A Story of Fake and Love von silvermoonstini (Achtung! Schwule Halbvampire *g*) ================================================================================ Kapitel 26: Twentyfifth Chapter of ASoFaL ----------------------------------------- Nach viel zu langer Wartezeit eurerseits, auch hier endlich mal wieder ein neues Kapitel. Ich wünsche viel Spaß beim Verschlingen ;-) ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Tim: Ich atmete tief durch, bevor ich meine Augen öffnete. Irgendwie traute ich mich nicht, meine Augen zu öffnen, vielleicht war alles nur ein Traum gewesen und ich war doch noch bei Nils und Nina. Ich konnte mir vorstellen, dass ich noch bei den beiden zu Hause war und mein Kopf mir im Schlaf die richtigen Antworten auf meine nur unbefriedigt beantworteten Fragen serviert hatte. In dem Fall wäre zwar sein Verrat -und ihrer ebenfalls- nur ein Produkt meiner fantasiereichen Träume gewesen, aber die ganze Geschichte passte einfach zu gut zusammen. Vielleicht war der Begriff Verrat ein wenig melodramatisch, aber ich fühlte mich verraten von den beiden. Schließlich überwand ich meinen inneren Schweinehund und öffnete meine Augen langsam, wenn mir was ich sah nicht gefallen sollte, konnte ich sie so schnell wieder schließen. Erst sah ich nichts, das Licht war zu grell. Ich wandte den Kopf ab und machte weiter. Endlich konnte ich genug erkennen um zu realisieren, dass ich in meinem eigenen Bett lag und nicht in dem von Nils oder Nina oder auf deren Wohnzimmercouch. Einerseits war ich froh, dass ich nicht mehr bei Nils und Nina war sondern wieder zu Hause, immerhin hatten die beiden mich nach Strich und Faden belogen. Allerdings bedeutete mein Hier sein auch, dass ich nichts von Nils Verrat geträumt hatte, sondern dass alles wirklich passiert war. Das machte mich traurig, aber auch wütend. Wer ließ sich schon gerne belügen? Und dann auch noch von Leuten die einem sympathisch waren? Wenn mein Hier sein bedeutete, dass sie mich belogen hatten, konnte ich froh sein, dass ich hier war. Schließlich zeigte mir die Tatsache, dass ich hier war nur, dass ich nichts von dem was passiert war, nur geträumt hatte, wenn ich dort geblieben wäre, hätte das nichts an ihrem Verrat geändert. Es wäre nur ein Zeichen meiner Inkonsequenz gewesen, es hätte gezeigt, dass ich mich belügen ließ ohne mich dagegen zu wehren. Doch das ließ ich nicht mit mir machen. Ich rieb mir die Augen und setzte mich auf. Mein Kopf tat weh, wahrscheinlich ein Überbleibsel von dem durch den anderen Vampir initiierten Kopfstoss. Allein schon das zeigte mir, dass das alles wirklich geschehen war. Ich schlug die Decke zurück und stand auf. In der Wohnung war es still. Ich warf einen Blick auf meinen Wecker und stellte fest, dass es fast Mittag war. Die anderen waren wahrscheinlich in ihren Vorlesungen. Ein wenig einsam fühlte ich mich schon, dass die anderen mich so alleine gelassen hatten, wo ich doch gerade erst zurückgekommen war... Ich hätte schon gedacht, dass sie sich dafür interessieren würden, wo ich gesteckt hatte und warum ich mitten in der Nacht wieder aufgetaucht war. Aber anscheinend war dem nicht so. War ich nicht wichtiger als ein paar blöde Vorlesungen? Hätten sie sich nicht krank melden können? Warum war ich jetzt auf Marie und die anderen sauer? War ich zum Egozentriker mutiert? Die Vorlesungen waren wichtig, die konnte man nicht einfach so schwänzen und danach konnten sie mich ja immer noch mit ihren Fragen überschütten und sich mit mir über alles empören. Wenn sie das denn wollten... Ich fühlte mich unendlich einsam. Keiner war hier und ich hatte das Gefühl, dass ich niemandem wirklich wichtig war. Tief in mir drin gab es eine leise Stimme, die mich vom Gegenteil überzeugen wollte, aber ich ignorierte sie einfach, das war auch nicht schwer. Nach einer Weile zog ich mich um, aufs duschen hatte ich keine Lust, aber die Klamotten wollte ich loswerden. Klamotten in denen man geschlafen hatte, fühlten sich komisch an, wenn man sie tagsüber weitertrug- fand ich jedenfalls. Nach und nach verwandelte sich meine deprimierte Einsamkeit in Zynismus, vermischt mit ein bisschen Wut. Ich schnappte mir meinen Schlüssel und verließ die Wohnung, wenn die anderen vor mir zurückkamen und sich um mich sorgten war das ihre Schuld. Sie waren schließlich auch nicht für mich hier geblieben, vielleicht war das unfair, aber das war mir im Moment ziemlich egal. Ich fühlte mich, als hätte sich die ganze Welt gegen mich verschworen; erst Nils und Nina –Lügen und Gewalt- dann der andere Vampir – noch mehr Gewalt- und jetzt Marie und die anderen die mich scheinbar ignorierten. Ich fühlte Hass in mir aufsteigen, war ich denn niemandem etwas wert? Ein bisschen Respekt, Ehrlichkeit und Aufmerksamkeit? Tief in meiner Kehle bildete sich fast so etwas wie ein Knurren. Ziellos lief ich durch die Straßen um meine schlechte Laune loszuwerden, statt aber meinen Hass und meine Wut loszuwerden, merkte ich nur dass sich das Gesamtbild meiner Gefühle veränderte, je länger ich unterwegs war: Unter das ganze Chaos mischte sich nun auch noch ein wenig Verzweiflung. Hatte ich es denn nicht verdient, dass man mich mochte und nett zu mir war? Jetzt hätte ich gerne jemandem mein Herz ausgeschüttet, ironischerweise war aber gerade das nicht möglich denn alle potenziellen Kandidaten für eine solche Aktion waren entweder Verräter und gewalttätig oder hatten sich aus dem Staub gemacht, was auch nicht wirklich für ihre seelsorgerischen Qualitäten sprach. Was sollte ich jetzt machen? Ich hasste diese Frage geradezu, abgesehen davon, dass sie mir nur noch meine beschissene Situation verdeutlichte, half sie mir nicht im geringsten, denn wenn ich eine Antwort auf die Frage gewusst hätte, hätte ich sie mir gar nicht erst stellen müssen. Plötzlich spürte ich den Impuls hysterisch zu lachen in mir. Es war als hätte jemand plötzlich eine Flasche voller Emotionen über meinem Kopf ausgekippt, die er mir vorher abgespart hatte, jetzt hatte ich also quasi nicht nur mit meinen Problemen und den daraus resultierenden Emotionen zu kämpfen, sondern stand auch noch als „begossener Pudel“ da. Ich seufzte und ließ mich auf eine Bank fallen. Nina: Wir waren heil und ohne entdeckt zu werden nach Hause gekommen. Zum Glück hatten wir für solche Fälle ein paar Blutkonserven in einem Kühlschrank, die ich aus einer Blutbank entwendet hatte. Zwar hatte Nils schon ein wenig von mir getrunken, doch das reichte nicht um ihn wieder herzustellen und bevor ich am Ende komplett fertig war, fand ich es besser, wenn Nils eine oder zwei Blutkonserven zu sich nahm. Ich hatte das Blut ein wenig angewärmt und ihm gebracht. Nachdem er getrunken hatte, war zumindest die Blässe aus seinem Gesicht verschwunden, die sich nach dem Angriff dort breit gemacht hatte. Das blaue Auge und seine Schrammen waren zwar kaum noch zu sehen und der gebrochene Arm war nicht mehr ganz so schlimm wie direkt nach dem ersten Angriff, aber selbst der Körper eines Halbvampires regenerierte sich nur langsam, zwar schneller als bei einem Menschen, aber es brauchte noch immer seine Zeit. Abgesehen davon machte ich mir viel größere Sorgen um Nils Gefühle. Tim war abgehauen und das hatte Nils verletzt, auch wenn er natürlich selber Schuld war. Dass er Tim nicht erzählt hatte, dass er ein Halbvampir war, war vollkommen verständlich, dass er von ihm getrunken hatte, konnte ich unter Umständen auch noch tolerieren, aber warum zum Teufel hatte er ihn geschlagen? Wahrscheinlich war das bei der Entführung passiert, aber Nils hatte sowieso einen Schaden, wenn er Leute einfach so von der Straße weg entführte - ganz abgesehen davon, dass das nicht wirklich unauffällig war - gab er sich damit einen geradezu dämonischen Anstrich... Das einzige was mir einfiel, was ihn sich besser fühlen lassen würde war, dass er Tim aufsuchte und sich bei ihm entschuldigte. Sobald er wieder etwas fitter wäre, würde ich ihn aus der Wohnung jagen, damit er sich entschuldigte. Vielleicht sollte ich ihm dann hinterhergehen um mich davon zu überzeugen, dass er auch wirklich mit Tim redete. Abgesehen von Nils Seelenheil lag mir nämlich auch das von Tim am Herzen. Tim war mir sympathisch geworden, während er hier gewesen war und ich fand, dass er es nicht verdient hatte, so schlecht behandelt zu werden. Wenn ich also etwas dagegen tun konnte, würde ich es tun und wenn es so verhältnismäßig einfach war wie Nils dazu zu bringen sich zu entschuldigen, war das sogar noch besser. Nils lag in seinem Zimmer im Bett, also stand ich auf und begab mich vom Wohnzimmer wo ich Gedanken verloren ferngesehen hatte, in Nils Zimmer. Ich klopfte an die nur angelehnte Tür und trat dann ein, ich hörte ein Seufzen. Nils saß mit dem Rücken an die Wand gelehnt in seinem Bett und hatte den Blick auf seinen Bettdecke gerichtet. Als ich eintrat hob er den Kopf, ich sah ihn aufmunternd an und er bedeutete mir mit einer Kopfbewegung mich neben ihn zu setzen. Als Nils keine Anstalten machte etwas zu sagen, tat ich es. „Nils, du musst dich bei ihm entschuldigen und wenn er dir nicht verzeihen kann ist es eben so, aber du musst es versuchen. Ich werde nicht ruhen bevor du es versucht hast, das kann ich mir nicht mit ansehen wie ihr beide darunter leidet.“ Ein kleines aber resigniertes Grinsen zuckte kurz um seine Mundwinkel. „Dann guck doch weg oder mach die Augen zu.“ Ich verdrehte stumm die Augen. „Du weißt was ich meine! Wenn es notwendig wird, schleif ich dich hin.“ Er seufzte. „Das hat doch sowieso keinen Sinn, er wird mir nicht verzeihen, dazu hab ich mir zuviel geleistet, das weißt du doch.“ „Das weißt du doch gar nicht, außerdem möchte ich trotzdem, dass du dich entschuldigst.“ Selbst wenn er dadurch nur sein Gewissen erleichtern würde, abgesehen davon hätte er dann eine Chance Tim wenigstens noch einmal zu sehen, wenn der wirklich nichts mehr von ihm wissen wollte. Nils seufzte wieder. „Wenn du meinst.“ „Aber tu es auch wirklich! Notfalls komm ich mit!“ „Nee, lass mal ich mach das schon.“ Nils: Manchmal war Nina echt lästig. Von wegen „Ich komme mit.“ Sie wäre mir hinterhergeschlichen. Der einzige Weg halbwegs sicherzugehen, dass sie das nicht doch tat, war zu Tim zu gehen, während sie eine Vorlesung hatte. Gesagt, getan. Eigentlich wollte ich mich nicht entschuldigen, nicht weil es mir nicht Leid tat, sondern weil ich das Gefühl hatte, dass er mir sowieso nicht glauben würde. Wenn ich ihn in Ruhe ließ, hätte er zwar ein geringfügig falsches Bild von mir, aber wenigstens ging ich ihm nicht noch einmal auf die Nerven, so würde er an alles erinnert werden und am Ende hätte ich mir Hoffnungen gemacht, nur um sie wieder zerplatzen zu sehen. Aber wenn ich es nicht tat, würde mich Nina vermutlich wirklich zu Tim schleifen und das wäre dann erst Recht peinlich. Außerdem konnte ich mir vorstellen, dass er auf Nina auch sauer war, weil sie ihn schließlich auch angelogen hatte und es reichte doch wenn er im Falle des Falles eine Person zur Schnecke machte, da musste sie nicht auch noch mit hineingezogen werden, schließlich hatte sie mir nur helfen wollen. Nachdem ich mich angezogen hatte, machte ich mich auf den Weg zu Tims zu Hause, auch wenn er das vielleicht aufdringlich finden würde. Aber ich hatte nicht wirklich eine große Wahl wegen Nina und wenn ich ehrlich war, wollte ich Tim wiedersehen. Er fehlte mir ganz einfach, selbst wenn er sauer auf mich war wollte ich ihn sehen. Ich nahm an, dass ich ihn in der Gegend aufgegriffen hatte, wo er wohnte, also nahm ich einen Bus in die entsprechende Richtung, von dort aus, wo ich ihn das erste Mal gesehen hatte, würde ich mich telepathisch vorantasten müssen, hoffentlich waren vormittags die meisten Leute in der Gegend bei der Arbeit oder an der Uni oder in der Schule. Das würde viel Zeit sparen, aber das würde ich merken wenn ich da war. Ich stieg aus und begann sofort nach Tims Gedankenmuster zu suchen, von hier aus war es nicht mehr weit bis zu der Straße wo ich ihn entführt hatte. Ich schluckte, was hatte mich nur da geritten, dass ich so brutal mit ihm umgegangen war? Mit geschlossenen Augen, weil ich mich so besser konzentrieren konnte, versuchte ich schematisch vorzugehen. Ich dehnte meinen Radius aus so weit ich konnte und versuchte wie der Lichtstrahl eines Leuchtturms in einer langsamen Runde alle Muster zu erfassen die ich kriegen konnte. Anscheinend hatte ich wirklich Glück; ich spürte wenig Präsenzen in meinem Umkreis und blendete eine nach der anderen aus. Schließlich fand ich tatsächlich ein etwas weiter entferntes „Echo“ von Tims Gedanken und begab mich in die entsprechende Richtung. Aus seinen Gedanken hielt ich mich allerdings heraus, es war mir unangenehm in seinem Kopf herumzuschnüffeln, vor allem jetzt wo er so schlecht auf mich zu sprechen war, wenn auch aus gutem Grund. Je näher ich Tim kam, desto stärker wurde das Echo seiner Gedanken, bis ich ihn schließlich auf einer Bank sitzen sehen konnte. Langsam näherte ich mich ihm, als ich neben ihm stand und er mich noch immer nicht wahrgenommen hatte, räusperte ich mich leise. Ich wollte ihn nicht antippen, das wäre zu persönlich gewesen. Ich konnte ihm nicht in die Augen sehen, stattdessen starrte ich auf meinen in einer Schlinge liegenden linken Arm. Tim: Ich hörte ein Räuspern neben mir und blickte auf, zuerst sah ich nur ein paar Beine dann einen Oberkörper und einen Arm in einer Schlinge und schließlich Nils Gesicht. Bemüht langsam ließ ich meinen Kopf wieder in seine Ausgangsposition zurückkehren. „Was willst du?“ erkundigte ich mich unfreundlich und nicht wirklich an einer Antwort interessiert, es würde nur eine weitere Lüge sein, die ich aufgetischt bekam. Ich hörte ein Seufzen. „Mich entschuldigen.“ Abschätzig sah ich ihn an. „Wieso denn das?“ „Weil es mir Leid tut...was ich getan habe.“ „Das sollte es auch besser.“ Ich wusste ich war gemein, aber man spielte einfach nicht mit den Gefühlen anderer und man ergötzte sich nicht an ihrer Naivität, wenn man sie schlug und sie nicht bemerkten, dass derjenige der sie schlug, jemand war der vorgab sie zu mögen. Mal ganz abgesehen von diesen doch wirklich abartigen Blutfetisch -Spielchen. Vampire! Als ob es die wirklich geben würde. Ich hatte schon öfter von den Freaks gehört die sich als Vampire bezeichneten, schwarze Klamotten trugen und sich gegenseitig bissen, bis sie blaue Flecken davontrugen oder bluteten, weil sie es cool fanden. Wahrscheinlich hatten sich Nils und der andere Typ die Zähne spitz feilen lassen und begingen so perverserweise Jagd auf Unschuldige die sie dann bissen. Nils sagte eine Weile lang nichts mehr, worüber ich ehrlich gesagt ganz froh war. Eigentlich mochte ich ihn immer noch, aber sein blödes Spiel mit allem daran hatte mir wehgetan und dass ich ihn mochte, machte alles nur noch schlimmer. Nils setzte sich neben mich, ich überlegte ob ich von ihm wegrücken sollte, fand es dann aber albern und vielleicht würde es ihm auch nur zeigen, wie sehr er mich mit seinem Spiel erwischt hatte, vielleicht war das hier ja auch alles nur eine Krönung des Ganzen und er meinte es eigentlich gar nicht ernst. In dem Fall wäre ein Wegrücken nur ein Triumph für ihn gewesen. Nils: Tim schien wirklich ziemlich wütend auf mich zu sein, nachdem er mich kurz angesehen hatte, um herauszufinden wer ich war, hatte er sich sofort wieder abgewendet. Auf seinem Gesicht konnte ich keine Spur von Wiedersehensfreude oder Verzeihen erkennen, ich sah nur Gleichgültigkeit und Ablehnung noch nicht einmal Wut, aber auch sonst nichts. „Was willst du?“ klang es mir schließlich unfreundlich und nicht wirklich interessiert entgegen. Ich seufzte, ich hatte es doch von Anfang an gewusst. Es brachte nichts sich zu entschuldigen, es würde ihn höchstens noch weiter verärgern. Aber ich wollte es hinter mich bringen, dann konnten weder Nina noch ich selbst mir etwas vorwerfen. „Mich entschuldigen.“ Er sah mich an. Das war ein Fortschritt, doch noch immer lag die Ablehnung deutlich zu sehen in seinem Blick. Seine nächste Frage überraschte mich dann allerdings ziemlich, erstens weil er jetzt doch Interesse zeigte und zweitens weil ich in der Frage die Wut spürte, auf die ich vorhin vergeblich gewartet hatte, war er also doch wütend und nicht nur gleichgültig? „Wieso denn das?“ Ich sagte ihm die Wahrheit. „Weil es mir Leid tut...was ich getan habe.“ Ich wusste nicht was ich für eine Reaktion erwartet hatte, tränenreiche Versöhnung, wütende Entgegnung... Auf jeden Fall nicht das was jetzt kam. „Das sollte es auch besser.“ In dem Satz lag kein Funke von Emotion, es war nur eine kalte Feststellung. Tim so kalt zu sehen tat weh, viel mehr weh als wenn er geweint hätte oder wütend gewesen wäre. Eine Weile sagte ich nichts, ich wusste nichts darauf zu erwidern; er hatte Recht und trotzdem verletzte mich seine Kälte mir gegenüber. Schließlich ließ ich mich neben ihm auf der Bank nieder, fast schon erwartete ich, dass er von mir abrücken würde, doch das tat er nicht. Was bedeutete das nun? War er nicht sauer sondern nur enttäuscht oder war ihm das alles so egal, dass er sich nicht mehr von meiner Nähe zu einer Reaktion bewegen ließ? Schließlich rang ich mich zu einem zweiten Entschuldigungsversuch durch: „Tim, es tut mir wirklich Leid. Ich hätte das nicht tun sollen, ich hätte dir das nicht antun sollen. Ich...bitte dich um Vergebung.“ Tim: Soviel Dreistigkeit, dass er es weiter versuchte, hätte ich ihm nicht zugetraut oder doch? Aber egal, ich hörte ja, dass er so dreist war und weiter versuchte mich von seiner vorgespielten Ehrlichkeit zu überzeugen. Als ob der ganze Scheiß vorher nicht schon genug gewesen wäre und jetzt kam er mir noch mit „Vergebung“, wahrscheinlich fand er als Pseudo-Vampir es auch noch toll, dass ihm so ein schönes altmodisch klingendes Wort eingefallen war. Aber ich glaubte ihm keinen Ton und jetzt reichte es mir endgültig! Ich war so sauer, dass ich meine mich schützende Maske von Gleichgültigkeit abwarf, aufsprang und ihn anbrüllte: „Meinst du nicht, dass es langsam mal reicht du Perverser?! Ich hab die Schnauze voll von dir! Dieser ganze Pseudo-Vampir Scheiß und dieses beschissene Spiel! Als ob das nicht schon genug gewesen wäre! Aber dir reicht es ja anscheinend noch nicht! Jetzt tust du auch noch so als würde es dir Leid tun, damit du mich weiter verarschen kannst! Es reicht mir! Verschwinde oder ich tu’s!“ Ich starrte ihn zornig an, als er keine Anstalten machte sich zu rühren, drehte ich mich auf dem Absatz um und ging mit großen Schritten davon. Nils: Ohne jede Vorwarnung lieferte mir Tim eine Reaktion, wo ich keine erwartet hatte, schon gar nicht diese; er sprang auf und brüllte mich so voller Wut und in einer Lautstärke an, derer ich ihn nicht für fähig gehalten hätte. „Meinst du nicht, dass es langsam mal reicht du Perverser?!“ Perverser? Wie kam er denn jetzt darauf? Hatte er rausgefunden, dass ich ihn zugegebenermaßen betatscht hatte? „Ich hab die Schnauze voll von dir!“ Das war nur zu verständlich, ich hatte ganz schön was angerichtet. „Dieser ganze Pseudo-Vampir Scheiß und dieses beschissene Spiel! Als ob das nicht schon genug gewesen wäre! Aber dir reicht es ja anscheinend noch nicht!“ Ich verstand überhaupt nichts mehr! Wieso Pseudo- Vampir? Hatte er nicht auch Nina als Vampir bezeichnet? Dann wusste er doch über uns Bescheid, ging es darum, dass wir nur Halb-Vampire waren? Aber was sollte ihn das kümmern? Und was sollte das für ein Spiel sein von dem er redete? „Jetzt tust du auch noch so als würde es dir Leid tun, damit du mich weiter verarschen kannst! Es reicht mir! Verschwinde oder ich tu’s!“ Das allerdings war ein Missverständnis. Es tat mir wirklich Leid, was ich getan hatte, abgesehen von der Vampirsache hatte ich ihn doch gar nicht verarscht und ihm zu verheimlichen, dass ich ein - wenn auch nur Halb- Vampir war sah ich eigentlich nicht als verarschen sondern als Selbstschutz an. Was war denn nur los? Er sah mich kurz an, dann drehte er sich um und rannte fast davon. Ich sprang auf und lief ihm hinterher. Irgendetwas passierte hier, was ich nicht verstand. Seine Wut allein hätte ich verstanden, sehr gut sogar, aber das was er mir entgegen gebrüllt hatte, ergab für mich größtenteils wenig bis gar keinen Sinn. „Tim jetzt warte doch mal!“ Mein gebrochener Arm behinderte mich beim Laufen und er tat weh. Tim reagierte nicht. Ich lief schneller. „Tim warte!“ Tim war mittlerweile zum rennen übergegangen, ich lief noch schneller als vorher und holte ihn ein. Ich griff nach seinem Arm und zwang ihn dazu stehen zu bleiben, auch wenn ich verletzt war, war ich immer noch stärker als ein Mensch. Er versuchte sich aus meinem Griff zu winden, aber ich ließ es nicht zu. Ich ging um ihn herum, um ihm ins Gesicht sehen zu können. Was ich sah erschreckte mich, sein Gesicht war nur noch eine von Wut und Zorn verzerrte Fratze. „Tim ich verstehe dich nicht, ich weiß dass ich viel falsch gemacht habe, ich hätte dir nicht so wehtun dürfen, dass ich dich geschlagen habe, tut mir Leid und dass ich dich gegen deinen Willen geküsst habe, ich hätte dich gar nicht erst entführen dürfen... Ich habe mich falsch verhalten, aber ich bin bereit für meine Fehler einzustehen. Ich bereue.“ Die Wut und der Zorn auf seinem Gesicht wichen nach und nach einem Ausdruck von Verwirrung und Entschlossenheit. „Du lügst mich doch nur wieder an. Woher sollte ich es wissen, wenn du nicht lügst?“ Was er sagte tat weh, aber auch das konnte ich verstehen. Ich hatte ihn angelogen und so sein Vertrauen zu mir zerstört. Aber es war mir ernst und dass wollte ich ihm beweisen. „Sag du mir, was ich tun kann, damit du mir glaubst.“ Tim schien zu überlegen, wie er sichergehen konnte, dass ich die Wahrheit sagte. Sein Gesichtsausdruck wurde sachlich, bereinigt von allen Emotionen aber nicht so kalt wie vorhin, ich atmete tief durch. Er sah so aus als wäre ihm eine Möglichkeit eingefallen mich zu überprüfen. „Mir ist eine Methode eingefallen, bei der du bestimmt die Wahrheit sagen würdest, aber...das wird weh tun.“ Was meinte er bloß? Ich sah ihn fragend an, forderte ihn stumm auf sich zu erklären. „Ich könnte...Druck auf deinen gebrochenen Arm ausüben, während du mir Fragen beantwortest.“ Er hatte Recht, dass würde wehtun. Vermutlich sogar ziemlich stark, aber ihn würde ich das tun lassen. Ich nickte. Er zog mich mit sich eine Straße entlang, dann um ein paar Ecken, bis wir vor einem älteren Mehrfamilienhaus standen. Er zog einen Schlüsselbund aus der Hosentasche und schloss auf, während er mich weiter am rechten Ärmel festhielt. Ich trat hinter ihm ein, wir stiegen in den zweiten Stock hoch, wo er wiederum eine Tür aufschloss. Wir betraten die Wohnung, zogen Schuhe und Jacken aus. Tim lotste mich in eines der Zimmer, wahrscheinlich war es seins. Er schloss die Tür ab. Er deutete auf den Tisch und die beiden Stühle die vor uns standen. „Setz dich.“ Ich tat wie mir geheißen und nahm Platz, meine Arme legte ich auf die Tischplatte, dann sah ich ihn an. Tim warf einen Blick auf die Uhr und ließ sich mir gegenüber nieder, er schien sich in seiner Haut nicht wohl zu fühlen. Ich hatte dem Ganzen zwar zugestimmt, aber er würde gleich Folterknecht spielen. „Bist du sicher?“ Ich nickte nur erneut. Als er nicht reagierte, streckte ich ihm meinen linken, gebrochenen Arm hin. Fast schon vorsichtig berührte er den Arm, dann sah er mich an „Ich fange jetzt an, versuch nicht zu laut zu sein, meine Mitbewohner sind zwar im Moment nicht hier, aber ich weiß nicht wie scharfe Ohren die Nachbarn haben.“ Also würde er ernst machen, er würde mich nicht mit Samthandschuhen anfassen, aber das wollte ich ja auch nicht. Er legte seine Hände um meinen Unterarm, direkt an die Stelle wo der Arm gebrochen war, ich holte tief Luft und er drückte zu! Schmerz schoss durch den Arm, ich hielt mich mit der anderen Hand an der Tischkante fest und versuchte nicht die Zähne zusammenzubeißen schließlich sollte ich Fragen beantworten. „Wie heißt du ?“ „Nils Arthur Fritz Jansen.“ Ich versuchte mich auf die Fragen zu konzentrieren um den Schmerz nicht so stark zu spüren. „Wie alt bist du?“ „150.“ Er drückte stärker zu und ich konnte ein leises schmerzerfülltes Stöhnen nicht verhindern. „Wie alt bist du wirklich?“ Tim funkelte mich an. „150 einhalb.“ Keuchte ich. „Verarsch mich nicht!“ Er drückte noch fester zu und ich wimmerte, aber ich würde es durchstehen! „Ich bin ...wirklich 150.“ „Du siehst aus wie Anfang zwanzig.“ Er verstärkte den Druck weiter, Schweißperlen traten auf meine Stirn. „Ich bin aber...150 Jahre alt...auch wenn’s nicht so aussieht.“ Wieder stöhnte ich leise und mein Arm gab ein Knacken von sich. Ich biss die Zähne zusammen um nicht zu schreien und Tim sah alarmiert auf den Arm. Anscheinend hatte er beschlossen, sich erst mal einem anderen Thema zuzuwenden, bevor er meinen Arm nochmals brach. „Warum hast du mich entführt, was hattest du mit mir vor?“ „Ich...“ Ich schnappte kurz nach Luft, als ich meinen Arm dummerweise bewegte. „Ich fand dich süß, ich wollte...ich wollte dich und dein Blut.“ Tim sah mich erschrocken an, was hatte er denn? Er wusste doch, dass ich ein Vampir war...Wenn auch nur ein halber... „Du...du wolltest Sex mit mir?“ „Ja, aber später auch mehr als das...“ „Mein Blut?“ Vor Neugier war er abgelenkt und hatte den Druck auf meinen Arm fast vollständig aufgehoben; schmerzen tat es trotzdem noch. „Nicht nur, ich...ich wollte mit dir zusammen sein.“ „Warum?“ Der Druck wurde wieder stärker „Weil ich dich mag, ich...ich hab mich in dich verliebt.“ Anscheinend gefiel ihm meine Antwort nicht, denn er drückte fester zu als er es überhaupt bis jetzt getan hatte. Ich war überrascht, deswegen konnte ich einen kurzen Schrei nicht unterdrücken „Aaaah!“ „Was ist der wirkliche Grund, warum du mich weiter bei dir haben wolltest?“ „Ich..weil ich mich in dich verliebt habe Tim.“ Ich keuchte vor Schmerz und saß ein wenig zusammengesunken da. „Warum hast du dann mein Blut getrunken?“„Es schmeckt gut.“ Mehr Druck. „Ich war durstig u...und du rochst gut...“ Noch mehr Druck. „Du warst durstig? Das ihr so weit geht, hätte ich nicht gedacht...“ Ich sah ihn fragend an. „Du bezeichnest dich als Vampir richtig?“ Wieder mehr Druck. „Ich bin ein...Halbvampir...mein Vater...war ursprünglich ein Mensch...“ „Du trinkst Blut zum Vergnügen und läufst gerne in schwarzen Gruftiklamotten durch die Gegend, hä? Wirst du oft von den anderen Spinnern gebissen?“ Das verstand ich jetzt nicht, doch dann kam mir eine Erleuchtung: Meinte er vielleicht diese komischen Freaks, die sich auf Friedhöfen trafen? Dachte er etwa immer noch ich wäre ein Mensch?! „Nein, ich bin nicht ...so einer...Ich bin ein echter Vampir!“ Der Druck auf meinem Arm wurde fast unerträglich! „Aaaah..!“ Ich sank mit dem Oberkörper auf die Tischplatte und keuchte. „Lass mich zusammenfassen: Du bist 150 Jahre alt, ein „echter“ Vampir, trinkst mein Blut und bist in mich verliebt?“ „Ja, aber ich bin nur ein Halb...vampir...aaaah!“ Er hatte wieder fester zugedrückt. Sein Gesicht erhellte sich, als ihm noch etwas einfiel: „Eine Frage hab ich noch: Woher stammten die Flecken auf und in den Klamotten als ich bei euch aufgewacht bin? Hast du dich ..?“ Kleinlaut sah ich auf die Tischplatte „Ich hab...an dir rumgespielt, es tut mir Leid...ich...ich hab nicht...“ bevor ich noch etwas sagen konnte, hatte er mit der Faust auf meinen Arm geschlagen, ein lautes Knacken hallte durch den Raum, Schmerz schoss durch meinen Arm, ich griff mit meinem gesunden Arm nach der Tischkante, aber mir war schwindlig...Ich griff daneben und flog dem Boden entgegen. Ich sah noch wie mir der Boden entgegenschoss, dann vernahm ich den Aufprall und alles wurde dunkel. Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf etwas weichem, nach und nach kehrten meine Sinne zurück und ich begriff, dass ich auf einem Bett liegen musste. Tims Bett? Genau in diesem Moment beugte sich Tim über mich. Er räusperte sich leise. „Ich habe mich vorhin ziemlich aufgeregt. Was vielleicht verständlich ist, bei dem was ich vorhin von dir als letztes erfahren habe.“ Ich nickte beklommen. Was hatte er jetzt vor? Würde er sich rächen wollen? „Ich glaube, ich hab dir den Arm gebrochen.“ Fuhr er fort. Wieder nickte ich nur. „Das tut mir Leid und ich werde dich gleich ins Krankenhaus begleiten.“ Ich schoss hoch „Das geht nicht! Ich kann nicht ins Krankenhaus! Die merken doch wie alt ich bin!“ Tim sah mich ungläubig an. „Entweder hast du einen ernstzunehmenden Dachschaden oder du bist wirklich 150 Jahre alt...Fest steht, dass du ins Krankenhaus musst.“ „Nein! Das geht nicht!“ Ich sprang auf und stürmte an ihm vorbei zur Tür „Lass mich raus!“ Ich wurde regelrecht panisch. „Nein. Du brauchst Behandlung!“ „Bist du dir sicher, dass du mich nicht rauslässt?“ fragte ich ihn „Ich lass dich erst raus, wenn wir zum Arzt gehen.“ „Ich gehe nicht zum Arzt.“ Ich trat an die Tür heran, ich konnte zwar nur einen Arm bewegen, aber das musste reichen; ich stemmte mich gegen die Wand neben der Tür und riss mit Schwung an der Klinke. Hätte ich weniger Schwung gehabt, hätte ich vielleicht die Klinke in der Hand gehabt, aber so hatte ich den Teil des Türschlosses der sich in der Wand befunden hatte, aus selbiger herausgerissen, indem ich die Tür als Hebel benutzt hatte. Tim sah mich ungläubig an. „Ich hab dir doch gesagt ich bin ein Vampir.“ Tim nickte nur langsam, entweder glaubte er mir jetzt oder er hielt mich für einen sehr starken Geisteskranken. Tim: Meine Gefühle fuhren heute anscheinend Karussell mit mir...Erst die Enttäuschung weil keiner von den anderen dageblieben war, dann der Zorn der daraus entstanden war, dann Nils mit seinen abenteuerlichen Entschuldigungen und jetzt dieses Szenario was aus einem meiner schlimmsten Alpträume zu stammen schien. Ich als Folterknecht. Er war einverstanden gewesen und ich hatte ihn vorgewarnt und er hatte wieder zugestimmt. Trotzdem hätte ich so etwas nicht tun dürfen. Wenn ich es Recht bedachte, wusste ich immer noch nicht, ob ich ihm das alles glauben sollte. Trotz seiner Schmerzen. Was also hatte diese Aktion gebracht? Nur negatives; Nils lag nun bewusstlos mit einem jetzt vermutlich zweifach gebrochenem Arm auf dem Boden und ich war nicht schlauer als vorher, mal abgesehen davon, dass ich nun seinen vollen Namen kannte, wenn der denn stimmte und ich wusste dass er sich an mir vergriffen hatte, dieser Perverse! Das hatte ich ja von Anfang an nicht wirklich ausgeschlossen... Es jetzt bestätigt zu bekommen war schon heftig, aber inmitten des ganzen restlichen Chaos fiel es irgendwie nicht mehr richtig ins Gewicht. Wurde ich eigentlich verrückt? Er hatte...„an mir herumgespielt“ wie er es ausgedrückt hatte. War das nicht im Grunde genommen Vergewaltigung? Samenraub? Fast hätte ich angefangen zu lachen. Samenraub..! Ich seufzte. Eigentlich müsste ich jetzt sauer auf ihn sein, aber die Sorge um ihn überwog, schließlich sah es so aus, als hätte ich ihm seinen ohnehin schon gebrochenen Arm noch ein zweites Mal gebrochen. Ich seufzte und trat an den ohnmächtigen Nils heran, ich packte ihn unter den Achseln und zog ihn zu meinem Bett, um ihn dann auf selbiges hinauszuhieven. Ich zog einen der Stühle neben das Bett und ließ mich darauf nieder, um Nils zu betrachten. Er sah relativ friedlich aus wie er so dalag, aber was er erzählt hatte, klang so haarsträubend, dass ich nicht wusste ob ich ihm glauben sollte. Er war zwar schon aus einem Zimmer im vierten Stock durch das Fenster verschwunden und hatte anscheinend mein Blut getrunken, aber das erste ließ sich durch Freeclimbing erklären und das zweite durch ziemlich perverse Fetisch-Tendenzen. Zu dem ganzen Gefühlschaos kamen nun auch noch Schuldgefühle, weil ich Nils das angetan hatte und ihm trotz all dem noch immer nicht glaubte, nicht glauben wollte, glauben konnte? Letzten Endes kam es auf Gleiche hinaus, auch wenn es ein Unterschied war. Ich seufzte, wollte ich ihm denn glauben? Vielleicht könnte er mir noch irgendwie anders beweisen, dass er nicht log. Bis dahin...Ich wollte ihm schon gern glauben, alleine damit er mich nicht angelogen haben konnte. Anscheinend mochte ich ihn mehr als ich mir eingestehen wollte... Aber ich konnte ihm nicht wirklich glauben, wahrscheinlich war ich einfach ein wenig eingeschränkt in meinem Vorstellungsvermögen, was außergewöhnliche Dinge betraf. Was ich glaubte war, dass Nils sobald er konnte zu einem Arzt oder noch besser ins Krankenhaus musste mit seinem Arm. Wie aufs Stichwort begann Nils sich zu regen und schlug schließlich kurze Zeit später die Augen auf. Ich beugte mich über Nils und räusperte mich leise. Eine Entschuldigung war angebracht. „Ich habe mich vorhin ziemlich aufgeregt. Was vielleicht verständlich ist, bei dem was ich vorhin von dir als letztes erfahren habe.“ Nils nickte nur kurz und wartete darauf, dass ich fortfuhr, was ich dann auch tat „Ich glaube, ich hab dir den Arm gebrochen.“ Nils nickte erneut, ob er das auch glaubte, konnte ich allerdings aus seiner Geste nicht erkennen. „Das tut mir Leid und ich werde dich gleich ins Krankenhaus begleiten.“ Ruckartig und für mich sehr überraschend, fuhr Nils hoch, so dass ich ihn am liebsten wieder aufs Bett zurückgedrückt hätte, schließlich war er gerade erst wieder zu sich gekommen. „Das geht nicht! Ich kann nicht ins Krankenhaus! Die merken doch wie alt ich bin!“ Ungläubig lauschte ich ihm, dass konnte doch nicht wahr sein! „Entweder hast du einen ernstzunehmenden Dachschaden oder du bist wirklich 150 Jahre alt...Fest steht, dass du ins Krankenhaus musst.“ „Nein! Das geht nicht!“ Ohne Vorwarnung sprang er auf und drängte sich panisch guckend an mir vorbei zur Tür. „Lass mich raus!“ Rief er, er war wirklich panisch, seine Stimme zitterte und verriet ihn. „Nein. Du brauchst Behandlung!“ Ich versuchte ihn zu beruhigen, hatte er vielleicht Angst? Mochte er keine Spritzen oder Arztbesuche? So etwas gab es ja. „Bist du dir sicher, dass du mich nicht rauslässt?“ Noch immer schwang leichte Panik in seiner Stimme und ich wunderte mich über die doch etwas merkwürdige Frage, gab ihm dann aber doch eine Antwort. „Ich lass dich erst raus, wenn wir zum Arzt gehen.“„Ich gehe nicht zum Arzt.“ Entgegnete er mir nur, um dann näher an die Tür heranzutreten und sie zu mustern, er wollte doch nicht mit der Schulter die Tür aufbrechen oder? Er stellte sich neben die Tür und griff nach der Klinke. Ich sah nur eine verwischte Bewegung, dann hörte ich etwas poltern und sah das Türschloss auf dem Boden liegen. Ich starrte Nils an; als hätte er meine Gedanken gelesen, lieferte er mir hier sozusagen einen Beweis dafür, dass er ein Vampir war, ich konnte es trotzdem nicht glauben, vielleicht war er ja auch einfach nur sehr stark... „Ich hab dir doch gesagt ich bin ein Vampir.“ Wieder war es, als wollte er nur meine Zweifel ausräumen, als hätte er meine Gedanken gelesen. Vielleicht war das aber auch nur ein Teil seiner Rolle als „Vampir“, ausschließen konnte ich das nicht. Nils verschwand in den Flur und ich ging ihm nach. „Warte mal, wo gehst du jetzt hin?“ Nils: Nachdem ich mich aus Tims Zimmer befreit hatte, wollte ich die Wohnung -und am besten das Haus und die ganze Gegend gleich mit- hinter mir lassen. Tim war damit aber anscheinend nicht ganz einverstanden. „Warte mal, wo gehst du jetzt hin?“ Ja, wohin wollte ich jetzt eigentlich? Hauptsache weg hier, aber dann? Zu mir nach Hause? Da würde mich Tim finden und am Ende noch einen Krankenwagen dorthin rufen... Ich kniete mich hin, um mir die Schuhe anzuziehen; was normalerweise eine ganz einfache Sache war, die man nebenbei erledigen konnte, stellte mich jetzt vor ein fast unüberwindbares Hindernis. Ich konnte meinen Arm fast nicht bewegen, bei jeder auch noch so kleinen Bewegung schoss Schmerz durch meinen Arm. Ich ließ meinen Arm unbeweglich herunterhängen und stopfte mir die Schnürsenkel einfach an den Seiten in die Schuhe. Ich griff gerade nach der Jacke, als Tim mich an meinem gesunden Arm zurückhielt. „Wo willst du in deinem Zustand hin?“ „Das ist eine gute Frage“ murmelte ich, ohne ihn anzusehen und plötzlich hoffend, dass er es nicht mitbekommen hatte. „Du musst doch irgendwas wegen deinem Arm unternehmen, das kann doch nicht so bleiben, am Ende wächst das schief zusammen oder so.“ „Überlass das mal mir. Ich mach das schon.“ Vorhin bei dem „Verhör“ hatte er noch so wütend gewirkt und jetzt machte er einen auf besorgt...Obwohl er mir anscheinend immer noch nicht glaubte. Also war alles umsonst gewesen. Selbst jetzt konnte er mir nicht glauben. Resigniert unterdrückte ich die Gefühle, die sich in mir aufgrund dieser Erkenntnis breit machten. Ich begann meine Jacke anzuziehen, erst streifte ich den linken Ärmel vorsichtig über den Arm, bevor ich die Jacke komplett anzog und den Reißverschluss nach oben zog, zum Glück war der nicht so schwergängig. Ich wandte mich der Tür zu und öffnete sie, Tim hielt mich nicht auf, wenigstens etwas. Mir war nach weinen zumute und dabei wollte ich allein sein. Dieser ganze Quatsch sich zu entschuldigen...Tim glaubte mir nichts, machte sich jetzt Sorgen, wollte mich zu einem Arzt und damit in mein Verderben schicken, war wahrscheinlich hinter all dem noch sauer auf mich, vor allem wo er jetzt wirklich über Alles Bescheid wusste, was ich mir geleistet hatte. Er konnte mich vermutlich nicht mehr leiden und jetzt war mein Arm an zwei Stellen gebrochen. Wenn das kein schlechter Tag war, wusste ich auch nicht weiter. Ungehindert verließ ich die Wohnung und versuchte so schnell wie möglich die Treppen hinab zu kommen, ohne mir dabei noch weitere Knochen zu brechen. Draußen zog gerade eine Wolkenfront auf...wie passend. Ich orientierte mich kurz und machte mich nun langsamer auf den Weg zur nächsten Bushaltestelle. Mein Blick war auf den Boden gerichtet, aber eigentlich nahm ich gar nichts wahr. Jetzt hatte ich ihn also ein letztes Mal gesehen, aber vielleicht wäre es besser gewesen darauf zu verzichten, vielleicht hätte ich diese ganze Geschichte dann einfacher verdrängen können. Jetzt würde es nicht mehr so einfach werden, dafür sorgte schon der Schmerz in meinem Arm, den ich jetzt mit Tims negativen Gefühlen mir gegenüber verband. Am liebsten hätte ich mich jetzt irgendwo hingesetzt und wäre nie mehr aufgestanden, einfach so weitervegetieren bis zum Ende. Ich war zwar zur Hälfte ein Vampir, aber wenn ich über längere Zeit keine Nährstoffe zu mir nahm, wäre das auch für mich das Ende. Aber das würde wahrscheinlich zu lange dauern und Nina würde es mir nie verzeihen, außerdem wollte ich mich doch eigentlich gar nicht umbringen, das war nur so eine Phase. Eine verstärkte Version davon sich einfach im Bett unter der Decke zu verkriechen und zu hoffen, dass der nächste Tag besser wurde. Ich schnaufte traurig, das konnte man noch nicht mal mehr einen Seufzer nennen. Ach Tim... Wie konnte man nur so viel falsch machen, wenn man verliebt war? Warum hatte ich ihn so behandelt? Zumindest dafür hatte ich eine halbwegs plausible Erklärung: Als ich ihn geschlagen hatte, hatte ich ihn ja gerade erst entdeckt, da waren meine Gefühle ihm gegenüber noch etwas anderer Natur gewesen. Allerdings erschreckte es mich im Nachhinein schon, wie brutal ich sein konnte wenn ich hinter etwas her war. Vielleicht sollte ich lernen mich in Zukunft etwas zu beherrschen, aber erst mal war mir das sowieso egal, ich nahm mir vor, die nächste Zeit auf Blut so weit es ging und vor allem auf alles was mit Sex zu tun hatte zu verzichten. Dafür war ich auch gar nicht in Stimmung. Ich schlurfte weiter und schniefte ab und an vor mich hin, Tränen wollten keine kommen, dann musste ich also warten. Das war auch deprimierend: Ich wollte weinen, aber es ging einfach nicht, ich dachte an die ganze beschissene Situation, mit all ihren kleinen Aspekten, es half nichts. Mir kam eine Idee, ich fischte in meinen Taschen nach meinem Mp3-Player und schob mir die Stöpsel in die Ohren, als ich ihn gefunden hatte. Ich schaltete denj Player an und suchte nach einem traurigen Lied, ich hatte meistens eine ziemlich bunte musikalische Mischung bei mir und fand nach einigem Suchen auch ein Lied, welches mein Leid widerspiegelte und schließlich – fast schon erleichtert- bemerkte ich wie mir die Tränen kamen. Ich stellte die Musik so ein, dass das Lied immer wieder wiederholt wurde und suchte mir ein Plätzchen, wo ich mich niederlassen konnte um mich ungestört auszuheulen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)