geist zu besitzen – und das ist auch besser so, denke ich. Telepathie ist eine schreckliche Bürde. Ich kann nicht nur Gedanken lesen, wenn ich möchte, sondern ich kann die Gefühle anderer Menschen verändern, ihre Gedanken umschreiben, ihnen den freien Willen nehmen, wenn ich nur möchte. Manchmal bekomme ich selbst Angst vor dem, was ich tun könnte. Einmal habe ich es tatsächlich getan. Einmal habe ich es nicht bei der bloßen Vorstellung belassen, sondern tatsächlich Gott gespielt. Es war anfangs nur so eine Idee: Ein hübsches Mädchen, und ich war alleine und einsam. Ich hab damals gerade angefangen meine magischen Fähigkeiten auszuloten, hatte noch kaum Erfahrung, wollte meine Grenzen kennen lernen. Ich dachte mir es wäre bestimmt schön mit ihr zusammen zu sein. Ohne groß über die Folgen nachzudenken habe ich ihr Gefühle gegeben. Sie hat sich in mich verliebt. Es war Liebe auf den ersten Blick." Er hielt kurz inne, fuhr dann fort: "Glaub ja nicht, dass ich darauf stolz wäre, okay. Ich war einfach dumm, hatte keine Ahnung davon, wozu ich in der Lage bin, was ich anrichten kann. Ich sagte mir damals noch, dass es vielleicht von alleine hätte passieren können, dass ich dem Schicksal lediglich ein wenig auf die Sprünge geholfen hatte. Wir waren drei Wochen zusammen und wir waren glücklich – ich zumindest. Ich dachte damals, dass sie auch glücklich sei. Ich wusste noch nicht, was ich ihr angetan hatte. Denn Andrea – oder auch kurz Andi – hatte bereits einen Freund. Von ihren neuen Gefühlen für mich überwältigt sprach sie nicht über ihm. Erst nach drei Wochen erfuhr ich dann von Mark, als sie heulend in ihrem Zimmer saß und mir alles beichtete. Sie hatte ihn erst im Unklaren gelassen, dann mit ihm Schluss gemacht und es hatte ihr das Herz gebrochen. Sogar das hatte sie noch so lange versteckt gehalten, wie sie nur gekonnt hatte und jetzt war der Zeitpunkt erreicht, wo sie dem Druck nicht mehr länger gewachsen war. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie mies ich mich gefühlt habe. Ich hab ihr erst einmal einen Tee zur Beruhigung gegeben, leicht magisch verstärkt, wie ich vielleicht dazu sagen sollte. Ich musste einfach irgendetwas für sie tun. Ich habe daraufhin ihren Freund, oder besser gesagt ihren Ex-Freund gesucht und mich mit ihm unterhalten. Eigentlich ist er ein netter Kerl, aber als er erführ, wer ich war, hätte er mich am liebsten zusammengeschlagen. Ich habe den Zauber dann von Andrea genommen, der sie an mich gebunden hatte und die beiden irgendwie gemeinsam in einen Raum gebracht. Ich weiß gar nicht mehr, was ich an dem Abend alles gezaubert habe, angefangen bei einer Art Verschleierung, damit sie mich nicht mehr erkennen bis hin zu Gedächtniszaubern, die die letzten drei Wochen für sie ungeschehen gemacht haben und irgendwelchen Nachjustierungen, damit sie nicht sofort auf irgendwelche Widersprüche stoßen. Zum Schluss hab ich ihnen dann noch zwei kleine Halbedelsteine geschenkt, die als materieller Fokus fungieren und die Zauber auf Dauer aufrecht erhalten sollen. Ich hab später noch mal nach dem Rechten gesehen, und zwischen den beiden scheint alles soweit wieder im Lot zu sein, und sie haben mich auch beide nicht mehr erkannt, aber ich hab bis heute das Gefühl, dass irgendeine Art von Schatten damals über ihrer Beziehung lag. Ich fürchte, dass der Schaden, den ich angerichtet habe nie ganz verheilt ist. Wie dem auch sei, ich hatte an diesem Tag verdammt viel Magie eingesetzt und die Strafe lies nicht lang auf sich warten; die Magie fordert immer ihren Preis, musst du wissen. Das ist die wichtigste Regel, die jeder von uns lernen muss. Ich war gerade auf dem Weg nach Hause, als der Schmerz mich packte. Es war kein körperlicher Schmerz, sondern seelischer, wie wenn man ein gebrochenes Herz hat, nur viel stärker." Alex stocke nun immer öfter in seinem Redefluss, und Eva hatte zunehmend das Gefühl, dass die Erinnerungen noch immer schmerzhaft waren. "Ich weiß bis heute nicht, wie ich überhaupt nach Hause gekommen bin. Als der Schmerz nachließ waren zwei Tage vergangen. Damit wahr aber noch nicht alles ausgestanden. Ich litt noch Wochen an den Folgen dieses einen Tages. Mein Spiegelbild zeigte Andrea und nicht mehr mich, meine Gefühle liefen Amok, ich hatte Ohnmachtsanfälle, vergaß wer ich war, war desorientiert, total neben der Spur. Ich nenne diese Zeit den 'Monat der Buße'. Nach gut einem Monat war das Schlimmste ausgestanden. Jetzt begann die Zeit der stillen Buße. Ich liebte Andrea noch immer und vermisste sie. Gleichzeitig musste ich mit dem klar kommen, was ich ihr und ihrem Freund angetan hatte. Wie gesagt, ich glaube dass der Schaden, den ich angerichtet habe, nie ganz verheilt ist, und ich bekomme das Bild von einem unsichtbaren Riss unter der Oberfläche, der immer breiter und bereiter wird nicht mehr aus meinem Kopf. Seit diesem Zeitpunkt setzte ich Magie nur noch ein, wenn es nötig ist und ich denke immer darüber nach, ob ich irgendjemandem damit schade. Bea und Dana haben zwar grundsätzlich das selbe Problem, aber sie haben beide keine Ahnung davon, was es heißt, Macht über den Geist zu besitzen. Wenn ich will kann ich die Gefühle, sogar die Gedanken anderer Menschen fast nach Belieben umkrempeln. Manchmal kriege ich wirklich Angst vor dem, was ich machen könnte, wenn ich nur wollte." Alex' Blick war immer weiter in die Ferne geschweift. Jetzt sah er Eva plötzlich direkt an. "Ich bin mir auch manchmal nicht sicher, ob ich mit so viel Verantwortung leben kann, aber ich muss. Es gibt kein Zurück mehr. Das warst auch gestern nicht du, die die Disco fast eingeäschert hätte, es waren deine Fähigkeiten, die du nicht kontrollieren konntest. Du konntest nichts dafür, dass die Konstellation stattfand und du hattest keine Kontrolle mehr darüber, was du gemacht hast, als es soweit war. Genauso gut hättest du die Kontrolle über ein Auto verlieren können und in eine Menschenmenge brettern, es wäre das selbe gewesen. Unfälle passieren, daran kann man nichts ändern. Was du aber machen kannst ist die Verantwortung übernehmen und dich der Magie stellen." Ohne es selbst zu bemerken blickte Eva Alex nun das erste mal direkt in die Augen. "Alles klar?", fragte er mit einem zaghaften Lächeln. "Ja, schon, denke ich.", antwortete Eva. Dann begann auch sie zu lächeln. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)