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Ginji´s Sanctuary

von

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ad infinitum

Titel: ad infinitum

Teil: 1/ ?

Autor1: Heiji

Email: hiwatari@freenet.de

Autor2: CronCron

Email: croncron@freenet.de

Fanfiction: Get Backers

Rating: abwarten, ergibt sich noch...

Inhalt: Gute Frage, oder?

Warnungen: Sämtliche Dialoge und Handlungen wurden von irgendjemanden, um genau zusein, von uns, frei erfunden. Mögliche Übereinstimmungen mit dem Schicksal noch lebender oder auf tragischer Weise verstorbener Personen ist entweder zufällig oder bewusst so gewählt wurden. Die Autoren übernehmen keine Haftung für eventuelle Folgeschäden der Story. Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen sie die Geschichte oder fragen sie ihre Freunde und Bekannten, wenn sie noch welche haben.

Pairing: lasst euch überraschen, wäre doch langweilig alles jetzt schon zu verraten ;P

Disclaimer: Schweren Herzens geben wir bekannt, dass uns die Charaktere aus Get Backers, nicht wie anfangs vermutet, gehören, sondern doch, wie bereits in verschieden Foren spekuliert, Rando Ayamine und Yuya Aoki. Auf das sie glücklich mit dem Wissen werden! -.-°

Wir behalten uns vor die Storyline als unser zu deklarieren und jeden Verursacher unsachgemäßer und unangekündigter Vervielfältigungen, noch schlechterer Qualität, durch angeheuerte Killer eliminieren zu lassen.

Anmerkung: Im Moments sind wir nicht wirklich auf dem laufenden, was Get Backers angeht. So haben wir zum Beispiel beide nur die erste DVD-Box (ändert sich bald) und nur die ersten sechs Mangas. Also seid bitte nicht allzu böse, über die Ungereimtheiten. Darauf, dass Jubei zu dem Zeitpunkt noch nicht blind ist, hat uns unser Beta schon hingewiesen. >.> ich war zu faul es zu ändern... Anklagen ans CronCron. >.<

Ganz lieben Dank unserem Beta Yuan. *doppelt knuddel*
 


 

Ginji´s sanctuary

- ad infinitum
 

Es war düster, viel zu ruhig und die kleinen Regentropfen fielen unaufhaltsam von dem fast schwarzen Himmel. Dicke Regenwolken bedeckten das sowieso schon kaum zu sehende Sternenmeer. Es war Nacht und dementsprechend kühl.

Auch in Hinter Shinjuku....
 

Das ständige prasseln des kühlen Nass wurde hier oft von Donnergrollen und hell aufleuchtenden Blitzen unterbrochen. Immer wieder konnte man diese gelben Lichter hinter den Häusern und zum Teil auch vorhandenen Ruinen wahrnehmen.

Keine angenehme Nacht.

Auch die Angesiedelten hielten sich jetzt lieber im Hintergrund und beobachteten heimlich das Geschehen dort draußen im Ungewissen.

Nur eine schwarze, kaum wahrnehmbare Gestallt schnellte durch die nassen Gassen wie ein schwarzer Schatten.

Seine Füsse schienen leicht wie eine Feder, kaum berührte er den Boden, sauste immer schneller zu seinem Ziel.

Die Blitze schienen ihm regelrecht auf den Fersen zu sein, auch wenn es ihn kaum störte.

Er suchte Etwas, Jemanden.

Zielsicher bog er immer wieder um die Ecken, bis er schließlich der Elektrizität entkommen war.

Er hatte es geschafft und hielt nun zum ersten Mal inne, keuchte Erschöpft von dem langen Weg. Seine braunen Haare und die Sachen waren schwer und vom Regen völlig durchnässt.

Langsam, ganz langsam und vorsichtig betrat er ein Gebäude. Stille herrschte und sein Atem normalisierte sich wieder etwas. Es war stockdunkel, sogar mehr als draußen. Langsam und vorsichtig setzte er einen Fuss vor den anderen und lauschte behutsam jedem Geräusch. Seine Schritte hallten an den kahlen und trockenen Steinwänden wieder und hinter seinen Füssen bildeten sich kleine Pfützen aus Dreck. Schließlich erreichte er eine kleine, unscheinbare Holztür, ganz versteckt in den finsteren Gängen, ein Besucher hätte sie wahrscheinlich übersehen.

Nachdem er noch einmal tief Luft geholt und sich von dem langen Weg erholt hatte, klopfte er ein paar Mal grob gegen die einfache Tür und öffnete, als endlich ein leises "Herein" erklang.

Schnell ließ er die Tür ins Schloss fallen, verriegelte sie wie von dem anderen gewollt und schlich lautlos vor den anderen, bevor er leicht den Kopf als Zeichen einer Verbeugung und Untergebenheit neigte.

"Ich bin zurück, Stringmaster Kazuki. Und ich habe weniger gute Neuigkeiten..."

Widererwartend wurde der soeben Angekommene erst einmal auf einen weichen Stuhl gedrückt.

"Ich geb` dir neue Sachen, du erkältest dich sonst nur!"

Kazuki fing an, einen Schrank nach den Sachen durch zu wühlen, auf der Suche nach etwas, was Jubei wohl passen würde.

"Das ist doch nicht nötig.", winkte der andere schnell und verwirrt ab.

"Das ist ein Befehl! Verstanden, Jubei?"

Der Angesprochene verzog das Gesicht zu einer alles sagenden Grimasse und wandte den Kopf leicht ab.

"Hm.", erwiderte er dann schließlich.

"Also erzähl` mal deine schrecklichen Neuigkeiten!", unterbrach dann der Stringmaster das Schweigen, während er immer noch auf der Suche nach trockenen Sachen war.

"Soll ich wirklich? Sie sind nicht gut..."

"Weswegen bist du sonst hergekommen?"

"Okay, aber sie sind wirklich SCHRECKLICH!"

"Ja, ja, ja..."

"Draußen gewittert es ziemlich doll..."

Kazuki wandte den Kopf selbst im Zeitraffer in Zeitlupe zu seinem Untergebenen.

"Deswegen machst du so eine Hektik?"

"Ginji-san ist draußen und scheint wütend zu sein. Selbst ich konnte den Blitzen kaum entkommen..."

"Und? Was ist daran neu? Er ist doch immer so, wenn es gewittert, unberechenbar halt"

Kazuki zuckte nur mit den Schultern. Ihm leuchtete es immer noch nicht wirklich ein.

"Es liegt nicht am Gewitter, sondern an dem Besuch. Neulich ist so ein braunhaariger Typ aufgetaucht, der wohl Streit suchte. Er lässt uns, die Volts und vorallem Ginji-san, nicht in Ruhe. Will sich wohl unbedingt behaupten oder so... jetzt hat er ihn heraus gefordert. Will wohl, dass unser King mit kommt."

Jetzt zuckte Jubei mit den schultern.

"Der Typ ist des Todes.", ergänzte er noch schnell.

Der Stringmaster schaute zu dem Blinden hinter, als erwartete er noch irgendetwas.

"Warum erzählst du mir das alles?", wollte er wissen.

Kakei seufzte leicht.

"...Dass dachten alle...."

Um den Kopf des Stringmasters schwebten förmlich die Fragezeichen.

"Was? Was dachten alle?", wollte er mittlerweile genervt wissen.

"Das er des Todes wäre....", ergänzte Flying Needle ganz selbstverständlich.

"Er steht immer noch....hat ihn vor über 2h herausgefordert. Ginji-san wird langsam nervös, aber der Wuschel scheint ganz relaxt, weicht immer noch den Attacken von ihm aus. Ginji-san soll sich wohl auspowern....und genau das passiert auch ....-wenn Niemand eingreift, gewinnt der Neue unseren Anführer für sich. Wie Sie wissen, hält er seine Versprechen."

Noch immer liefen die kleinen, nassen Regentropfen über die dunkle Brille des Blinden und tropften geräuschlos aus das durchnässte Hemd. Nun herrschte Stille.

Jubei lauschte einem neuen Befehl seines Meisters...
 

Es dauerte eine Weile, ehe der Langhaarige die Bedeutung des Satzes zu verstehen schien.

"Heißt das, dass Raitei verliert?" Die Tatsache gefiel ihm ganz und gar nicht.

Kazuki schob einen rießigen Berg T-Shirts zur Seite und wurde nun, nach endloser Suche in den Weiten seiner Möbel, fündig. Mit einem missmutigen Tritt gegen die Tür seines Schrankes schloss der Stringmaster selbige hinter sich und legte die neuen Sachen neben Jubei auf dem Tisch ab.

"Da! Zieh dich um! Ich hol dir noch ein Handtuch." Und während er das sagte, verschwand er auch schon im Nachbarzimmer.
 

***

Es regnete immer noch ohne Unterlass, dennoch versuchte sich der Mond tapfer durch die verhangene Wolkendecke zu kämpfen, nicht bereit, sich seinem Schicksal zu ergeben. Immer wieder lugte die kahle Felslandschaft des Erdbegleiters kurz hinter der schwarzen Wand hervor, ehe sie wieder im Nichts verschwand. Schwer klatschten die dicken Wassertropfen auf den schlammigen Boden, hinterließen kleine Bäche, die sich, der Schwerkraft ergebend, den Weg in niedrigere Ebenen suchten.

In der Stille der Nacht waren die einzigen Geräusche die Atmungen der beiden Gegner, das knistern der elektrisch geladenen Luft und die Unmengen an Wassermassen, die auf sie nieder gingen.

Ginji stand gut sechs Meter von seinem Kontrahenten entfernt da. Er versuchte die Zeit, die ihm gegeben war, intelligent zu nutzen, um seine letzten Energiereserven zu mobilisieren. Hin und wieder stoben einige winzige Blitze um seinen durchnässten Körper, in dem sich allmählich die Kälte einen Platz zu suchen schien. Doch Ginji bemerkte es nicht, er war blind vor Wut. In der gesamten Zeit, die der Kampf nun schon andauerte, war es ihm nicht ein einziges Mal gelungen, den braunhaarigen jungen Mann zu treffen.

Ban hingegen verlor langsam das Interesse am Kampf, begann sich zu langweilen.

Er zog noch einmal an seiner Zigarette, bevor er den blauen Dunst ausblies und den Rest seines Luftverschmutzers achtlos auf den Boden warf. Mit einem zischen erlosch die Glut.

Mehr Zeit wollte er der Blondine nicht lassen.

Ohne jegliche Vorwarnung kam sein Angriff auf Ginji zu. Ban legte eine Kraft zu Tage, die er normalerweise erst im fortschreitenden Kampf zu zeigen pflegte, wenn es für ihn selbst brenzlig wurde.

Doch im Moment war ihm mehr daran gelegen, diesen Kampf schnellst möglich zu ende zu bringen.

Der Hunger begann ihn zu plagen.

Der Thunder Emporer wich wieder aus und versuchte den Braunhaarigen mit der Faust zu erwischen. Mit einem Grinsen auf den Lippen wirbelte dieser nur herum und zeriss mit seinem Schlangenbiss den Ärmel seines Gegners.

"Machen wir es kurz, Blondie. Das Wetter ist mir echt zu schlecht, als dass ich mich noch länger

hier aufhalten will. Außerdem erwartet uns beide eine leckere Pizza zu Hause."

Ginji hatte für diese Aussage nicht mehr als einen weiteren Funkenregen übrig.

"Ich geb dir noch genau 1 Minute." Wie großzügig der Eindringling doch heute wieder war. Ban war stolz auf sich und seine Freundlichkeit.

Angespannt richtete Raitei seine beiden Arme nach oben, in der Absicht, genug positive Energie frei zusetzten, um einen seiner mächtigsten Angriffe starten zu können. Einen 900.000 Volt starken Blitz. Es war seine einzige Chance dies zu tun, wenn er noch die Oberhand im Kampf erlangen wollte. Ein gleißendes Licht umhüllte Ginji, als der Blitz in ihn einschlug.

Die elektrische Kraft die sich in dem jungen Körper anzustauen begann, ließ den eingeschüchterten Zuschauern die Nackenhaare zu Berge stehen.

Ein breites Lächeln huschte über sein Gesicht, ehe Ginji langsam sein rechtes Handgelenk umfasste und seine gesamte Energie, die er in einem einzigen Stromschlag bündelte, auf die lebende Plage vor sich schleuderte. Alles um sie herum explodierte. Holzstücke, die eben noch benässt auf dem Boden lagen, gingen in Flammen auf, die wenigen Glasscheiben, die noch ganz waren, zersprangen und mischten sich als kleine funkelnde Splitter unter das Wasser.

Es dauerte, bevor sich der Rauch gänzlich gelegt hatte. Ban lag regungslos am Boden, seine Kleidung glich einem einzigen Stofffetzen.

Siegessicher, aber erschöpft und nahe am Ende seiner Kräfte, taumelte Ginji auf den leblosen Körper zu.

Seine Sicht verschwamm kurzzeitig, klärte sich aber schnell wieder auf.

Er hatte es geschafft? Er hatte es tatsächlich geschafft.

Der Anführer der Volts versuchte gegen die Dunkelheit anzukämpfen, die von ihm Besitz zu nehmen begann. Diesen Kampf sollte er jedoch verlieren.

Erschöpft ließ er seinen schweren Körper, der geradezu nach Ruhe schrie, an der Wand herab gleiten.

Ruhe. Ja, die hatte er sich jetzt verdient. Ruhe...

"Nur eine Minute. - Ich hab gewonnen." Lässig zündete Ban sich sein nächstes Qualmstängel an. Sein Jagan hatte ihm eine Menge an Aufwand in dem Kampf erspart und gleichzeitig den Thunder Emporer so sehr geschwächt, dass dieser bereits in das Reich der Träume entschwunden war.

Der Wuschelkopf zog sich sein Hemd aus und legte es dem schlafenden über den durchgefrorenen Körper.

"Dass du es mir so leicht machst...", amüsiert hiefte er den Blonden auf seine Arme und trug ihn fort...
 

Langsam schritt der Braunhaarige von dannen. Immer wieder tappte er durch die kleinen Dreckpfützen, die seine kalten Füsse noch mehr durchnässten. Der raue Wind wehte ihm ins Gesicht, es schien fast, als wollte er ihn zurück halten. Doch Ban ließ sich nicht beirren und ging weiter, zielsicher, ohne sich auch nur umzuschauen. Aus der Ferne vernahm er immer wieder ein mattes, warnendes Donnergrollen von den fast schwarzen Wolken. Der Mond war inzwischen wieder gut zu sehen und leuchtete dem Get Backer den schmalen Weg durch die engen, dunklen Gassen.

Ginji atmete ruhig. Er schlief erschöpft und ließ so die schweren Arme, die leicht hin und her schwankten, einfach an seinem Gegner herunter baumeln.

Langsam erreichte Ban den Ausgang und sichtlich erleichtert und erschöpft, atmete er noch einmal tief den weiß-grauen Rauch seiner kleinen geknickten Zigarette ein, bevor er sie auf die feuchte Strasse fallen ließ.

Er hatte es geschafft!

Er war in die Festung eingedrungen, hatte Raitei besiegt und war, grössten Teils heil, wieder heraus gekommen.

Nun gönnte er sich erst mal eine Pause. So ließ er Ginji mit einem leisen Seufzer von seiner Schulter auf den Boden gleiten und setzte ihn dort behutsam und fast liebevoll an einer eher trockenen Hauswand ab.

"Du hättest auch einfach mitkommen können...", tippte er den erschöpften Elektroking vorwurfsvoll aber dennoch leicht mit der rechten Hand an die Stirn, als würde dieser es hören.

Schließlich zündete sich Midô noch die letzte Zigarette an, bevor er die durchnässte Zigarettenschachtel achtlos zu Boden fallen ließ und mit dem Feuerzeug und dem Wind kämpfte.
 

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*
 

"Ich hab`s gehört, dachte aber es wäre ein Witz. Kein Witz...Sicher? Ich versteh schon. Ja, ist gut! Weiß Kazuki schon bescheid? Jubei...? Ja, hab`s. Ist er schon weg? Ja? Wie das denn? Ein Braunhaariger? Noch was? Hm, verstanden! Halt mich auf dem Laufenden!"

Im nächsten Moment war der kleine Spatz auch schon in der weiten Nacht verschwunden und nicht mehr zu sehen.

Shido sah zu Boden.

/Get Backers also.... der wird sich noch umschauen. Der weiß doch gar nicht, mit wem er sich da angelegt hat!/

Der Beastmaster schlug den Weg zum Kampfplatz ein. Achtlos setzte er einen Fuss vor den anderen. Von dem Regen ganz durchnässt hingen seine Pechschwarzen Haare tropfend über sein Stirnband und ihm somit in die kühlen Augen. Doch auch das interessierte den jungen Mann wenig.

Ihr King war weg.

Spurlos...

Einfach so....besiegt.

Ihr King besiegt!

Von einem Fremden!

"Ts....verflucht!"

Immer schneller lief er voran in Richtung des unheimlichen Schauplatzes.

Schließlich war es geschafft. Er war da.

Eine Weile herrschte Stille. Der Ort hier sah schrecklich aus. Überall kleine Krater und auch minimale Erdspalten. Shido folgte den kleinen Rillen, in die das am Boden gesammelte Wasser lief. Immer größer wurden sie und vereinten sich schließlich an einem Ort.

"Vermutlich ein Blitz?"

Kein Zweifel. Ginji hatte gekämpft, das war sicher. Aber keinerlei Spuren von noch einer überirdischen Kraft. Hatte ihr King etwa gegen einen Normalo verloren?

Shido ging alles noch einmal ab, aber wieder fand er nichts. Nicht mal wohin ihr Weg führte.

/Verdammter Asphalt! Wenn wir im Wald leben würden, wäre es eindeutig!/

Er drehte sich im Kreis, es brachte einfach nichts. Wahrscheinlich war ihr Feind schon über alle Berge.

Er wollte ihn finden, wollte diesen mächtigen Gegner kennen lernen und verdammt noch mal wollte er, dass Ginji bei ihnen blieb.

"GINJI-SAN!!!"

Seine tiefe Stimme hallte zwischen den verlassenen Ruinen wider.

Selbst als das Echo nicht mehr zu hören war, regte sich nichts.

Das konnte alles nicht sein. Das Wetter war auf Ginjis Seite, er kannte sich aus, seine Fähigkeiten waren unglaublich stark und er hatte doch die anderen an seiner Seite, warum hatte er sie nicht gerufen?

Der Beastmaster schien ratlos.

Was nun?

Er musste ihm helfen, aber wie und wo?

Ihr Anführer war sicher in Gefahr, bei einem Monster, ausgesetzt, allein, hilflos, wehrlos...

...wie ein Tier....

Apropos Tier:

Jubei hatte Kazuki sicher schon längst Bescheid gesagt und wenn er mit der Vermutung richtig lag, war dieser auch schon auf dem Weg hier her.

"Kazuki!"

Und wieder musste der Master auf eine Antwort warten....

Doch diesmal lies diese nicht endlos auf sich warten. Mit seiner ,ihm von Gott gegebenen, Ruhe, schlenderte der junge Stringmaster um die Ecke, dicht gefolgt von Jubei, der seinen Herrn immer wieder zur Eile antrieb.

"Schrei nicht so rum, Shido! Sonst verjagst du noch die ganzen lieben Tierchen!"

"Ja,ja!", dabei war das immer Shidos Spruch gewesen, wenn Kazuki wieder einmal glaubte, sich aufspielen zu müssen.

In aller Schnelle versuchte Beastmaster das Geschehene seinem Freund zu erläutern...
 

Schweigend standen sie, im leichten Nieselregen, da. Keiner wollte es wirklich glauben.

Raitei, der Anführer der Volts, sollte so einfach gegen einen Dahergelaufen verloren haben?

Er, der sogar das Wetter auf seiner Seite gehabt hatte?

Dem nicht einmal sie, die vier Meister des Mugenjou Towers, das wasser reichen konnten?

Lange herrschte eine unangenehme Stille unter den Freunden und so war es zuerst an Jubei, das Gespräch wieder aufzunehmen.

"Und jetzt?"

Kazuki wand seinen Kopf gedankenversunken gen Himmel und auch Shido schien angestrengt über etwas nachzugrübeln.

"Wie wäre es damit ihn zurückzuholen?", drängte er weiter.

Als man ihn ein weiteres Mal ignorierte wiederholte er seine Frage erneut. Lauter, dringlicher, fordernder.

Shido nickte. "Ich schicke meine Dolen los. Kazuki, Jubei, hört ihr euch in der Stadt um! Macbex erfährt am besten erst einmal nichts von der Sache!"

Und damit verschwanden er und Jubei in der Dunkelheit der Nacht.

Stringmaster blieb unterdessen allein zurück. Zu sehr verwirrte ihn die Vorstellung, Ginji hätte verloren. Die Angst, er könnte nicht wiederkommen bereitete ihm Übelkeit. Kazuki wollte nicht noch einmal ein Zuhause auf die Art und Weise verlieren, wie er es bereits in seiner Kindheit miterleben musste.

Er wollte nicht noch einmal eine Person verlieren, die ihm viel bedeutete.

Weder Ginji, noch Shido, noch einen der anderen Voltmitglieder.

Keinen von ihnen...
 

Cron:

Nyo, dass war es auch schon. Ich hoffe es hat euch gefallen. Wir werden uns mit dem zweiten Teil beeilen. Versprochen. Ich geb zu, es wäre eher fertig gewesen, hätte ich jetzt nicht 2 Wochen für die letzte

viertel Seite gebraucht. *drop* So bin ich aber zufrieden mit dem was wir hier hinbekommen haben. Oder, Heiji?
 

Das andere Autor:

Nyo, schieben wir jetzt wieder alles auf dich, oder was?

Machen wir mal wieder keine leeren Versprechungen was die Fortsetzung angeht, aber kommen wird sie bestimmt...irgendwann...in ferner Zukunft.

Ich lass es lieber....bin sprachlos. -.-°

-le violon

Titel:le violon

Teil: 3/ ?

Autor1:Shido

Email: Hiwatari@freenet.de

Autor2:KrümelCron

Email: croncron@freenet.de

Fanfiction: Get Backers

Rating: jetzt wissen wir es. Aber verraten wird trotzdem nichts XD

Inhalt: *pfeifend weg schau*

Warnungen: Sämtliche Dialoge und Handlungen wurden von irgendjemanden, um genau zusein, von uns, frei erfunden. Mögliche Übereinstimmungen mit dem Schicksal noch lebender oder auf tragischer Weise verstorbener Personen ist entweder zufällig oder bewusst so gewählt wurden. Die Autoren übernehmen keine Haftung für eventuelle Folgeschäden der Story.

Pairing: nun wissen wir es...

Disclaimer: Schweren Herzens geben wir bekannt, dass uns die Charaktere aus Get Backers, nicht wie anfangs vermutet, gehören, sondern doch, wie bereits in verschieden Foren spekuliert, Rando Ayamine und Yuya Aoki. Auf das sie glücklich mit dem Wissen werden! -.-°

Wir behalten uns vor die Storyline als unser zu deklarieren und jeden Verursacher unsachgemäßer und unangekündigter Vervielfältigungen, noch schlechterer Qualität, durch angeheuerte Killer eliminieren zu lassen.

Anmerkung: Ein großes dank an den kleinen Kreis von treuen Kommi-gebern. Euch ist der dritte Teil gewidmet. *verbeug*
 

Ginji´s sanctuary

- le violon
 

Mein Gott, konnte der Mann nerven. Wie hielt Shido es nur mit ihm aus? Und das auch noch so lange? Er, ruhig und besonnen, stolz darauf, nicht so schnell aus der Fassung gebracht werden zu können, er: Kazuki Fuchoin, war wirklich kurz davor, dem selbsternannten Komiker die Peitsche aus der Hand zu reisen und ihn daran am nächst besten Baum aufzuhängen.
 

*flashback*

"Shido-han! Shido ~~~!" Freudig sprang Bloody Jocker von einer Straßen Seite zu anderen, blickte fremden Frauen untern Rock und spähte in Mülltonnen. Nirgendwo, fand er den Gesuchten. Mit einem Blick auf seine Uhr wurde ihm klar, dass er sich bereits vor Stunden von Jûbei getrennt haben musste. Tief ausatmend, wurde seine Brille wieder auf den rechten Fleck zurückgeschoben.

"Hmpf...ich find dich schon..."

Ito no Kazuki schlenderte unterdessen geschafft und hungrig durch den Park.

Quietsch!

//War da was?// verwundert blieb der langhaarige junge Mann stehen und blickte sich um. Nichts.

Quietsch!!

"Hm?"

QUIETSCH!!!! Langsam aber sicher wurde es auch ihm zu bunt. Was, um Gottes Willen, quietschte ihn hier an? Wollten sich Shidos Tiere schon wieder einen Spaß erlauben, so wie sie es öfters taten?

Wie nah er damit an der Lösung des Störenden Geräuschs war, wurde ihm spätestens dann bewusst, als er seinen Blick auf den, mit kieseln übersäten Boden schweifen lies.

"EMISHI?", schrie der geschockte Japaner auf und sprang sofort von dem am Boden liegenden Opfer runter. "Was zum Teufel suchst du da unten?"

Hätte er nur nicht gefragt. Keine zwei Sekunde später bekam er nämlich schon die Antwort, in Form einer Ellen langen, 4 stündigen Ausführung, der Erlebnisse Jockers.

*flashback Ende*
 

Nachdem Emishis Erklärungen endlich ein Ende fanden und Kazuki schon lang nicht mehr zu hörte, nur von dem langen und ungewohnten Schweigen Jockers wieder aus seinen Trancezustand erwachte, bemerkte er, dass sich der Tag schon dem Abend neigte und sie immer noch kein Stück weiter waren.

Weder von Ginji noch von den Anderen war irgendein Hinweis gekommen.

Die Sonne verschwand im hellen rot hinter den riesigen Hochhäusern, die sich wie eine unzerbrechliche Wand vor die große Feuerkugel schoben. Der Park wurde auch allmählich leerer und die alten Bäume zogen ihre dunklen Schatten immer weiter in die Länge.

"Lass uns zurück gehen, Emishi. Vielleicht findest du deinen Freund zu Hause wieder."

Kazukis sonst so sorgenlose Stimme hatte einen bitteren Unterton, der von der Enttäuschung, Hoffnungslosigkeit und Ermüdung nur noch mehr verstärkt.

Der Angesprochene nickte zögerlich, bevor auch er sich lautlos erhob und sich gen Mugenjou wandte. Der große Tower überragte die Hochhäuser um einiges und lies diese noch klein und zerbrechlich erscheinen. Die dunklen Wolken hinderten die matten Sonnenstrahlen am eindringen, schienen den Zustand der VOLTS fasst wider zuspiegeln.

Die Beiden liefen den restlichen, trüben Weg schweigend neben einander, verloren kein Wort, schauten nur betrübt und leer nach ihrem Anführer. Hinter jeden Ecke die Hoffnung ihn vielleicht doch wieder zu sehen, er einfach vor ihnen steht, so, wie vor zehn Tagen, vor dem Unbekannten, vor dem Kampf. Einfach vergessen und noch einmal von vorn anfangen.

Es waren erst zehn Tage und diese schienen schon wie eine Ewigkeit. Im Mugenjou herrschte Ratlosigkeit, die Bewohner wurden unruhig, als würden sie wissen, was geschehen war, würden ahnen was ist, wenn Ginji nicht mehr da war.

Immer weiter liefen sie, doch nirgends fanden sie den, den sie suchten.

Am Eingang hockte der Blinde. Er fiel gar nicht weiter auf. Hier in der Gegend war kaum Jemand an zutreffen.

"Jûbei?"

Als dieser seinen Namen hörte, erhob er sich und schüttelte nur leicht den Kopf.

Auch er hatte keine Spur Raiteis.

Kazuki lies den kopf hängen, sodass seine Glöckchen leise klimperten.

"Ist Shido schon zurück?"

"Ich hab ihn nicht getroffen, aber allzu lang bin ich auch noch nicht hier."

"Verstehe. Emishi, Jûbei, ich werde noch einmal in die Stadt gehen. Vielleicht treffe ich den Chaoten dort - wie die letzten Tage auch. Ihr wisst ja: Shido verwechselt Tag leicht mit Nacht und bisher kam er auch immer zu spät, wenn ich ihn nicht geholt hab."

Die beiden Mitglieder nickten nur kurz und während Jocker noch immer draußen blieb um seinen Beastmaster bei eventuellen Auftauchen ab zufangen, ging Jûbei nach drinnen, um dort nach dem Abwesenden zu schauen.
 

***

Es war bereits Nacht und die dunkelrote Sonne war schon längst nicht mehr zu sehen. Die kleinen Gassen waren ebenfalls menschenleer, bis auf einen...

Hin und wieder konnte man eine schwarze Gestalt erkennen, die blitzschnell wie ein Schatten durch die engen Seitenstraßen huschte, unerkannt, schnell, lautlos.

Nichts und Niemand schien ihn auf seinem Weg auf zuhalten.

Katzenartig schnellte er durch die verlassene Gegend, sein Ziel vor Augen, hörte man nicht mal wie seine Füsse federleicht den rauen Boden berührten.

Gleich war er da.

Der Name ging ihm nicht mehr aus dem kopf, hallte immer wider wie ein lautes Echo: Otowa Madoka, Otowa Madoka...

Wo diese Person auch war, dort würde er mit hoher Wahrscheinlichkeit auch endlich Ginji wieder treffen.

Er würde ihn zurück holen, egal was es ihn kostete.

Er merkte kaum wie außer Atem er doch war, wie er in der kalten Nacht schwitzte, seine Kräfte ihn nach und nach verließen. Er rannte weiter. Etwas trieb ihn an, er trieb ihn an. Die Hoffnung ihn zu finden, zurück zuholen, aber vor allem diesen braunhaarigen arroganten Mistkerl fertig zu machen...wenn es sein muss sogar zu töten.

Da war er: große Villa, baldiges Konzert, Geige...

Und wenn er gegen Ginji kämpfen musste, sich ihm in den Weg stellen, er würde ihn aufhalten und mit nach Hause bringen!

Nachdem er sich vergewissert hatte, dass keine Wachposten in der Gegend waren, zumindest keine, die ihn aufhalten konnten, schlich er sich lautlos in den großen garten, huschte unter dem schützendem Bäumen hinweg und sprang schließlich geübt auf einen stabilen, dicken Ast.

Dann horchte er eine Weile in die Stille, schloss die Augen und konzentrierte sich. Nichts. Nichts, war zu hören, nur zwei Wachposten am Eingang unterhielten sich angeregt und zu gleich unaufmerksam. Die würden ihm keine großen Probleme machen.

Shido fixierte die lachenden Wachen kurz und lies dann seine Katzenartigen Augen über das große, dunkle Anwesend wandern. Viel erkannte er nicht. Vielen Ecken bot der Neumond guten Schutz, der noch durch die grauen dünnen Wolken verstärkt wurde. Es schien ein leichtes Spiel zu werden.

Nach zwei, drei großen und geschickten Sprüngen befand sich der Beastmaster schon auf dem breiten, mit großen hellbraunen Ziegeln bedecktem Dach. Ihm fielen die kleinen, aber feinen Risse in den Ziegeln auf, wodurch er nach eventuell anwesenden Tieren rufen konnte. Sehr nützlich für einen Eindringling wie ihn. Irgendwer hätte sich wohl mal um das ungepflegt erscheinende Dach kümmern sollen...

Als sich Shido schon in Sicherheit wog, tauchte urplötzlich eine schwarze Gestalt hinter ihm auf. Erschrocken und auch überrascht machte er einen Satz zurück und ging - wie er es vom Mugenjou kannte - in Kampfstellung, blickte mit seinen Augen den scheinbar Unbekannten stur und drohend an.

"Wer ist da?!", fauchte der Beastmaster dem anderen leise zischend entgegen.

Bevor der Verborgene auch nur ansetzen konnte, etwas zu sagen, verriet ihn bereits das leise klimpern seiner Glöckchen. Die ganze angestaute Anspannung in Shidos Körper entwich mit einem lauten Seufzer.

"Schleich dich nicht immer so an mich ran, Kazuki!"

"Ich wollte dich nur holen kommen. -Was machst du hier eigentlich?"

verwundert über die noble Gegend, die Raitei sicher meiden würde, drehte sich der junge Stringmaster einmal um die eigene Achse um sich einen besseren Überblick über das rießige Gelände zu verschaffen. "Du glaubst doch nicht wirklich, dass-"

"Ich hab einen guten Tipp bekommen."

"Aber-"

"Misch dich nicht ein!", blaffte der Schwarzhaarige seinen Gegenüber an.

"Deswegen brauchst du mich doch nicht i-"

"Ich komm, wenn ich fertig bin."

Kazuki schwieg. Seiner Meinung nach, machte es im Moment keinen Sinn, mit Shido reden zu wollen, man kam ja eh nicht zu Wort. Der Beatsmaster wusste nicht einmal warum er plötzlich so gereizt war. Vielleicht weil er vorher noch nie solange von seinem Anführer getrennt war? Weil es unwahrscheinlich war, Ginji hier zu finden? Weil es noch unwahrscheinlicher war, gegen jemanden zu gewinnen, den selbst Raitei nicht besiegen konnte? Mit jedem weiteren Gedanken, den er daran verschwendete, stieg ein ungewohnter Hass in ihm auf.

Kazuki wusste nicht wirklich was er dazu noch hätte sagen können. Er betrachtete stattdessen seinen Gegenüber aufmerksam. Was meinte Shido nur mit diesem Hinweis?

Sollte Ginji etwa doch hier sein?

Das kam Kazuki doch alles etwas merkwürdig vor.

Er schaute noch einmal kurz auf die kleinen, beschäftigten Wachposten hinunter und seufzte dann leise.

"Okay, Shido-kun. Aber ich bleibe in der Nähe. Sag Bescheid, wenn du doch Hilfe brauchen solltest."

Schon bevor Ito no Kazuki den Satz beendet hatte, war er im Nichts untergetaucht und überlies dem Beastmaster nun das Feld.

Shido hingegen schüttelte nur den Kopf. Er und Hilfe brauchen? Für wen hielt Kazuki ihn?

Shido verharrte noch einige stumme Minuten auf dem schwarz erscheinenden Dach, welches matt im grellen und verräterischen Mondlicht glänzte.

Nach kurzer Zeit schlich er sich dann geschickt und lautlos über das weite Haus bis er fand wonach er suchte:

Ein Fenster.

Schnell und unter geschicktem Einsatz seiner Wolfsklauen hatte er es offen und schlüpfte wenig später hindurch, landete auf dem verstaubten Boden.

Nun lauschte er auf der Ebene einer Fledermaus, rührte sich nicht von der Stelle.

Es schien Niemand in der Nähe zu sein. Ungefähr zwei Gänge weiter unten liefen zwei Leute entlang, vermutlich auch Wachen. Sie redeten nicht.

Sonst nahmen seine Ohren nur ein leises, bekanntes Fipsen war. Mäuse und Ratten.

Ein kurzes, breites, aber vor allem siegessicheres Grinsen huschte über das halb vom Schatten bedeckte Gesicht des Beastmasters.

Er schlich sich nach draußen auf einen der Gänge. Ein schmaler Gang, in dem er wahrscheinlich bald gefangen war. Keine Tür weit und breit. Shido blickte sich um. In welche Richtung sollte er gehen?

Ohne lange Gedanken daran zu verschwenden, wählte er eine Richtung. Natürlich nicht, weil ihm so war, dann wäre er ja nicht der Beastmaster. Nein, eine kleine, unauffällige und graue Maus, die nur am rechten Ohr einen halbrunden, braunen Fleck hatte, saß gemütlich auf seiner Schulter, kuschelte sich in seine schwarze Mähne und wies ihm die Richtung für ein Stück Käse.

So schlenderte Shido also ohne große Probleme durch die langen, verwirrenden Gänge, die eher einem Labyrinth ähnelten als einem Haus ohne sich zu verlaufen.

Nach unbeschreiblich langer Zeit, wie es ihm schien, gelangte er an eine kleine, verzierte Tür und drückte deren Klinke fest und geräuschlos nach unten, öffnete die hölzerne Tür.

Kalter Wind wehte ihm ins Gesicht, weswegen der Beastmaster nun erst einmal seine Augen schloss und die kleine Maus auf seiner Schulter in seinen dunklen Haaren verschwand.

Nachdem sich endlich der Zug gelegt hatte, sah er sich um.

Der gesamte Raum war voller Violinen.

Was nun?

Er konnte ja schlecht alle stehlen und selbst dann war noch fraglich, ob überhaupt die richtige Geige darunter war.

Wie er so darüber nach dachte, bemerkte er nicht, dass hinter ihm Jemand ins Zimmer schlich.

Aus seinen Gedanken riss ihn schließlich ein brennender Schmerz am Hinterkopf.

Vor ihm drehte sich alles, ihm wurde schwindlich, seinen Beinen entwich die Kraft. Er ging auf die zitternden Knie, bis selbst diese ihm wegsackten und er bewusstlos nach vorn umfiel, sich der schwärze ergebend....
 

Es vergingen Stunden und die Nacht wurde kälter, der Mond verschwand nun ganz hinter den immer dichter werdenden Wolken. Kazuki stand noch immer im schützenden Schatten der dichten, gepflegten Bäume und hielt Ausschau nach seinem Freund.

Er lies sich ganz schön Zeit und langsam wurde der Fadenmeister wirklich ungeduldig.

Wo blieb er denn nur. Es war vier Stunden her, seit Shido durch das kleine, runde Fenster im Dach verschwunden war und noch immer hatte er kein Zeichen bekommen. Nicht mal eines dieser sicher anwesenden Tiere war zu ihm hinaus bekommen, um eventuell Hilfe zu holen. War wirklich alles Okay?

Sollte er noch länger auf seinen Freund waren?

Was, wenn etwas schief gegangen war?

Und was war mit diesem mysteriösen Hinweis?

Immer wieder schaute Kazuki sich um, irgendein Zeichen, ein Hinweis. Nein, nichts.

Es war zuviel.

Jûbei machte sich sicher auch schon Sorgen um ihn.

Nach einer weiteren halben Stunde entschloss sich der Langhaarige doch hinein zugehen.

Er verschwand ebenfalls geräuschlos in der Dunkelheit auf der Suche nach seinem Gefährten.
 

Das Erste, was Shido bemerkte, als er wieder zu sich kam, war der ungeheure Schmerz, der sich durch seinen Kopf fraß.

//Was zum...?// Vorsichtig versuchte sich der Schwarzhaarige aufzurichten und seine Augen zu öffnen, aber Beides zusammen war im Moment ein Ding der Unmöglichkeit für ihn und so ließ er sich, vom Schwindel erfasst, zurück in die weiche Decke gleiten.

Decke? Weiche Decke? Moment mal. Was war hier los? Was war passiert, während er ohnmächtig war? Langsam tasteten sich seine Finger im weichen Stoff vorwärts. Aber es blieb was es war- eine weiche, dicke Decke. Shido schwante nichts Gutes.

Bereits zum zweiten Mal an diesem Abend, war der junge Beastmaster auf die Hilfe seiner Tierverwandlungen angewiesen und wie bereits beim Einbruch, war es das feine Gehör der Fledermäuse. Wenn er seine Augen schon nicht einsetzen konnte, musste er wenigstens versuchen, imaginär durch Schall zu sehen....

Das Zimmer war sperrlich eingerichtet. Ein altes Regal mit allerlei nutzlosem Plunder, nahm fast die ganze rechte Seite ein. Daneben stapelten sich Kisten und vor ihm ragte eine eiserne Tür aus der Wand. Überall im Raum standen Vasen, mit seltsam penetrant duftenden Blumen. Wäre seine Lage nicht so mies gewesen, hätte er wohl über den schlechten Geschmack geschmunzelt, aber hinzu kamen noch einige andere Aspekte, die ihm wohl kein Lächeln abringen hätten können. Es gab keine Fenster, keine Tiere, abgesehen von dem hässlichen Primaten, der auf ihn zu kam und ein ebenso hässlich rasselnder Atem, den er unverkennbar sein Eigen nennen konnte.

Vorsichtig wagte Shido es erneut, seine Augen zu öffnen. Er konnte, seiner Meinung nach, schließlich nicht ewig einen auf Jubei machen.

Der hässliche Primat, wie Shido ihn bezeichnete, trug einen feinsäuberlich gebügelten, schwarzen Anzug. Sein Gesicht war eckig und bullig, wie auch der Rest seines Körpers. Er sah aus, wie aus einem einzigen Stein gehauen. Nur, dass auf Steinen wohl noch nie Haare gewachsen waren. Zumindest, war Shido das nie bekannt geworden. Der ältere Mann trug volles schwarzes Haar, welches feinsäuberlich nach hinten gegelt war und einen völlig unmodischen Kinnbart.

"Du siehst dämlich aus..."

"Sind wir also wach, Get Backer?" Hishiki schlug die geballten Fäuste gegen einander und lies sie knacken. "Dann kann der Spaß doch beginnen."

"Get was?" Irgendwie kam ihm das Wort bekannt vor..."Ey, Moment mal! Ich bin nur ein gewöhnlicher Einbrecher!"

"Ja, ja, schon klar, Würmchen." Sausend ging eine Faust neben ihm nieder. Shido zwinkerte kurz. //Würmchen?//

Gerade wollte er seine Finger zu seinem Mund führen um Verstärkung zu rufen, da merkte er auch schon, wie sich eiskalter Stahl um sein Handgelenk legte. Schockiert riss er die Augen auf und schaute über seinen Kopf. Eine zweite lederne legte sich um seine Hände und schnürte beide, fest aneinander gebunden, an einen Karabiner in der Wand.

Shido begann sich zu winden, zerrte an den Fesseln und stemmte sich mit all seiner verbliebenen Kraft dagegen.

Ryoda Hishiki schaute dem ganzen nur amüsiert zu. Mit einer schnellen Handbewegung löste er seinen Krawattenknoten und knüllte sie zu einem Stoffball zusammen, den er unter lautem Protest dem Schwarzhaarigen in den Mund stopfte.

Shido begann zu würgen. Ein fester Schlag in sein Gesicht lies ihn innehalten. Unverwandt starrten tiefe schwarze Augen in giftgrüne. Abgrundtiefer Hass gegen Menschen. Das war es, was der Beastmaster in diesem Moment fühlte. Er dachte, er hätte dieses Gefühl längst vergessen.

Er dachte, er hätte es neben Raitei verlernt, aber nun kam alles wieder in ihm hoch.

Sein Ekel.

Sein Hass.

Seine Abneigung gegen diese Rasse.

Eine eisige Kälte überfiel ihn und lies ihn erschaudern, als sich die Hand des Älteren den Weg in Shidos Hose suchte. Dieser kniff die Augen zusammen und hoffte, dass er bald aus diesem Alptraum aufwachen würde.

Was genau sollte das werden?

Konnte sich dieser Perverse nicht jemand anderen für seine Spielchen suchen?

Er wollte doch, verdammt noch mal, nur seinen Anführer zurück holen.

"..Aaa-uukiiii" [Kazuki]
 

Kazuki sprang vom Baum. Nun hatte er sich vier Stunden die Hacken wund gelaufen und kein Zeichen von Shido bekommen. Es hätte gut sein können, dass er fündig geworden war und mit Raitei nach Hause gegangen war, oder aber, dass er immer noch nach ihm suchte. Beide Varianten passten ihm nicht und sein Kumpel hätte doch wenigstens einmal bescheid sagen können. Das war ja nun wirklich nicht zuviel verlangt.

Ito no Kazuki konnte nicht mehr auf ihn warten. Im Tower brauchte man jeden Kämpfer, um die Roudies aus der Gürtelzone fern zuhalten und daran zu hindern, alles zu töten und zu plündern, was ihnen in den Weg kam.

Shido würde sich im Ernstfall zu verteidigen wissen. Da war er sich sicher.

Wehmütig lies der junge Mann seinen Blick über der Stadt kreisen und blieb am Mugenjou hängen.

"Raitei, wo bist du?"

In seine Gedanken versunken, setzte der Fadenmeister den Heimweg an und überlies Shido, unwissendlich, seinem Schicksal.
 

Shidos Brust hob sich im Sekundentakt. Angeekelt starrte er schon seit Minuten auf das kalte Ziegelgemäuer, um den Anblick seines Gegenübers nicht ertragen zu müssen.

Was konnte er jetzt noch tun?

Er war diesem hässlichen Anzugheini doch hilflos ausgeliefert.

Seine Gedanken kreisten immer wieder um seine Freunde. Er wollte doch nur nach Hause. Er hatte doch nichts verbrochen.

Warum er?

//Kazuki, hilf mir! Komm endlich! Bitte!//

Er wusste, dass es aussichtslos war. Kazuki würde nicht kommen. Er würde ihm nicht helfen. Shido wusste ja nicht mal selbst, wie lang er schon hier war.

Trotzdem dachte er immer wieder an ihn. Er war der Einziger, der ihm jetzt noch helfen konnte.

Hishiki hatte sich währenddessen sein schwarzes Jackett ausgezogen und achtlos in die leere Ecke geworfen. Er öffnete entschlossen seinen Hosenstall.

Er kniete hinter Shido auf dem kleinen Sommerbett, sodass der Beastmaster ihn nicht sah, aber sich sehr gut denken konnte, was nun kommen sollte.

Nein! Nicht solange er noch irgendwelche Kraftreserven hatte! Lieber würde er sterben!

Gerade als Ryoda ihn mit seinen großen, rauen Händen an der Taille packen und somit fest halten wollte, drehte Shido sich in sekundenschnelle um und rammte dem Anderen sein Knie mit all seiner verbliebenen Kraft in die Weichteile.

Das unangenehme Geräusch erfüllte den ganzen, spärlichen Raum.

Shido schaute ihn an. Sekunden vergingen. In Shido breitete sich das unbehagliche Gefühl aus, dass dieser Kerl gar kein Schmerz empfinde. Doch - Gott sei Dank - hatte er sich da geirrt;

Ryoda schrie auf und rollte von dem dünnen Bett, landete mit einem dumpfen Knall auf dem harten Boden.

Shido keuchte, sein Herz raste. Das alles machte die Situation nicht besser.

Sobald sich dieses Monster erholt hatte, würde er auf ihn losgehen. Die Fesseln bekam er nicht auf und schreien konnte nicht.

Während Hishiki wimmernd am Boden lag und sich sein bestes Stück hielt, versuchte Shido verzweifelt die viel zu engen Fesseln auf zubekommen.

Es vergingen Minuten, lange Minuten.

Shido konnte hören, wie Ryodas Atem wieder in den Normalzustand zurück kehrte und auch das Wimmern war verschwunden.

Er wurde nervös. Das Gefühl der Angst machte sich in ihm breit, sein Herz schlug ihm bis an die Kehle, so laut, dass es wahrscheinlich auch Ryoda hörte.

Die Hilflosigkeit überkam ihn erneut, er zog und zerrte und nichts geschah.

Schon jetzt war der junge King schweißnass, seine Nackenhaare hatten sich längst aufgestellt, als Zeichen der Gefahr.

Die Angst verwandelte sich langsam in Panik. Der Beastmaster hockte mittlerweile auf den Knien und stemmte sein gesamtes Gewicht gegen dieses unerwartet robuste Bett, versuchte irgendwie frei zukommen, auch wenn er sich dabei die Hand brechen sollte.

Verzweifelt schaffte er es wenigstens die Krawatte hervor zu würgen, seine Augen hatten sich bereits mit Tränen gefüllt. Nie zuvor hatte er solche Angst gehabt.

"KAZUKI!"

Er brüllte, so laut wie er noch konnte. Seine Stimme klang rau und hektisch, die Hilflosigkeit stach deutlich hervor.

Der Raum schien schalldicht.

Shido sackte innerlich zusammen. Wie ein Frack saß er auf dem kleinen Bett, dem Nervenzusammenbruch nah.

Er hasste Menschen. Er hasste sie so sehr.

Wut stieg in ihm auf. Der Hass vermischte sich mit der Angst, mit der Leere, die sich in ihm ausbreitete.

Hoffnungslos beugte er sich zu den Fesseln vor, um so wenigstens seine Finger zu erreichen und zu pfeifen.

Doch Hishiki hatte es bereits geschafft, sich wieder aufzurichten und packte seine Geisel an den Haaren, um dessen Kopf so nach hinten zu ziehen und ihn zu zwingen ihn anzusehen.

Shido schloss die Augen. Er wollte ihn nicht sehen, dass war das Letzte was er jetzt wollte.

Es war einfach zu viel.

Alles war zuviel.

Er wollte das nicht mehr.

Er wollte gar nichts mehr.

Alles sollte aufhören.

Er fing an zu zittern, sein Körper schien sich gegen ihn zu wenden.

"Schau mich an!!"

Hishiki brüllte ihn an.

Doch Shido zeigte ihm nicht die geringste Reaktion.

"Hörst du schwer?! Ich sagte, du sollst mich anschauen!"

Über das bleiche Gesicht des Beastmasters rann eine Träne. Er hatte einfach keine Kontrolle mehr. Er wollte nur noch zurück. Das Einzige, was er noch konnte, war flüstern:

"Halt`s Maul, Fleischkloß!"

Dann grinste er und schaute den wütenden Muskelprotz genau in die Augen.

Seine Augen waren matt, der Blick leer.

"Du wagst es...?!"

Hishiki schien voller Hass, seine Geduld war am Ende. Schon wieder holte er aus und schlug Shido seine geballte Faust mit aller Kraft ins Gesicht.

Shido wurde kurz schwarz vor Augen alles drehte sich vor ihm, Schmerz durchzog seinen Kopf, fraß sich tiefer und vermischte sich mit eisiger Kälte.

Ihm war schwindlich, ein Gefühl der Übelkeit machte sich in ihm breit.

Seine Schläfe schmerzte unerträglich und er merkte deutlich, wie sich die rote Flüssigkeit den Weg über sein Gesicht bahnte.

"Dann tu`s doch!"

Hishiki drückte den King mit dem Kopf zuerst ins Lacken, welches sich rot verfärbte. Shidos Genick fest mit der linken Hand gepackt und den Master somit völlig im Griff, wanderte die rechte Hand Hishikis abermals in seine Hose und riss diese auch gleich mit einem Mal ziemlich unsanft runter.

Shido schien alles egal zu sein, er wehrte sich nicht mehr. In seinen Augen zögerte es das ganze nur hinaus und machte es noch schlimmer.

Er rührte sich nicht, nur aus seinen Augen traten die Tränen unaufhaltsam hervor.

"Du hast es nicht anders gewollt, Get Backer!"

Hishiki packte Shido nun mit der freien Hand und zog ihn zu sich, amüsierte sich, als er ihm in das farbloserscheinende, ausdruckslose Gesicht sah. Er genoss die Macht, die er über seinen Feind zu haben schien.

"Ich bin kein Get Backer!", flüsterte der Beastmaster kaum verständlich, doch er wusste, dass der Andere es trotzdem hörte.

"Leugne nicht, wir wissen, was ihr vorhabt. Wie viele Partner du auch hast, hier findet dich keiner. Falls der, der draußen im Garten war, der Einzige ist, der dich begleitet hat, hast du wohl einen weniger!"

Shidos Augen weiteten sich, während Ryodas schäbiges Gesicht ein widerliches Grinsen zeigte.

Sein Hass stieg erneut.

Gerade als Shido den Anderen erneut treten wollte, stieß Jemand die eiserne Tür auf.

"Hishiki! Geh sofort runter von ihm!"

Ein Unbekannter von kleiner, gebrechlicher Gestalt stand in der großen Eisentür und fauchte zu ihnen hinüber.

Der Felsklotz tat tatsächlich wie ihm geheißen und entfernte sich ohne einen Ton von seinem hilflosen Opfer. Seine Miene war wie am Anfang: ausdruckslos.

"Und nun bind ihn los!"

Ohne, dass Shido wusste wie ihm geschah, hatte ihn der Riese losgemacht.

Der Schwarzhaarige war verwirrt und rieb sich die roten Handgelenke, an denen man deutlich den Abdruck der engen Fesseln nachfahren konnte.

Er starrte seinen "Retter" an und suchte dabei vorsichtig nach seiner Hose.

"Ich muss mich in aller Form bei ihnen entschuldigen, Herr Fuyuki."

Die schmale Gestalt verbeugte sich im Schatten tief vor ihm. Jetzt wurde es Shido zu bunt.

"Woher wissen sie, wer ich bin?", seine Stimme, auch wenn sie noch ziemlich rau klang, hatte er langsam wieder gefunden und wischte sich jetzt nur noch den Rest der schon fast vertrockneten Tränen weg, womit er auch sein Blut verwischte und sich den rechten, zitternden Arm rötlich verfärbte. Seine Hose zog er neben bei an, Hishiki nicht aus den schwarzen Augen lassend.

"Das ist unwichtig. Ich weiß, was sie hier wollen. Ihr Ziel ist doch die Geige, liege ich da richtig?", ein süffisantes Grinsen verriet Shido, wie falsch der Zwerg doch war.

"Was wollen sie von mir? Und wer sind sie überhaupt?"

"Oh, verzeihen sie mir meine Unhöflichkeit. Mein Name ist Shunsuke Akutsu. Ich denke, wir können uns ergänzen?"

"Pah?! Ergänzen?! Ich dreh dir gleich den Hals um!"

Shido sprang mit einem hohen Satz auf den Kleineren zu, doch wurde - wie hätte es auch anders sein können - von Hishiki aufgehalten.

"Ganz ruhig! Ich will mich wirklich für das, was dir mein Wächter angetan hat, entschuldigen!"

Ein kurzer Blick hinauf zu Hishiki, zeigte Shido, dass er das keines Falls bereute, sondern wohl eher unterstützte.

"Ich könnte dich auf die Get Backers treffen lassen. Du weißt schon: Ban Midô und Ginji Amano!"

Als der Beastmaster schlagartig ruhig wurde, lächelte Akutsu leicht. Wie leicht durch schaubar er doch war. Er hatte ihn schon längst am Hacken, wie ein Fisch im Netz gefangen.

"Na, interessiert?"

"Was springt für dich dabei heraus?"

"Für mich? Ein heiden Spass. Deine Fähigkeiten sind einzigartig, sehr viel Wert, außerdem kennst du sie Beide mehr oder weniger und willst dich an mindestens einem rächen. Ich will nur dabei zusehen, mich etwas amüsieren. Du hälst mir meine Feinde vom Hals." //Wie ein kleines Schosshündchen!//

Shido antwortete nicht, schaute den falschen Mafioso vor sich nur eiskalt an.

"Die Geige ist hier, sie werden hier her kommen. Das garantier ich dir. Ich möchte allerdings nicht, dass du deine lieben Freunde vorher triffst oder informierst. Ich will keinen Ärger, okay?"

Shido nickte zögerlich. Er brauchte sie nicht zu informieren. Joker und Kazuki würden dafür sorgen sich selbst zu informieren.

"Ich möchte noch heute Abend ein Konzert geben und als Entschädigung würde ich dich gern dorthin mit nehmen. Du brauchst natürlich nicht bei mir bleiben. Vergnüg dich ein wenig, iss ein bisschen oder schlaf. Ganz wie du möchtest."

Noch einmal grinste die kleine Ratte dreckig und falsch in sich hinein und verschwand mit dem Fleischkloß nach draußen.

Shido wurde von einer Bediensteten abgeholt und in sein vorrübergehendes Zimmer gebracht, wo er sich ebenfalls einen feinsäuberlich gebügelten Anzug anlegte und sich für dieses mysteriöse Konzert fertig machte.

Was ihm das wohl bringen sollte?

Es ging alles so schnell.

War er denn nun wirklich hier?

War das alles geschehen?

Was sollte er jetzt machen?

Dieser falsche Bastard stellte ihm doch garantiert eine Falle, andererseits schien ihm nichts anderes übrig zu bleiben, wenn er seinen Anführer wirklich wieder treffen wollte.

Dann würde er eben in diese Falle tappen müssen.

Eines wusste er jedenfalls, egal ob Traum oder nicht: So unvorsichtig würde er nie wieder sein.
 

Unterdessen tobten im Mugenjou schon wieder die gelangweilten Kids durch die fast leeren Straßen. Es schien Niemand da zu sein, der sich wirklich für sie interessierte und versuchte, sie aufzuhalten.

Ein lautes Scheppern hier, eine umgekippte Mülltonne da, hier ein bisschen Dreck, dort einige zerdroschene Fensterscheiben.

Wo waren denn die berühmt berüchtigten VOLTS, die alles unter Kontrolle hatten?

Jaulend und kreischend machte die Meute die kühle Gegend unsicher, sodass auch die letzten Anwesenden lieber schnell in ihre unsicheren Häuser verschwanden.

Sollte das alles wieder losgehen? Wo war Raitei? Er war doch sind immer sofort da, wenn man ihn brauchte. Doch diesmal war es nicht an ihm die heimatlosen Kinder aufzuhalten, die versuchten sich zu behaupten.

Nein, zwei Andere stellten sich ihnen in den Weg.

"Hey, Ihr! Wenn ihr Ärger machen wollt, verschwindet lieber schnell von hier!"

Die Jugendlichen hielten inne und schauten in die Richtung ihres Besuchers.

"Mit wem haben wir denn die Ehre? Meinst du nicht, dass du dich etwas überschätzt, Alter?", trat der Größte arrogant hervor, "Soll ich dir deine hässliche Visage einschlagen oder ziehst du es vor gleich zu verschwinden? Wäre sicherer für einen alten Knacker wie dich!"

Die Anderen kicherten, wogen sich hinter dem Rücken ihres scheinbaren Anführers in Sicherheit.

"Du hast es ja nicht anders gewollt! Emishi!"

Der Gerufene erschien auf der anderen Seite und kreiste die Übermütigen so mit seinem Freund ein. Seine Peitsche schon griffbereit, blickte er wie zum Sprung hinüber zu Jûbei. Die beiden kämpften sonst nie gemeinsam, aber gegen diese Kinder reichten ihre Fähigkeiten schon allein. Nicht das einer die Fähigkeiten des Anderen brauchte, die Kinder sollten nur nicht fliehen.

"Schmeißen wir die Überflieger raus!"

Emishi nickte einverstanden und im Hand umdrehen hatten sie die Störenfriede hinaus aus dem Mugenjou befördert. Die waren das Letzte, was sie jetzt noch gebrauchen konnten. Wenn Ginji hier gewesen wäre, hätte sie sicher nicht so grob gehandelt, aber so mussten sie jeder Gefahr aus dem Weg gehen, auch, wenn sie noch so winzig erschien.

Jûbei wandte seinen Blick zu Emishi, als sie Beide am Eingang der Festung ohne Grenzen standen und hörte, wie dieser leise seufzte und wohl in die Hocke ging.

"Nun geht schon fast die Sonne auf. Noch ein/zwei Stunden und der Tag bricht an. Wo bleib Shido nur?"

Jokers Tonfall klang fast verunsichert und besorgt, ganz ungewohnt, wie Flying Needle fand.

"Ich werde hier warten."

"Er kommt sicher bald.", wollte Jûbei seinen Freund beruhigen, aber selbst ihm erschien es seltsam , dass Shido dermaßen unpünktlich war. Sicher kam er vielleicht mal zu spät, aber normalerweise war auf ihn doch Verlass und selbst Kazuki war noch nicht wieder von seinem nächtlichen Ausflug zurück. Wo konnten die beiden nur sein?

Ob ihnen etwas zugestoßen war?

Jûbei schüttelte den Kopf. So etwas durfte er nicht denken. Soviel Unglück konnten doch nicht mal sie haben. Sie hatten sicher nur die Zeit vergessen oder suchten weiter nach ihrem Anführer. Immerhin wussten die Beiden sich sehr gut zu verteidigen und zu zweit waren sie bei nahe unschlagbar.

"Denkst du dasselbe wie ich?", riss ihn der Langhaarige schließlich aus seinen Gedanken, bevor es wie aus einem Mund kam:

"Da stimmt was nicht!"
 

"Möh, Ban-chan! Was meinst du damit, wir nehmen nicht an?" Überfragt hüpfte das kleine gelbe Etwas durch das fast menschenleere Honky Tonk.

"Das heißt, dass ich für das Geld keinen Finger krumm machen werde.", gab sein Partner ohne große Ausschweifungen zu und drückte seinen Zigarettenstummel im Ascher aus.

"Du bist geme~~~in!" Mit treuem Chibiblick versuchte Ginji seinen Freund doch noch rum zubekommen, stieß dabei aber auf taube Ohren.

"Baaaa~n! Du kannst die arme Frau doch nicht einfach ohne ihre Kette lassen!", was für eine, zum Himmel schreiende, Ungerechtigkeit das doch war.

"Wir nehmen nicht an und damit basta! Mach doch, wenn du es willst, aber mit mir nicht." Und aus reinem Protest schnappte sich der Braunhaarige gleich noch das letzte Stück ihrer gemeinsamen Pizza und biss demonstrativ von ihr ab.

RING. Mit einem temperamentvollen Krachen flog die alte hölzerne Ladentür auf und ein deprimiertes, halbverhungertes Ginji tappte hinaus ins Freie, um über einige Sachen nach zudenken und lies den bösartigen Pizzamörder allein am Tisch zurück.
 

Der 13. Tag war angebrochen. Die Straßen füllten sich wieder mit Menschen und auch Ginji witterte die Chance neue Kontakte zu knüpfen, indem er seine Klientin persönlich von zu Hause abholte.

Er atmete tief ein und genoss seine neu gewonnene Freiheit, lächelte vor sich hin. Raitei schien schon vergessen zu sein.

Guter Dinge schlenderte er durch die breiten Straßen Shinjukus, bis ihn schließlich der Schrei eines Mädchens aus seinen Gedanken riss.

Brauchte da Jemand Hilfe?

Ohne lang zu überlegen rannte der ehemalige Elektroking um die anscheinend harmlose Ecke.

"Mozart!"

"Ich schneid dir das Hirn raus, du Mistköter!"

Ein Typ ging mit seinem Messer auf einen kleinen Hund los.

Das konnte Ginji doch nicht zulassen!

Schon hatte er den Hund geschnappt und stattdessen die eigene Hand des Typen in dessen Messer gerammt.

Kamen seine Instinkte wieder durch?

Der Kerl schrie auf, hielt die Blutende Hand fest und heulte vor Schmerz.

"So was gehört sich nicht!", ermahnte Ginji die Rüpel.

Die anderen, noch anwesenden Kerle schauten zu ihm hinüber. Ginji hielt Mozart auf den Armen und schaute sie unschuldig, aber auch vorwurfsvoll an.

"Ihr gemeinen Tierquäler! Wie könnt ihr so einem süssen Hund so etwas antun?"

Dann beugte er sich zu dem Mädchen hinunter, welches verstört an der Wand saß und ängstlich ihren Geigenkasten umklammerte. Den Jugendlichen schenkte er keine Beachtung mehr.

"Ist das deiner? Wirklich niedlich! Alles okay? Das hier ist keine Gegend für ein anständiges Mädchen!"

Während der Blonde die Rüpel schon vergessen hatte, zogen diesem ihn wütend an der grünen Weste nach oben. Rachesüchtig und hasserfüllt brüllten die Kerle ihn gemeinsam an:

"Für wen hälst du dich?!"

Und wie aus einem Munde folgte:

"Wir machen dich kalt!"

Überstürzt hechteten sie auf den scheinbar wehrlosen Blonden zu.

"Muss das sein...? Man kann doch über alles reden..."

Sie schienen ihn mit Absicht zu überhören und bevor Ginji wusste wie ihm geschah, sprang auch schon der Typ, dem er das Messer in die Hand gerammt hatte, mit demselbigen Messer nach vorn:

"Das zahle ich dir Heim!"

"Nyo?" Ginji begriff gar nicht so schnell, was die Jugendlichen von ihm wollten und wäre sicherlich um einige Blutreserven ärmer geworden, hätte nicht ein gewohntes helles Glockenklimpern die gesamte Aufmerksamkeit auf sich gezogen.

"Aufhören!", Kazukis angesäuerte Stimme hallte unter der alten Bahnbrücke wieder. Angsterfüllt drehte sich die Horde Kids zu dem Störenfried um und schluckten beim Anblick des Fadenmeisters jeglichen Protest runter, der ihnen gerade noch auf der trockenen Zunge gebrannt hatte.

"Es...tut uns leid... ." "Sorry...Kazuki-san?!", begannen die jungen Männer und versuchten sich in irgendeiner Weise bei ihrem King zu entschuldigen. Heute schien ganz und gar nicht ihr Tag zu sein.

Erst wurden sie nach einem kleinen Spaß von zwei alten Knackern aus dem Mugenjou geworfen und kaum wollten sie sich mit der kleinen Blinden amüsieren und etwas ärgern, kam auch schon einer der vier Kings aus ihrer Heimat und schimpfte rum.

Gönnte man der Jugend denn gar nichts mehr?

Madoka wusste unterdessen nicht genau, was sie machen sollte. Erst half ihr der nette Mann, mit der warmen Stimme, und nun kam noch einer hinzu, der ihr zu helfen schien.

Kazuki verlangte eine Erklärung.

"Dieses Bürschchen hat angefangen.", begann der selbsternannte Chef der Gruppe und versuchte den Langhaarigen mit beschwichtigenden Handbewegungen zu beruhigen.

"Da...Das stimmt! Hier, sehen Sie!" Als erhofften sie sich Mitleid, verwiesen sie auf die Stichwunde, die Ginji ihnen angeblich in voller Absicht zugefügt hätte. Und das Messer wäre ja auch von ihm und-

"Wisst ihr eigentlich, wer das ist?", unterbrach Ito no Kazuki die nutzlosen Versuche der Gruppe. "Das ist Ginji Amano. Er hat unsere Gruppe vereint. Ich glaub kaum, dass er so etwas gemacht haben soll." Schwermütig lies er seinen Blick zu Raitei schweifen. Doch etwas schien anders zu sein. Ginji schien...so glücklich zu sein. So unbeschwert und frei, wie er dort mit Mozart spielte. Traurig wandte er sich wieder den Roudies zu.

"Wa...Was? Dieses Bürschchen ist der Elektroking?" Konnten sie so was glauben? Der Typ machte nun nicht gerade den Eindruck des erbarmungslosen Elektrokings. "Das ist der Anführer der Volts? Ginji Amano, der Teufel in Menschengestalt? Der gefürchtetste Anführer, den es je in Shinjuku gab?! Der-"

"Das ist übertrieben!", protestierte der Blonde und lies alle Anwesenden verstummen. Mit einem Ruck verhalf er Madoka wieder auf die Beine. "Geht´s wieder?"

"Wer bist du...?" Das junge Mädchen wirkte noch sehr verschüchtert und unsicher nach dem Angriff.

"Ich bin Ginji Amano von den Get Backers. Und du bist Madoka Otowa. Richtig?" Freudestrahlend blickte Ginji sie an, als er ihr Lächeln bemerkte.

"Dann sind sie.."

"Ja, ich wollte sie abholen kommen. Gehen wir?"

Madoka nickte leicht und nahm ihren neuen Begleiter an die Hand. Mit guter Laune setzten beide zum gehen an, nur Ginji drehte sich noch einmal nach seinem alten Freund um.

"Danke für deine Hilfe, Kazu-chan!"

Der Braunhaarige flüsterte nur seinen Namen, aber scheinbar war es immer noch laut genug für die feinen Ohren Raiteis. Jetzt hatte er ihn endlich gefunden und lies ihn wieder ziehen. Dabei hatte er sich so auf das Gesicht der anderen gefreut, wenn er mit ihrem Anführer zurück käme.

"Vergiss das -san."

"Wollen Sie nicht zurück..?"

"Sorry, Kazu-chan. Aber ich arbeite jetzt mit einem Freund zusammen. Wir haben viel Spaß zusammen!"

Die Brust des Fadenmeisters zog sich schmerzhaft zusammen. "Spaß...seltsam... So ein Wort aus ihrem Mund..." Er wusste nicht, was er sagen wollte. Er hatte sich alles schon zurecht gelegt, für den Moment, wenn er ihn fände und nun herrschte in seinem Kopf eine einzige schwarze Leere. Spaß... so was gab es im Mugenjou nicht.

Also hatte er sich entschieden?

War das die entgültige Entscheidung ihres Anführers?

Wollte er alles aufgeben, was sie so mühvoll erkämpft hatten, für Spaß?

"Seit Sie weg sind herrscht unter den Junk-Kids ein heilloses Chaos. Die Kids halten sich an keinerlei Regeln. Nur der Elektroking kann wieder Ruhe reinbringen.", verzweifelt suchte er nach Gründen, um Ginji wieder nach Hause zu holen. Er gehörte nicht in diese Welt. Mugenjou war sein zu Hause. Alle brauchten ihn.

Die vier Kings brauchte ihn.

Die Kinder brauchten ihn.

Er brauchte ihn.

"Den Elektroking gibt es schon eine Weile nicht mehr...", begann der junge Get Backer leise. "Ich bin jetzt bei den Get Backers. Ich will nicht mehr zurück." Und damit beendete er das Gespräch und drehte sich mit einem letzten Lächeln für Kazuki um und verschwand mit Madoka in der Menschenmasse.

Nachdem ihr wahrscheinlich ehemaliger Anführer überglücklich der Fremden hinter her um die Ecke gefolgt war, wandte sich Kazuki den Jugendlichen zu.

Bei so was verstand er einfach keinen Spass. Nicht nur, dass dieser Kinder aus dem Mugenjou zu kommen schienen, nein, sie konnten sich nicht mal hier zusammen reisen und brachten es sogar soweit ein blindes, wehrloses Mädchen anzugreifen.

Kazukis Geduld war am Ende. Mit ein paar für ihn einfachen Bewegungen, durchbohrten seine eisenartigen Fäden die dünnen Augenlieder der jungen Menschen und versetzten sie selbst in den Zustand eines Blinden.

"Danach werdet ihr nie wieder irgendein Mädchen anrühren."

Damit verschwand der Fadenmeister zufrieden mit sich selbst um selbige Ecke, wie zuvor Ginji gegangen war.
 

Ginji gelangte mit seiner neuen Klientin endlich im Honky Tonk an, wo Ban schon ungeduldig auf sie wartete. Zusammen mit ihrer blinden Klientin besprachen sie alle Einzelheiten des neuen und scheinbar gefährlichen Auftrags. Alles schien noch recht einfach, obwohl ihr Gegner Akutsu Shunsuke, wahrscheinlich ein Mitglied der Mafia war. Erst als Ginji ein Foto von dem gestrigen Konzert Shunsukes in die Hände fiel und er darauf im Hintergrund Shido zu erkennen glaubte, weckte dies sein Misstrauen.

"Shido?!"

Was um Himmels Willen suchte Shido bei so einem Verbrecher?

Ihn hatte schon erstaunt, dass er Kazuki außerhalb des Mugenjous antraf, aber jetzt Shido?

Was sollte das Ganze?

Was war hier los?

Ungläubig starrte er das scharfe Foto an. Doch es blieb was es blieb. Es musste Shido sein.

"Was hast du?"

"Nichts.", versicherte der Blonde mit einem leichten Lächeln und legte das Foto lieber schnell zur Seite, um sich nicht unnötig Sorgen machen zu müssen.

Es dauerte einige Zeit, bis sich die Get Backers einig waren, auf welchen Weg sie auf Akutsus Gelände kommen würden, schließlich mussten sie dafür Sorgen, dass sie sich ohne großes Misstrauen im gesamten Haus frei bewegen konnten. Kaum war eine, von allen Seiten akzeptierte, Lösung gefunden, bahnten sich neue Hindernisse an:

Wie erkennt man eine echte Stradivari?

Ban verspürte nicht unbedingt die Lust, wegen jeder neuen potentiellen Stradivarifälschung rein und raus zu rennen. Also entschied man sich kurzer Hand um und das junge wurde Mädchen mitgenommen. Sie sollte doch am besten wissen, welche ihre Geige war.
 

Entspannt lehnte der junge King im Garten der Villa. So konnte man es sich gut gehen lassen.

Natur, Tiere und das aller wichtigste: Ruhe. Wie lange hatte er das im Mugenjou doch vermisst.

Endlich mal wieder ausspannen und Energie tanken.

Ein kleiner Spatz ließ sich auf seinen schwarzen Haaren nieder und begann, den in Shunsukes Ohren, munteren Gesang.

Nur Shido vermochte es, diesen "Gesang" als das zu deuten, was er war. Eine Warnung vom Fadenmeister, der offensichtlich besorgt um Shidos Wohl war. Interessiert lauschte er den Neuigkeiten, die sein kleiner Freund zu berichten hatte.

"So? Kazuki hat also Raitei gefunden und er ist auf dem Weg hierher um die Geige zu holen? ... Richte ihm aus, dass ich seine Hilfe nicht brauche! Gegen den Fremden werde ich auch alleine etwas unternehmen können." Kaum hatte der Beastmaster zu Ende gesprochen, breitete das kleine braungefiederte Wesen seine Schwingen aus und erhob sich in die Lüfte.

Akutsu stand währenddessen am Fenster und beobachtete sein, wie er es bezeichnete, neues Haustier.

Ein bösartiges Lächeln breitete sich auf seinem scheinbar zierlichen Gesicht aus, als er bemerkte, dass Shido sich hier anscheinend wohl fühlte.

Vielleicht konnte er ihn danach weiterhin beschäftigen.

Dieser lehnte sich immer noch an den großen Baum und genoss die ungewohnte Ruhe im Schatten der Natur, seufzte dabei entspannt.

So gutes Essen und so viel Erholung hatte er schon lang nicht mehr gehabt. Dafür hätte er sogar fast vergessen, wo er hier war und was er eigentlich vor hatte.

Er konnte nicht leugnen, dass es ihm hier außerordentlich gefiel, aber er wusste auch, dass dies nicht länger als bis zur Dämmerung andauern würde.
 

Ginji und Ban hatten unterdessen die Musiker, die Akutsu zur Unterhaltung seiner italienischen Freunde engagiert hatte abgefangen und sich ihre unbequemen Sachen angezogen.

Sie sollten also Musiker sein?

Ginji zupfte sein neues, viel zu enges Oberteil immer wieder von seinem Hals weg, weil er das Gefühl hatte, in dem Ding zu ersticken.

"Muss das sein? Können wir uns nicht als Gärtner ausgeben?"

"Nein. Ich glaube kaum, dass unser Gegner heut Abend noch fünf Gärtner braucht."

Ban deutete in den kleinen Rückspiegel.

Sie hatten schließlich Natsumi, Paul und Hevn mitnehmen müssen.

"Da...-dann liefern wir Pizza!"

"Nein!"

"Verkleiden uns als Postboten?"

"Nein!"

"Aber wir könnten doch..."

"NEIN!"

Ban schien langsam etwas gereizt, was sich deutlich an seinem suizidgefährdeten Fahrstil zeigte.

Huuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuup! Genervt richtete sich Bans Blick wieder auf die Straße vor ihm.

"WAS WILLST DU?????", fluchte der Braunhaarige, als er vor sich die riesigen Scheinwerfer eines azurblauen LKWs sah. //Verdammt!// Ban riss das Steuer rum, um seinen Subaru wenigstens vor noch größerem Schaden zu bewahren.

Nachdem Ban wieder den richtigen Gang drin hatte und als wäre nichts gewesen an dem großen LKW vorbei gefahren war, herrschte eine Weile Totenstille.

"Warum musstest du uns da alle mit rein ziehen? Ich spiele Schlagzeug, kein Cello!"

Paul war sichtlich grün von der Vollbremsung. Sein Leben hatte er schon vor seinen Augen ablaufen sehen. Wenigstens lag sein Testament sicher in dem kleinen Schreibtisch im Keller. Seit er wusste, dass sie ihn mitschleifen würden, war er lieber auf Nummer Sicher gegangen.

"Ist doch dasselbe!"

"Ach ja?!"

Keiner schien ihn zu verstehen und so ließ der Café Besitzer schweigend seinen Kopf hängen und sehnte sich nach seiner Zeitung und den Zigaretten.

"Sieh´s mal so: Wenn alles nach Plan läuft, kriegen wir einen Anteil!", gab Hevn zu bedenken.

Das war ja alles schön und gut und Paul hätte ja auch gar nicht rum gemurrt, hätte er nicht gewusst, dass Ban und sein Partner immer leer ausgingen. So schwieg er einfach nur weiter.

Doch Hevn gab nicht auf.

"Es lohnt sich!"

Ban und Ginji stimmten natürlich, von ihren Fähigkeiten überzeugt, sofort zu:

"Genau!"

Schwermütig gab Paul schließlich nach:

"Na gut, was soll´s...?"

Und bis sie Paul endlich überzeugt hatten, waren sie auch angekommen.

"Wir sind da! Das Anwesen vom "Maestro der Unterwelt", Shunsuke Akutsu!"

Vor ihnen offenbarte sich das riesige Gelände Shunsukes.

Es war gigantisch und atemberaubend.

Ziegelmauern umschlossen es vollkommen. Nirgends schien es eine unbewachte Stelle zu geben.

In Paul stieg das unbehagliche Gefühl vom Anfang nur noch mehr. Ob sie es wirklich schaffen konnten?

Das war schon kein Anwesen mehr, das war ein ganzer Bezirk für sich.

Der Raucher schluckte seine Angst nur mühsam wieder hinunter und auch Natsumi schien es bei dem Anblick nicht wirklich gut zu gehen.

Ob sie es als Quintett schaffen konnten?

Keiner von ihnen konnte ein Instrument spielen - Pauls Schlagzeug hatte hier wohl auch eher wenig Ansehen...
 

Akutsu hatte gerade den Hörer aufgelegt, als sein treuer Diener Kurobe in sein Zimmer trat, sich leicht vor seinem Meister verneigte und ihm das bestellte Quintett ankündigte.

Shunsuke nickte lächelnd.

"Ich komme sofort!"

Wenige Sekunden später befanden sich die zwei Mafiosi auf dem leeren, weiten Gang.

"Kurobe? ...Wo ist Shido?"

"Er ist mit seinen Freunden im Garten.", antwortete der alte Mann kurz und teilnahmslos.

"Hm. Verstehe!"

"Soll ich ihn rufen?"

"Nein."

Noch immer lächelte der junge Man leicht vor sich hin. Sich seines Sieges und der grandiosen Unterhaltung sicher, ging er weiter leichtfüssig über den hellen Flur der Empfangshalle entgegen, wo sein Quintett sicher schon wartete, wie Kurobe berichtet hatte. Bei dem Telefonat eben hatte er erfahren, dass diese fünf definitiv nicht die bestellten Musiker waren, sondern doch eher dem Elektroking und Ban Midô ähnlich sahen.
 

Akutsu ließ es sich nicht nehmen, die Eindringlinge persönlich willkommen zu heißen. Gelassen schritt er die Marmortreppe herunter, dicht gefolgt von seinen Handlangern. Seine dünne Gestalt wurde von den monströsen Keramikvasen und Statuen, die seinen Weg einsäumten, nur noch mehr verstärkt und ließen ihn nur noch unscheinbarer und unschuldiger wirken.

"Ihre Agentur hat mich informiert, dass sie ihre Kollegen vertreten werden."

Ban wollte erst gar keinen falschen Eindruck aufkommen lassen. Jeder Fehler konnte tödlich enden und so sicherte er ihm zu, dass sie alle ihr angebliches Handwerk verstanden.

"Sind Sie sich da so sicher?", wollte er nur kühl wissen und grinste siegessicher in sich hinein. Wie es aussah, würde es nicht so lange dauern, wie er anfangs gedachte hatte . Er könnte sich also schnellstmöglich wieder um seine italienischen Gäste kümmern .

"Also, bitte...geben sie mir eine Kostprobe ihres Könnens. Andernfalls...."

Nun war es sicher. Er würde nicht lebend aus dem Haus wieder raus kommen. Paul lief der Schweiß in Strömen den Nacken hinunter. Er war jung, er wollte doch noch nicht sterben.

Unsicher schauten sich die fünf Freunde an. Schließlich ergriff die Schlange die Initiative. Mit einem schnellen Griff nach seinem Geigenkasten, klaubte er das teure Stück Madokas heraus und begann konzentriert ein Stück von Chopin zu rezitieren. Das hatte Akutsu nun nicht erwartet.

Überrascht nickte er zu, als er sich überzeugt hatte und lies alle in ihrem Aufenthaltsraum bringen, wo sie sich auf den abendlichen Auftritt vorbereiten konnten.
 

Tschilp. Tschilp tschilp. Gereizt lauschte der Beastmaster seinem kleinen Freund. Hielt Kazuki es etwa schon wieder für nötig, seine Tiere als Boten zu missbrauchen?

"Kazuki soll mir nicht auf die Nerven gehen." Tschilp.

"Ich werde Ginji kein Haar krümmen. Mich interessiert nur sein Partner. Ban Midô, oder wie der heißt." Tschilp.

"Sag Kazuki, das geht ihn nichts an. Ach, da fällt mir ein...er versteht dich ja nicht. genau wie all die anderen Idioten, die euch nicht zu hören wollen."

Noch während sich der Schwarzhaarige mit seinem Freund unterhielt, näherte sich von fern bereits sein Chef, um ihn noch einmal daran zu erinnern, wozu er eigentlich bei ihm war.

"Keine Angst, Shinsuke-san. Deiner Stradivari passiert nichts. Ich habe noch eine Rechnung mit einem der Get Backers offen....", gab Shido nur knurrend zur Antwort.

"Das ist mir völlig egal und wenn du ihm den Arm ausreisst. Mach was du willst."

Shunsuke war es gleich, was aus dem falschen Quintett wurde und wandte sich halb von Shido ab, halb seiner großen Villa zu.

"Aber ich möchte meinen Gästen aus Italien heute Abend eine besondere Attraktion bieten."

"Ein besondere Attraktion...?"

Was sollte das denn schon wieder heißen?

Über das schmale Gesicht des Italieners zog sich wieder mal ein unschuldiges Lächeln und mit dem milden Hauch eines lieblichen Engels entgegnete er dem Beastmaster:

"Ja...und dazu brauche ich dich! Eine Attraktion zu Ehren der Mafia.", höhnte der Violinist stolz, bevor er dem King ganz den Rücken kehrte und zurück in die Villa schlich.
 

Während Hevn und Ban verzweifelt versuchten Natsumi und Paul in die richtige Position zu rücken, wirkte Ginji eher abwesend und besorgt, was Ban natürlich nicht entging.

"Sag, wonach hältst du Ausschau?", fragte der Braunhaarige frei heraus und riss seinen Freund aus dessen verträumten Gedanken.

"Ah, nach nichts..."

Aber Ginji konnte nicht lügen und das wusste er selbst am besten, deswegen wandte er seinen neuen Freund lieber schnell den Rücken und sich wieder seinem angeblichen Instrument, dem Bass zu.

Doch wie es Bans Art war, ließ dieser nicht locker, ließ den Blick über den großen, noch menschenleeren Raum schweifen.

"Du suchst den Kerl, der auf dem Foto zusehen war."

Ginji wollte widersprechen und abstreiten, doch Ban unterbrach ihn schon als er nur Luft holen wollte.

"Mir machst du nichts vor."

Noch immer schaute er seinen blonden Freund nicht an. Er hatte ihn durchschaut. Er kannte ihn zwar noch nicht allzu lange, aber schon jetzt konnte er ihn gut einschätzen und völlig in ihn hinein denken. Da war doch was. Das sah man ganz deutlich und eben deswegen machte sich der Braunhaarige auch Sorgen. Am liebsten hätte er sich bei dem ganzen Stress nun einen seiner Glimmstängel angezündet, aber man wusste ja nie, wann dieser Geigendieb wieder herein kam.

"Er war damals auch bei den VOLTS. Er ist einer der "4 Kings" ...und sehr stark. Sein Name ist Shido."

Der ehemalige Elektroking schaute noch immer über seinen braunen, großen Bass von der flachen Bühne herunter auf die leeren, gepolsterten Sitze, die sich wahrscheinlich sehr bald füllen würden.

"Aber ich war der Anführer.", flüsterte Ginji leise über sein großes Instrument.

"Shido?"

"Ja! "Der Beastmaster." Er kann mit Pfiffen Tiere Kontrollieren."

Ban schien das alles nicht ganz einzuleuchten.

Wenn dieser Shido einer von Ginjis Freunden war, sollte er ihn doch eher unterstützen, als sich seinem Feind anschließen. Und dann war da noch die Frage, ob dieser Beastmaster auch wirklich nur rein zufällig hier war.

Bei seinen völlig aus dem Stand gegriffenen Hypothesen über seinen wahrscheinlich neuen Feind, wurde Ban von einem kratzenden, grausamen und Ohren betäubend schiefen Geigenspiel von Natsumi wieder in die, diesmal wirklich grausame, Realität geholt.

"Und? Wie war ich?"

Natsumi schien überglücklich über ihr neu erkannte Talent.

Hevn hingegen wandte sich zu ihrem Get Backer um:

"Ban, ich zähl auf dich!"

Doch nun kamen auch schon die angekündigten und vor allem hohen Gäste Akutsus mit selbigen zur Tür herein.

//Es geht los!//

Sie mussten nur warten, bis sämtliche Gäste zu ihnen hinauf sahen, damit Midô sein Teuflisches Auge einsetzen konnte und sie so mit der Stradivari, die höchstwahrscheinlich in dem kleinen Kasten, den Shunsuke selbst trug, war, abhauen konnten.

Ganz einfach!

Und damit sie nicht vielleicht doch die Falsche erwischten, würden sie einfach auch noch die restlichen Geigen mitnehmen und diese dann zu dem blinden Mädchen bringen.

"Das soll ein Plan sein?"

Hevn schien nicht besonders angetan, aber was blieb ihnen denn auch groß übrig?

"Macht euch bereit!", flüsterte Ban, während er langsam und unauffällig seine violette Nickelbrille abnahm und sein Jagan einsetzen wollte.

Die Gäste hatten sich bereits im gesamten Raum verteilt.

Doch in dem Moment, als Ban sein Ziel vor Augen sah, es zum Greifen nah schien, fand er sich mit seinen Freunden in einem riesigen Käfig wieder.

"Was?!", Ban war an die festen Gitterstäbe gesprungen, er konnte es einfach nicht glauben, "Das war so nicht geplant!"

In einer Art, die nur kleine Kinder am Heiligabend zu Tage legten, verkündete Shunsuke in einem feinen gebrochenen Italienisch die kommende Attraktion.

"Ehh? - Was labern die da, Hevnmausi? Was...hat er gesagt ...?" In Zeitlupe drehte sich Bans Kopf rüber zu dem blonden Rasseweib. Hevn machte keinen großen Hehl daraus, was der kleine Schleimer wollte.

"Er hat nur gesagt, dass er uns an seine Tierchen verfüttern will."

ROAAAAAAAAAAAAAAAARRR....

Gebannt blickten alle hinter sich. Wo bitte kam das Gebrüll jetzt her?

Das klang doch nach...
 

Es war eng, warm und stickig. Hatten die anderen nicht gesagt, dass sie gleich wieder kommen würden?

"Mozart?" WUFF!

Vorsichtig schob das junge Mädchen den Deckel des Kontrabasskastens zur Seite, in dem sie steckte und krabbelte raus an die frische Luft.

//Ob sie die Stradivari schon haben?// Nervös schritt Madoka im Zimmer auf und ab, bis die alte verzierte Standuhr, neben der Tür, 19 Uhr schlug.

Langsam wurde die Zeit knapp. Es waren nur noch 24 Stunden, bis ihr Konzert beginnen sollte und noch immer lag ihr Instrument in weiter Ferne. Also beschloss sie, sich selbst auf die Suche zu begeben.

Ihr Hund führte sie zielsicher vor einen Raum, aus dem es stark nach Holz und Firnis roch. //Hier...?//

Unsicher betrat die Blinde den Raum. Aber wie sollte sie die ganzen Geigen hier testen? Sie sah ja nicht, welches Instrument das Ihrige war. Beinahe wollte sie das Handtuch werfen und wieder zurück zum Aufenthaltsraum gehen, als ihr eine Idee kam. Vorsichtig tatstete Madoka sich zum Fenster zu, öffnete es und lauschte dem Wind, wie er über die Saiten strich.

Geigen...viele Geigen waren zu hören und alle klangen sie wundervoll in ihren Ohren. Aber...war das da ihre, die so hervor stach?

Es mussten über 120 Geigen in diesem Raum sein und alles antike Sammlerstücke, so, wie Akutsu sie mochte. Dennoch war sich Madoka fast sicher ihre Eigene heraus zuhören. Sie schlich vorsichtig, aber zielsicher ihrem Gehöhr folgend auf eine der Violinen zu.

Sie griff nach ihr, doch reichte nicht bis hoch.

Plötzlich merkte sie, wie ein Unbekannter nach womöglich ihrer Stradivari griff, sie behutsam von dem Regal nahm und Mozart glücklich hechelnd neben ihr stand.

"Wer ist da?", fragte das junge Mädchen erschrocken, "Bist du es Ginji? Oder..."

"Würdest du mir etwas vorspielen?"

Die tiefe Stimme verunsicherte sie etwas. Wer mochte das sein? Sein Geruch war ihr nicht vertraut, obwohl sie ihn mochte. Seine Stimme war klar, doch auch an diese vermochte sie sich nicht zu erinnern.

Das war weder Ginji noch Ban, aber warum hatte Mozart sie dann nicht gewarnt?

Bevor sie noch länger darüber nachdenken konnte, hielt Shido ihr die Geige an die dünnen Hände und sie griff behutsam zu, legte die Geige nachdenklich, aber wie gewohnt an ihr Kinn auf die linke Schulter.

Sie spielte, wie ein Engel. Shidos Augen weiteten sich und er schaute die Künstlerin unverwandt an. Ihr Spiel klang göttlich. Es war himmlisch. Ja, es war fast so, als würde die Zeit stehen bleiben und sie in eine andere Welt verschlagen. Wie versteinert schaute er ihr einfach nur schweigend zu, doch dann hörte sie plötzlich auf.

"Was hast du?"

"Das ist sie nicht. Das ist nicht meine Stradivari, aber es ist eine unglaublich gut gemachte Fälschung."

Sie betrachtete sehnsüchtig das antike Instrument, als ob sie es mit ihren Händen "sehen" könnte, wenn sie nur über das alte Holz strich.

Shido nahm ihr die Violine wieder ab.

"Es tut mir Leid für dich", sagte er anscheinend ganz ehrlich, als er die Geige wieder an ihren Platz oben im Regal stellte und sich deswegen selbst auf die Zehenspitzen stellen musste.

"Wer sind sie?"

Der Beastmaster schaute ihr ohne Hehl ins Gesicht.

"Mein Name ist Shido. Ich soll deine Stradivari vor den Get Backers schützen. Keine Angst, ich tu dir nichts!", merkte er noch kurz an, als er sah, wie sich ihr Körper anspannte und sie scharf und ängstlich die Luft einzog.

"Aber...deine Geige behalte ich!"

Mit diesen Worten schlich er geräuschlos an ihr vorbei.

"Ach, noch was... . Richte Ban Midô von mir aus, dass ihn Shido Fuyuki töten wird!"

Madoka durchfuhr eine Kälte wie sonst nie. Sie hatte fast das Gefühl zu ersticken. Dieser Kerl hatte etwas anziehendes, aber er machte ihr auch Angst, keine Frage.

"Bis später, Mozart!"

"Wuff!"

Damit war der Beastmaster aus dem verlassenen Raum verschwunden und schloss leise die verzierte Tür hinter sich.

//Was?!//

"Mozart?", flüsterte sein Frauchen ungläubig.

Doch dieser, wie konnte es auch anders sein, gab als Antwort nur ein zufriedenes Hecheln, als er Shido hinterher sah.
 

Unterdessen amüsierten sich die Italiener herrlichst auf Kosten der Get Backers.

Immer wieder griff der Löwe zufälliger Weise (?!) nur Ban an, der nur knapp ausweichen konnte, welches die Mafiosi mit lauten "Buuuuuuu"-Schreien kommentierten.

Ginji hingegen, tapfer wie er war, stellte sich vor den Rest ihrer Freunde.

"Na los!! Komm her, Clarance!! Ich werde Hevn und Natsumi-chan mit meinem Leben schützen!"

Dass Ginji zufälliger Weise (!?) gar nicht angegriffen wurde, schien er nicht zu beachten. Ban hatte sich während Ginjis Kampfansage an den Gitterstäben hochgehangelt und bibberte nun dort in vorübergehender Sicherheit um sein Leben.

"Und was ist mit mir?! Mich beschützt Keiner! Unternimm endlich was Ginji!"

"Es ist meine Pflicht die Mädchen zu beschützen.", gab der Blonde als Antwort, ohne Paul eines Blickes zu würdigen.

Der Löwe brüllte, fauchte Ban an, kratzte und sprang noch ihm, fletschte immer wieder drohend die Zähne.

"Idiot!"

Ban konnte sich nicht mehr halten.

"Höchste Zeit für mein...Teuflisches Auge!"

Da er die Nickelbrille schon längst abgenommen hatte, um die Mafiosi in Trance zu versetzen, musste er der großen Raubkatze nur noch in die wütenden, funkelnden Augen sehen.

Ein kurzer Blickkontakt reichte aus, um die dressierte Katze in den vielen Gästen Zebras sehen zu lassen.

Hungrig wie er war, sprang er brüllend solang gegen die dicken Gitterstäbe, bis diese sich weit genug verbogen hatten.

"Wie ist das möglich?! Ich dachte Shido hätte den Löwen unter Kontrolle!", Akutsu schaute dem Geschehen wie gebannt zu.

Was war hier los?

Der Löwe brach aus.

"Meister Shunsuke! Bringen sie sich sofort in Sicherheit!", befahl dessen alter unscheinbarer Diener fordernd.

"Ha! Na los! Lasst uns abhauen!"

Schon waren Ban und seine Freunde aus dem Käfig geflohen und rannten orientierungslos den langen, unbekannten Gang entlang, dicht gefolgt von den Wachen des Hauses, die bereit waren, sie ohne mit der Wimper zu zucken, abzuknallen.

Auch Shido lief gerade in der Nähe seines Feindes umher, um sich das "muntere Treiben" aus der Nähe anzusehen. Schon hatte er eine kleine, weiße Ratte auf der Schulter sitzen, die zuvor an seinen weiten Sachen mühsam hochgeklettert war.

"So, so....er hat sein teuflische Auge benutzt?"

Das kleine, unschuldig erscheinende Nagetier fiepste nur kurz zur Antwort.

Shido lächelte verständnisvoll, aber auch bösartig.

"Sieh an! Du hast Hunger? Sag deinen Freunden Bescheid, bald ist Fressenszeit!" Dann ergänzte er noch freudig, als würde er seinen Feind schon ewig kennen, lächelnd zu sich selbst:

"Du kannst dein Teuflisches Auge innerhalb 24h nur dreimal einsetzen, Midô Ban! Du hast nur noch zwei Versuche!"
 

Ginji hatte gerade festgestellt, dass ihre Klientin nicht am vereinbarten Treffpunkt war und sie sie suchen mussten.

"Was nun?"

"Wir teilen uns auf!"

"Sei vorsichtig! Ich bin sicher, dass Shido hier ist! Er hat dem Löwen befohlen dich anzugreifen. Du darfst ihn nicht unterschätzen! Ihm ist jedes Mittel recht, um seinen Gegner zu schlagen! Er hat es auf dich abgesehen!"

Ginji schien sich Sorgen um seinen neuen freund zu machen, doch Ban war das egal.

"Ja, ja! Ich hab`s kapiert!"

"Aber Ban! Er denkt, ich hätte wegen DIR die VOLTS verlassen!"

"Ist gut! Mach nicht so einen Wind!"

Dann lächelte Ban ihm zu, als er sich zu dem Gang umdrehte.

"Ich schwöre dir, ich werde kein leichter Gegner für ihn sein!"

Der Hexennachkomme seufzte lustlos, bevor er sich schließlich von Ginji und Hevn verabschiedete und selbst mit Paul und Natsumi los zog, um Madoka zu suchen.

Doch weiter, als bis um die nächste Ecke, kamen sie nicht. Ban, der sich mit einer riesigen Masse hungriger Nagetiere, konfrontiert sah, ahnte nichts von dem erbitterten Kampf gegen Hishiki, dem sich sein kleiner blonder Freund eine Etage höher widmete.

Sonst hätte er wohl, auch ohne ein schlechtes Gewissen zu riskieren, Paul und seine Aushilfe den gefräßigen Ratten überlassen und wäre Ginji entgegen geeilt. Doch so, war er mehr als genug damit beschäftigt, sich die lästige Plage vom Fell zu halten.

Gerade als es um die Freunde eng wurde, kam Paul der rettende Gedanke.

"Setz dein teuflisches Auge ein!", raunte er den Braunhaarigen an.

Doch dieser war gar nicht so begeistert von dem Befehl des älteren. Genau das war es doch offensichtlich, was Shido wollte.

Viel lieber hätte er sich jetzt auf den schwarzhaarigen gestürzt, der siegessicher um die Ecke kam und sich hinter seinem Löwen in Sicherheit wog. Und genau das tat der Beastmaster zurecht.

"Du musst Shido sein?" Eigentlich wollte er es abwertend klingen lassen, aber es wurde mehr zu einer Frage.

Zu einer Frage an sich selbst.

Wurde er etwa unsicher?

Egal, dass hunderte Ratten auf der Seite dieses Typen zu stehen schienen, egal, dass ein rießiger Löwe neben ihm war und sich anschmiegte.

Egal, dass...war er denn verrückt???

Nichts da. Von so einem wandelnden Ökofuzzi würde er sich nicht einschüchtern lassen. Oder doch?

"Stimmt genau."

"Du willst also, dass ich mein teuflisches Auge einsetze?"

Wieder bejahte der jüngere. "Und wenn nicht...."

Und mit einem hämischen Lächeln auf den Lippen winkte er seinen kleinen Freunden zu, die sich sofort auf Paul und Natsumi stürzten und bissen.

Wütend schnellte der Braunhaarige nach vorn, um Shido niederzumachen, doch noch bevor er bei seinem Gegner angelangt war, brüllte ihn auch schon der Löwe, zum Sprung bereit und mit aufgestelltem Nackenhaar, an.

Ban war nicht sonderlich besessen darauf, nun auch noch mit Shidos, zu groß geradenem, Flohteppich Bekanntschaft zu machen und gab sich geschlagen. Stinksauer drehte er sich von dem schwarzhaarigen Mann und seiner Katze ab und versetzte die Ratten durch seinen teuflischen Blick in einen tranceähnlichen Zustand. Getäuscht, durch Bans Blick, begannen die Ratten damit, über einander herzufallen.

Nur sollte es dabei nicht bleiben, kaum hatte der Braunhaarige genug Luft und Raum, sich etwas zu erholen, stürzte sich eine wildgewordene Schar Boas auf ihn. Es war im Grunde nur seiner schnellen Reaktionsfähigkeit zu verdanken, dass Midô schlimmeren Schäden entkommen war.

Während Beastmaster Shido Fuyuki nur fassungslos auf seine treuen Tiere starrten konnte, die wie wild gewordene Bestien übereinander herfielen und sich gegenseitig in Stücke zu zerreisen versuchten, arrangierte Ban zusammen mit seinem alten Kumpel Ginji, der sich von seinem Zweikampf mit Ryiodo loszureisen vermochte, die heilvolle Rettung der anderen.

Einer nach dem anderen sprangen sie aus dem Fenster. Erst die beiden Get Backers, dann Natsumi, gefolgt von Hevn und Paul und zu guter letzt getraute sich auch Madoka, mit Mozart unter ihren dünnen Armen, den waghalsigen Sprung aus dem zweiten Stock.
 

Kazuki, der sich seinen spitzen Platz als stiller Beobachter auf einem der hohen knorrigen Eichen erhaschen konnte, verfolgte belustigt das hektische Treiben unter seinen Füßen.

Ginji floh also mit den anderen, aber was machte der andere da?

Irritiert bemerkte der langhaarige Späher, dass der Braunhaarige stehen blieb. Dabei würde selbst er es nicht einmal darauf anlegen, einen ernsthaften Kampf mit Shido auszufechten.

Gut, er hätte beinah die gleichen Chancen gehabt wie Shido, aber dennoch wäre es ein schwerer Kampf auf Leben und Tod geworden, den er gemieden hätte, wäre es gegangen.

Shido stolzierte gelassen vor seinen Feind.

"Du Idiot dachtest wohl, hier draußen könntest du mir entwischen, was?"

Spöttisch lachte der ältere ihm entgegen. "Aber die Nacht hat tausende Zähne, Krallen und Klauen, die nur darauf warten, dich in Stücke zu reisen."

"Davon hab ich drinnen aber noch nichts gemerkt.", entgegnete Ban ermuntert, und schürte damit den regelrechten Hass in Shidos Innerem.

"Du bist so gut wie tot!", schrie er seinen Gegenüber ins Gesicht und stürzte sich wie ein besessener auf Midô. Kaum klar denkend, hatte er doch nur diese hässlich verzogene, Maske vor sich, die ihn kalt mit seinen eisblauen Augen angrinste und regelrecht zu durchbohren schien.

Shido schlug zu. Ban wich nach rechts aus.

Shido schlug nach rechts. Ban wich nach links aus.

Shido wollte nach ihm treten, doch Ban tänzelte regelrecht vor seinen Angriffen davon.

Blind vor Wut pfiff der King nach seinen Tieren, bereit jedes Opfer in Kauf zu nehmen. Aus allen Hecken, Büschen und Bäumen kamen sie hervor. Vögel, Katzen, Wachbären, Mäuse, Tiger, Hunde, kurz: alles was ins einer Nähe war und seinen grellen Pfiff gehört hatte.

Siegessicher, wie er war, wollte sich der Schwarzhaarige bereits zum gehen umwenden, als alle seine Tiere mit jaulen und knurren zu Boden gingen. Pikiert heftete sich sein Blick auf seine Gefährten. Keiner von ihnen rührte sich. Waren sie...Tod?

"WO BIST DU?" Wütend schrie er in die Nacht, doch der junge Get Backer blieb verschollen. "WO BIST DU? Komm raus!"

"Dein Wille sei mein Befehl!" Lautlos griff Ban seinen Gegner an, packte ihn an der Schulter und drückte ihn von sich weg.

Erschrocken und perplex flüchtete der junge Mann auf das alte rote Ziegeldach der Villa und gerade, als er bemerkte, dass der Raucher nun schon zum zweiten Male aus seinem Blickfeld entschwunden war, spürte er auch schon diesen unerwünschten stechenden Schmerz am Hals, als wenn ihm einer die Blutzufuhr abdrücken würde.

Röchelnd, nach Luft ringend, versuchte der Beastmaster das Pulsieren in seinem Kopf zu verdrängen.

"Du kommst mir und Ginji nicht in die Quere, kapiert? Andernfalls-"

"das könnte dir so passen!!! Ich verstehe nicht, wieso er sich mit solchem Abschaum wie dir abgibt, aber WIR brauchen Ginji! Ich werde nicht eher ruhen, bis er zu uns zurückkommt!", schrie er ihn an. Ja, er schrie ihn an, schrie sich allen Frust aus sich heraus.

Unfähig sich zu bewegen und der irren Willkür des anderen ausgesetzt, lauschte er dem bösen Zischen, was sich wie das Gift einer Schlange in sein Gehirn brannte.

"Dann stirb!"

Was hatte der Typ gesagt? Er solle sterben? Shido drehte seinen Kopf leicht nach hinten, um mehr sehen zu können, doch alles was er zu sehen bekam, war die blutlüsternde Fratze Midôs, der seinen Arm zum Finalenschlag erhob.

Das leise klirren der Kotoseiten zerschnitt die Luft, legte sich mit seinen hauchzarten Fäden um den Arm des Angreifers.

"Keine Bewegung! Wenn du dich bewegst, reis ich dir den Arm ab!", drohte der doch sonst so sanfte Mann.

"Meinst du, es macht mir etwas aus, euch beide zu töten?" Leise, bedacht darauf jedes Wort haargenau zu betonen, zeriss der braunhaarige Wuschelkopf eine Seite nach der anderen. Dachte dieses "Mädchen" ernsthaft, er würde sich von der Strickwolle aufhalten lassen, mit der er um sich warf?

In dem Moment, als Kazuki und Shido mit vereinter Kraft angriffen und Ban vom Dach stoßen wollten, stolperten sie über ein kleines deformiertes Chibi, dass ihnen ernsthaft und in voller Freudenmanier verkündete, dass es doch eh alles nur Spaß war. "Ich bin nicht hier um euch zu töten. Ich will nur die Stradivari!" Und mit einem Griff nach seinem Nikotinstängelchen hüpfte er von allein vom dach und lies zwei völlig verdutzte und zutiefst in ihren Grundsätzen erschütterte Bewohner des Mugenjous zurück.

"Der Kerl hat nicht alle Tassen im Schrank. Was meinst du?"

"Da kenn ich noch einen.", gab der Stringmaster kichernd zurück. Er würde es zwar nicht zugeben, aber Midô Ban hatte ihn schon überrascht. Da hätte er wohl doch nicht aus seinem Versteck kommen brauchen. Aber wusste man das am Anfang?

Stimmt. So einen Trottel hatten sie auch zu hause bei sich im Team. Aber so schlimm? Nein. So weit würde Shido nun doch nicht gehen und die beiden mit einander vergleichen.

"Er ist schlimmer."

"Meinst du jetzt Emishi oder diesen Jungen?"

Fuyuki wollte nicht auf diese Frage antworten. Die Antwort war zu offensichtlich. Kazuki hatte sie sowieso nur gestellt, um ihn aus der Reserve zu locken. "...Warum gibt sich Ginji mit solchen Idioten ab...?!"

"Bist du neidisch, Shido?". Sein leises kichern wurde von dem leisen unscheinbaren Geklimper seiner Glöckchen untermalt, wie Shido fand.

Von einem plötzlichen Schwindelanfall heimgesucht, sah sich der Langhaarige eigentlich gezwungen, sich hinzusetzen, aber dann würde Shido es sicherlich merken und dass wollte er nicht. Also vertraute er einfach auf seinen besonders ausgeprägten Gleichgewichtssinn. Sollte er doch endlich mal für etwas nützlich sein? Wohl eher nicht...

"Was? Red keinen Quatsch! Das wäre genauso abwegig, als wenn du von heut auf morgen nicht mehr für ein Mädchen gehalten werden würdest!" Es machte Spaß, wenn man die Schwachpunke des anderen kannte

...nur irgendwie reagierte da keiner? Mit einer leichten Kopfbewegung blickte der schwarzharige hinter sich.

"Alles in Ordnung, Kazu? Du siehst blass aus. ...Kazu?..."

Doch anstatt zu antworten, oder auch nur zu regieren, machte dem gerade sein so hoch eingeschätztes Gleichgewicht einen dicken Strich durch die Rechnung.

Dem jüngeren der beiden wurde Schwarz vor Augen...
 

---tbc---

So. Das war nun der dritte teil und wer den überlebt hat, kann auch gleich weiter zu Teil 4, der gleich folgt.

Uns kam beim schreiben leider der Umzug dazwischen, wo das Krümel seine Kabel für den PC verramscht hat. Gomen. *verbeug*

Woir lassen das alles auch noch mal betan.

-cancerosos

Titel: canceroso

Teil: ?/ ?

Autor1: Shido

Email: hiwatari@freenet.de

Autor2: KrümelCron

Email: croncron@freenet.de

Fanfiction: Get Backers

Rating: wenn ihr wüsstet... .

Inhalt: bis jetzt lässt er noch zu wünschen übrig...

Warnungen: Sämtliche Dialoge und Handlungen wurden von irgendjemanden, um genau zusein, von uns, frei erfunden. Mögliche Übereinstimmungen mit dem Schicksal noch lebender oder auf tragischer Weise verstorbener Personen ist entweder zufällig oder bewusst so gewählt wurden. Die Autoren übernehmen keine Haftung für eventuelle Folgeschäden der Story. Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen sie die Geschichte oder fragen sie ihre Freunde und Bekannten, wenn sie noch welche haben.

Pairing: Ist es euch nicht schon klar?

Disclaimer: Schweren Herzens geben wir bekannt, dass uns die Charaktere aus Get Backers, nicht wie anfangs vermutet, gehören, sondern doch, wie bereits in verschieden Foren spekuliert, Rando Ayamine und Yuya Aoki. Auf das sie glücklich mit dem Wissen werden! -.-°

Wir behalten uns vor die Storyline als unser zu deklarieren und jeden Verursacher unsachgemäßer und unangekündigter Vervielfältigungen, noch schlechterer Qualität, durch angeheuerte Killer eliminieren zu lassen.

Anmerkung: Die zeitlichen Übereinstimmungen könnt ihr vergessen -.-° Ihr solltet immer noch nicht mehr erwarten als vorher und euch nicht immer wieder diesen Text hier oben durchlesen!

Sonstiges: Dieser Gedanke kam mir [Shido], als ich bei meinem Arzt saß.

Ich hoffe der Inhalt kommt so rüber, wie ich es mir vorgestellt hab.
 

!!!Der teil spielt einige Zeit nach Kapitel 3!!!
 

Ein scheinbar ganz normaler Tag wie jeder andere auch ging gerade auf die Mittagszeit zu.

Es war weder sonderlich warm, noch extrem kalt, gerade angenehm, wie die meisten Menschen wahrscheinlich empfanden.

Die weißen Kalenderblätter zeigten zwei Tage nach Herbstanfang und die Bäume ließen wie gewollt und berechnet, ihr schönes, buntes Laub von den dünnen und langsam kahlen Ästen auf die großen Asphaltflächen fallen.

Die meisten Vögel waren schon gen Süden verschwunden und zogen nur noch wenige Anhänger, die scheinbar den Anschluss verpasst hatten, nach sich. Die kleinen Tierchen, die hier blieben, sammelt eilig ihren Vorrat an Nahrung für den bevorstehenden Winter und störten sich nicht weiter an den vielen Menschen, die wie gewohnt durch die Straßen drängten.

Ab und an bedeckte eine weiße Schäfchenwolke die helle, nicht mehr ganz so viel Wärme schenkende Sonne am fast blauen Himmel.

Das Thermometer zeigte etwas mehr als 15°C und dennoch lief ein gewisser King fröstelnd trotz Jacke, durch die engen Straßen und war viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass er die Menschenmengen, die weiter drängten und schlängelten, um sich wahrnahm.

Er nieste laut und suchte schnellstmöglich einen Weg durch die vielen Leute, die scheinbar nur da waren, um ihn aufzuhalten.

Noch immer zitterte er heftigst am ganzen Leib und kuschelte sich mehr in seine braune, mit Daunen gefüllte Jacke.

Ihm war kalt, eiskalt. Seine dünnen, weißen Finger spürte er kaum mehr und auch die Arme wurden langsam kalt. Trotz dieser gefühlten Kälte, die ihn scheinbar völlig einnahm, hatte er gleichzeitig das Gefühl von Innen heraus zu verbrennen.

Noch einmal nieste er, bevor ihm endlich ein weiches Taschentuch aus seiner Hosentasche in die bleichen Hände fiel und er angeschlagen und zitternd in dieses schnaubte.

Es war mittlerweile die sechzehnte Packung, die ihm zum Opfer fiel und auch diese würde nicht länger als 20 min halten.

Fröstelnd erreichte er endlich die gewünschte Tür und schlich taumelnd durch diese in die große Eingangshalle eines weißen Gebäudes mitten in Tokio.

Schon wieder wurde er von einem Schwindel gepackt und musste an der Wand rechts von sich inne halten. Trotz aller Kälte war er schweißnass und vor seinen Augen verschwammen schon wieder die Bilder zu undeutlichen Farben, die anfingen, sich orientierungslos im Kreis zu drehen.

Der Master keuchte erschöpft noch immer an der Wand gelehnt, die ihn als Einzige zu halten schien.

Nur noch ein paar Schritte, dann hatte er es wenigstens ins Wartezimmer geschafft und man würde sich um ihn kümmern.

Sein ganzer Körper zitterte und wollte ihm einfach nicht gehorchen. Schwäche machte sich wie früh am Morgen in ihm breit. Seine Augen waren mit Tränen gefüllt und verschlimmerten die sowieso schon verschwommene Sicht nur noch.

Ein stechender Schmerz im Unterkörper setzte ein und ließ den jungen Mann nur noch wimmern. In sein schmerzverzogenes und von Schweißperlen übersätes Gesicht fielen die glänzenden schwarzen Strähnen.

Sein schmaler, zierlicher Körper rutschte an der weißen, rauen Wand hinunter, seine schwachen, dünnen Arme umschlossen den Magen fest.

Die krampfartigen Schmerzen ließen nicht nach, verschlimmerten sich eher noch.

Er wusste schon nicht mehr wo oben und unten war, so blind machte ihn dieser stechend brennende Schmerz.

Wie ein Häufchen Elend hockte er, fast gänzlich von der dicken, großen Daunenjacke verschlungen, in dem weißen Raum.

Sein Herz raste unaufhaltsam, es schlug ihm laut bis an die Kehle.

Benommen suchten die matten, nur halbgeöffneten braunen Augen nach Hilfe, doch alles was sie fanden, war die Schwärze, die von ihnen Besitz ergriff.

Der Fadenmeister klappte hilf- und kraftlos zur Seite, auf den grünen kalten Boden in der Halle, weg und blieb dort, tief in seine alptraumähnlichen Fieberträume versunken, verschwitzt und zitternd liegen.
 

Erst viel später, als der zunehmende Mond versuchte, sich vor die grauen Wolken zu kämpfen um der Erde wenigstens noch ein bisschen Licht zu spenden, erwachte Ito no Kazuki wieder aus seinem tiefen Schlaf.

Seine Lider waren schwer.

Er fühlte sich schwach, hilflos und allem ausgeliefert. Seine Glieder waren schwer und träge, sehnten sich nach Erholung und noch mehr Schlaf.

Er lag in einem weichen, aber dünnen Bett, war bis zu den Schultern von der weißen, seltsam riechenden Bettdecke verborgen.

Träge und noch nicht ganz in der kalten und grausamen Realität öffnete der Meister leicht und vorsichtig seine müden Augen, um sich etwas in der neuen Umgebung umzusehen.

Eigentlich wollte er doch nur zum Arzt, weil es ihm nicht gut ging und er nicht ganz auf der Höhe war.

Zuerst dachte er, es wäre nur eine kleine Erkältung, dann eine Grippe, aber schon nach zwei Tagen konnte der junge, dünne King vor Schmerzen nicht mehr auf den Beinen stehen.

Shido hatte den Fadenmeister sogar schon gezwungen, mit zu ihm zu ziehen, aber dieser musste an dem Mittag etwas erledigen und war außer Haus.

Eigentlich wollte Kazuki nur abhauen, er wollte doch keine Hilfe oder seinem Freund Sorgen bereiten, aber auf dem Weg ins Ungewisse setzten wieder diese unerträglichen Schmerzen ein und zwangen den Meister in Richtung Krankenhaus.

Nun sah er sich erst einmal in seinem vorrübergehenden Zimmer um.

Es war klein. Scheinbar war er der Einzige, der hier ruhte.

Das kleine, geteilte Fenster war leicht angekippt und ließ die kühle, frische Luft in das dunkle, stille Zimmer.

Die Gardinen wehten lautlos im Wind auf und ab, ließen ab und an einen kurzen Blick auf den halbbedeckten Mond zu. Neben dem weichen Bett Kazukis ragten einige, ihm unbekannte, Geräte empor. Eines davon führte sicher zu der Kanüle in seinem Arm, ein anderes in die Atemschläuche die in seiner Nase endeten.

"Huch? Sie sind aufgewacht?", ein leises Flüstern zog die gesamte Aufmerksamkeit Kazukis auf sich.

Mit großen runden, aber matten Pupillen wandte der King seinen Kopf zu dem in weiß gekleideten Arzt.

"Ganz ruhig. Ich bewache nur ihre Werte."

Der Arzt lächelte sanft und schien Kazuki auf der Stelle sympathisch.

Der Langhaarige hatte nicht die Kraft, zurück zu lächeln, starrte sein Gegenüber nur unverwandt an, nicht in der Lage, irgendeinen Satz vollständig zu formulieren.

"Sie fühlen sich sicher nicht gut. Ich hoffe doch, dass wenigstens die Schmerzen etwas zurückgegangen sind?"

Der Stringmaster nickte nur leicht zum Verständnis, außer Stande, zu sprechen.

"Sehr schön. Stören Sie sich nicht weiter an mir, versuchen Sie noch etwas zu schlafen. Ihr Körper braucht Ruhe."

Ihm brannten so viele Fragen auf der Zunge, aber statt zu sprechen beließ er es bei verwirrten Blicken.

"Das sind die Medikamente. Ich erklär Ihnen alles Morgen. Nun ist das Wichtigste die Erholung. Schließen Sie die Augen und gönnen Sie sich noch etwas Ruhe, die wird hier nämlich selten sein. Morgen untersuchen wir Sie dann genauer."

Kazuki wusste nicht, ob der Arzt noch weiter sprach oder dies seine letzten Worte für diese Nacht an ihn waren. Ihm fielen die schweren Augenlider wieder ungewollt zu. Er selbst schien nicht fähig sich gegen die Wirkung der Medikamente zu wehren und wandelte so wieder ins Reich der diesmal angenehmeren Träume.
 

So erschöpft und übermüdet, wie er am Vortag gewesen war, war es kein Wunder, dass ihn nun erst die hellen Mittagsstrahlen der brennenden Sonne weckten.

Scheinbar wieder etwas besserer Verfassung und erholter streckte sich der junge Mann erst einmal ausgiebig und wischte sich die letzten Anzeichen des langen Schlafes aus den braunen Augen.

Er fühlte sich gut, wieder ganz normal. War er denn schon wieder gesund und hatte nur etwas Schlaf gebraucht?

Ein tiefes und herzhaftes Gähnen ließ diese Gedanken erst einmal verschwinden.

Er zwinkerte neugierig in seine Umgebung und erspähte auf einem kleinen, ebenfalls weißen Tisch mit gemütlich aussehendem Stuhl, ein kleines, schüsselähnliches Gefäß, aus dem der Dampf einer appetitlich riechenden Suppe aufstieg.

Er schloss die Augen und hielt seine kleine Nase in die Luft, um mehr von diesem verführerischen Duft zu erhaschen.

Nun merkte er endlich, wie hungrig er doch war.

Endlich wieder Hunger! Das war seit zwei Tagen ein Fremdwort gewesen.

Sein Magen knurrte leise bei dem herzhaften Geruch der Brühe.

Wozu warten?

Kazuki schlug die Sommerdecke zur Seite, um an den gut vier Meter entfernten Tisch zu schleichen.

Doch etwas hinderte ihn am Aufstehen. Diese Kabel....Sie wollten sich ihm doch tatsächlich in den Weg stellen!

Es machte sicher nichts, wenn er sie kurz raus zog und dann schnell, ohne, dass es jemand mitbekam, nach dem Essen wieder anschloss.

Da war er sich sicher.

Nach zwei kurzen, aber wirkungsvollen Handbewegungen war dies auch schon hinter sich gebracht. Nun war er seinem Ziel fast zum Greifen nahe.

Die großen, treuen Augen funkelten schon erwartungsvoll und seine Füsse machten wie von selbst den ersten Schritt auf dem blauen, glatten Parkettboden.

Doch kaum stand der King auf seinen eigenen Füssen, ergriff erneut ein Schwindelanfall von ihm Besitz. Schon wieder spürte er diesen brennend stechenden Schmerz im Unterleib, der ihm fast den Verstand raubte und ihm die Kehle zuschnürte.

Nach Luft ringend und mit der Hitze, die ihn unaufhaltsam durchströmte, kämpfend, fiel er zurück in sein Bett.

Was war denn mit ihm los?

Was hatte er sich da nur eingefangen?

Sich vor krampfartigen Schmerzen windend, schaffte Kazuki es nicht mal, den runden, roten Knopf zu drücken, der die Schwestern alarmierte.

Er hatte wie am Vortag das Gefühl, ohnmächtig zu werden.

Irgendjemand musste ihm doch helfen.

Das sollte aufhören!

In seinem Trancezustand nahm er wahr, wie sich scheinbar weit entfernt eine Tür öffnete und eine bekannte, aber für ihn unerreichbare, Stimme etwas rief.

Wer war das? Er hatte nicht die Kraft, diese, ihm so vertraute, Stimme zuzuordnen.

Er spürte, wie sich starke Arme unter seinen leichten, zitternden und von Krämpfen gerüttelten Körper schoben und ihn von dem Bett hoben.

Seine Augen erschienen ihm starr. Unfähig sie zu bewegen oder sich anderweitig zu verständigen, war das einzige Zeichen, welches vom Leben des dünnen Fadenmeisters zeugte, die Tränen, die aus seinen geweiteten Augen flossen.

"Ganz ruhig! Halt durch!"

Kazuki hörte nicht wirklich was dieser, ihm bekannte Unbekannte, sagte. Er vernahm nur, dass die Stimme des Anderen ruhig, aber auch hektisch klang.

Kazuki sah gerade noch, dass er aus der unscheinbaren Tür getragen wurde und eine weiße Person im Arztkittel auf ihn zukam, dann verschwammen schon wieder die vielen Bilder zu einem einzigen Wirrwarr.
 

Bis der junge Mann wieder unter den Lebenden weilte, war die matte Sonne schon längst auf den Weg gen Westen und schenkte Japan nur noch eine rötliche Dämmerung, die von einigen Wolken geziert wurde.

Der Wind, der durch das offene Fenster kam, ließ die dünnen Strähnen, die dem Langhaarigen ins Gesicht fielen, hin und her wehen. Doch die Glöckchen klimperten nicht, was vermutlich daran lag, dass diese ihm abgenommen wurden waren und nun den kleinen, hellbraunen Nachttisch zierten.

Kazuki fühlte, dass die Atemschläuche wieder an vorhergesehener Stelle waren und auch die lange, stechende Kanüle am rechten Platz war.

Ja, er war wieder in seinem Zimmer.

Was war nur aus ihm geworden?

War er nun ein Krüppel?

Auf andere angewiesen?

Er konnte ja nicht einmal mehr aufrecht gehen ohne umzukippen!

"Na? Wieder wach?"

Erschrocken öffnete der Langhaarige seine Augen und sah einen alten Bekannten neben seinem Bett sitzen.

"Jûbei?! Was machst du hier?"

Der Blinde schien gar nicht erfreut, Kazuki hier zu sehen und machte einen ernsten, vorwurfsvollen Gesichtsausdruck.

"Ich passe auf dich auf, damit du nicht wieder aufstehst!"

In Kazukis Gesicht erschien eine leichte Röte und er senkte verlegen den Kopf.

Dann hatte also Jûbei ihn zum Arzt getragen?

Ruhe lag im Zimmer, die nur ab und an von den leisen Atemzügen der Freunde unterbrochen wurde. Draußen dunkelte es langsam und auch der Vollmond wagte sich behutsam und vorsichtig über den Horizont.

"Shido hat mich informiert, daraufhin bin ich hier hergekommen. Wenn er sich nicht solche Sorgen um dich gemacht hätte, wärst du jetzt wahrscheinlich nicht mehr hier, sondern in einem anderen Bett im Keller.", flüsterte Kakei trocken und ermahnend. Seine Stimme klang rau, vorwurfsvoll und hatte einen ernsten Unterton.

Kazuki wusste nicht recht, was er darauf noch sagen sollte. Er hatte doch nur etwas Essen wollen und...

"Woher wusste Shido, dass ich hier bin?"

"Als du gerade abhauen wolltest, hat er dich gehen sehen. Dann ist er dir hinterher gegangen, weil du nicht ganz Herr deiner Sinne warst und hat das Treffen im Mugenjou ausfallen lassen."

"Dann hat er euch sitzen lassen? Wegen mir?"

Noch immer bevorzugte es der Fadenmeister, den Kopf gesenkt zu halten.

Er hatte sich wie ein kleines Kind verhalten, das spielen wollte.

"Du verdankst ihm dein Leben."

Jûbei deutete auf die andere, linke Seite des Bettes und Kazuki folgte der Richtung zögerlich mit gesenktem Kopf.

Dort im Sessel unterm Fenster saß der Beastmaster, erschöpft von dem Tag, in eine geliehene Decke gekuschelt, die Jûbei ihm umgelegt hatte.

Die verwuschelten, schwarzen Haare verdeckten beinahe das ganze Gesicht, welches auf seiner rechten Hand ruhte. Die gleichmäßigen, ruhigen Atemzüge zeugten davon, dass er wohl schlief, obwohl seine Haltung eher den Anschein machte, als wäre er angespannt und sofort bereit aufzuspringen.

Jetzt verstand Kazuki auch, weshalb Jûbei bisher nur geflüstert hatte.

"Dann hat er mich zum Arzt getragen?"

Jûbei nickte kurz.

"Tut mir echt Leid."

"Sag das nicht mir, sondern ihm!"

Der King betrachtete noch eine Weile den Schwarzhaarigen, bevor sich wieder dem Blinden zuwandte.

"Weißt du, was ich habe?"

An seinem Gesicht sah Kazuki, dass Jûbei es ganz genau wusste auch wenn er es nicht annähernd änderte.

Jûbei hingegen schwieg kurz, bis er verneinte.

"Aha."

Warum wollte ihm sein Freund keine Antwort geben?

Vielleicht wollte Jûbei ,dass er es von einem der Ärzte hört?

Dann würde er morgen fragen.

Kazuki ließ seinen Blick noch einmal kurz durch das düstere Zimmer wandern und blieb wieder bei Shido hängen, schmunzelte leicht.

Dann hatte er ihm also wirklich das Leben gerettet und das gleich zwei Mal.

Konnte ihm denn etwas passieren bei solchen Freunden?

Kazuki lächelte fröhlich und zufrieden, wie es sonst auch seine Art war.

"Jûbei?", fragte der kranke King, als er immer noch auf den Schlafenden sah, "Bist du mir böse, wenn ich noch etwas schlafe?"

"Nein, es würde mich sogar freuen."

"Danke. Gute Nacht, Jûbei."

Nach einem letzten Lächeln, welches seinem alten Freund galt, schloss er die Augen und versank wieder in den weiten der Traumwelt.
 

Nachdem die letzten Vögel, die noch nicht gen Süden gezogen waren, bei den ersten Sonnenstrahlen des Tages wieder zwitscherten, öffnete der Beastmaster verschlafen die schwarzen Augen und gähnte in seine kuschelige, dünne Decke.

Dann schaute er unter den vielen schwarzen Strähnen, die ihn nun noch verstrubbelter ins Gesicht fielen, hindurch in das helle Zimmer.

"Hab ich geschlafen?", fragte er müde rein rhetorisch an Jûbei, der sich nun zu ihm wandte.

"Shido?"

"Hm?"

"Danke noch mal. Wenn du nicht gewesen wärst, dann wäre er.."

"Ich bin aber gewesen! Lass gut sein, nicht der Rede wert.", gähnte er die letzten Worte dem Blinden entgegen.

"Weißt du, was er hat?"

"Ja, schon länger. Aber dass es so schlimm wird... ."

"Erzählst du es mir? Die Ärzte hier wollen nicht mit mir reden. Ich hab sie gestern schon gefragt, nachdem er diesen Anfall hatte, aber sie sagten nur, sie wären sich noch nicht sicher und ich solle mich gedulden. Ich bin nicht blöd! Sie werden es mir nicht erzählen, weil ich kein Angehöriger bin. Ich möchte aber wissen, was mit ihm ist. Bitte, Jûbei! Was ist mit ihm los?"

Der Angesprochene erhob sich zögerlich.

"Gut, ich werde es dir erzählen. Komm mit."

Damit verschwand der Jüngere nach draußen und deutete Shido an, ihm zu folgen, was dieser auch ohne zu zögern tat.

Nachdem er die Tür leise hinter sich geschlossen hatte und Jûbei ihn in ein leeres Zimmer geführt hatte, setzte er sich, Jûbei aufmerksam beobachtend auf eines der gemachten, sauberen Betten.

"Aber vorher möchte ich klarstellen, dass nicht mal Kazuki weiß, was er hat und auch nicht wissen soll, verstanden?"

Shido nickte. Die Neugierde in ihm stieg bis zur Unerträglichkeit.

"Also gut...", der Blinde holte tief Luft und sammelte seine Gedanken, bevor er anfing,

"Die Diagnostik ist längst abgeschlossen. Eine Endoskopie, eine CTU, ein Hämocculttest und eine Kernspintomographie, kurz NMR, wurden bereits durchgeführt, als Kazuki geschlafen hat. Selbst der Kolon wurde schon koloskopiert. Das Einzige, was die Ärzte hier noch tun können ist die lokale, palliative Therapie. Sogar der Pathologe schloss sich diesem Befund an. Zuerst dachten sie, es wäre nur ein Polyp, aber ich wusste es besser und wies sie daraufhin, dass es schon weit über ein Primärtumor hinaus geschritten wäre. Radiotherapie bringt dem zur Folge nichts mehr. Rehabilitation ist weitestgehend unmöglich. Kazuki würde in seinem Zustand physisch und psychisch zu sehr darunter leiden, zumal es sowieso nur alles eine kurze Dauer hinaus zögert, die so gering ist, dass sie nicht von Bedeutung wäre. Auch die Rektoskopie bestätigte dies. Sie hoffen auf eine Remission, die schon einmal, vor langer Zeit erfolgreich war. Aber selbst da war es nur rezidiv. Die Prognose beinhaltet eine Operation mit folgenden Stoma, aber meiner Meinung nach ist auch dies zwecklos. Die Symptome sind einfach eindeutig. Therapien verschwenden auch nur sinnlos Zeit. Die Tumormarker sind schon vor Jahren, als Kazuki noch ganz klein war, aufgetreten. Er erinnert sich vermutlich noch nicht einmal mehr daran. Aber schon damals war keine Radiotherapie mehr möglich. Ich mische ihm selbst schon Jahre lang Zytostatika unter und mache so eine Chemotherapie mit ihm, ohne, dass er wirklich etwas davon mitbekommt. Er leidet unter Chemoembolisation. Über kurze Zeit hinweg würde ihm also ein sogenanntes anus praeter helfen. Adjuvant dazu leidet er auch noch an Anämie - sozusagen als Folge von alldem. Sein Immunsystem ist dementsprechend geschwächt. Sein Darm ist irritiert. Bei genauer Inspizierung sind sie zu dem Ergebnis gekommen, dass der Tumor, wie bereits angenommen, invasiv ist. Die TNM - Klassifizierung zeigt T4N1Mx - so zumindest das Grading hier. Sie haben ihn natürlich längst lokalisiert, aber wie schon gesagt, ist keine Rehabilitation möglich."

Nach der flüssigen und für ihn völlig verständnisvollen Erklärung senkte er traurig den Kopf und schwieg. Shido hingegen hatte nach dem dritten Satz bereits nur noch Fremdwörter vernommen, die ihm verwirrend durch den Kopf schwirrten.

"Verstehst du jetzt, weshalb Kazuki es nicht erfahren darf?"

"Also ich glaube, wenn du es ihm so erklärst und ich ihn nur etwas einschätzen kann, brauchst du dir keine Sorgen zu machen, denn er wird garantiert nichts verstehen!"

Jûbei schaute in die Richtung seines Freundes.

"Ich bin kein Arzt, Jûbei. Das Einzige, was ich wirklich verstanden habe, ist >keine Rehabilitation< und irgendetwas mit Tumor. Könntest du es vielleicht etwas, nur ein klein bisschen, vereinfachen?"

"Entschuldige, hab ich vergessen."

"Und bitte etwas kürzer?"

Der Arzt nickte.

"Es wurden sehr viele Untersuchungen durchgeführt. Kazuki leidet unter Krebs, Darmkrebs. Er ist so weit fortgeschritten, dass Heilung nicht mehr möglich ist. Sie haben Therapien, die es über einen kurzen Zeitraum hinauszögern würden, aber dieser Zeitraum wäre so minimal, dass ich denke, dass es besser für ihn ist, wenn er den Rest seines Lebens draußen genießt. Er bekommt von mir Tabletten, seit ich ihn kenne. Bisher weiß er nichts davon. Er denkt wahrscheinlich, es wäre nur eine Grippe oder so ähnlich. Diese Symptome sind schon einmal aufgetreten, aber er weiß es nicht mehr."

Jûbei hielt inne. Seine Stimme zitterte leicht und er wandte sich schweigend von Shido ab, der den Kopf gesenkt hatte und ebenfalls schwieg. Kazuki hatte Krebs? Seit er ein Kind war?

Es war keine Heilung möglich?

Er wusste es nicht mal selbst?

Wollte Shido das eigentlich alles wissen?

Jûbei sprach weiter, bevor Shido sich da ganz sicher war.

"Kazuki ist noch relativ jung. Normalerweise haben Menschen im hohen Alter, also ca. ab dem 60. Lebensjahr, ein erhöhtes Risiko Krebs zu bekommen. Leider ist dies aber auch vererbbar. Sein Vater hatte dieselbe Krankheit und starb noch vor seiner Geburt daran. Natürlich ließ seine Mutter ihn sofort untersuchen und das Ergebnis war eindeutig."

"Woher weißt du das alles?"

"Die Fuchôin und die Kakei Familie waren immer gut befreundet und reichen über lange Generationen zurück. Meine Mutter war eine alte Freundin von der Kazukis und erfuhr davon. Natürlich wollte sie ihr und Kazuki helfen. Immerhin war er ja der einzige Erbe des Dojos. Auch ich bin Erbe meiner Familie. Es ist Tradition bei uns gewesen, dass sich die gleichen Generationen behilflich sind. Meine Familie hatte sich weniger auf den Kampf, sondern eher auf die Heilkunst spezialisiert - wie du vielleicht weißt. Bei mir wurde - anders als bei den anderen - nicht erst die Kampfkunst gelehrt, sondern mehr Wert auf Heilkunst gelegt, im spezifischen Krebserkrankung. Dann wurde ich ins Fuchôin Dojo geschickt, um mir meinen Patienten genauer anzusehen, ohne, dass er etwas merken sollte. Doch ich war noch zu unerfahren und zu jung und der Krebs wuchs sehr schnell. Ich gab ihm Medikamente dagegen, aber diese zeigten nicht die gewünschte Wirkung. Kazuki schien das nicht zu bemerken, aber ich tat es... ich konnte einfach nichts dagegen tun. Mir fehlten die Mittel. Ich bin unfähig... er wird sterben. Ich werde nichts dagegen tun können. Verdammt!"

Jûbei schlug mit der Faust auf den Tisch, seine Augen waren mit Tränen gefüllt, die er immer noch versuchte, zurückzuhalten. Er war machtlos gewesen und gab sich die Schuld an allem. Die Wut über sich selbst stieg in ihm auf, wie schon in den letzten Jahren, aber da hatte er sie noch unterdrücken können.

Shido flüsterte nur den Namen des anderen, als er sah, wie dieser sich selbst deswegen fertig machte. Der Schwarzhaarige stand auf und ging lautlos zu ihm herüber, nahm ihn in den Arm. Jûbei konnte nicht mehr wirklich gegen die Tränen ankämpfen. Er wusste was bald mit seinem besten Freund passieren würde und das alles war seine Schuld.

"Das ist nicht deine Schuld, Jûbei."

Shido hatte zwar aufmerksam zugehört und war sich den Folgen der Erkrankung bewusst, aber verinnerlicht hatte er es noch nicht oder wollte es nicht.

"Gar nichts ist deine Schuld. Du hast getan, was du tun konntest. Kazuki ist doch schon glücklich, wenn er dich nur sieht. Keiner gibt dir die Schuld. Du bist ein guter Arzt."

Jûbei schüttelte den Kopf, sagte aber nichts. Er fühlte sich einfach nur leer. Wie sollte es weiter gehen?

Sein Leben lang hatte er alles für seinen jüngeren Freund getan und nun schien alles sinnlos gewesen zu sein.

"Ich will nicht, dass er stirbt.", schluchzte der junge Kämpfer dem King entgegen und verbarg seinen Kopf weiterhin in Shidos Schulter, welcher nur leicht zur Antwort nickte.

/Du Trottel hast es all die Jahre mit dir rum geschleppt ohne mit jemanden zu reden.../

Es dauerte nicht länger als fünf Minuten, bis Jûbei wieder seine undurchdringliche Maske aufgesetzt hatte und so ganz Kazukis rechte Hand war.

Shido wagte kaum zu fragen, es interessierte ihn aber dennoch:

"Weißt du...Weißt du wie viel Zeit er noch hat?"

Kakei schluckte die wieder hochkommende, angestaute Trauer runter und antwortete wesentlich gefasster:

"Wenn sie ihm hier helfen können und er das übersteht, dann höchstens noch ein bis zwei Jahre."

Den Beastmaster traf es wie ein fester Schlag ins Gesicht. Nur noch ein/zwei Jahre?

Dabei hatte sein jüngerer Freund doch immer so lebenslustig und freudig gewirkt. So eine Krankheit sollte das tatsächlich ändern? Sein Magen zog sich zusammen. Was sollte er davon halten? Er fühlte sich so...unglaublich leer.

Kazuki und sterben?

"Vergiss nicht: Du hast mir versprochen, es ihm nicht zu erzählen.", erinnerte ihn der Braunhaarige noch einmal daran, doch Shido schien völlig in seine eigenen Gedanken vertieft.

"Weißt du, damals, als ich Kazuki zum ersten Mal sah, wollte ich mich soweit wie es nur geht von ihm fern halten, ihn nur als >Objekt< sehen. So, wie die meisten Ärzte nach langer Zeit ihre Patienten nur als Ware ansehen. Aber dann sah ich ihn dort sitzen. Er war so sanft und zerbrechlich, so hilfebedürftig und er lächelte mich so warm und liebevoll an. Ich erstarrte sofort. Ich fragte mich ständig, ob er wirklich von dieser tödlichen Krankheit befallen war und weshalb gerade er daran leiden musste und nicht irgendein anderer, der es wahrscheinlich verdient hätte. Er richtete sich auf und kam zu mir herüber, nahm mich mit seinen dünnen Händen an der eigenen und stellte sich freudestrahlend vor. Seine braunen, großen Augen funkelten mir so offen und treu entgegen. Ich verstand gar nichts mehr. Meine Kenntnisse schienen vergessen und völlig nutzlos. Wie sollte ich ihn nur als Objekt sehen können?"

"Du liebst ihn, richtig?"

Shido fragte das nicht, weil er es nicht wusste. Er wollte wissen, ob Jûbei sich dessen bewusst war.

"Das darf ich nicht, ich bin doch nur..."

"Antworte genau auf meine Frage."

Einen kurzen Augenblick herrschte wieder Stille.

"Seit dem ersten Moment."

Der Beastmaster lächelte leicht und klopfte dem Jüngeren bestätigend auf die Schulter.

"Sag es ihm, er wird sich darüber freuen, glaub mir."

Damit verschwand Shido aus dem stillen, kleinen Raum und ließ Jûbei verwirrt zurück.

Während der Schwarzhaarige sich hungrig in der Mensa niederließ, suchte der Arzt den Weg zurück in das Zimmer seines kranken Freundes, der sogar in der Zwischenzeit aufgewacht war und auf seinen Besuch wartete.

"Jûbei!", lächelnd empfing er seinen persönlichen Arzt.

"Ich dachte schon, ihr wärt beide gegangen. Sag mal, wann darf ich hier wieder raus oder zumindest aufstehen?"

"Das liegt ganz an dir. Wenn du dich schnell erholst, kommst du auch schnell wieder hier raus."

Der Kurzhaarige setzte sich auf einen der silbernen Stühle, die neben dem Sommerbett des Stringmasters standen.

Dieser senkte traurig den Kopf, schien deprimiert über die Antwort seines Freundes.

"Weißt du wirklich nicht, was ich habe? Ich meine wirklich?"

"Worauf willst du hinaus?"

"Naja, ich denke nämlich, dass ich weiß, was ich habe."

Jûbei ließ sich nichts aus dem Gesicht ablesen, verformte dieses nur wieder zu einer ausdruckslosen Maske. Er deutete an, dass Kazuki weiter sprechen sollte.

"Ich denke,..."

/Ich sollte ihn nicht damit belasten.../

"...ich habe eine dicke Grippe."

Für einen kurzen Moment hatte Jûbei wirklich angenommen, sein Meister wüsste tatsächlich darüber Bescheid. Nun war er erleichtert.

"Ich hoffe doch, dass du damit richtig liegst und es bald besser wird."

Flying Needle versuchte zu lächeln, doch so ganz gelang es ihm nicht.

"Erlaubst du mir kurz, runter in die Cafeteria zu gehen? Der Arzt hat mir vor einer halben Stunde ein Medikament gegeben und meinte, ich könnte aufstehen, wenn ich mich in der Lage dazu fühle."

Wie gut Kazu doch betteln konnte. Das hatte er all die Jahre nicht verlernt. Der andere gab sich geschlagen.

"Ich werde hier auf dich warten. Beeil dich!"

Schon war Kazuki mit seiner gewohnt guten Laune nach draußen geschwuchtelt und schlich federleicht durch die weiten, breiten Gänge bis zum Fahrstuhl und fuhr mit diesem an das gewünschte Ziel in die unterste Etage. Doch kaum hatte er den ersten Schritt auf der unbekannten Ebene gemacht, quietschte er laut und erschrocken auf, bevor er gut einen Meter zurück sprang. Er hätte fast einen Herzinfarkt bekommen.

"Shido!! Du kannst doch nicht einfach vor mich spring...", prustete der Erschrockene los, doch Shido unterbrach ihn.

"Was machst du denn hier? Solltest du nicht oben liegen und dich rehabilidingsbumsen?"

"Ich rehabilidingsbumse mich nicht! Ich darf runter! Selbst Jûbei hat es mir erlaubt!"

Und das mochte - Shido weiß - was heißen.

Kazu stellte sich auf die Zehenspitzen, um größer als Shido zu wirken und streckte die Brust raus, versuchte den vor sich abwertend und arrogant anzuschauen, wie eine Respektsperson zu wirken. Dieser lachte stattdessen bei diesem wirklich lächerlichen und erbärmlich aussehenden Versuch nur laut los.

Nein, Kazuki durfte nicht sterben. Nicht bevor er gelernt hatte, wie so etwas auszusehen hatte.

"Nun gut...", kicherte der Beastmaster immer noch leicht, "Gehen wir was essen - auf meine Kosten."

Schon hatte ihm der Ältere sein Frühstück ausgegeben und setzte sich dem scheinbar ganz Gesunden gegenüber.

Nach einigen Scherzen und eher sinnlosen Gesprächen über banale Sachen, wurde der Stringmaster plötzlich ernst und lehnte sich zu seinem Kollegen vor.

"Shido? Ich muss dir etwas erzählen. Ich möchte, dass du es weißt. In mich rein fressen kann ich es nicht länger und es bringt auch nichts. Nur, ich möchte Jûbei damit nicht belasten."

Shido nickte verständnisvoll und beugte sich ebenfalls zu dem Krebskranken vor.

"Erzähl. Bei mir ist dein Geheimnis sicher."

"Der Grund, weswegen ich wirklich hier bin. Das ist nicht irgendeine Grippe. Shido, ich werde... Ich habe Krebs."

Der Größere verschluckte sich - als er erfuhr, dass die beiden Gefährten sich schon Jahre lang scheinbar sinnlos Sorgen um die Reaktion des anderen zu diesem Thema machten und sich nur selbst damit kaputt spielten - an seinem trockenen Hörnchen, welches er gerade dort gekauft hatte und rang verzweifelt nach Luft, lief schon rot an.

"Shi...Shido?"

Kazuki sprang auf und zog den anderen King mit einem Ruck auf die Beine, stellte sich entschlossen hinter ihn und legte die Arme fest um dessen Magen, bevor er anfing, ziemlich zweideutige Bewegungen zu machen, um seinen Freund so dieses bösartige Stück Hörnchen wieder aus der Kehle in die Freiheit zu befördern und den Beastmaster so das Leben zu retten. Shido würgte dabei nur und versuchte noch etwas Luft zu erhaschen. Nun kämpften sich die zwei Kings mit seltsamen, stossartigen Vor- und Rückwärtsbewegungen durch die engen Stuhlreihen und scheuchten so sämtliche Leute auf, die versuchten in der vorher doch relativ ruhigen Speisehalle zu essen.

Dann kippten die Zwei schlussendlich noch nach vorn um, da der Gleichgewichtssinn von beiden doch etwas gestört schien und landeten in einer mehr als nur zweideutigen Stellung auf dem hölzernen Esstisch, wobei hier wohl Shido Uke gewesen wäre. Nachdem dieses trockene Stück Teig endlich wieder draußen war und Shido, nur noch glücklich sein Leben weiter leben zu dürfen, nach doch so wertvoller Luft rang, beruhigten sich die Leute, die sich noch in der Nähe befanden langsam wieder, nahmen Platz, um weiter zu essen.

Kazuki lag noch immer auf seinem erschöpften Freund und lächelte freudig, aber doch leicht besorgt in sich hinein.

"Was um Himmels Willen tut ihr Zwei da? Und warum um Gottes Willen tut ihr DAS genau HIER?"

Emishi stand fassungslos in der Eingangstür.

Shido wandte seinen Kopf alles sagend zu dem neuen Besucher, bevor er schließlich selbstverständlich und doch noch etwas krächzend antwortete:

"Wir versuchen uns hier in Ruhe flachzulegen, weil oben Jûbei sitzt, wir sonst nirgendwo anders hin können und es hier eh niemanden stört."

Dann schubste er Kazuki sanft von sich runter und machte sich an den Rest des anscheinend tödlichen Hörnchens.

Kazuki hingegen setzte sich Shido wieder gegenüber, faltete die Hände leicht ineinander, legte seinen Kopf darauf, lächelte den Trottel vor sich schweigend an und schaute ihm beim Auseinandernehmen des wehrlosen Nahrungsmittels zu.

"Was ist? Kommst du rüber oder willst du weiter den Eingang versperren?"

Emishi konnte es nicht fassen.

Da saßen sie sich nun verliebt gegenüber und taten so, als wäre nichts. Dabei war es doch jetzt endgültig bewiesen, dass die Zwei eine Affäre hatten. Das würde er Jûbei erzählen.

Rache, Kazuki, Rache!

Dabei war er sich doch so sicher gewesen, dass Shido nur ihm gehörte.

"Wie kannst du mir so was antun?!", quietschte der junge Komiker immer noch in der Tür stehend und schlich, gespielt theatralisch mit überflüssigen Tränen in den Augen, zu den Zweien hinüber.

"Klappe, Idiot!"

Kazuki kicherte leise, was allerdings in einem Hustenanfall endete.

Shido hob den Kopf.

"Klingt ja nicht gut, Kazuki-han..."

Doch dieser winkte nur ab, brauchte eine Weile, bis er sich wieder gefangen hatte.

Davon ausgehend, dass Kazuki nicht all zu doll krank war, setzte sich Joker neben Shido und sah diesen bettelnd an.

Immerhin hatte Emishi sein letztes Geld für diesen hässlichen Blumenstrauß, den er für den >Patienten< mitgebracht hatte, zusammen kratzen müssen, der ja sowieso bald verwelken würde. Jetzt hatte er keinen einzigen Yen mehr für sein Frühstück übrig. Doch Shido kannte seinen Stellvertreter schon seit Jahren und hatte mittlerweile gelernt, ihn gar nicht erst zur Kenntnis zu nehmen, also gekonnt zu ignorieren.

Er beobachtete stattdessen seinen Gegenüber aufmerksam und zog hin und wieder, wenn ihm sein kleinerer Freund zu nahe kam, das halbe Hörnchen gerade soweit weg, dass es Emishi höchstens bis zur Nasenspitze reichte und er deswegen kein Krümelchen abbekam. Dann biss er noch demonstrativ einen winzigkleinen Happen ab, um den gelernten Dompteur auch ja lang genug ärgern zu können. Ja, der Beastmaster konnte endlich wieder Sadist sein. Wie er das Leben im Mugenjou doch vermisste.

Davon mal abgesehen, fühlte er sich voll und ganz im Recht, immerhin war es sein Todes-Hörnchen und nur sein! Nur diesem Stück Teig würde er sein Leben schenken, nur es war in der Lage, ihn zu töten und auch nur so würde sein Leben enden. Ja, für ein kleines Stück Hörnchen wurde er sich ohne Zweifel umbringen.

Er konnte nicht leugnen, dass es ihm Spaß machte, Emishi heulend, aus den Augenwinkel heraus zu beobachten und er sich sogar zusammen reißen musste, nicht auch noch sadistisch zu grinsen.

Hach, war der Beastmaster doch heute wieder krank, sadistisch krank und damit voll in seinem Element, wie Emishi fand.

"Shi~do! Bitte!"

"Ich sag dir, du wirst nicht glücklich, wenn du es isst. Willst du ernsthaft mit dem schlechten Gewissen, deinen einzig wahren und sowieso besten King im Mugenjou um sein Frühstück gebracht zu haben, weiter leben?"

"Keine Angst! Darüber komme ich über die Jahre hinweg."

Schon hatte es sich Joker unter den Nagel und Shido somit aus den Händen gerissen und gierig den ersten Bissen verschlungen.

"Dafür wird es dich töten!"

"Daff nähm iff in kof!", schmatzte der Hungrige nur zurück.

Shido stand nur kopfschüttelnd auf.

"Komm, Kazuki! Lass uns ins Nachbarzimmer gehen und unsere unterbrochene Affäre dort zuende bringen!"

"Gern!", lächelte dieser seine >Affäre< an, bevor er seinem Freund folgte und Emishi, mit dem Todes-Hörnchen in der Kehle kämpfend und nach Luft ringend, links liegen ließ. Obwohl dieser nicht unbedingt auf der linken Seite lag, sondern sich doch eher von einer auf die andere wälzte, beide Hände an der Kehle und mit blau angelaufenem Gesicht nach Hilfe japste.

Kazuki hopste, scheinbar wieder topfit und guter Dinge, dem Größeren hinterher.

"Hast du gar keine Angst, dass Emishi daran erstickt?"

"Warum sollte ich? Ich hab mir schon so oft gewünscht, dass er plötzlich, wie aus heiterem Himmel, krepiert, aber jedes Mal wurde ich enttäuscht.

Der Typ hat mehr Leben als eine Katze."

Der Fadenmeister fragte sich, ob Shido das wohl ernst meinte. Obwohl er es ihm nicht mal verübeln konnte; bei den flachen Witzen. Trotzdem sollte man doch nicht unbedingt den Teufel an die Wand malen, wie der Jüngere fand. Außerdem war er sich sicher, dass Shido doch sehr viel an diesem seltendämlichen Dompteur lag, auch, wenn dieser das niemals zugeben würde.

Schon wurde der Krebskranke in ein Zimmer geschoben und dessen Tür schnell und lautlos geschlossen.

Shido seufzte tief und sah wieder etwas ernster aus.

"Wegen der Sache vorhin... mit dem Krebs. Meinst du nicht, du solltest es Jûbei erzählen?"

Kazuki schüttelte den Kopf.

"Er hat wegen mir schon genug Probleme. Das braucht er nicht auch noch zu wissen."

Shido rollte mit den Augen. Einerseits hatte er dem Blinden versprochen, Kazuki nichts über sein Wissen zu erzählen, andererseits war das so kindisch.

Es wussten doch beide Seiten.

"Ich fände es besser, wenn du es ihm erzählst."

Den Jüngeren verwirrte eher, dass sein Freund überhaupt nicht überrascht schien oder es auch nur bedauerte.

"Seit wann weißt du von deiner Krankheit?"

"Schon ziemlich lange. Ich hatte mal einen ähnlichen Anfall, der ist allerdings schon ewig her. Als ich am Abend, als es mir wieder etwas besser ging, zu meiner Mutter gehen wollte, sprach sie gerade mit jemanden. Ich glaube, es war Jûbeis Mutter, aber das ist nur eine Vermutung von mir. Ich lauschte."

"Lauschen kannst du gut...", murrte der Tierfreund ironisch in den Raum und brachte Kazuki damit schon wieder zu einem verlegenen Grinsen.

"Man hat eben so seine Mittelchen. Naja, jedenfalls sprachen sie über meinen Zustand. Ich verstand nicht viel, nur, dass es wohl sehr schlecht stand und ich wahrscheinlich sterben würde. Ich sollte nichts davon erfahren, also tat ich so, als wüsste ich von nichts, um ihnen keine Sorgen zu bereiten."

Wie hielt es dieser Typ nur mit seiner ständigen Rücksichtnahme aus?

"Denk doch einmal an dich!", raunte Shido den anderen an.

"Ach Shido!", Kazuki setzte seine Unschuldsmiene auf, lächelte seinen Freund liebevoll an und sagte dann mit einer engelsgleichen Stimme:

"Ich kann nun mal nicht so egoistisch sein wie du."

"Ich werde dir gleich dein hübsches Köpfchen um 360°C drehen und dafür sorgen, dass dein armer, lebloser Körper von den hungrigen Ratten da draußen gefressen wird und nie wieder auftaucht. Ich muss an die hilflosen Tierchen denken - Rücksichtsvoll, wie ich bin."

"Hach, dein schwarzer Humor kommt fast an den Jokers ran!"

"Langsam wirst du beleidigend..."

Die Tür sprang auf und unterbrach die weltbewegende Unterhaltung der beiden Kings, die sich erschrocken umdrehten und dort Joker und Jûbei erblickten.

"Was wollt ihr denn hier?"

"Du bist ja immer noch nicht übern Jordan!", seufzte Shido resigniert und schlug fast deprimiert die Hände über dem Kopf zusammen.

"IHR habt eine Affäre?!"

Jûbei schien geschockt über die Neuigkeit, die Emishi ihm gerade erzählt hatte.

"Natürlich, siehst du das nicht?", entgegnete Shido.

"Nein, Shido, ich glaube er sieht es nicht..."

Der Einzige, der dies wohl nicht witzig fand, war der Blinde selbst, denn sogar Kazuki lächelte verlegen.

"Jûbei! Was denkst du von mir!?", ermahnte ihn der Stringmaster, "Ich würde nie etwas mit Shido anfangen. Wenn, dann schon Ginji!"

Jûbeis Kinnlade ergab sich der Erdanziehung und machte beinahe Bekanntschaft mit dem Boden. Er brachte kein weiteres Wort mehr heraus, dabei hatte er sich doch so fest vorgenommen Kazuki seine Liebe zu gestehen und nun funkte ihm der Elektroking sprichwörtlich dazwischen?!

"Ach komm schon!"

Kazu hüpfte zu seinem Arzt.

"Ich hab doch keine Affären!"

Schon umarmte er seinen Freund lächelnd wie es auch sonst seine Art war und knuddelte sich in dessen großes T-Shirt.

"Davon mal abgesehen, würde das gar nicht funktionieren, da man nicht mal fünf Minuten allein sein kann, ohne von einem wie euch bespitzelt zu werden!"

Wo Shido Recht hatte, hatte er Recht.

Die beiden fühlten sich aber keineswegs angesprochen. Man musste eben vorsichtig sein. Kazuki und Jûbei schienen schon wieder ein Herz und eine Seele zu sein. Waren die wenigen Minuten ohne einander doch schon wieder kaum zum Aushalten gewesen. Der Schwarzhaarige ging an beiden vorbei.

"Sprecht euch mal aus und vertraut euch eure Geheimnisse an. Ihr werdet überrascht sein! Wenn ich wieder komme, will ich diese Dinge aus der Welt haben, sonst könnte ich mich ja vielleicht verplappern."

Die Blicke der Anwesenden folgten ihm, als er aus der Tür verschwand und dann noch einmal kurz hinein lugte.

"Emishi! Beifuss!"

Wie ein gezähmtes Schoßhündchen hüpfte der Gerufene, überglücklich von seinem King mal beachtet zu werden, mit nach draußen. Dann fiel die Tür ins Schloss und Kazuki und Jûbei waren allein.

"Schon komisch... Sollte nicht eigentlich das >Tier< auf den Dompteur hören?"

Kazuki wandte sich nun von der Tür ab und stellte sich genau vor seinen Freund, zupfte nervös an dessen langem T-Shirt herum.

"Ich muss dir etwas sagen, aber ich weiß nicht wie."

Der Jüngere senkte den Kopf, schien zu überlegen, wie er es am besten formulieren sollte.

"Egal was es ist, ich bleib bei dir."

Kazuki nickte hoffend und kuschelte sich instinktiv an den Größeren. Bei ihm fühlte er sich sicher. Er wollte ihn auf keinen Fall verlieren.

"Ich werde hier vielleicht nicht mehr raus kommen. Ich habe nicht irgendeine Krankheit, sondern eine tödliche..."

Jûbei glaubte, ein unterdrücktes Schluchzen in der zitternden Stimme seines Kings zu hören und nahm ihn in den Arm, drückte ihn beschützend an sich.

"Ich weiß. Du brauchst nicht weiter sprechen. Ich versteh schon."

Der Langhaarige verbarg seinen Kopf im Oberteil seines Freundes und umarmte ihn dankend.

"Ich will nicht sterben. Ich hab Angst."

"Ganz ruhig. Du wirst nicht sterben, nicht solange ich etwas dagegen unternehmen kann. Ich lass dich nicht hängen."

"Ich hab dich lieb."

Noch bevor Jûbei in irgendeiner Weise reagieren konnte, hauchte Kazuki ihm ganz sanft einen Kuss auf die Wange und kuschelte sich danach wieder an ihn.

Jûbeis Gesicht versank in einer tiefen Röte, die nicht mal seine Brille bedecken konnte. Wie ein Trottel stand er da, sprachlos, überwältigt, geschockt, erschrocken; was auch immer es war, es brachte Kazuki wieder zum Lachen und die, mit Tränen gefüllten Augen zum freudigen Funkeln.

"Keine Angst,", lachte der Kleinere, "Ich weiß, was du mir sagen willst. Dein Gesicht spricht Bände."

Noch einmal wurde Flying Needle von oben bis unten geknuddelt. Natürlich war das Verhalten seines naiven Freundes mehr als kindisch und in der Öffentlichkeit ab und zu auch ziemlich peinlich, aber missen wollte er das auf keinen Fall.

"Ich liebe dich auch.", flüsterte der etwas erwachsenere von Beiden, zog den jungen Mann am grünen Kragen der Patientenbekleidung zu sich und küsste ihn lang und innig, sodass Kazuki sich auf die Zehenspitzen stellen musste und noch dazu gezwungen war, den Braunhaarigen zu umarmen.

Jûbei hingegen beugte sich leicht zu ihm hinab und hielt ihn kontrolliert und dennoch sanft fest.
 

Shido und Emishi liefen unterdessen durch die drängelten Menschenmengen außerhalb des Gebäudes, d.h. Shido versuchte, Emishi zu entkommen. Doch dieser hing wie eine Klette an ihm und piekste das langsam etwas genervte Voltsmitglied unablässig in die Seite.

Es nervte nicht nur, es brachte ihn beinahe zur Weißglut. Wenn hier in der Nähe ein Abgrund gewesen wäre, wäre der King wohl sogar noch freudig hinunter gesprungen. Obwohl er sich nicht sicher war, ob Joker nicht doch noch hinterher springen würde. Dieser Mann wusste wirklich nie, wo die Schmerzgrenze lag.

"W.A.S W.I.L.L.S.T D.U?!?!?!?"

Das war schon kein Fauchen mehr, es grenzte dicht an das Brüllen eines Löwen, der sein Revier auf Leben und Tod verteidigte - und das sogar ohne Hilfe einer Beastverwandlung.

Emishi zog den Kopf ein und spielte, wie sooft, den geprügelten Hund.

"Ich hab Hunger.", antwortete der Japaner kleinlaut.

"Hat dir MEIN Hörnchen nicht schon den Atem geraubt?"

"Das war ja nur Trockenfutter. Ich will was essen."

Das Einzige, was Emishi als Antwort bekam, war ein zischendes Nuscheln, was es wohl nicht ganz durch die zusammen gepressten Zähne des Kings schaffte.

Wollte er einen hungrigen Freund einfach so ignorieren?

Emishi wusste, dass er das vorhatte. Er wusste aber auch, dass Shido es hasste, wenn man ihn in der Öffentlichkeit - und sei es außerhalb des Mugenjous - bloß stellte und alles tat, um eben dies zu verhindern. Selbst sein Essen würde er ausgeben. Sicher würde Emishi danach sterben, aber auch wenn er verhungerte, hatte er nicht mehr Chancen und wer wusste schon, wann er wieder Geld hatte?

Der Komiker stellte sich also vor Shido und fing lauthals seinen eher monologen Dialog mit dem Älteren an und schluchzte dabei, was das Zeug hielt:

"Aber...schnief...Brüderchen! Schluchz...ich will nicht nach Hause...snüff. Bitte! Vater wird mich wieder verprügeln, wenn ich um etwas Essbares bitte." Er breitete die Handflächen bettelnd nach seinem >großen Brüderchen< aus.

"Bitte, sei gnädig und erlaube mir, wenigstens ein belegtes Brötchen zu verzehren."

Wie der Mann auf Kommando heulen konnte, war Shido schlicht und ergreifend ein Rätsel. Nun wurde er von allen angestarrt und zeigte als einzige Reaktion ein bedrohliches Zucken der rechten Augenbraue. Joker nahm dies wohl wahr, ignorierte es aber.

"Ich werde dich auch frühestens in einer Woche wieder fragen, versprochen. Bis dahin bin ich gesättigt. Bitte hab erbarmen mit mir, großer Bruder. Ich arbeite es auch ab. Ganz bestimmt. Ich nehme die Schläge für dich in Kauf!"

Die Leuten fingen an, zu tuscheln und versammelten sich um die Zwei, erdolchten Shido fast mit ihren garstigen und vorwurfsvollen Blicken.

"Wie du willst, Brüderchen.", zischte der bösartig, "Ich werde dir EIN belegtes Brötchen ausgeben und DU wirst dies abarbeiten, nachdem Vater dich, wenn wir ZU HAUSE sind, verprügelt hat."

Damit schliff der gutherzige Menschenfreund den Idioten mit.
 

Nach nicht mal einer viertel Stunde hatte der hungrige Dompteur das kleine Brötchen verdrückt und schien wenigstens annähernd gesättigt, strich sich genüsslich über den Bauch und seufzte zufrieden.

Shido hingegen schien sauer und stand auf, wandte sich ab, um zu gehen.

"Shido-han?"

"Für dich, Meister Fuyuki!"

"Bist du mir böse?"

"Wie kommst du denn darauf? -Und es heißt: Sind Sie mir böse?"

"Warum sollte ich dir böse sein?"

Der Schwarzhaarige schlug sich innerlich vor den Kopf. In solchen Situationen wusste er nie, ob Emishi wirklich so beschränkt war oder es mit Absicht tat.

Joker erinnerte ihn in gewissen Abständen immer wieder daran, warum er Menschen so hasste.

Er drehte sich zum Gehen um, doch Emishi sprang auf und versperrte ihm den Weg.

"Was willst du denn noch? Soll ich dir noch was zum Spielen kaufen?"

"Es tut mir Leid.", meinte der Jüngere ganz ehrlich, doch das war Shido im Moment völlig egal.

"Es tut dir Leid, es tut dir Leid.", weiderholte der King nachahmend,

"Pah! Mir tut`s auch Leid und jetzt lass mich durch!"

"Shido, ich w..."

"Es ist mir egal! Ich hab die Schnauze voll!"

Seine Augen funkelten vor Zorn, so, wie Emishi es noch nie gesehen hatte.

"Lass mich in Ruhe!"

Vielleicht war er zu grob zu ihm, aber es war immer wieder dasselbe mit Emishi. Dieser traute sich nicht mal mehr, ihm in die Augen zu sehen, geschweige denn, Luft zu holen. Er schwieg einfach nur. Hatte er es diesmal wirklich zu weit getrieben?

Shido jedenfalls ging einfach, ohne Joker noch eines Blickes zu würdigen. Er brauchte jetzt erst mal seine Ruhe. Entschuldigen würde er sich jedenfalls nicht. Da hatte er viel zu viel Stolz. Er musste sich abreagieren.

Er brauchte nur Zeit. Nichts weiter. Emishi würde sicher nachkommen, wie sonst auch. Er wollte ihn ja nicht loswerden, er brauchte nur Abstand. Er war im Augenblick einfach zu genervt für solche Witze. Dafür konnten weder Emishi, noch er etwas. Aber zuerst wollte er die Nachricht mit Kazuki verinnerlichen und in Ruhe darüber nachdenken.

Und wo konnte man das besser, als in einer ernsthaften Diskussion mit einem Bekannten, der einen verstand oder zumindest verstehen konnte, wenn er wollte? Es sollte keine normale Diskussion werden. Nein... Shido wollte jetzt ein Streitgespräch. Damit schlug er zwei Fliegen mit einer Klappe: Er reagierte sich ab und redete über Probleme.

Für Joker war er zumindest schon sechs Sekunden später in der Menschenmenge verschwunden, ohne, dass dieser etwas von dem Vorhaben seines besten Freundes ahnte.
 

"Meinst du nicht, wir sollten langsam wieder hochgehen? Ich fühle mich doch noch nicht ganz so gut und der Arzt will bestimmt auch noch einmal nach mir sehen."

Der Fadenmeister kuschelte sich noch immer an Jûbei. Allerdings diesmal mit einem kleinen Unterschied...

Sie verharrten schon eine halbe Stunde in dieser Position und Kazuki genoss es ja auch, kein Zweifel. Nur wurde ihm langsam wieder schwindelig und Jûbei bot ihm den gebrauchten Halt.

"Klar, wird Zeit. Gehen wir."

Jûbei ging zur Tür, Kazuki mit dem linken Arm stützend, der sich dankbar an diesen klammerte, um nicht völlig den Gleichgewichtssinn zu verlieren.

Er drückte leicht die Klinke herunter, doch die Tür ging nicht auf.

"Was ist? Klemmt sie?"

Jûbei versuchte es stärker, stemmte sich dagegen, rüttelte an ihr...

"Ich glaube, sie ist abgeschlossen."

"Jûbei...ich glaube, mir ist Übel. Ich hab Bauch- und Kopfschmerzen..."

"Ganz ruhig. Du brauchst deine Tabletten. Es kommt sicher gleich jemand.", versuchte er, Kazu etwas zu beruhigen.

Der Blinde lauschte, doch vernahm nichts. Kein Geräusch, kein Gespräch, keine Schritte, einfach nichts.

"Leg dich erst mal hin."

Schon hatte er den King hochgehoben und zu einem der beiden Betten im Zimmer getragen. Kazuki wurde vorsichtig ins weiche Federbett gelegt.

"Versuch, dich zu entspannen und atme gleichmäßig. Winkel die Beine an und schließ die Augen. Versuch, dir irgendeinen angenehmen Moment vorzustellen und konzentrier dich ganz darauf. Ist dir kalt?"

"Nein, heiß."

Der Fadenmeister schloss die Augen. Er spürte die Hitze in seinem Körper wieder aufsteigen und fing an, zu schwitzen. So sehr er es auch versuchte, er konnte sich nicht von seinem Zustand ablenken.

Der Blinde öffnete schnell das kleine Fenster gegenüber der Tür, sodass wenigstens etwas frische Luft hinein kam und den Raum etwas abkühlte.

Dann fühlte er kurz mit seiner Hand Kazukis Stirn.

"Du hast Fieber.", stellte er fest.

Jetzt musste er schnell handeln, bevor sein Freund wieder den Schmerzen seiner, für ihn unheilbaren, Krankheit erlag. Er trat ohne zu zögern die Tür auf.

"Jûbei! Lass mich nicht allein! Bitte!"

Kazuki streckte die Hand nach ihm aus, doch was muss, das musste.

"Ich bin gleich wieder da, nur ein Augenblick!"

Damit verschwand der Braunhaarige auf dem unbekannten Gang und ließ Kazuki allein zurück.
 

Die Tür flog mit dem Klimpern der zwei kleinen Glöckchen auf und signalisierte das Eintreten eines Bekannten.

"Hey, Zirkusäffchen! Hast du dich verirrt? Ginji ist nicht hier, da musst du wohl später wieder kommen."

Ban lehnte sich gemütlich in der Sitzecke zurück und rauchte schon wieder einen seiner weißen Qualmstängel.

"Was ist, Schlange? Hast du Angst, dass ich dir deinen Job wegnehme und du dann nicht mal mehr Geld für deine Kippen hast?"

Ban knurrte.

"Suchst du Streit?!"

"Na komm doch!"

"Kannst du gern haben!"

Ban sprang auf, bereit, den anderen zu Boden zu werfen.

Auch Shido ging in Kampfstellung, bereit seinen Gegner abzublocken und nieder zu machen.

"Hey! Macht das draußen! Hier drinnen muss ich eure zerfetzten Leichen wegräumen!"

Paul deutete mit einer lässigen Handbewegung Richtung Tür. Shido ließ sich seufzend auf einen der Stühle fallen, nachdem er diesen Ban gegenüber geschoben hatte.

"Was hast du denn heute wieder, Äffchen?"

"Nichts weiter, ich versuche nur mich abzureagieren."

Der Braunhaarige hauchte dem King seinen gräulichen Rauch entgegen und grinste herausfordernd.

"Was ist? Kommst du wieder nicht zum Zuge?"

Ban und Shido kamen sich immer näher, man konnte die Funken um sie herum fast sehen; wie sie sich anblitzten und eine Spannung aufbauten, bis sich fast ihre Köpfe berührten und die kalten Augen Shidos auf eisblaue trafen.

"Erzähl schon, Junkie!"

"Gerne, Brillenschlange."

Beide seufzten tief und gelangweilt. Der Beastmaster erhob sich und platzierte sich jetzt genau neben dem, doch angeblich so Gehassten.

"Was würdest du machen, wenn du wüsstest, dass Ginji nicht mehr länger als ein Jahr zu leben hätte; vielleicht sogar weniger?"

Ban nahm noch einen tiefen Zug des aufgebrauchten Luftverschmutzers, schaute in die Luft und überlegte, nachdem er die teure Zigarette gedankenverloren ausdrückte.

"Solch eine Frage von dir? Hm... was würde ich tun?"

Der Blauäugige blickte an die kahle Decke, als könne sie ihm helfen.

"Ich weiß nicht recht. Ich würde wahrscheinlich versuchen, ihm die Zeit so angenehm wie möglich zu gestalten. Wie das aussehen würde, kann ich mir jetzt schlecht vorstellen, aber ich würde auf alle Fälle bei ihm bleiben."

Ban nickte, stolz über seine Antwort und schenkte nun wieder dem Besucher seine Aufmerksamkeit.

"Was ist los? Du fragst so etwas doch nicht ohne Grund."

Als Ban sah, dass der Schwarzhaarige es ihm nicht erzählen wollte, stupste er ihn leicht an.

"Sag schon. Du wärst ja sonst schließlich nicht her gekommen. Ich kann versuchen, dir zu helfen... - so unter Kollegen versteht sich.", fügte er schnell noch an. Nicht, dass es so aussah, als könne er ihn gut leiden.

"Kazuki... er ist krank."

Shido schaute seinen Kollegen unsicher an, doch dieser verzog keine Miene, nahm nur eine weitere Zigarette. Nachdem diese halb aufgeraucht war, fragte sich der Größere, ob Ban überhaupt zugehört hatte.

"Ein Jahr sagst du?"

"Ein Jahr...wenn überhaupt."

"Sicher?"

"Darmkrebs."

"So, so..."

Die beiden, sonst eher aufbrausenden Einzelgänger schauten aneinander vorbei an die Tür und sagten erst einmal gar nichts.

"Paul?"

Der Beastmaster zeigte äußerlich keine Regung und hielt seine Augen weiterhin starr auf die Türklinke gerichtet.

"Machst du bitte drei Pizzen? Vegetarisch, Maximum und die Beste, die du hast."

Ban wandte den Kopf zu seinem...naja...fast Freund.

"Wieso denn gleich...?"

"Emishi."

"Aha."

Dann schwiegen sie wieder. Nur Paul störte die Ruhe ab und an, wenn er den Ofen öffnete, um nach den langsam warm werdenden, runden Teigflächen zu sehen. Als diese nun endlich fertig waren und die zwei anderen Anwesenden immer noch kein weiteres Wort miteinander gewechselt hatten, stellte der Cafebesitzer das bestellte Mittag vor sie und runzelte die Stirn.

"Wenn dein durchgedrehter Freund nicht kommt und ich meine Pizza schon gegessen hab, darf ich dann seine essen?"

Ban hatte Hunger und machte keinen Hehl daraus.

"Ich stopf dir gleich deine zu groß geratene Klappe!"

"Ich zittere."

Bevor Shido noch ein weiteres Wort sagen konnte, steckte Ban ihm ein Stück der noch viel zu heißen Pizza in den gerade geöffneten Mund, wodurch Shido sich heftig die Zunge verbrannte und mit den Armen fuchtelte. Ja, sogar Tränen hatte er in den Augen.

Paul schmunzelte in sich hinein, ging aber lieber schnell aus der Reichweite des Beastmasters und Ban tat so, als würde es ihn alles nichts angehen und nahm das erste Stück seiner gutriechenden Lieblingspizza.

Noch bevor Ban sein kostenloses Mittagessen zum Mund geführt hatte, hatte sich Shido auf ihn gestürzt und zu Boden geworfen.

Ban, völlig überrumpelt, hatte nun den heißen Käse, welcher sich mit dem flüssigen Ketchup vermischt hatte, über die gesamte obere Hälfte seines Shirts verteilt. Shido saß auf ihm.

"Das war mein letztes, sauberes Shirt! Dafür bring ich dich um!"

Schon im selben Moment kämpften die zwei Idioten sich durch das kleine, sonst so ruhige Honky Tonk.

Ban sprang hinter die Theke, unter der sich gerade Paul in Sicherheit gebracht hatte. Shido hingegen blieb an dem Tisch, wo sie zuvor gesessen hatten und nahm eines der heißen, gut riechenden Stücken, wartete bis Ban über sein Versteck schaute und warf ihm das Stück genau ins Gesicht.

Ban war kurz vorm Ausrasten, nahm die beschmierte Brille ab und steckte sie in die schon klebrige Brusttasche des verschmierten Oberteils.

Das schrie geradezu nach Rache!

Er nahm den offenen Mehlsack, der seinen Platz normalerweise neben dem Ofen hatte und schleuderte ihn in Richtung Shido, welcher zwar auswich, doch trotzdem noch genügend von dem weißen Puder abbekam.

Bis der braune Sack gelandet war, zog er eine weiße, feine und gut verfolgbare Spur durch das Café.

Nachdem abwechselnd Pizzastücken, Ketchupflaschen, Wurstscheiben, Käsestücke und auch noch Reste vom Teig hin und her flogen und Shido die Waffen ausgingen, sprang er mit einem Satz auf seinen Gegner drauf, der sich gerade wieder zum Werfen aufgerichtet hatte und deswegen auf der Theke stand, um besser zu treffen.

Schon fielen die zwei Deppen nach hinten um; Ban auf den Rücken und Shido auf dessen Taille, natürlich bösartig und siegessicher grinsend.

"Na? Wer ist besser?", fragte der Tierfreund, das letzte Stück vegetarische Pizza in den Händen halten und drohend, es ihm ins Gesicht zu drücken.

Ban öffnete gerade den Mund, um seinem "Seme" zu widersprechen, doch da flog erneut die Tür, zu dem, mittlerweile miserabel aussehenden, kleinen Café, auf und ein weiterer Gast trat ein, sah sich in dem Chaos vorsichtig um, bis er die beiden Streithähne auf der Theke entdeckte.

Ban, (sein T-Shirt war inzwischen etwas zerfetzt) immer noch unter dem Beastmaster liegend und somit in einer eindeutig zweideutigen Pose mit offenem Mund drein starrend und Shido, (fast schneeweiß von der hinterhältigen Mehlattacke) immer noch das wehrlose Pizzastück in der rechten Hand bedrohlich haltend, sagten erst einmal nichts und schauten den Besucher neugierig an.

"Ihr tut DAS ja schon wieder! Aber diesmal hier! Du hast gesagt, du hättest keine Affären!"

Joker war fassungslos über das, was er da sah. Erst mit Kazuki und nun mit Ban? Ausgerechnet mit Ban?!?!? Und dieses Mal war Shido sogar oben?

"Bist du deswegen vorhin abgehauen? Wegen ihm?"

Emishi wusste gar nicht, was er dazu sagen sollte. Ihm blieb fast das Herz stehen. Er wollte Shido doch für sich haben. Und nun?

Nun saß er da, auf diesem Weltenzerstörer! Mit einem Stück Pizza!

"Geh runter von mir!"

Ban, scheinbar wieder bei normalem Bewusstsein, stieß den nicht mehr ganz so Schwarzhaarigen von sich runter und klopfte sich erst mal seine heißgeliebten Sachen ab, für die eh jede Hilfe zu spät kam.

"Ich weiß nicht, was du hast."

Shido konnte wohl dem Gedankengang des Langhaarigen nicht ganz folgen und verstand nicht, weshalb er nun schon wieder so entsetzt drein schaute.

"Du bist echt das Letzte! Wenn du mich nicht leiden kannst, dann kannst du mir das auch ins Gesicht sagen und brauchst dich nicht hinterrücks mit anderen amüsieren."

Schon war Emishi wieder aus der Tür verschwunden und ließ sowohl Shido, als auch Ban verwirrt stehen.

"Als ob ich mich mit dir einlassen würde. Also wirklich!"

Ban stupste den irritierten King an und zündete sich seine letzte Zigarette an, nachdem er sich auf einen, noch relativ sauberen, Platz gesetzt hatte und wieder wie ein Fremder tat, der die Unschuld in Person war.
 

Joker rannte die lange Straße entlang, drängelte sich durch enge Gassen, die schneller zum Mugenjou zurück führten und hielt dann in einer scheinbaren Sackgasse inne, wischte sich die Tränen weg.

Was hatte er da schon wieder gemacht?

Er war in letzter Zeit immer so durcheinander, wenn er bei seinem langjährigen Freund war. Er war immer sofort eifersüchtig, sobald Shido mit anderen zusammen war, obwohl er wusste, dass da nichts passierte.

Nun hatte er sich sicher noch unbeliebter gemacht. Kein Wunder, dass der Schwarzhaarige seine Nähe mied. Er wusste doch gar nicht, was zwischen Ban und ihm schon wieder vorgefallen war.

Noch immer vor der Wand stehend, die ihm den weiteren Weg versperrte, sah er, wie sich ein Schatten vor ihm ausstreckte. Seine Nackenhaare stellten sich auf. Im Mugenjou bedeutete dies Gefahr. Jeder Schatten konnte den Tod bedeuten und er war ganz in der Nähe dieses Towers. Seine Hand an der Peitsche, die er gerade ziehen wollte, drehte er sich blitzschnell, bereit zum Kampf, um.

Doch so schnell wie der andere, vermochte er nicht, zu reagieren. Er war einfach zu unvorsichtig und zu langsam gewesen. Bevor Emishi seine lange, aus Haaren gefertigte Waffe ziehen konnte, wurde er von einer, mehr als schattenartigen Gestalt, an die kalte Wand gedrückt, an der rechten Schulter bzw. an der Kehle festgehalten und somit bewegungsunfähig gemacht. Joker schluckte hart. So bloßgestellt, hatte ihn noch nie jemand. Sollte er also so sterben? Hier, in irgendeiner Gosse, wo seine Leiche sicher niemand finden würde?

Noch immer hatte er die Augen geschlossen, die er unter seiner alten Brille versteckte, wagte nicht, sie zu öffnen und seinem Feind so ins Gesicht zusehen. Wenn er sterben sollte, dann schnell und schmerzlos.

Dabei hatte er immer gedacht, er könne dem Tod lachend ins Auge sehen, doch nun schien er nicht mal in der Lage, die eigenen zu öffnen...

"Trottel!"

Die Hand und sogleich der Druck um seinen Hals verschwanden und auch seine Schulter wurde losgelassen.

/Trottel?/

"Seit wann hast du Angst vor mir?"

Diese Stimme...diese tiefe, vertraute Stimme...

"Shido...?"

"Wer sonst? Hier wagt es sich doch keiner, dich anzugreifen."

Joker senkte wie zuvor den Kopf.

"Du hasst mich, stimmt' s?

"Schon seit du bei den Volts bist."

Emishis Brust zog sich schmerzhaft zusammen. Er hatte das Gefühl zu ersticken. Zum ersten Mal in seinem Leben machte er keinen Witz, lachte nicht. Seine Welt schien zu zerbrechen; wie ein Spiegel, der von einem Moment in den nächsten plötzlich in tausend Teile zerspringt und achtlos in den Müll geworfen wird, wo ihn niemand mehr beachtete.

"Ich hasse dich immer noch dafür. Du hast dich mir angeschlossen, um mich zum Lachen zu bringen. Das hast du doch gesagt, das waren doch deine Worte, nicht? Du bist so ein verdammter Trottel!"

Jedes Wort, welches aus dem Mund des anderen kam, schien Emishi wie ein Pfeil, der ihn schmerzhaft durchbohrte.

Dieser Spott, dieser Hohn...

War er wirklich so schrecklich gewesen?

Emishi nickte abwesend. Ihm war nicht zum Heulen, nein, ihm war nach sterben. Er hatte das Gefühl, dass sein Herz aufhörte, zu schlagen.

Doch aus diesen Suizidgedanken rissen ihn zwei Finger, die sein Kinn berührten und seinen Kopf so nach oben drückten.

Bevor Emishi auch nur irgendetwas weiteres verstehen konnte, drückte Shido ihn erneut gegen die raue Wand, hielt ihn mit der anderen Hand fest und küsste ihn verlangend.

Emishis Augen weiteten sich. Er wusste gar nichts mehr. Es geschah einfach, ohne, dass er es wirklich registrierte. Er stand einfach nur geschockt da, wehrte sich nicht, aber spannte sich immer weiter an. Luft holte er keine.

Dann, als Shido bemerkte, dass Emishi wohl jetzt alles mit sich machen ließ, nahm er ihn fest in die Arme und drückte ihn an sich, löste den Kuss.

Emishi schaute ihn nur unverwandt an, unsicher, was dies alles miteinander zu tun hatte.

"Wehe, wenn du verschwindest! Du hast es all die Jahre mit mir ausgehalten, du musst es weiterhin mit mir aushalten. Ich hab dir viel Zeit gegeben, aber anscheinend wolltest du ja nicht zu deiner Familie zurück, sondern bei mir bleiben. Es ist mir zwar unbegreiflich, wie du dich so entscheiden konntest, aber es ist deine Schuld! Jetzt musst du es mit mir aushalten! Und du weißt, was ich für ein Sturkopf sein kann. Was ich mir in den Kopf gesetzt habe, wird gemacht! Du bleibst bei mir und wehe du läufst noch einmal weg!"

Shido wuschelte dem Kleineren durch das lange, mittlerweile offene Haar.

"Du hast mir versprochen, mich zum Lachen zu bringen. Eher gehst du nicht."

Joker, langsam wieder in der Realität, blähte die Wangen auf, schien zu schmollen, doch den Glanz in seinen Augen konnte er nicht verstecken.

"Das ist ein Ding der Unmöglichkeit! Du hast keinen Humor!"

Shido grinste zufrieden.

"Vielleicht will ich ja auch gar nicht lachen, damit du nicht gehst?"

Emishis Gesicht verfärbte sich feuerrot. Er zwinkerte ein paar Mal.

"Wer sind Sie und was haben Sie aus meinem Beastmaster gemacht?"

Ein leichter Kniff in die Seite signalisierte ihm, dass es anscheinend wirklich sein Anführer war.

"Ich geh doch nicht, nur weil du mal lächelst! Dann würde ich dir ja nicht mehr auf die Nerven fallen!"

"Ah ja? Du hast es aber bisher immer noch nicht geschafft."

Shido ließ seinen Freund los, der scheinbar überhaupt nichts gegen die, bisher doch sehr unterdrückten, Gefühle seines Chefs hatte.

"Okay, okay! Wie wär's hiermit:", versuchte Emishi, anscheinend wieder völlig in seinem Element, einen seiner, Shidos Meinung nach, sehr schlechten Witze,

" >Der Arzt diktiert seiner Sprechstundehilfe auf lateinisch das Ergebnis der Untersuchung. "Ist es eine sehr seltene Krankheit, an der ich leide?", fragt beunruhigt der Patient. "I wo, überhaupt nicht. Alle Friedhöfe liegen voll davon."

Na? Wie war der?"

Shido gähnte lustlos und schaute den Komiker danach alles sagend an.

"Nun gut, gib mir noch 'ne Chance. Du musst aber mit machen. Pass auf: Klopf, klopf!"

Der Beastmaster schlug sich innerlich vor den Kopf, als er mit seinem kindischen Freund die Straße entlang zum Krankenhaus schlenderte.

"Wer ist da?", gab er schließlich uninteressiert als Antwort.

"Feuer!"

"Feuer wer?"

"Wo brennt's denn?"

Emishi fing an, zu kichern, freute sich über diese beschränkten Witze wesentlich mehr, als jeder Zuhörer es je könnte.

Shido hingegen zuckte nur mit der rechten Augenbraue. Was hatte er sich da nur wieder an Land gezogen? Vielleicht sollte er doch noch eine Nacht über seine Entscheidung schlafen und es dann alles dem Alkohol in die Schuhe schieben?

Seufzend beobachtete der Tierfreund den selbsternannten Komiker. Wie dieser kindische Depp sich doch über diese albernen Witze freute, war echt süß. Shido lächelte unbewusst.

"Na?!"

Joker hüpfte vor ihn.

"Du hast gelächelt! Du fandest ihn komisch!"

"Nani?"

Er wusste nicht wirklich, was dieser Peitschenheini vor ihm von ihm wollte.

"Ich hab dich zum Lachen gebracht! Du hast über einen meiner Witze gelacht!"

"Was?! Was unterstellst du mir da?! Ich hab nicht gelacht!"

"Na Shido? Leugnen gilt nicht!"

Damit hüpfte der junge Mann überglücklich in die Menschenmasse. Heute war wohl sein Glückstag.

"Ich hab nicht mal geschmunzelt! Der war einfach nur flach! Hey! Warte gefälligst! Wenn du mir nicht glaubst, kämpfen wir darum!"

Und auch Shido drängte sich durch die vielen Menschen, die ihm schon wieder den Weg versperrten, versuchte, Joker einzuholen und diesen die Leviten zu lesen.
 

Kazuki lag inzwischen schon wieder in seinem Bett und der behandelnde Arzt hielt Jûbei eine langweilige und wahrscheinlich nie endende Predigt über die Gefahren eines solchen Ausflugs, wie Kazuki und er ihn unternommen hatten. Dabei hätte Jûbei es als Arzt doch selbst wissen müssen...

Dieser saß auf dem Stuhl, in dem schon Shido geschlafen hatte und lehnte sich gemütlich auf den Fenstersims. Die Augen hatte er geschlossen, was man allerdings durch die dunkle Sonnenbrille und den bescheidenen Lichteinfall nicht sah.

Kazuki war wieder in den Schläuchen gefangen. Er fühlte sich schwach und hilflos, wollte nicht, dass sein Freund wegen ihm Ärger bekam. Seine Augen schauten matt und nur halbgeöffnet zu ihm herüber. Der Arzt versuchte, Kazuki verzweifelt zu vermitteln, dass dieser doch in seiner Lage mehr essen sollte, doch der Angesprochene hörte nur mit halben Ohr hin. Seine Gedanken kreisten immer noch um den Kuss vorhin. Kazuki lächelte kaum merklich. Er sah völlig bleich aus. Jûbei glaubte zu bemerken, dass er dünner geworden war und diese Abmagerung ihn noch weiblicher aussehen ließen.

Trotz dieser Andeutung eines schwachen Lächelns sah der Fadenmeister krank und zerbrechlich aus, dem Tode so nahe. Der Blinde schüttelte leicht den Kopf. An den Tod wollte er nicht denken, wenn er seinen Freund ansah. Ob er es nun wahr haben wollte oder nicht; Kazuki war blass, sehr sogar.

Dazu kam noch, dass Jûbei wusste, dass Kazuki unter Anämie, also Blutarmut, litt.

"Sagen Sie, Herr Doktor, wann darf ich das Krankenhaus wieder verlassen?"

Kazuki wusste, dass es in seinem Zustand und dieser Prognose ein Ding der Unmöglichkeit für ihn war, hier jemals wieder raus zu kommen.

"Ich bevorzuge es, nicht in ferne Zukunft zu sehen. Es tut mir Leid."

"Schon okay. Danke, für die Antwort."

Der Langhaarige lächelte noch immer, wie man es von ihm kannte. So, wie er es von seiner Mutter gelernt hatte: nie Schmerzen zeigen, immer lächeln. Egal was passiert: locker bleiben. Fremde nicht in die Gefühle einsehen lassen und wenn du Schmerzen hast, dann lächle vor Schmerzen. Nur wenn du alleine bist, dann darfst du schwach sein.

Also lächelte der junge King, der sich seines Schicksal so sicher war, wie dem >Amen< in der Kirche.

Jûbei verwies den Arzt nach draußen.

"Wie fühlst du dich?"

Der Ältere lehnte sich etwas vor, um den großen Abstand zwischen ihnen zu überwinden und etwas vertrauter zu Kazuki sprechen zu können. So, wie er es auch immer im Mugenjou getan hatte, um sicher zu sein, dass niemand zuhörte und sie belauschen konnte.

"Es ging mir schon mal besser."

Jûbei nickte. Das verhieß nichts Gutes. Kazuki sagte nie, wenn es ihm schlecht ging.

"Können wir nicht von hier verschwinden? Bitte, Jûbei! Ich möchte nicht hier sterben. Ich will vorher zu meinen Freunden."

"Ich verspreche dir bei meinem Leben, dass du bei deinen Bekannten zu Hause bist, wenn es soweit sein sollte, aber noch ist es nicht so weit. Wir...Du musst leider noch etwas hier bleiben, bis du wenigstens wieder etwas bei Kräften bist, okay?"

Der Braunhaarige kraulte seinen geschwächten Freund liebevoll und versuchte, ihn zu beruhigen, vielleicht sogar zum Schlafen anzuregen.

"Jûbei?"

Kazuki setzte extra ein leidendes Gesicht auf, obwohl er wusste, dass Jûbei das wohl nicht wirklich zur Kenntnis nehmen konnte.

"Hm?"

"Küss mich, sonst sterb' ich!"

"Dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig."

Der Ältere lehnte sich zu seinem Schützling vor, half ihm mit einer Hand, sich leicht aufzurichten, hielt ihn sanft fest und küsste ihn innig. Kazuki schloss die Augen, sein Gesicht bedeckte eine leichte Röte und er schnurrte dem anderen entgegen.

Kazuki wollte nur ihm gehören und wenn er irgendwann sterben sollte, dann in seinen Armen.

Nachdem der Stringmaster den Kuss gelöst hatte, kuschelte er sich zufrieden und verträumt an den Größeren und ließ sich von diesem festhalten.

"Ich liebe dich, Jûbei."

Der Braunhaarige nickte bestätigend, sagte dazu aber nichts mehr, hielt den Kleineren nur weiterhin fest an sich gedrückt.

Ein paar kurze Minuten strichen ins Land und der angenehm frische Wind wehte durch das weiße Zimmer hindurch. Die Sonne schaffte es nur ab und an durch den bewölkten Himmel und die dünnen Gardinen, die leicht hin und her wehten.

Der Blinde ließ Kazuki sanft zurück in das weiche Bett gleiten und setzte eine, wie Kazuki fand, doch eher besorgte Miene auf.

"Was hast du?", fragte der geschwächte King missmutig, als er diesen Ausdruck sah.

"Ich muss bald wieder zum Mugenjou zurück. Du weißt, dass Macubex dort jeden braucht. Ich würde natürlich gern bei dir bleiben..."

"Ich versteh schon.", winkte Kazuki lächelnd ab, "Ich bringe alles durcheinander. Geh schon. Sie warten bestimmt schon auf dich."

"Bist du sicher? Ich will dich nicht allein lassen."

"Es geht schon. Ihr musstet doch schon auf Shido verzichten, als er zur Versammlung berufen wurde. Noch einen können die Volts sicher nicht entbehren, vor allem nicht einen talentierten Kämpfer wie dich, der jeden Winkel im Tower kennt. Macubex verlässt sich auf dich. Kämpf für mich mit, ja? Und pass auf dich auf!"

In diesem Moment hüpfte der nervige Komiker zur Tür herein und kniete neben dem Bett, Kazus Hand haltend, nieder.

"Wie geht es dir, Kazuki-han? Die Ärzte haben gesagt, dass du erneut einen Schwächeanfall hattest."

"Ist schon gut, ich brauche nur etwas Ruhe."

Jûbei nickte und baute sich vor dem aufbrausenden Kämpfer auf.

"Wehe, wenn er die wegen dir nicht bekommt!", fuchtelte er drohend mit dem Zeigefinger.

"Jûbei!"

Kazuki piekste seinem Beschützer einmal gezielt in die Seite, sodass dieser einen Satz zurück machte und schwieg.

"Ist schon okay. Wenn er sich nicht daran hält, werden die Ärzte ihn sowieso rausschmeißen. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er nichts anstellen wird."

Joker nickte eilig und bedankte sich gewohnt theatralisch für Kazukis Vertrauen in ihn.

"Kazuki? Nicht, dass ich deine Entscheidungen in Frage stellen würde, aber willst du sie in diesem Fall", Jûbei deutete auf Emishi, "nicht noch einmal überdenken?"

"Ich hab doch jemanden hier, der auf ihn aufpasst, nicht Shido?"

Der Beastmaster seufzte tief und sah auch schon wieder mehr als nur genervt aus. Kazuki war sich ziemlich sicher, dass Emishi ihn schon wieder versucht hatte, zum Lachen zu bringen.

"Und? Wie waren die Witze?"

Joker unterbrach Shido, als dieser nur Luft holte, um dem Langhaarigen zu antworten:

"Ich hab's geschafft: Er hat tatsächlich gelacht!", freute sich der Dompteur, doch Jûbei wusste es besser:

"Ich weiß warum: Du hast gesagt, dass du gehst, falls du es schaffen solltest, ihn zum Lachen zubringen. Deswegen hat er gelacht: Damit du gehst!"

"Shido-han?"

Emishi wandte sich zu seinem Leader um. Als deformiertes Chibi, mit pausenlos fließenden Tränen in den Augen, blinzelte er seinen überforderten Freund an.

"Hast du mich gar nicht lieb?"

Shido rollte genervt die Augen. Was war das denn schon wieder für eine Frage?

"Wenn das so wäre, hätte ich dich doch schon längst erschlagen."

Schon hing Emishi Shido wieder am Hals und bedankte sich für dessen unglaubliche Großzügigkeit ihm gegenüber.

"Wann wirst du wieder kommen?"

Jûbei stand missmutig auf und zog sich sein rechtes Armband fester.

"Ich weiß nicht, sobald wie möglich. Wenn etwas dazwischen kommt, sag ich Shidos Freunden bescheid."

Damit umarmte er den Kleineren noch einmal herzlich zum Abschied - man wusste ja nie, ob er wiederkommen würde - und ging hinaus.

Kazuki hielt den Kopf unverwandt auf die Tür zu seinem Zimmer gerichtet, dort, wo Jûbei gerade verschwunden war. Ihm war, als würde er ihn nie wieder sehen. Besorgt und traurig schien er wieder völlig in seine eigene, sorgenvolle Welt verschwinden zu wollen, doch das wusste Emishi zu verhindern. Er schob sich einen zweiten Stuhl an Kazus Bett, nachdem Shido sich auf Jûbeis gesetzt hatte und die Vögel im Park vor dem Krankenhaus zufrieden beobachtete.

"Kazuki-han! Soll ich dir einen Witz erzählen?"

Kazuki kam nicht wirklich zum Antworten. Emishi fing einfach an, ob es der krebskranke King nun hören wollte oder nicht.

"Also pass auf: Ein Ehepaar betritt gemeinsam das Sprechzimmer des Zahnarztes. "Wie teuer ist es, wenn man sich einen Zahn ziehen lässt?", fragt der Mann. "Neunzig Euro mit Betäubung, fünfzig ohne!" "Dann ohne Betäubung!" "Bravo!", lobt der Zahnarzt. "Sie sind wenigstens ein mutiger Mann, ein ganzer Kerl!" "Naja", winkt der Mann ab, wendet sich an seine Frau und fordert diese auf: "Nimm doch schon mal Platz, Liebling.""

Emishi schaute Kazuki erwartungsvoll an, doch dieser schaute nur ebenso erwartungsvoll zurück.

"Du hast ihn nicht verstanden, stimmt' s?"

"Doch, Emishi. Klar und deutlich."

"Dann lachst du nicht? Okay. Noch ein Versuch:

Frage: Wie findet man den Nabel einer Frau?"

Kazuki zuckte neugierig mit den Schultern und forderte den Komiker auf, die Antwort preiszugeben.

"Antwort: Man fährt mit dem Zeigefinger den Rücken herunter und ist am Nabel angekommen, wenn der Finger das dritte Mal eingerastet ist."

In Kazukis Gesicht stieg die Röte und er schaute Shidos Gefährten schockiert an.

"Auch nicht? Na gut. Ich geb' dir noch eine Chance. Schließlich sind alle guten Dinge ja drei:

"Herr Doktor, kommen Sie bitte schnell", fleht eine weibliche Stimme am Telefon, "Unser vierjähriger Sohn hat ein Präservativ verschluckt." "Um Gottes Willen!", entsetzt sich der Arzt, "Ich komme sofort." Er packt seine Tasche und will gerade zur Tür hinaus - in dem Moment klingelt das Telefon erneut. Pflichtbewusst nimmt er den Hörer ab. "Herr Doktor", hört er die weibliche Stimme von vorher sagen, "Sie brauchen nicht mehr zu kommen, wir haben ein anderes gefunden.""

Kazuki lächelte verlegen und peinlich berührt, während Emishi voll und ganz in seinen schlechten Witzen aufging und Shido es bevorzugte, so zu tun, als wäre er nicht anwesend und kenne den Komiker nicht.

Er unterhielt sich lieber mit einem majestätisch aussehenden und vom Aussterben bedrohten Weißkopfseeadler, der sich gerade auf der Durchreise befand und hier eine kleine Pause einlegte, um sich mit dem Beastmaster unterhalten zu können. Er faltete gerade seine weiten, braunschimmernden Flügel zusammen, machte es sich auf dem Fenstersims gemütlich, auf dem Shido lehnte und erzählte die Neuigkeiten aus seiner Heimat. Kazuki beobachtete die Zwei nebenbei fasziniert. Ab und an beneidete er Shido wegen seiner Fähigkeiten. Er würde sich auch so gern einmal mit solchen Tieren unterhalten können und ihnen eventuell Befehle geben. Er sah dem Beastmaster öfters zu, als dieser es annahm, bewunderte den leichten Umgang mit dessen sogenannten, friedlichen Freunden.

Shido schien so glücklich und unbeschwert. Ob er auch so viele Sorgen hatte, wie der Fadenmeister?

"Der hat's gut!", flüsterte Emishi, während Kazu zustimmend nickte.

"Ich bewundere ihn dafür. Für ihn ist das alles so normal und alltäglich..."

"Das ist das Einzige, was ihm noch von früheren Zeiten geblieben ist."

Der Braunäugige wandte seinen Kopf kurz zu dem Komiker, bevor er dem Adler wieder fasziniert seine Beachtung schenkte.

"Was meinst du damit?"

"Shido ist doch ein Waldmensch. Um genau zu sein, der letzte Waldmensch. Sein Stammbaum reicht über Jahrtausende zurück. Seine Familie lebte mit Tieren und verständigte sich mit ihnen. Für sie waren Tiere gleichwertig mit Menschen, vielleicht sogar besser als diese. Meist teilt Shido diese Ansichten noch heute. Ich weiß nicht, was passierte, aber seine Familie starb, als er noch ganz jung war. Die Waldmenschen wurden regelrecht ausgerottet. Darüber spricht er mit mir nicht. Die Tiere sind das Einzige, was ihm geblieben ist."

Auch Joker schaute Shido nachdenklich an.

"Ich frage mich immer, über was er mit den scheinbar fremden Tieren spricht und woran diese ihn erkennen. Dieser Adler zum Beispiel... . Wieso hat er auf einmal einen Umweg zu ihm gemacht?"

"Gute Frage..."

Emishi und Kazuki hockten dicht beieinander und flüsterten geheimnisvoll, damit der Beastmaster es nicht hörte.

"Er muss doch ein ungeheures Allgemeinwissen haben, was Tiere angeht, oder?"

Joker bestätigte nur leise, bevor der Schwarzhaarige sich umdrehte und die zwei Tuschelnden ins Visier nahm.

"Über was redet ihr da?"

Die Angesprochenen fühlten sich peinlich ertappt und taten nur auffälliger denn je, so, als wäre nichts.

"Dann ist ja gut. Ich hab gehört Jûbei will zum Mugenjou?"

"Ja, darüber haben wir vorhin gesprochen. Ist besser wegen den Volts und so."

"Emishi? Würdest du mir einen riesigen Gefallen tun?"

"Aber immer!"

"Würdest du ihn begleiten? Allein dorthin zu gehen, scheint mir zu gefährlich."

"Weshalb? Wir sind doch in der letzten Zeit ständig einzeln aus und ein gegangen!"

"Sei vorsichtig und hol ihn vorher ein. Ich komme nach, sobald es Kazuki wieder besser geht."

Emishi leuchtete das alles überhaupt nicht ein, aber der Unterton in der Stimme seines Leaders und dessen ernster Gesichtsausdruck ließen ihn nur stumm nicken. Er erhob sich zögernd von dem langsam angewärmten Stuhl und zog sich seine grüne Jacke an, die er zuvor auf einen der braunen, spitzen Haken im Zimmer gehangen hatte.

"Halt Jûbei auf, bevor er da ist und mach noch einen Umweg, um dir bequemere Sachen anzuziehen, kampfbequeme Sachen!"

Der Langhaarige wusste nicht, was Shido auf einmal hatte, aber es verhieß nichts Gutes.

"Und Emishi!"

Der Gerufene wandte sich noch ein letztes Mal um, als er gerade zur Tür hinaus gehen wollte und schon die flache Klinke hinunter gedrückt hatte, seinen King erwartungsvoll und nervös anschauend.

"Sei bitte vorsichtig. Halte dich im Hintergrund, bis wir da sind."

Er nickte nur stumm und verschwand dann verwirrt nach draußen. Nach nicht mal zwei Minuten war der junge Kämpfer vom obersten Stockwerk in den Park hinunter gerannt. Jûbeis Spur verfolgend, suchte er sich seinen Weg aus dem grünen, ruhigen Gelände. Der Tierfreund und sein Adler beobachteten ihn nur schweigend, Shido sogar sichtlich besorgt.

"Pass auf ihn auf.", flüsterte er seinem geflügelten Freund zu, bevor dieser seine weiten Schwingen ausbreitete und sich in die unendlich erscheinenden Lüfte erhob, Emishi den Weg wies.

Der Beastmaster schaute aus dem Fenster, bis weder Emishi, noch der Vogel mehr zu sehen waren. Dann seufzte er tief und unzufrieden.

"Was hast du denn?"

Sein Freund schüttelte nur langsam den Kopf, antwortete nicht auf die Frage, starrte nur weiterhin in den leeren, bewölkten Himmel.

"Werd schnell wieder gesund, Kazuki...Werd schnell wieder gesund."

Der Fadenmeister wusste nicht, was der Adler Shido berichtet hatte, er wusste nur, dass es schlechte Nachrichten waren. Aus irgendeinem Grund zog sich sein Magen schmerzhaft zusammen und schnürte ihm die Luft ab. War es eine Vorahnung oder fühlte er nur das, was sein Freund eben fühlte?

"Sag, werden sie wieder kommen?"

Es war nicht mehr als ein gehauchtes Flüstern. Wollte er die Antwort wissen? Konnte er überhaupt helfen?

Auch diesmal antwortete der Schwarzhaarige nicht, sondern nahm nur sein schwarzes, nicht mehr ganz so neues Handy aus der Hosentasche, welches das Zeichen der alten Volts auf der, in der Sonne glänzenden, Schutzhülle hatte. Immer noch Schweigend klappte er es auf und drückte auf die Wahlwiederholungstaste, als hätte er die Situation schon vorher geahnt. Kazuki beobachtete ihn neugierig, aber unsicher. Shido ließ sich nicht beirren, schaute weiterhin aus dem geöffneten Fenster und ließ es klingeln.

Waren es Minuten oder Stunden? Sowohl dem String-, als auch dem Beastmaster schien die Zeit stehen geblieben zu sein. Waren Jûbei und Emishi nicht schon vor Ewigkeiten gegangen?

"Ja? Liegst du auf deinen Ohren oder was? Warum gehst du erst jetzt ran? Ach komm! Red dich nicht schon wieder raus! Klappe, hör einfach zu! Ist er schon da? Gleich? Wie lange noch? Okay, das ist kein Problem."

Kazuki hielt seine Augen unverwandt auf den Anwesenden gerichtet und versuchte, darauf zu lauschen, was der andere am Ende sagte, doch vergebens. Shido stand zu weit weg und der Angerufene sprach zu leise. Kurze Zeit herrschte Ruhe, Shido hörte dem anderen zu und ließ den Blick über Tokio schweifen, schien nach etwas oder jemandem Ausschau zu halten. Er nickte ein paar Mal oder bestätigte das Gespräch mit einem einfachen "Hm". Die Neugierde, die in Kazuki tobte, schien schier unerträglich zu werden. Was war denn nur los? Was hatte sein Freund? Mit wem telefonierte er? Und was war mit Jûbei und Emishi? Was waren denn diese Neuigkeiten?

"Okay. Treffen wir uns dort. Bring auf keinen Fall überflüssige Leute mit. Du weißt schon. ...Ja genau! Alles was du kriegen kannst..... Hm....Das klären wir dann später, versprochen. Frag auch die Transporteure. Ja, sicher! Und du? Ist erledigt? ... wie? Na ziemlich stark! Frag nicht! Bereite dich einfach darauf vor! Kazuki?"

Der Fadenmeister wusste nicht wirklich, was nun hier los war. Er fragte sich gerade, ob er einen Filmriss hatte oder unter Hypnose stand, vielleicht sogar unter Schizophrenie litt? Irgendwie fehlte ihm ein Stück.

Shido wandte sich kurz zu ihm um und musterte ihn mit prüfendem Blick, dann sah er wieder aus dem Fenster in Richtung Mugenjou, hinter welchem gerade die Sonne unter dicken, dunkelblauen Wolken verschwand.

"Ich würde nein sagen. Er ist noch nicht so weit. Plan ihn nicht unbedingt mit ein. Wir müssen eben sehen wie es wird und eventuell auf ihn verzichten. Ja natürlich! Meine ich auch...okay. Noch was? Dann sehen wir uns heute Nacht. Ich würde sagen, gegen halb elf. Bis dann."

Ein piepender Knopfdruck signalisierte dem zweiten anwesenden und sehr verwirrten King, dass Shido aufgelegt hatte.

"Wer war das und was ist hier los?"

"Ein Freund. Wir haben ein Date.", antwortete der Angesprochene trocken, ohne sich auch nur zu dem Krebskranken umzudrehen.

Shido pfiff einmal kurz und ein weiterer Vogel, diesmal ein stolzer Falke, landete sanft auf der Bettstange an Kazukis Füssen.

"Ich muss weg. Er wird dir Gesellschaft leisten. Wenn du mich erreichen willst, dann durch ihn. Zettel und Stift dürftest du hier haben. Sein Name ist Fyon. Sei nett zu ihm - immerhin ist er für kurze Zeit dein "Haustier"."

Der Beastmaster kraulte den großen Vogel noch einmal kurz am Hals und flüsterte ihm etwas zu, nachdem er sich bereits von seinem kranken Freund verabschiedet hatte.

"Wir sehen uns!"

/Oder auch nicht./, fügte der Langhaarige in Gedanken an, bevor Shido aus der Tür verschwunden war und ihn mit dem stolzen Vogel zurück ließ.

Kazuki war nicht wohl dabei. Sein Freund hatte ihm noch nie eines seiner heißgeliebten Tierchen zur Verfügung gestellt und auch sein Blick, bevor er ging, war sehr untypisch. Er erinnerte ihn an längst vergangene Zeiten im Tower... So kühl und abweisend, bereit, jeden Feind auf der Stelle umzubringen. Als wäre der Beastmaster auf dem Weg zum Mugenjou, um dort wieder seinen alten, rechtmäßigen Platz einzunehmen.

Sollte dies alles für immer sein? Ein Abschied ohne Wiedersehen? Ohne Happy End? Ein Abschied, bei dem nur er allein zurückblieb?

Ein bebendes Donnergrollen holte Kazuki wieder in die kalte Realität.

Die Wolken um die Festung ohne Grenzen waren dunkel geworden und sammelten sich zu einer scheinbaren Wand, die jeden Eindringling zurückschrecken wollte. Bis auf den Mugenjou war der Himmel wolkenlos und klar. Aber bei dem ehemaligen zu Hause Kazukis schien es sogar zu regnen. Die Gürtelzone war bereits vollständig von dem grauen Wasserdampf verhüllt und ließ keine Beobachtungen zu. Es blitzte stark.

Was war denn hier los?

Warum wusste Kazuki von nichts?

Er stand auf; noch etwas wacklig auf den Beinen, aber er stand. Nun packte er den halbgefüllten Tropf und schlich lautlos zum Fenster, um sich einen besseren Überblick machen zu können.

Unten sah er Shido die Straße entlang rennen, die auch Kazuki nahm, wenn er zum Tower wollte. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite sah er Emishi stehen, der Jûbei scheinbar eingeholt hatte, da dieser neben ihm stand. Die Beiden hatten die gewohnte Kleidung aus dem Mugenjou an und warteten wahrscheinlich auf den nun eintreffenden King.

Sie besprachen kurz etwas und schienen sich schnell einig. Kazuki sah, wie Jûbei kurz zum Tower hinauf deutete und sie dann gemächlich los liefen.

In Kazuki stieg wieder das Gefühl der Gefahr auf. Etwas lag in der Luft. Für ihn war es noch unerklärlich, aber er wusste, dass er es hier nicht mehr lange aushalten würde.

Als die drei Freunde unten um die Ecke bogen, sah Jûbei noch einmal zu dem Fadenmeister auf. Kazuki wusste, dass der Blinde ihn nicht sehen konnte, doch erschien es ihm, als würde dieser genau wissen, dass er da stand. Es war eine Warnung, kein Zweifel. Aber gleichzeitig war es auch ein `Lebe wohl´. Eben dies würde Kazuki nicht akzeptieren, nicht zu lassen. Er würde Jûbei nicht in sein Verderben laufen lassen, nicht nach alldem, was er für ihn getan hatte.

Den einzigen Anhaltspunkt, den der Fadenmeister hatte, war, dass er vorhin bei dem Telefonat mitbekommen hatte, dass Shido sich mit irgendeinem Freund um halb elf vermutlich in der Nähe vom Mugenjou treffen wollte. Mehr wusste er nicht. Irgendwie musste er hier raus. Alles weitere konnte er sich unterwegs überlegen. Ein prüfender Blick auf Shidos treuen Vogel genügte ihm, um sich einen Plan auszudenken. Voll in seinem Element und sich dem Erfolg so sicher, zückte er einen Kuli aus dem Schieber des Nachtschranks, welchen er vorher von einer der Schwestern bekommen hatte. Dann nahm er einen kleinen, weißen Notizzettel und schrieb schnell und geheimnisvoll etwas auf diesen, bevor er ihn zu einem kleinen Papierknäuel zusammen knüllte und dieses wieder in seine Hosentasche steckte.

Nun war alles eine Frage der Zeit.

Mit einem Satz war er wieder in seinem kleinen Bett unter die dünne Decke geschlüpft und hatte den Tropf wieder an vorhergesehene Stelle gerückt.

Geduldig blickte er immer wieder auf die große, runde Uhr und deren lange Zeiger. Dann endlich war es soweit:

Die Visite kam gemütlich ins Zimmer geschlendert und beäugte den Patienten, der so müde tat, wie es nur ging, die Uhr aber nicht aus den Augen lies. Ein kurzes Gespräch folgte, dann der Vergleich der Werte mit den Normalen und eine lange Ausführung der Sachen, die morgen noch so anstehen würden. Dann verschwanden sie wieder hinaus und schlossen leise die Tür, damit der angeblich doch so müde Krebskranke genug Ruhe bekam. Die Medikamente bekam er vorher natürlich noch.

Noch ein Blick auf Uhr.

Sie waren 3 Minuten im Zimmer gewesen. Nach Kazukis befanden sich noch drei weitere auf der Etage, die sie noch besuchen mussten - Mit insgesamt sechs Patienten. Kazuki schätzte für jeden Einzelnen ca. 4 Minuten, dann hatte er freie Bahn.

Immer wieder verfolgte er die vollen Runden des längsten Zeigers ungeduldig und aufgeregt zugleich. Ihm war sogar ganz flau im Magen, da er so nervös und hibbelig war.

Dann war es endlich soweit:

Die Visite musste bereits fertig auf dieser Etage sein, da war er sich sicher. Der Fadenmeister wartete noch eine weitere viertel Stunde, damit er sich sicher sein konnte, dass die Tabletten bereits anschlugen und die Doktoren sich nicht doch noch mit bekannten Leuten unterhielten.

Jetzt holte er noch einmal tief Luft und schlug die Bettdecke zur Seite, entfernte die Kabel wie schon einmal mit einem Ruck und schlüpfte in die Wechselsachen, die der Beastmaster für den Fall der Fälle am ersten Tag da gelassen hatte; lange, schwarze Hosen mit silbernen, überschüssigen Nieten an der Seite, die in lange, quer hängende Gürtel übergingen und so wenigstens etwas die großen Taschen bedeckten, die wiederum von Reisverschlüssen verziert waren und schwarze Fäden hinunter baumeln ließen, welche aus ihnen ragten. -Und ein ebenfalls schwarzes, weites Shirt, welches zwei Reisverschlüsse jeweils auf einem Schulterblatt hatte und sich dort auch bequem öffnen ließ und somit zum Achselshirt werden könnte.

Kazuki drehte sich einmal um sich selbst. Was hatte ihm Shido da nur wieder mit gebracht?

Sollte das ein Witz sein? So schlecht wie der war, hätte er von Emishi stammen können. Er konnte sich sein schäbig grinsendes Gesicht und das höhnische Lachen schon vorstellen, wenn er ihm so gegenüber stehen würde.

Kazuki, peinlich berührt, stieg die Röte ins Gesicht. Konnte er sich in diesen doch sehr gothicähnlichen Sachen eigentlich auf die Straßen wagen?

Er musste wohl...

Nun setzte er sich noch die protzige Sonnenbrille auf, die er eben in einer der Taschen gefunden hatte und band sich die langen Haare wieder zum Zopf, bevor er die nervig klimpernden Glöckchen anbrachte.

Fertig!

Auffälliger ging's kaum mehr!

Selbst der Falke machte einen Flügelschlag zurück, als er das grausige Ergebnis sah.

"Shido hat gesagt du musst auf mich hören.", tadelte der doch sehr schwarze Fadenmeister den Vogel, während er sich nebenbei den Zettel in die eben angezogene Hose steckte.

"Komm mit, Fyon! Bitte!"

Dieser tat wie ihm geheißen, flog aber aus dem Fenster und setzte sich auf einen Baum gleich am Ausgang, um dort auf den Krebskranken zu warten.

"Na toll....hast du's gut!"

Er schob sich die schwarze, undurchsichtige Brille weiter hoch, welche wenigstens etwas die Röte bedeckte und versuchte so unauffällig wie möglich das Krankenhaus zu verlassen. Egal wie sehr er sich auch versuchte zu tarnen, er wurde ausnahmslos von jeder Person angestarrt. Er fiel auf, aber niemand erkannte den, durch die Hosen gar nicht mehr so schmächtig wirkenden, jungen Mann. Die Schwestern gingen ihm sogar aus dem Weg und wagten nicht, ihn anzusprechen.

Er schaffte es tatsächlich "unerkannt" aus dem Hospital. Triumphierend und wieder guter Dinge, da sich die Anspannung etwas gelöst hatte, schlenderte er quietschvergnügt durch den Park nach draußen.

Fyon stieß sich von dem massiven Ast ab und verfolgte seinen neuen, vorrübergehenden Meister treu, welcher sich langsam den Weg zum Tower suchte. Auf dem Weg dorthin gab es keine besonderen Vorfälle mehr. Die Medikamente schienen gut anzuschlagen.

Der etwas menschenfremd erscheinende King ging ohne zu zögern durch den ersten Bereich des regnerischen Gebiets im Mugenjou. Klitschnass kam er am Südtor an. Die Sonne vermochte nicht, sich ihm zu zeigen. Kazuki spürte, wie ihn seine gewohnte Kraft wieder durchströmte, wenn er sich hier befand. Seine Krankheit schien vergessen. Er ließ sich in eine dunkle Ecke am Eingang fallen und verschmolz durch seine neuen, ungewohnten Sachen fast gänzlich mit der vermüllten und ebenfalls dunklen Umgebung. Hier würde er warten, bis sich seine Freunde näherten und egal was sie versuchten, er würde nicht gehen. Fyon landete sanft auf der linken Schulter des Kings und breitete seine weiten Flügel zum Schutz vor dem Regen über den King aus.

"An dich könnte ich mich glatt gewöhnen.", lächelte der Langhaarige und lehnte sich etwas an den großen Vogel an, der ebenfalls näher rückte.

So verharrten die neuen Freunde. Kazuki, glücklich darüber, dass er doch einmal in seinem Leben mit einem seiner Lieblingstiere da sitzen durfte und es so nah bei sich haben konnte, schien schon wieder etwas träge, vielleicht auch müde, aber nicht schwach.

Der Falke rührte sich nicht und verharrte weiterhin treu bei seinem Meister, wie Shido es ihm befohlen hatte, schützte diesen vor dem nassen Niederschlag.

Kazuki gähnte herzhaft, lehnte sich an die, halb von einem zerstörten Dach, bedeckte Wand und beobachtete das Geschehen mit halbgeöffneten Augen aufmerksam weiter. Er fiel überhaupt nicht auf. Erst wenn man genauer hinschaute, erkannte man, dass dort jemand war. Aber lebendig schaute dieser Jemand auch nicht aus. Er verschmolz mit den anderen Menschen, die hier in letzter Zeit ihr Leben lassen mussten und schien sogar ganz froh darüber.

So verging die lange Zeit, die ihm noch blieb. Der Regen peitschte weiter auf die engen Gassen und bildete schon große Pfützen, die pechschwarz erschienen, da keine Sonne zu sehen war.

Kazuki blieb nur eine kleine Taschenuhr, um sich an der wirklichen Zeit zu orientieren, auf die er öfters ewig schaute und vor Langeweile die Sekunden zählte oder testete, wie lang er doch noch die Luft anhalten konnte.

Dann endlich war es soweit:

Halb elf.

Der junge King lauschte angespannt ins Dunkel. Seine Augen konnten keine Besucher erkennen, obwohl sie sich längst an die Umgebung und Lichtverhältnisse gewöhnt hatten.

War es denn gar nicht so, wie er gedacht hatte?

Wollten sie gar nicht hier her?

Machte er sich unnötig Sorgen?

Suchten seine Freunde vielleicht schon nach ihm?

"Fyon?"

Der Vogel hob und senkte den Kopf immer wieder nervös und angespannt.

Seine Augen schienen etwas zu sehen, denn diese fixierten scheinbar einen bestimmten Punkt.

Kazuki schwieg, versuchte der Richtung seines Vogels zu folgen, doch auch diesmal erkannte er nichts. Irrte sich das Tier vielleicht? War er einfach nur vorsichtig, hatte Hunger und hörte eine kleine Maus fiepen?

Oder etwas anderes, was er nur zu gerne hätte verspeisen wollen, weil er die ganze Zeit über nichts gegessen hatte?

Andererseits könnte es auch gut Shido sein, denn dieser schlich sich auch immer geräuschlos an und nur seine Tiere erkannten ihn.

Kazuki hielt angestrengt die Luft an, wie er es eben schon zum Spaß getan hatte. Und tatsächlich:

Irgendjemand näherte sich ihnen. Da der Fadenmeister nicht ganz so gute Instinkte und ausgeprägte Sinne wie der Falke hatte, brauchte er nur etwas länger, um den Unbekannten wahr zunehmen.

Aber da kam nicht nur einer, es waren mehrere.

"Okay", flüsterte das ehemalige Mitglied der Volts dem stolzen Greifvogel zu, "Bring dies zu deinem Meister!"

Er gab Fyon den kleinen, zerknüllten Notizzettel von vorhin und dieser packte ihn mit der rechten Kralle, nahm Schwung und stieß sich von Kazuki mit einem lauten, typischen Kreischen ab, flog knapp über den Boden hinweg.

Jetzt kam der Moment, auf den Ito no Kazuki die ganze Zeit gewartet hatte. Waren es seine Freunde, oder nicht?

"Wuah!", quietschte einer von ihnen laut auf und stieß irgendetwas um, was scheppernd zu Bruch ging.

"Ein Angriff! Nimm das Viech weg!"

"Pst!", ermahnte ihn ein Anderer leise.

"Eben! Halt die Klappe! Oder willst du gleich entdeckt werden? Du Idiot! Also echt! Das ist doch nur ein Vogel!"

"Ja, aber ein verdammt großer Vogel!"

"Für dich vielleicht, dummer Affe!"

Danach war erst einmal Ruhe. Kazuki war sich ziemlich sicher, seine Freunde in diesem amüsanten Haufen wieder erkannt zu haben, doch ein letzter Rest Zweifel blieb vorerst und er wagte nicht, sich zu erkennen zu geben. Mittlerweile atmete er wieder flach, war wie zu einer Salzsäule erstarrt. Ein Spion, welcher ganz in seinem Element war.

"Ist das nicht dein Falke, Shido?"

"Es ist seltsam, aber..."

Wieder war Ruhe.

Dann sah Kazuki den Vogel in die Lüfte aufsteigen und direkten Kurs auf ihn nehmen, bis er schließlich mit einem letzte Flügelschlag auf ihm landete und wieder kreischte, was die nicht mehr ganz so Unbekannten zielsicher auf ihn zugehen ließ.

Der Langhaarige schluckte.

Er hätte Shidos Freund eben nicht gegen ihn verwenden sollen. Ihm hätte ja gleich klar sein müssen, dass das nie gut gehen würde.

Der Beastmaster lief voran und hatte noch einen Vogel auf der linken Schulter sitzen, wessen Augen trotz der schwachen Lichteinfälle golden glänzten und abschreckend wirkten.

Hinter ihm liefen Jûbei, Emishi und Ginji, dichtgefolgt von Ban und Himiko.

"Fyon?", suchte der Beastmaster nach seinem treuen Freund, der ihn oft begleitete.

Fyon, verlässlich wie er war, wollte auch gerade wieder kreischend Antwort geben, bekam aber diesmal schnell von Kazuki den Schnabel zugehalten, was nur ein ersticktes und abgewürgt klingendes Krächzen zur Folge hatte. Es klang, wie Shido fand, nach dem sterbenden Schwan.

"Alles in Ordnung?", fragte er ins Ungewisse, während die anderen Inne hielten und hinter dem Beastmaster blieben.

Da Shidos Tiere ihm hier garantiert immer antworteten, es sei denn es droht Gefahr, bevorzugten sie es im sicheren Schatten zu bleiben, um eventuell hervor schnellen zu können und den Feind zu überraschen.

"Fyon?"

Doch auch diesmal konnte der wehrlose Vogel nur schwach krächzen und mit den großen Flügeln nach ihm schlagen.

"Wer ist da?", fragte der Schwarzhaarige nun wesentlich gefasster und streng.

"Nur ich.", antwortete Kazuki unsicher und erhob sich langsam aus der Dunkelheit, deutete gleich von weiten an, dass er keine Waffen besäße, da er die Hände offen zeigte. Dennoch gingen die Freunde in Kampfstellung, da sie den Fadenmeister nicht erkannten, wegen seiner, für ihn doch sehr seltsamen, Klamotten. Der Falke schlug noch einmal mit den Flügeln und schüttelte sich leicht, blieb aber doch auf den Schultern des jetzt missmutigen Kings sitzen, um Shido an einem unüberlegten Angriff zu hindern.

"Antworte mir.", wiederholte der Größere gereizt seine Augen auf den Falken gerichtet.

"Nur ich, Kazuki Fuchôin."

Eine kurze Zeit war nur der Regen zu hören, der plätschernd in den Pfützen niederging und diese so immer wieder erschüttern ließ.

Jûbei trat vor Shido, der immer noch nicht glauben konnte, dass diese Gestalt vor ihm sein langjähriger Freund war, obwohl er selbst ihm diese Sachen besorgt hatte.

Kazuki musterte Jûbei verstört und stupste die Zeigefinger immer wieder aneinander.

"Jûbei, ich kann das..."

"Erklären? Da bin ich aber mal gespannt."

Der Kleinere senkte denn Kopf. Eigentlich, wenn er ehrlich war, konnte er gar nichts erklären. Er war einfach nur seinen Instinkten gefolgt, wie er es nie tun durfte. Jetzt brachten diese ihn in Schwierigkeiten.

"Ich...nun...also...ich wollte...vielleicht...wegen dir...und den anderen..."

Er dachte an so vieles und wollte ihm alles erzählen, aber es kam ihm einfach nichts über die Lippen. Jedenfalls nichts, was er jetzt gebrauchen konnte.

"Was wolltest du wegen wem?", nahm der Blinde die Wortfetzen auf.

Fyon schlug ermutigend mit den Flügeln und stupste den unsicheren Zwanzigjährigen mit seinem Kopf an, was Shido mit einer erhobenen Augenbraue zur Kenntnis nahm und die Arme verschränkte.

"Es ist wegen dir. Ich will nicht, dass du stirbst. Ich weiß nicht, was hier los ist oder was ihr mir verheimlicht, aber ich bitte dich, Jûbei! Geh da nicht rein. Bitte! Mir zu Liebe."

Bevor der Braunhaarige wieder wegen seines Meisters schwach werden konnte, fasste ihm Ban auf die Schulter und trat vor ihn. Er wirkte lässig wie immer und hatte auch schon wieder eine seiner Kippen im Mund. Jûbei wollte ihm gerade ins Wort fallen und seinen Freund in Schutz nehmen, da deutete ihm der Jüngere an, die Klappe zu halten.

"Das ist leichtsinnig und behindert uns nur.", sagte Ban kühl und abweisend, blickte dabei auf Kazuki herab, "Geh zurück ins Krankenhaus und lass dich behandeln. Dein Freund kommt schon zurück."

Damit schob er den Krebskranken zur Seite und ließ ihn sprichwörtlich im Regen stehen, bevor er sich noch ein letztes Mal umdrehte:

"Du bist uns im Weg! Verschwinde."

Die anderen folgten ihm schweigend, als sie an Kazuki vorbei gingen und ihn weder anschauten, noch anderweitig zur Kenntnis nahmen, einfach nur ignorierten. Dann verschwanden sie durch das, von Ban geöffnete, Südtor in den Mugenjou und ließen den Exkönig mit sich allein.

Nur Fyon blieb bei dem im Stich gelassenen Ausgestoßenen und leistete ihm stumm Gesellschaft.

Das Einzige, was Kazuki nun noch durch den Kopf ging, waren Bans letzte Worte an ihn, bevor er in der Dunkelheit des Südtors verschwunden war:

//Du bist uns im Weg! Verschwinde.//

Epilog

Vertieft in seine eigenen Gedanken raste Ban mit seinem kleinen Käfer durch die abendlichen Straßen Tokios. Stillschweigend tropften die letzten Zeugen des Schauers auf die dunklen, schwarzen Asphaltflächen. Ban wusste noch nicht einmal genau wohin er eigentlich wollte. Er fuhr einfach nur langsam die lange, endlos erscheinende Straße weiter.

Eben noch bei Himiko zu Hause, schon so weit entfernt. Seine Gedanken kreisten weiterhin um Yamato. Wie er dort gelegen hatte; Blut überströmt und leblos. Immer wieder sah Ban dieses Bild vor seinen Augen. Warum hatte er ihn umbringen müssen? Er konnte nirgendwo mehr hin. Ziellos war er losgefahren, wutentbrannt , ohne zu wissen wohin, einfach nach Shinjuku, der schlimmsten und gefürchtetsten Gegend Tokios. Aber warum? Um sich abzureagieren? Und nun? Jetzt hatte er nur noch mehr Probleme. Was hatte er da nur wieder getan?

Nun lag der junge Anführer der gefürchteten Jugendgang "VOLTS" auf seinem Rücksitz und tropfte bzw. blutete seinen heißgeliebten Subaru 360 voll. Murrend lies Ban seinen Blick von dem Rückspiegel sinken und schaute wieder auf die dunkle und vom Regen im Licht glitzernde Straße.

Der Wuschelkopf verlangsamte das Tempo, als er endlich den Namen eines Cafés las: Honky Tonk.

Hier würden sie die Nacht irgendwie unterkommen. Für mehr reichte sein Geld nicht, denn ein Hotel wäre zu teuer gewesen.

Also fuhr der Braunhaarige rechts ran und hielt den kleinen Wagen an, bevor er behutsam ausstieg und den Sitz vorschob, um seinen "Gast" heraus zu holen.

Vorsichtig hob er den jungen Anführer hoch und trug ihn sanft in den kleinen Laden.

Paul lies langsam die schwere Zeitung sinken und hob den Kopf, um seine neuen Gäste zu begutachten.

"Was kann ich für euch tun?", sein Blick fiel dabei eher auf Ginji, der immer noch bewusstlos war.

"Ich hätte gern ein Zimmer, nicht allzu teuer.", antwortete Ban knapp.

Paul nickte zögernd und zeigte dem jungen Mann den Weg nach oben. Ohne ein weiteres Wort deutete Ban dem Ladenbesitzer an zu gehen und nachdem dieser sich aus dem Zimmer entfernt hatte, legte Ban seine "Siegestrophäe" auf eines der Betten und deckte den Blonden sorgfältig zu.

"Ich glaube, du hast dir deine Erholung verdient.", fing Ban leise und erschöpft an, während er sich eine seiner Zigaretten anzündete und tief einatmete, "Gomen nasaii, Ginji-kun.", fügte er schließlich eher wie zu sich selbst hinzu und drehte den Kopf weg. Eine weile herrschte tiefe und beinahe erdrückende Stille, die höchstens von dem flachen, langsamen Atemzügen Raiteis gestört wurde.

Der Ältere nahm schließlich den letzten Zug des leicht gebogenen Zigarettenstummels und drückte diesen dann matt in dem grünlichen Aschenbecher, der neben seinem Nachttisch stand, aus.

Dann legte auch er sich schließlich hin und ergab sich dem Schlaf.
 

******
 

Am nächsten Morgen weckten den Get Backer die hellen Sonnenstrahlen, die durch das kleine Fenster ins Zimmer schienen. Er blinzelte, immer noch müde vom Vortag, dagegen und hielt sich zuerst die Hand vors Gesicht.

Es half nichts. Müde, erschöpft und träge setzte er sich schweren Herzens auf und wuschelte sich durch seine braune Mähne, nachdem er lange gegähnt hatte.

Dann streckte er sich mühsam um auch ja die letzte Müdigkeit ab zuschütteln, was trotz allem nicht gelang.

Schließlich setzte Ban sich seine Nickelbrille wieder auf, die er kurz vor dem Schlafen auf den Nachttisch neben dem Ascher gelegt hatte und stand langsam auf.

Noch einmal streckte sich der Blauäugige ausgiebig und wandte sich dann langsam um.

Ein tiefer Seufzer war zu hören.

Es war ja klar gewesen: Der Blondy war geflohen.

War sicher auch besser so.

Ban wusste nicht wirklich, ob er ihn lieber bei sich gehabt hätte oder jetzt doch glücklicher war, sein Geldbeutel war auf jeden Fall voller.

Als der Seeigel-Kopf wieder aus seinen Gedanken erwacht war, ging er mit halbgeöffnete Augen, aus denen er sich gerade den Schlaf strich, nach draußen, um Paul für die schnelle Unterkunft zu danken und auch zu bezahlen.

Doch was er da sah, hätte er nicht erwartet:

Dort saß Raitei, den Kopf leicht gesenkt rührte er in einer dunklen Tasse, in der vermutlich Kaffee war.

Als Ban auf der letzten Treppenstufe angekommen war, schien selbst Ginji ihn zu bemerken. Er hob den Kopf leicht an und schaute den Nachkommen einer Hexe abwesend an. Dann zwang er sich zu einem leichten, aber ehrlichen Lächeln.

Ban wusste nicht was er darauf sagen sollte und ging so erst mal nur schweigend an die Theke, wo er sich neben den Anführer der VOLTS setzte.

"Einen Kaffee!", sagte er beiläufig zu Paul.

"Geht aufs Haus."

Auch Paul sah Ginji mit besorgter Miene und gerunzelter Stirn an, während er dem Braunhaarigen den Kaffee servierte.

Ban trank einen Schluck und auch während er sich die Zunge an der schwarzen und bitteren Brühe verbrannte, musterte er seinen gestrigen Gegner weiter. Seine Augen waren so klar und rein. Sie glitzerten leicht, vermutlich von den Tränen, die er versuchte zurück zu halten. Schnell wandte Jagan seinen Blick wieder ab, als er spürte, dass er ihm wohl länger in die Augen gesehen hatte, als gewollt. Nun runzelte auch Ban die Stirn und nahm noch einen großen Schluck des immer noch viel zu heißen Kaffees.

Dieser Kerl zog ihn irgendwie an; Diese Unschuld, diese große und reine Kraft, die Naivität und gleichzeitig dieser treue, ergebene Blick. Kein Zweifel; Ban war von ihm auf unerklärliche Weise einfach nur fasziniert.

Auch Ginji trank einen weiteren Schluck.

"Warum bist du noch hier?"

"ich weiß nicht recht. Warum denn nicht? Ich wollte sowieso bald gehen. Ich wollte nicht mehr dort sein, ...bei denen." Letzteres flüsterte Ginji eher kaum vernehmbar und bedrückt.

" - Bei deinen Freunden?", hackte Ban nach.

"Es ist besser für sie, wenn ich..."

Ginji versagte die Stimme und erneut füllten sich seine Augen mit Tränen, weshalb er den Kopf wegdrehte und eine Weile schwieg. Ban hingegen nickte nur leicht, während Paul durch seine Sonnenbrille über seine Zeitung hinweg dem Gespräch Gehör schenkte und sie ab und zu beobachtete.

"Wo willst du hin?"

Ginji zuckte nur die Schultern. Er wollte nicht reden, jetzt, wo er die Tränen fast besiegt hatte. Er wusste überhaupt nicht, wie es jetzt weitergehen sollte. Weder an wen er sich wenden konnte, noch wohin er gehen konnte. Er wusste nur, dass es besser für seine Freunde, für die VOLTS war, wenn er nicht da war. Und er wusste, dass er sie jetzt schon vermisste und es ihm Leid tat einfach so zu gehen ohne ein Wort. Wie gern würde er sie noch einmal sehen und sich wenigstens verabschieden.

Erneut traten Tränen in seine braunen Augen, die er schnell weg wischte.

"Entschuldige mich kurz."

Obwohl er sich bemühte seine Stimme ruhig und kontrolliert wirken zu lassen, zitterte diese gut hörbar.

Im nächsten Moment war der Herrscher der Blitze auch schon aus der Tür verschwunden.

Niemand sagte etwas bis Ban endlich seinen Kaffee ausgetrunken hatte.

"Wo hast du ihn aufgelesen?"

Paul setzte sich seinem alten Freund gegenüber und Ban seufzte tief.

"Das wirst du mir gar nicht glauben, wenn ich dir`s erzähle!"

Ban lehnte sich etwas entnervt zurück und schaute Richtung Tür, aus der Ginji gerade hinaus gegangen war.

Ban holte weit aus und fing ganz von vorn an.

Unterdessen saß Ginji auf der anderen Straßenseite im Schatten eines großen Laubbaumes. Er hatte die Beine angezogen, seine Arme um diese geschlungen und seinen Kopf bis zum Ansatz der leuchtend blonden Haare in diesen vergraben. Nun rührte er sich nicht mehr.

Nur Ban beobachtete ihn hin und wieder beim erzählen etwas Gedanken versunken und verträumt. Er sah aus wie ein blonder Engel, der einsam und allein auf Hilfe wartete und aufgefangen werden wollte. Aber noch besser war: Irgendwie gehörte er nun Ban und dieser Gedanke lies den Braunhaarigen unbewusst, aber freudig und glücklich Lächeln.
 

Behutsam schlich sich der junge Hacker an den Zimmern seiner älteren Freunde vorbei. Er wollte jetzt weder Shido, Kazuki, noch einem ihrer verrückten Anhängsel über den Weg laufen. Er wollte einfach nur schlafen. Nicht bei sich. Nein, da war er viel zu einsam, er brauchte Wärme. Er steuerte, wie sooft in letzter Zeit, das hinterste Zimmer auf diesem Gang an. Ginji, das war sein Ziel. Macubex verspürte eine Art innere Sicherheit, wenn er neben seinem Boss lag. Eigentlich würde er auch gern einmal bei Jubeis Schwester, Sakura, schlafen, aber er war viel zu schüchtern sie zu fragen. Schließlich war sie viel älter als er. Er wollte nicht für einen Schwächling gehalten werden. Es waren keine zwei Schritte mehr bis zu der ersehnten Tür und seine Augen betrachtete schon funkelnd die alte hölzerne Tür, die ihm nur noch den Weg versperrte. Seine Hand ertastete das kalte Metall, fest umschloss sie die Klinke, immer fester, bis die weißen Knochen hervortraten. Was war los mit ihm? Was war so schwer daran, eine einfach Tür aufzumachen? Mein Gott, Macubex, reis dich zusammen!

Mit einem schwach geflüsterten "Ohayo, Ginji-sama?!" betrat der kleine Junge den Raum...
 

Kazuki lag bereits seit Stunden wach, es gelang ihm einfach nicht einzuschlafen. Seit neun Tagen suchten sie ununterbrochen nach Raitei, aber er war wie vom Erdboden verschluckt. Nicht einmal mit Hilfe von Shidos Tieren, konnten sie einen Anhaltspunkt für seinen Aufenthaltsort herausfinden. Anfangs waren sie noch alle bestürzt über das verschwinden des Blonden gewesen, doch mittlerweile empfanden sie nur noch Wut und Zorn. Wut auf diesen braunhaarigen Mann, Zorn über sich selbst, da sie ihn nicht aufhalten konnten. Schließlich war er an dem verschwinden Schuld.

Kazuki drehte sich, nun schon das zwölfte Mal auf die rechte Seite und zog die große Decke bis zur Schulter hoch.

Alle Überlegungen halfen nichts. Sie hatten schon alles abgesucht. Im Mugenjou war er keinesfalls mehr. Da waren sie sich einig.

Sollten sie etwa in ganz Shinjuku nach ihm suchen?

Was, wenn er schon aus Tokio gebracht worden war oder im schlimmsten Falle sogar aus Japan?

Was hatten sie denn noch für Chancen ihn zu finden?

Sie mussten ihn schnell finden. Was sollten sie Macubex erzählen?

Ja, davor hatte Kazuki am meisten Angst. Die Nachricht hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet. Es war nur noch eine Frage der Zeit bis auch er es wissen würde.

Der Fadenmeister schloss die Augen. Er war müde und erschöpft. Und obwohl er seine Erholung gebraucht hätte, wusste er, dass er auch diese Nacht wieder nicht schlafen konnte.
 

"Macubex? Was machst du denn da?"

Der Junge drehte sich verwirrt um. Er hatte schon den ersten Schritt über die breite und knarige Türschwelle gemacht, da sprach ihn Jemand an. Es war dunkel. Er konnte nur erahnen wer es war.

"Sakura?", fragte der Kleine in die Dunkelheit.

Und tatsächlich: Die Braunhaarige trat aus der Dunkelheit hervor, zog den Kleinen behutsam zu sich und schloss danach die große Tür Raiteis.

"Was machst du hier? Du sollst doch schlafen."

"Ich kann nicht.", antwortete Macubex leicht verlegen und senkte den Kopf.

"Ginji hat gesagt, ich soll zu ihm kommen, wenn ich nicht schlafen kann."

Die Ältere nickte zögerlich und hob dann wie geistesabwesend den Kopf, um sich die dunkle, hölzerne Tür ihres Anführers an zusehen.

Nichts war so, wie vor neun Tagen und wer wusste schon, ob es je wieder so sein sollte.

Macubex jedenfalls schien dank der Dunkelheit nicht erkannt zu haben, dass Raitei nicht wie sonst um diese späte Zeit in seinem Zimmer war.

"Was hälst du davon, wenn wir Ginji-san schlafen lassen und du heute mal bei mir schläfst, hm?"

Die Wangen des jungen Computergenies verfärbten sich tief rot und er nickte schnell. Seine klaren Augen funkelten ihr entgegen und Sakura lächelte das erste Mal seit diesem Vorfall.

So gingen die Beiden, Hand in Hand, leise zurück in Sakuras Zimmer und Macubex verschwendete zumindest diese Nacht keinen Gedanken mehr an Ginji.
 

Am nächsten Tag wurde der Junge durch ein Flüstern mehrerer Stimmen geweckt. Instinktiv hielt er erst einmal die Augen geschlossen.

"Das geht nicht mehr lange gut. Wir müssen es ihm langsam sagen."

"Nein, so lange wir können, werden wir es vor ihm geheim halten! Warum sollten wir schlafende Hunde wecken!?"

"Lass die Tier Witze! Es war letzte Nacht schon knapp. Wir können nicht auch noch ihn bewachen! Außerdem ist es auffällig, dass Ginji-kun sich nun schon so lange nicht blicken lassen hat!"

"Mag schon sein, aber denk doch mal nach, Shido! Wenn wir schon nicht mit der Lage fertig werden, wie soll es ihm dann gehen?"

"Willst du es etwa die ganze Zeit geheim halten? Wie willst du das schaffen? Ein paar Wochen vielleicht noch, aber was dann?"

"Hört auf zu streiten! Das bringt uns auch nicht weiter!"

Eine Weile herrschte Stille.

Macubex verstand nicht ganz, worum es eigentlich ging. Was wollten sie ihm denn nicht sagen? Was war mit Ginji?

"Lasst uns noch ein/zwei Tage suchen, danach sehen wir weiter, okay?"

Der Junge hörte wie einer der Anwesenden aufstand, aus der Tür hinaus ging und ein Zweiter ihm folgte.

"Sakura! Pass auf Macubex auf, ja? Wir sind gegen Abend zurück!"

"Mach ich, Bruder."

Danach fiel die kleine Tür leise in das schwere Schloss und die Schritte verklungen auf dem Gang.

"Bist du wach?"

Macubex öffnete die Augen.

"Ja, schon eine Weile."

Sakura sagte nichts, aber sie machte auch nicht den Anschein, als wäre sie darüber verwundert.

"Hast du mitgehört?"

"Ja, kurz. Was ist mit Ginji? Was wollt ihr mir nicht sagen?"

Der junge King wollte sich schon aufrichten, aber Sakura drückte ihn sanft wieder zurück in das weiche, weiße Kissen und streichelte ihm liebevoll den Kopf.

"Glaub mir, das wirst du noch früh genug erfahren. Wir erzählen es dir bald, versprochen."

Sie lächelte ihm zu, aber wusste genau, dass ihm das noch lange nicht genügte.

Wenn er etwas heraus finden wollte, dann tat er das auch.

"Ihr seit in letzter Zeit alle so komisch. Und Ginji hab ich auch schon eine Weile nicht mehr gesehen."

Seine Augen funkelten die Braunhaarige an, als wüssten sie alles, als könnten sie sie durchbohren und ihre Gedanken lesen. Sie wandte den Blick ab.

"Tu mir einfach einen Gefallen und warte noch ein Weilchen."

Das war nicht die Antwort, die er hören wollte, trotzdem bejahte er sie.

Egal was es war, er würde es heraus finden. Sie konnten ihm nichts verheimlichen.
 

Jubei, Shido und Joker hatten sich unterdessen aufgemacht, erneut nach ihrem Anführer zu suchen.

Da sie im Mugenjou schon alles auf den Kopf gestellt hatten, waren sie nun daran sich in die böse weite und vor allem sonnige Welt auf zumachen.

"Sag, Jubei-han, wo hast du denn deinen Boss gelassen?"

Emishi hüpfte schon wieder wie ein Gummiball um den blinden Mann herum und freute sich über dessen engstirnige Art.

"Er kommt später nach, wollte sich noch etwas ausruhen."

Jubei war nicht nach Gesprächen und schon gar nicht mit diesem selbsternannten Komiker.

"Darfst du ihn denn aus den Augen lassen? Oh entschuldige, du bist ja blind."

Von sich und seinen Witzen fasziniert rollte sich Joker schon wieder lachend über den Boden.

"Darfst du deinen Boss denn von der Leine lassen?"

"Hä?!"

"Naja, ich dachte, du wolltest mit ihm suchen. Hast du gar nicht mitbekommen, dass Shido-san schon gegangen ist?"

Emishi schaute sich um und Tatsache: Shido war weg.

"Kyahh! Shido-sama!"

Schon war der Komiker orientierungslos in irgendeine Richtung unter den Menschenmengen verschwunden und Jubei atmete erleichtert auf. Vor Sonnenuntergang würde er Emishi nicht wieder zu Gesicht bekommen und ob dieser bis dahin seinen Boss gefunden hatte, war auch fraglich.
 

Neun Tage und immer noch kein Anhaltspunkt.

Mittlerweile neigte sich der sonnige Tag dem Abend und lies Tokio in einem leuchtenden Rot zurück. Die Sonne verschwand weit hinter dem Horizont und spiegelte sich nur noch schwach in den glänzenden Metallbauten und deren klaren Fenstern.

Schon wieder war ein Tag ins Land gestrichen ohne eine Spur Raiteis. Die Hoffnung ihn wieder zu finden, sank mit jeder weiteren Sekunde. Morgen würden es schon zehn Tage sein.

Shido war gerade wieder auf dem Weg zurück nach Mugenjou. Erschöpft und müde trottete er gemächlich seines Weges, die endlos erscheinende Straße entlang, die jetzt immer seltener von Menschen besucht wurde.

In Gedanken schon wieder zu Hause fiel ihm etwas auf.

Neben einem kleinen Café hing ein seltsam bekritzeltes Plakat: "Was immer ihnen genommen wurde, bringen wir zurück. 100% garantiert. Get Backers"

"Das is` doch `n Witz!"

Der Beastmaster schüttelte den Kopf, ging aber dennoch in das Café, nachdem er das Plakat abgerissen und näher unter die Lupe genommen hatte.

Irgendwie reizte es ihn die Leute, die das von sich behaupteten, kennen zu lernen. Vielleicht konnten sie ihm ja sogar wirklich helfen. Einen Versuch war es auf jeden Fall wert und fragen kosten ja bekanntlich nichts.

Wieder hob Paul zögerlich den Kopf und nickte dem Unbekannten zur Begrüßung zu.

"Hey Chef! Sag, sind die Get Backers hier an zutreffen?"

Shido legte ihm das Plakat auf den Thresen und deutete auf die seltsam geformten Buchstaben, die quer über das in Mitleidenschaft gezogene Papier tanzen zu schienen und irgendwie versuchten sich zu Wörtern zusammen zu finden.

"Ja, aber im Moment sind sie leider nicht da. Sie haben einen Auftrag."

"Sind wohl sehr gefragt, was?"

"Nein, nicht wirklich."

Paul schüttelte den Kopf und lächelte leicht, während Shido sich vor ihm hin setzte.

"Gibst mir `ne Cola?"

"Klar."

Schon hatte der Schwarzhaarige die schwarze, sprudelnde Flüssigkeit vor sich.

"Erzähl mal was über sie. Sind sie gut?"

"Oh ja, aber auch ungeschickt. Sie bringen wirklich alles zurück. Vom gewöhnlichen Videospiel, bis hin zu Personen. Schockierend gut. Es sind Zwei. Sie nehmen jeden Auftrag an."

Klang doch gar nicht so schlecht. Vielleicht konnte er die Beiden ja wirklich um Hilfe bitten; Natürlich nur, wenn sie wirklich so gut waren.

Shido lehnte sich interessiert zurück und schien etwas in Gedanken versunken zu sein, starrte auf die Kritzelein und nickte leicht.

"Und wie lange machen sie das schon?"

"Seit ungefähr neun Tagen."

"Neun Tage?"

Paul nickte.

War das ein Zufall?

Der Beastmaster, sichtlich interessiert und neugierig, hob sowohl die rechte Augenbraue, als auch den Kopf an, um Paul besser im Auge behalten zu können.

"Der eine beherrscht das teuflische Auge und kann damit Alpträume verursachen. Ist ziemlich nützlich. Dann hat er noch einen 200kg Griff drauf und sein Partner beherrscht Elektrizität."

Shido durchbohrte Paul fast mit seinen schwarzen, kalten Augen. Das brachte den Cafebesitzer erst einmal zum schweigen. Irgendwie fühlte er sich jetzt unwohl. Hätte er ihm vielleicht doch nichts über sie erzählen sollen?

Wer weiß, wer er war. . .

"Hat dieser Braunhaarige eine Nickelbrille und ein weißes Hemd? Und dieser andere, ist er blond und heißt Ginji?"

Shido stand mittlerweile schon und hatte sich zu Paul vorgebeugt. Seine Stimme war nicht mehr so ruhig wie gerade eben, sondern schien nun eher hektisch. Seine finsteren Augen funkelten den Anderen bedrohlich an und ließen ihn etwas zurück weichen, bis er verunsichert nickte.

"Wo sind sie?!" , langsam ging der schnelle, unruhige Ton in ein Fauchen über und Shido packte seinen Gegenüber am Kragen, zog ihn zu sich ran.

"Sie...sie haben einen Auftrag. Es geht, um eine Geigerin. Ich glaube sie heißt Otowa Madoka. Mehr weiß ich auch nicht. Wirklich!"

Shido lies Paul los und rannte, ohne zu bezahlen, die Straße hinunter zurück zum Mugenjou.

Er hatte eine Spur. Endlich, nach fast zehn Tagen hatte er einen Anhaltspunkt. Egal was dieser Bastard auch mit Ginji gemacht hatte, um ihn dazu zu bringen da mit zu machen, dafür würde er bezahlen müssen. Er würde ihn fertig machen und danach würde diese Schlange nicht mehr wagen sich auch nur den VOLTS zu nähern, geschweige denn, sich mit ihnen an zulegen. Dafür würde er, Shido Fuyuki, sorgen.



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Kommentare zu dieser Fanfic (4)

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Von: abgemeldet
2006-06-25T15:25:02+00:00 25.06.2006 17:25
Alle Achtung, ich find deinen Fanfic richtig super gemacht und hoffe das du vielleicht mal zu dem Thema nen' Doujinshi zeichnest oder ein paar Fanarts machst !
Von:  kleines_Chibi
2005-11-21T09:38:38+00:00 21.11.2005 10:38
Warum sind denn bei dir erst zwei Kappis oben?
Naja egal, sagt warum spiel ich eigentlich Beta, wenn ihr die Fehler sowieso nicht korrigiert? *murr*
Trotzdem ne durch und durch geile Story! *weiterlesen will*
Aber wehe ihr tut den Charas weh, dann erschlag ich euch!
Von:  Lady_Gisborne
2005-09-28T16:10:17+00:00 28.09.2005 18:10
Die FF ist euch beiden echt gut gelungen!
*eins geb*
^^
Ihr müsst weiter schreiben!! ;_____;
Der Schreisstile gefällt mir auch sehr gut und die einzelnen Charakter eigenschaften sind auch gut getroffen.^^
*ech beide knuff*
Von:  Miyashita
2005-09-23T13:19:01+00:00 23.09.2005 15:19
keine kommis?!
wie gemein!
das habt ihr echt nicht verdient! die ff ist super!!!! klasser ergänzung zum manga! ^.^ da könnte man nen guten dojinshi draus machen. schreibt schnell weiter, ja?
ich find die story echt super!!!! ein kommi habt ihr sicher zum nächsten kapi!!! ich empfehl euch mal weiter! ^.~
ihr könnt spitze schreiben!
weiter so!
miya


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