Popular! von *Fane* (-Magical Lovers-) ================================================================================ Kapitel 7: It's Done -------------------- Liebes Tagebuch, heute vor einem Jahr haben wir uns getrennt. In Freundschaft und Liebe. Das Baby heißt Lina Sofie. Ich weiß nicht, ob es nach mir benannt sein soll, aber wenn, finde ich, dass es eine tolle Geste von Daniel ist. Hier und heute schwöre ich mir eins, nie wieder etwas mit bekannten und berühmten, egal wie bekannt oder berühmt, anzufangen. Versprochen. "Ist die Frage nicht klar?", seufzte Frau Meisling nach fünf Minuten, während Micha der Arm lahm wurde. "Na gut, na gut, Micha?" Michas angenehm tiefe Stimme erklang im Raum. Er war einfach der Beste in Mathe, während wir nur daneben saßen und staunten, wenn er redete. Er hatte mittelblondes etwas längeres Haar, sodass ihm der Pony immer niedlich ins Gesicht wuschelte und ein paar Millimeter seine Augen bedecken würden, wenn er sie nicht immer zur Seite streichen würde. Ich glaube er hat grüne Augen, ja grün. Na ja, so genau weiß ich das nicht. Er kam aus einer anderen Klasse, als wir für die Oberstufe gewürfelt wurden, daher hatte ich auch noch nie mit ihm geredet. Mathe war, neben Deutsch und Englisch, mein einziger Kurs mit ihm. Er saß merkwürdiger Weise in allen drei Fächern in meiner Nähe. Meist saß er schräg recht vor mir. Er war so ein Streber, irgendwo, er hatte immer gute Noten, wo anderen schon maulen würden oder sagen würden, dass sie so ein Mist nicht interessiert, aber nicht bei Micha. Er war anders. Wenn er in den Pausen mit den anderen redete und lachte, schien er jemand völlig anderes zu sein. Nicht ernst, eingebildet und unnahbar, wie er im Unterricht zu sein schien, nein, menschlich, auch mal kindisch und vor allem freundlich, nett und hilfsbereit. Ich hätte es fast nicht glauben wollen, als Marie mir erzählte, dass sie ihn gefragt habe, ob er in den beide Mathestunden, wohlgemerkt erste und zweite, nicht kommen wolle. Sie hatte da ein paar Aufgaben, die sie nicht raus bekam und ob er mal drüber sehen würde. Er kam tatsächlich zu zweiten. Das hätte ich wirklich nicht von ihm gedacht. Irgendwie fühlte ich mich neben ihm klein, schwach, ja fast minderwertig, da ich, wenn ich mal mit ihm sprechen würde, viel zu viel Angst hätte etwas falsches zu reden oder Stuss zu labbern, weil er ja eben- na ja, weil er eben in einer anderen Liga spielte und (wahrscheinlich, also eigentlich zu 100%) auch dachte. Wenn es ein Wort geben würde, was Micha beschreiben sollte, dann wäre das Naheliegenste einfach nur "schön" in allem was er tut und wie er aussieht. Alles war schön. "Janine, wir hatte doch nichts in Religion auf oder?" "Glaub nicht", sagte sie, zuckte mit den Schultern und biss von ihrem Apfel ab. "Okay, ich hab nichts gemacht", sagte ich und setzte mich neben sie auf meinen Platz. In diesem Moment setzte sich meine Freundin Jenny neben mich und sortierte ihre Sachen. "Na, Lieblingsstunde der Woche?" "Mhm", machte ich nur. Ich hatte gerade mal gar keine Lust auf Religion. Nicht wegen dem Fach oder weil ich nicht gläubig war oder so, nein, wegen der Lehrerin. Sie war seit vier Monaten die Vertretung für einen noch schrecklicheren Religionslehrer und alle dachte, dass sie es besser machen würde- Fehlanzeige! Es klingelte und auch der kleine Rest unseres sowieso schon geschrumpften Kurs, wir waren zwölf Leute, setzte sich. "Hier, schön voten, ne?", sagte Nick zu Melanie, die schräg rechts von mir saßen und reichte ihr einen kleinen Zettel. "Hm? Ach ja, klar, kein Problem", sagte sie und wollte den Zettel gerade wegpacken, als Lea, unterwegs zu ihren Sitzplatz in Melanie aus der Hand riss. "Na, was ist denn das? Ein Liebesbrief? Ach so", sagte sie mit einem Blick auf den Zettel, "der Votingzettel von ,Done'", meinte sie dann lediglich und gab ihn Melanie zurück. "Wer?", fragte ich Janine noch, doch da hatte unsere werte Religionslehrerin schon um Ruhe gebeten. Liebes Tagebuch, nein eigentlich will ich das nicht schreiben, aber es ist so und eigentlich ist es so schrecklich... ICH LIEBE MICHA!!!!! "Na Micha, hast du sie abgeholt?", fragte Tine Micha. Ich horchte und sah unauffällig auf. Micha schüttelte den Kopf über seine Wasserflasche. "Ne, wir haben uns dann aber Abends noch gesehen", sagte er und verließ mit dem Pausenklingeln den Raum. "Seine Freundin", zählte ich eins und eins zusammen. Tine nickte. "Wo war sie denn?", fragte ich. Tausend Gedanken schwirrten mir im Kopf rum und vor allem: Lass dir nichts anmerken!! "Ach, die war in Kanada ein Jahr." "Austausch in der Elf, oder wie?", fragte ich wieder nach. "Mhm", sagte sie und überflog ihre Notizen der letzten Stunde. Liebes Tagebuch, wie schrecklich, er hat eine Freundin... ach quatsch, natürlich hat er, dass hätte ich mir auch denken können, aber ich wollte es nicht wahr haben... "Ne, ich geh schon hoch zu Bio", sagte ich schnell, als mich Jenny noch mal mit zum elfer Schulhof schleifen wollte. Ich nahm meinen Ordner unter den Arm und stiefelte gemütlich den Flur entlang. Schon schön, wenn man als Oberstüfler immer drin bleiben darf und kein Lehrer dich rausschmeißen kann. Mein Blick schweifte an die Pinnwände, die den ganzen Flur rechts befestigt waren. Von Berufsausbildung, Austauschen bis- Ich ging unbemerkt langsamer, da auch einem Plakat groß "Done" prangte und schlagartig erinnerte ich mich an die Szene in Religion. "Votet für ,Done'!" stand dort groß und darunter die Website, die ich mir merkte, mal sehen, was es sich mit "Done" auf sich hatte. Am späten Nachmittag ging ich, bevor mein Vater kam und nachdem meine Mutter mit Mara einkaufen gefahren war, ins Internet. Ich kam recht schnell auf die Website von "Done". Ich erschrak, mir wäre fast das Herz stehen geblieben. Auf einem großen Foto prangte Micha! Und Nick und noch zwei andere Jungs. Ein Braunhaariger, der auch ganz niedlich aussah und noch ein anderer Braunhaariger, der aber eher nicht so mein Typ war. Ich hätte schreien können, Micha spielte in der Band "Done"!! Ich klickte mich durch die neuen und alten archivierten News durch und mein Erstaunen wuchs. Die Band bestand schon seit drei Jahren und hat schon bei ein paar Rock-Konzerten mitgespielt und war auch schon Vorband von einer berühmten Rockband. Im letzten Herbst waren sie sogar mal zu einer Art Casting in Hamburg und erhielten einen Sonderpreis für die gute musikalische Leistung in so jungem Alter, den es vorher noch nicht gegeben hatte. War diese berühmte Band einfach so an mir vorbei geschlittert? Obwohl ich mit Nick schon seit zwei Jahren Religion hatte und mit Micha seit diesem Schuljahr alle Hauptfächer!! Ich war wohl zu viel in England, dass ich solche Sachen mitbekommen könnte oder- ach was weiß ich... Ich stieß auf Fotos. Mir lief es heiß den rücken runter. Drei davon waren nur von Micha-, bevor ich weiter schwärmen konnte, druckte ich sie mir schnell aus, da Dad jede Sekunde kommen könnte und dann an den PC muss und er wird sicherlich dumme Fragen stellen, die ich vermeiden wollte. Nach und nach entpuppten sich auch viele meiner Freundinnen, als "Done"-Fans oder wenigstens als solche, die "Done" kannten. "Ja, die kenn' ich", gesteht Svenja, die ich in meiner Straße wohnt und die ich immer nur morgens am Bus sah, "die haben mal auf einem Punk-Rock-Konzert in der Stadthalle gespielt." "Die beiden Gitarristen sind bei mir in der Stufe. Mit dem einen hab ich Reli und mit dem anderen die Hauptfächer", erklärte ich. "Und der Sänger?", fragte sie. "Nein, der ist nicht bei mir in der Stufe." Sie grinste. "Der sieht total gut aus und der hat eine total gute Stimme." "Ich weiß nicht, ich hab noch nie Songs von den gehört", meinte ich nur. "Gibt's die nicht im Internet zum runterladen?", fragte Isabelle aus meiner Stufe, die mit Cathy gerade zu uns stieß. "Worum geht's?", fragte Cathy sofort. "Um die Band ,Done'", weihte Svenja sie ein. " ,Done'? Tom aus meiner Klasse, der ist da Schlagzeuger." Na toll, dachte ich, und meine beste Freundin, die ich schon seit Kindertagen kenne, sie war aber ein Jahr jünger, erzählt mir nichts von "Done". Liebes Tagebuch, es gibt einfach nichts zu sagen. Ich liebe ihn nur! Meine erste Liebe nach Daniel. Cathy fragte Tom, ob er eine CD von den "Done"-Songs hätte und ob er die ihr mal leihen könne. Er konnte. Ich lud mir das Lied auf den PC, er hatte nur das Lied "Eintönig" darauf gezogen, da die anderen Lieder noch nicht im Studio aufgenommen wurden, sondern nur Mitschnitte aus Konzerten waren. Ich liebte dieses Lied. Die wunderschöne Stimme des Sängers, er hieß Frederick, und die Gitarren im Hintergrund, die dem Ganzen den Schliff verpassten. "Sophia, wir wollten dich was fragen", sagten sie und mir sank das Herz in die Hose. Micha und Nick standen vor mir. "Ja, klar", sagte ich perplex. Micha räusperte sich und sah Nick an. Nick nickte. "Okay, also, wir wollten fragen, ob du für unsere Band ,Done' vorsingen möchtest", ertönte Michas wunderschöne Stimme. Er redete mit mir! "Ähm, ich-", sagte ich, mehr fiel mir nicht ein. "Hier stehen die Daten drauf, wenn du kommen möchtest", sagte Nick und drückte mir einen Zettel in die Hand, wo "20.03. in Halle 2 in den Konzerthallen am Marl-Dom" drauf stand. "Aber wieso- warum ich?", rutschte es mir raus. "Na ja, wir haben gehört du kannst gut singen und wir brauchen für ein paar Lieder ein Sängerin", erklärte Nick lächelnd. "Überleg's dir", sagte Micha und sie gingen in den Klassenraum. Mein Gesicht war immer noch heiß, mein Herz klopfte wie verrückt und ich konnte es selbst noch gar nicht begreifen. Ich sang sehr gerne, aber gut? Na ja, ich weiß nicht. "Sophia, ist alles in Ordnung?", fragte mich Alice plötzlich, mit der ich schon seit Monaten nicht mehr geredet hatte. Sie hatte neue Freunde, ich hatte neue Freunde. "Ja, ja, natürlich", sagte ich und ging rasch zum Unterricht. "DU?!", schrie Mara am Esstisch. "Ja, ich", sagte ich durch das Gelächter meiner Schwester. Meine Mutter sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. "Gehst du hin?" "Ich denk schon, aber ich hab keinen Schimmer was ich singen soll. Es muss auf jeden Fall eine mittlere Stimmlage haben!" Mara goss sich Orangensaft ein und war sehr amüsiert. "Du kannst gut singen, Sophia, ich drück dir die Daumen. Du schaffst das", ermutigte mich meine Mutter. Ich musste mir jedoch keine Sorgen um den Titel machen, da mich Nick am Tag darauf anrief. "Nick? Von der Band?", fragte ich meine Mutter, als sie mir den Hörer reichte. "Ich denke", sagte sie und eilte aus meinem Zimmer. "Hallo?", sagte ich deshalb nur. "Hier ist Nick, hi Sophia", meldete er sich. "Hast du es dir überlegt?", fragte er prompt und ohne zu zögern. "Ja, ja ich würde gerne vorsingen", sagte ich zu. "Ich sage dir jetzt ein paar Titel von denen wir möchten, dass du einen vorsingst. Ach ja und du hast zwölf Konkurrentinnen, falls es dich interessiert. Also die Titel wären dann..." Britney Spears, Born to make you happy, Madonna, American Pie, Elton John, Can you feel the love tonight oder Whitney Houston, I will always love you. Vor mir lagen vier Titel und ich mochte eigentlich alle, aber ich wusste genau welchen ich nehme. Den "König der Löwen" fand ich schon immer toll und ich glaube er passt auch sehr gut zu meiner Stimme, meine Mutter stimmte ebenfalls dafür. "Toll, du hast gut gesungen. Das wird schon. Was hast du verlieren? Du wirst morgen alles geben und wenn sie dich nicht wollen, trällerst du mir einen vor", bestärkte meine Mutter mich. Ich umarmte meine Mutter. Ich werde morgen mit soviel Gefühl singen, nahm ich mir vor, nur für Micha. Can you feel the love tonight, .... .... .... Sang ich und sah dabei auf Micha. Ich liebe dich, wollte ich damit sagen. Die Halle war recht klein, meine Stimme erschalte. Micha, Tom, Nick und Frederick sahen mich an und hörten mir zu. Ich fühlte mich, als würde mir mein Körper nicht mehr gehören, mir war heiß und kalt zugleich und alles schien sich zu drehen, um mich und um Micha. "Leave the...", stimmte ich die letzten Töne an und das Klavier verstummte. Plötzlich herrschte Stille. Frederick und Micha begannen zu klatschten, Tom und Nick stimmte mit ein. Ich lächelte und hoffte nicht rot zu werden. Frederick kam zu mir auf die Bühne, bevor ich sie verlassen konnte. Alle sahen ihn verwirrt an. "Können wir den Song, so die erste Minute, mal zusammen singen?" "Au ja!", rief Tom plötzlich, weshalb alle lachen mussten. Wir stimmten an, das Klavier begann. Es war, als stünde meine männliche Hälfte neben mir. Unsere Stimmen passten herrlich zusammen, wie ich fand. "Okay, ab jetzt kann ich den Text nicht mehr", brach Frederick ab. "Du hast den Job", sagte er dann plötzlich. Er wandte sich zu seinen Bandkameraden um. "Ihr habt doch nichts dagegen, sie war die Beste und wir passen gut zusammen", überzeugte er sie, aber wie es schien war es gar nicht nötig, da sie schon neben uns auf der Bühne standen und einstimmten. "Willkommen im Team", sagte er und umarmte mich. Nach ihm auch Micha. "Sophia, Sophia! Wahnsinn!", rief Svenja nach dem Wochenende morgens am Bus. "Ich hab's gerade in dem Lokalteil gelesen! Du bist Sängerin bei ,Done'!" "Echt?", kam es von Cathy. "Echt?", kam es von Isabelle. "Echt", kam er dann von mir. "Woah", kam es von allen gleichzeitig. "Wie ist Frederick denn so?", fragte Svenja prompt. "Nett, sie sind alle total nett." "Ich mag Micha nicht, der elende Mathestreber", bemerkte Isabelle. "Äh, der ist eigentlich ganz nett", sagte ich nur und sah, dass Cathy grinste. Es sprach sich natürlich sehr schnell rum, dass ich bei "Done" sang. Micha lächelte mich manchmal zu, wenn sich unsere Blicke trafen. Jedes Mal wurde mir heiß und kalt und heiß und kalt, bis er weg sah oder ich mich durchringe (letzteres war nie der Fall). Ich glaube, dass er mich zum ersten Mal wirklich bemerkt hat, dass er von meiner Existenz gewusst hat. Sonst hatten wir nicht mal ein Verhältnis, ich glaube, wir hatten uns vorher noch nie unterhalten oder ein Wort ausgetauscht. Weder ein "Gesundheit", noch ein "Guten Morgen", obwohl wir so recht viele Kurse zusammen hatte. Mir kam er immer so weit weg vor, doch nun war er mir näher, als wir es je zuvor waren. "Dad, wir haben gleich Probe, kannst du mich vielleicht fahren?", bat ich meinen Vater, der die Sportseite in der Zeitung studierte. "Was, jetzt noch?", sagte er und sah auf die Uhr. "Es ist kurz nach sechs", stellte ich fest. Er rückte seine Brille zurecht. "Ja schon, aber eher ihr fertig seid-, das dauert doch sicherlich auch einige Zeit, oder?" Ich hielt meinen Rucksack, der vorher neben mir auf dem Boden gelegen hatte, hoch. "Wir übernachten bei Frederick. Bei ihm ist im Keller der Proberaum-" "Im Keller? Die armen Eltern", unterbrach er mich. "Lass mich doch ausreden!", bat ich, "Sein Vater ist Pianist und er nutzt den selbst, weshalb er relative Schalldicht ist, meinte Nick." "War auch nur ein Witz, also gut, ich fahr dich, wo wohnt er denn?", sagte er und faltete die Zeitung zusammen. "Ähm, in der Altbausiedlung. Nahezu das letzte Haus, oder so. Ziemlich am Wald, ich hab die Adresse aufgeschrieben", sagte ich schnell noch und wir liefen dann raus, um das Auto aus der Garage zu holen. Vielleicht merkte man es mir nicht, zumindest hoffte ich das, aber ich war so aufgeregt, dass ich Angst hatte, mein Vater könnte mein Herz schlagen hören. Ich hatte vorhin so salopp gesagt "Wir übernachten bei Frederick", aber so salopp dachte ich darüber gar nicht. Ich übernachtete schließlich auf mit Micha bei Frederick. Plötzlich stoppte Vater, ich sah ich erschrocken an. Er sah fragend zurück. "Hier ist es doch, oder?", fragte er und sah raus. "Ja, ja klar", meinte ich und wollte aussteigen, als mein Vater mir die Hand gab. Ich fühlte etwas in meiner Hand, dessen Rand meine Handfläche kratze. Ich öffnete sie kurz und steckte das Kondom in die Hosentasche. "Papa", sagte ich und grinste. Er grinste zurück. "Viel Spaß und sing richtig!" "Klar, bis-" "Soll ich dich abholen?", fragte er schnell dazwischen. "Ja, nein", sagte ich unentschlossen, "ich ruf dich an wenn, ja?" "Gut, bis dann." Ich ließ die Autotür ins Schloss fallen und atmete tief ein und aus, danach klingelte ich bei "Rieser". "Hey, Sophia, komm rein", öffnete Frederick mir. Leise hörte man Musik durch Haus schallen. "Hi", sagte ich lächelnd. Er sah verdammt cool aus, er hatte nur eine Boxershorts an und ein Shirt. Er folgte meinem Blick und lachte: "Wunder dich nicht, wenn ich sing und spiel, steh ich nicht so auf Jeans und Pullover. "Kein Problem, aber auf der Bühne-" "Hab ich was anderes an", ergänzte glücklicherweise. Frederick lief vor, runter in den Keller, wo ich Tom, Nick und schließlich auch Micha begrüßte. Er war leicht geschwitzt und sah in dem hellblauen Poloshirt einfach nur gut aus. "Du hast unseren Song ,eintönig' schon mal gehört?", erkundigte sich Nick. "Klar, Tom hat mir mal die CD geliehen", erklärte ich. "Ich?", fragte Tom irritiert. "Ja, du hast sie doch Cathy-" "Ach so, ach so, ich wusste nicht, dass du da auch noch mit zusammen hängst", sagte er grinsend. "Gut", meinte Frederick dann (Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Micha einen Schluck aus der Wasserflasche nahm), "ich denke wir fangen an." Ich nahm den Songtext in die Hand und lass erst mal nur mit: Bridge: Du träumst von Bahamas, weil es dort immer wieder was zu erleben gibt, dann träum weiter... Refrain: Es ist immer dasselbe, den ganzen Mist von vorn, was schwarz ist, das bleibt schwarz, Tag für Tag, eintönig. Strophe 1: Ich denk an dich, doch das ist immer das gleiche, Schluss aus, ich brauch' ne Veränderung, doch du bist da genauso falsch, wie ich es hier bin, ich glaub ich bin im falschen Film Bridge Refrain Strophe 2: Alles dreht sich, nichts geht gerade aus, mein Kopf platzt, yeah, ich will hier raus. Immer schwarz-weiß kariert, niemals bunt gefleckt, ich pack es nicht, und du kannst mir auch nicht helfen. Bridge Refrain Bridge 2: Kapier's es geht nicht, du bist gefangen, in deinem eigenen Körper, im Teufelskreis ge-fangen!! 2 x Refrain "Gut, alles klar?", fragte Frederick, "Tom gibt den Einsatz mit den Stöcken." Tack, tack, tack und- Ich setzte ein und gab mein Bestes, doch meine Einsätze waren immer zu spät und mein Tempo zu schnell. "Stopp, stopp, Schluss", brach Frederick ab, "wir machen Pause", sagte er mürrisch und verließ den Proberaum. "Sorry, Leute", sagte ich zu den Übrigen, die sich rechts und links zu mir auf die Bank setzten. "Mein Gott, was erwartet Frederick? Wir haben unsere erste Probe", tröstete mich Micha, was mir einen Schauer über den Rücken einbrachte. "Rick ist Perfektionist und Hektist, oder so, bei ihm muss alles perfekt und schnell gehen", ermunterte mich auch Tom. "Aber sie kann sich schon mehr Mühe geben", sagte Nick nach einer Pause dann plötzlich, mit dem Rücken zu mir, in die Stille. "He, sei doch nicht so gemein", verteidigte Tom mich. Er war echt lieb. "Schon gut, ich hab verstanden", sagte ich und nahm mir noch mal die Noten mit dem Text. Ich lieh mir Toms CD-Player aus und ging den Song noch mal durch. Wenn ich den Song mit Fredericks Stimme hörte, war das kein Problem, doch ohne war es schon nicht so einfach, da das Lied recht schnell war und immer hin drei Gitarren und ein Schlagzeug zu hören war. "Spielt ihr mal?", bat ich die Drei, da Frederick noch nicht wieder da war, "Ich will es mal probieren." Es ging einiger maßen gut, zum Schluss war ich ganz gut drin. "Aha. Geht doch", sagte Frederick, der in der Tür stand, nach dem Schlussakkord. "Wir proben noch so ne halbe Stunde und dann können wir hoch kommen, meine Mutter hat Spagetti gemacht." Verschwitzt setzten wir uns an den Esstisch der Familie Rieser. "Hallo, ich bin Alena, du kannst mich ruhig duzen", stellte sich Fredericks Mutter mir vor, "Bedient euch ruhig schon", sagte sie zu den Jungs, die höflich noch nicht angefangen hatten, jetzt aber zugriffen. Alena setzte sich zu uns. Ich fand, dass sie für eine Mutter nicht schlampig, aber cool aussah und vor allem wirkte sie unheimlich, gerade mal 35 oder so, würde ich sagen. "Ich hab die Gästebetten in Riccis Zimmer gemacht. Ich hoffe du hast nichts dagegen bei den Jungs zu schlafen", fragte sie dann an mich gerichtete. Die Jungs grinsten, während ich kauend den Kopf schüttelte. "Ja ja, lasst euch bloß keine Dummheiten einfallen. Hendrik und ich schlafen neben an, nebeneinander", betonte sie, als wir schon grinsen mussten. "Klar Mama", sagte Frederick und schob sich weitere Nudeln rein. "Du kannst einen fast Leid tun, Sophia, mit solchen Chaoten ,arbeiten zu müssen'", sprach Alena ihr Mitleid aus. "Haha", lachte Frederick trocken, "ach und nenn' mich nicht ,Ricci', dass hört sich an wie ein Mädchen", fiel ihm jetzt erst ein. "Deine Haare sind schon so lang, du könntest fast als-" "Quatsch! Ich hab sie nur nicht stoppelkurz!", bestand Frederick darauf, "Micha fällt der Pony auch ins Gesicht", rechtfertigte er sich. Micha sah mit großen Augen von seinem Teller hoch in die Runde, so dass wir lauthals lachen mussten. Er lachte mit. Was für ein süßes Lächeln er hatte, dachte ich still in mich hinein und starrte ihn immer wieder kurzzeitig an, wenn er beschäftigt war und die anderen es nicht bemerkten. Nach dem Alena uns noch Eis spendierte und wir ihr versicherten, dass wir nicht bis spät in die Nacht, den Nachbarn zuliebe, probten, da ihr Mann und sie in die Spätvorstellung des Theaters gingen, spielten wir weiter. "Okay, Leute, Schluss! Das war gut, echt ma", lobte Frederick und wir klatschten. Es passte alles. Mein Einsatz, das Tempo und Fredericks und meine Stimme harmonierten super miteinander. Nick machte sich zum krönenden Abschluss einer gelungenen Probe ein Bier auf und reichte Frederick und Tom und Micha eins. Ich schüttelte den Kopf. Ich wartete auf ein dummes Kommentar, doch es kam keins, weshalb ich erleichtert war. Er nickte nur. "Hey, hey", sagte Frederick plötzlich, nachdem er sich einen Schluck aus seiner Flasche nahm. Er surfte gerade im Internet. "Ich hab eine E-Mail bekommen. Von "Talents 007", sie fragen an, ob wir teilnehmen wollen!", jubelte er. "Wahnsinn!", rief Tom aus. "Talents 007?", fragte ich nach einer Pause irritiert in die Runde. "Ja, das ist eine Art Casting für gemischte Bands, in welchem Verhältnis ist egal", fügte Micha hinzu (mein Herz raste), "und wir hatten angefragt, da du ja jetzt dabei bist, ob wir teilnehmen dürfen. Die nehmen nämlich immer nur achtzig bis hundert Bands aus ganz Deutschland. Eingeladen worden zu sein ist schon klasse", fand er. Zwischen durch durfte ich immer wieder in seine wunderschönen grünen Augen sehen. "Wo ist denn das erste Konzert?", wollte Nick wissen. "Sofort, sofort...", sagte und tippte etwas, "ähm... wir sind... oh, auf Rügen", stellte er ein wenig verblüfft fest, "oh ach ja, das Motto ist ,Rock das Kaff'." "Ach so", sagte Tom. Ich schloss daraus, dass es wohl nicht üblich war, in solchen "kleinen" Gegenden zu spielen. Vielleicht hatten sie ja München oder Berlin oder irgend so was erwartet. "Die zahlen Hin- und Rückreise nur für die Unterkunft, ähm, für vier Tage, müssen wir selbst aufkommen", erklärte Frederick. "Das fängt Ende April an. Also wir müssen vom 10. Mai bis zum 14. Mai hin." Ich schluckte. Wahrscheinlich war "Done" schon vor Tausend Leuten gespielt, aber für mich war das alles total neu. Auch wenn dort oben vielleicht nur zehn Leute standen. "He", sagte jemand plötzlich, dessen Arm sich auch um mich legte. Es war Michas. "Mach dir keine Gedanken, du weißt nicht wie schief Frederick bei unseren ersten Konzert gesungen hat." Ich lächelte schwach. "Wie? Hab ich gar nicht-", wand er ein und stoppte, als Micha ihn ansah, "oh, äh, ja stimmt", gab er unglaubwürdig hinzu. Micha nahm seinen Arm wieder runter und trank einen Schluck. "Jungs, äh, Leute", sagte Frederick lachend, "wenn wir das packen und einen Förderpreis oder so kriegen oder- Leute, dass wäre genial, wir müssen uns total anstrengen!" "Jep, am besten wir proben jetzt jeden Tag. Nur so' ne Stunde oder so", schlug Nick vor, "wir müssen sowieso noch neue Songs schreiben und einmal die Woche reicht da nicht." Ich schluckte. Jeden Tag... na ja, wenn es so sein soll. "Okay, jeden Tag, ähm, um vier bei dir dann immer, Fred?", erkundigte sich Tom. Frederick nickte über seine Bierflasche hinweg. "Geht das okay? Sophia?", fragte Micha mich in meiner Trance. "Ja, klar, natürlich", antwortete ich sofort überschwänglich. "Gut", meinte Frederick, klappte den Laptop zu und stand auf, "ich denke wir hauen uns hin, oder?" Zustimmend trottenden wir hinter Frederick her. In seinem Zimmer, dass jungentypisch unordentlich war (es sah aber so aus, als hätte Alena versucht, Ordnung rein zubringen), war die Schlafcoach neben Fredericks Bett für zwei Personen gemacht, daneben waren noch zwei einzelne Gästebetten nebeneinander gestellt. Zum Schluss musste die Jungs auch noch losen, wer der drei zusammen im "Doppelbett" schliefen. Ich wurde dabei natürlich nicht berücksichtigt. Die Wahl fiel auf Tom und Nick. Daneben Micha, daneben ich. Ich nahm meine Sachen mit ins Bad und zog dort meinen Schlafanzug an, kämmte mir die Haare und sah später die Jungs in Boxershorts und Shirts im halb abgedunkelten Zimmer auf ihren Betten sitzen. Ich stellte meinen Rucksack neben mein Bett und wir schlüpften unter die Decke. "Nacht." "Gute Nacht." "Uah, Nacht." "Gut' Nacht", ertönte auch Michas Stimme. "Nacht", sagte ich auch und ich glaube, ich schaute die ganze Nacht auf den wunderschönsten Hinterkopf den es gab. Ich hätte fast unwillkürlich geschrieen, als ich das Gesicht sah, das ich vor ein paar Sekunden im Traum noch gesehen und geküsst hatte. Micha war zu mir auf die Seite gedreht. Es war kurz nach Sechs, wie ich mit einem kurzen Blick auf Fredericks Wanduhr feststellte. Ich rührte mich nicht und sah Micha einfach nur an. Er war so schön und mein verlangen wuchs, ihm einfach mit den Fingern durch die vollen Haare zugehen und seine schönen Lippen zu küssen. Ich nahm meinen Collegblock und einen Kuli leise aus meinem Rucksack und legte mich auf den Bauch, den Block vor mir. Niemals, schrieb ich. Bridge 1: Verfluche mich, wenn du es brauchst, deinen schönen Augen werd ich missen... Refrain: Ich war niemals dein, und ich hab niemals dran geglaubt, dass du das dachtest. Ich war niemals nur für dich da, das hast du nur geglaubt, und jetzt ist es, aus. Strophe 1: Schön, wie ihr da saßt. Nur ihr zwei, mein Herz in zwei. Doch wenn du es so haben willst, dann heul' dir danach nicht die Augen aus, denn ich, hab's nicht so gewollt. Refrain Strophe 2: Wenn du denkst, ich bin so naiv, dass ich es nicht kapier', ein Grund mehr, Schluss zu machen, denn Gefühle waren früher mal im Spiel. Bridge 1 Refrain Bridge 2: Ich bin für dich kein Spiel, kein- "Nicht schlecht", erschrak Micha mich, als ich total vertieft den Songtext schrieb. Er kniete sich neben mich und las zu Ende. "Find ich gut." "Aber wir werden den Text wenn sowieso hier und da umändern müssen, ich meine, wegen den Noten und so", flüsterte ich zurück. Halb geschmeichelt, halb hoffend nicht rot zu werden, da sein nacktes Knie meinen Oberarm berührte. "Komm wir gehen runter und lassen sie noch etwas pennen", schlug Micha vor und ich lief hinter her. "Nimm den Text mit", rief er leise und ich schnappte mir den Block und machte die Tür hinter mir zu. Wir gingen die Treppen runter und setzten uns im Wohnzimmer auf die Coach. Micha las sich den Text noch mal durch. Ich sah ihn dabei nur, mehr oder weniger unauffällig, an. "Hier, die Stelle", sagte er mit Blick auf den Zettel und deutete mit einem Finger auf die Stelle. Er beugte sich zu mir und ich sah nur ihm ins Gesicht. Er sah zu mir auch. Unsere Gesichter waren sich sehr nahe. Mein Herz klopfte. Ich spürte seinen Atem. Meine Nase strich kurz an seine weiche Wange. "Ähm", machte ich unwillkürlich. Wir zuckten beide zurück. "Schreibst du die zweite Bridge?", fragte er hastig. Mein Herz klopfte immer noch wie verrückt und meine Hand zitterte, während ich die Bridge 2 ergänzte: Bridge 2: Ich bin für dich kein Spiel, kein einziges Mal, hab ich auch nur an eine gemeinsame Zukunft gedacht, ich habe nie an mehr gedacht, und es war wie abgemacht. "Dann den Refrain noch mal. Vielleicht ein Zwischenspiel und dann noch mal der Refrain oder so", erklärte ich mit zitternder Stimme. "Hey, hat dir Frühschicht schon begonnen?", fragte eine Stimme im Hintergrund. Nick, Tom und Frederick trotteten die Treppe runter. Micha und ich lachten. Micha nahm mir den Block aus der Hand und zeigte ihn den anderen, was mir irgendwie peinlich war. "Cool, dann können wir ja gleich Noten dazu schreiben", meinte Frederick. Doch danach zogen wir uns um und aßen dann erst mal Frühstück. "Zu hoch, mach noch mal eine Oktave tiefer", fand Nick. "So?", fragte Frederick. "Besser", meinte Nick und hörte sich die Passage noch mal an. Tom nickte im Takt. "Lass mal Pause machen", bat Frederick, der schon ein paar Schweißperlen auf der Stirn hatte. "Gut", sagte Micha und stellte die Gitarre in den Ständer, "ich geh dann eben aufs Klo." Frederick nickte und setzte sich neben mich auf einen Stuhl. Er trank einen Schluck aus der Wasserflasche, was Tom ihm gleichmachte und sah mich eindringlich an. "Zwischen Micha und dir, läuft was, oder?" Die Frage war so gestochen scharf, dass mir der Inhalt einen kalten und einen heißen Schauer bescherte. "Ähm", machte ich nur und sah zu Boden. "Du weißt, dass Micha eine Freundin hat, oder?" "Ich weiß", sagte ich sehr leise. "Wie war's?", fragte mein Vater, als er mich abholte. "Gut, wir treffen uns jetzt jeden Tage eine Stunde bei Frederick. Um Vier. Aber du musst mich nicht immer fahren. Mit dem Fahrrad oder dem Bus bin ich schnell hier", beruhigte ich meinen Vater, als er gerade etwas sagen wollte. "Das meinte ich gar nicht", sagte er lächelnd, "Kommst du denn mit den klar? Sind die Jugendfrei?" "Papa", sagte ich lachend, "ja, die sind voll okay, ach und das Kondom kannst du wieder-", ich wühlte in meiner Tasche, "oh mist, ich hoffe nicht, dass ich es bei Frederick hab liegen lassen", befürchtete ich. "Und wenn schon, es könnte doch genauso ihm gehören, oder?" Nach einer kurzen Pause fingen wir beide an zu lachen. Liebes Tagebuch! Micha und ich haben uns fast geküsst... bin ich schuld, wenn seine Beziehung in die Brüche geht? Ich kenne sie ja nicht mal, ich weiß nur, dass es sie gibt. "Hallo", grüßte ich die anderen und setzte mich auf die Bank. Ich nahm meinen Block heraus und grübelte über den Text, während die Jungs neue Passagen probierte. Verstohlen blickte ich immer wieder zu Micha, der beschäftigt war und mich nicht beachtete. Ich bekam immer wieder ein kribbeln im Bauch, wenn ich ihn ansah. Ein bekanntes Gefühl, dass ich auch schon zu Daniels "Zeiten" gehabt hatte. "Wir gehen heute in einem neuen Laden in der Stadt was trinken, möchtest du mitkommen?", fragte Tom mich freundlich. "Oh, also ich-" "Komm schon", sagte Frederick und Micha sah mich weiter an. Ich sah von meinen Block hoch und nickte. "Okay, wann denn?" "Um acht." "Gut", sagte ich und stand auf, "dann lasst uns mal die ersten Passagen durch gehen, ja?" Wir verabredet ging traf ich mich den Jungs um acht vor dem "Picks". Ich hoffte nicht, dass ich zu overdressed war, da ich einen braunen knielangen Rock und ein weißes Top trug. Jungs kamen immer natürlich sportlich, Jeans, Poloshirt und so, aber bei Mädchen fiel es sofort auf. Frederick musste mich nach meiner Ankunft kurz und ich hoffe das er nichts von wegen "Hast dich für Micha schick gemacht" oder so sagen würde. Tat er auch zu meinem Glück nicht. Wir setzten uns an einen Tisch, bestellten und redeten. Meist über "Done", etwas anderes großartiges Verband uns ja auch nicht. Fredericks und Nicks Gesellschaft genoss man nicht lange, da sie nach einer halben Stunde schon auf der Tanzfläche "beschäftigt" waren. Irgendwie war ich enttäuscht, dass Micha nichts, weder gut, noch schlecht zu mir sagte. "Alles okay?", fragte Tom mich lieb, als ich etwas niedergeschlagen auf meine Hände sah, die in meinem Stoß lagen. "Klar", sagte ich lächelnd und trank meinen letzten Schluck aus. Ich glaube, dass Micha mich, soweit ich das aus den Augenwinkeln erkennen konnte, kurz angelächelt hatte. "Ich hol' mal was Neues", sagte Tom, obwohl es hier auch eigentlich Bedienung gab. Mir war das gar nicht so recht und ich wusste auch warum, weil Micha und ich nämlich in eine ziemlich peinliche Stille verfielen und keiner so recht wusste, ob er was sagen sollte und was er sagen sollte. "Spielst du schon lange Gitarre?", begann ich langsam. Er sah mich direkt ins Gesicht an, aber ich hatte dennoch den Eindruck als würde er mir nicht in die Augen schauen. "Seid ich sechs bin, da hab ich mit angefangen. Spielst du etwas?", fuhr er zu meiner Erleichterung fort. "Nein, ja, ich hab mal Klavier gespielt, aber nicht lange", antwortete ich und sah Micha kurz an, "ich hatte nie Lust zu lernen", erklärte ich. "Kenn ich, geht mir trotz ,Done' manchmal genauso", gab er zu. "Wie? Du-" Er rutschte auf seinem Platz kurz hin und her. "Wenn ich irgendwelche schwierigen Stellen können muss, oder so, dann denk ich in meiner Verzweiflung manchmal, wofür das ganze, obwohl es mir eigentlich Spaß macht." Ich nickte nur. Ich überlegte kurz und tat etwas, wo ich heute Morgen nicht geglaubt hätte, dass ich mich das trauen würde. Ich legte meine Hand neben seine, die neben seinem Bierglas lag und strich kurz mit dem kleinen Finger über seinen Handrücken. Er tat es ebenfalls, doch ruckartig zog er sie weg und sah in die entgegengesetzte Richtung. Nach ein paar Sekunden sah er mir genauso ruckartig wieder in die Augen. Er hatte so wunderschöne Augen, tief, eindringlich und einen fesselnden Blick. "Micha-", hauchte ich unwillkürlich leise. Ich spüre seine Nase an meiner reiben, unsere Arme berührten sich, dann unsere Lippen. Nur ganz kurz. Wir waren Zentimeter von einander entfernt. Ich atmete ruhig und sah im in die Augen. Dann küssten wir uns innig. Es war ein schöner Moment. Er streichelte meine Hand und unsere Lippen liebkosten sich. "Micha, du weißt, was wir gesagt haben, nicht wahr?" Wir schreckten auseinander, vor Micha standen Frederick und Nick, Tom kam mit Getränken gerade dazu. Micha starrte sie uneingeschüchtert an. Ich eher verwirrt, irritiert. "Das ist nicht verboten, oder? Macht ihr doch auch, oder?", entgegnete Micha. Die drei setzten sich. "Wir haben bei Katja eine Ausnahme gemacht, weil ihr schon seit zwei Jahren zusammen seid, aber wir haben uns geschworen, dass unsere Musik im Vordergrund steht und das Wichtigste, wir haben uns versprochen nichts mit der neuen Sängerin anzufangen. Warst du nicht einer, der am stärksten dafür war?!", predigte Frederick mit lauter werdender Stimme. Micha und Frederick tauschte giftige Blicke aus. "Vielleicht hat er ja recht-", warf ich ein, bevor sich Micha und Frederick gewaltsam auseinander setzten. Frederick sah mich gar nicht an, auch Nick sah irgendwie an mir vorbei. Tom hatte sich neben mich gesetzt und lächelte mich an, als ich ihn kurz ansah. Mir war zum Heulen, war ich schuld, dass auch noch die Band auseinander brach?! "Ich glaube wir gehen jetzt besser und treffen uns dann morgen, nüchtern", betonte Tom vernünftig. Liebes Tagebuch! Es ist schon so lange her, dass ich mein Kissen befeuchtet hab, sodass ich fast glücklich war, da das ein sicheres Zeichen dafür ist, dass ich wieder verliebt bin, leider fürchte ich in den Falschen oder zu falschen Zeit? Mir wurde auch bald klar, warum Frederick mir gesagt hatte, dass Micha eine Freundin hatte, er wollte das Gespräch von gestern Abend vermeiden. Er wollte es von vornherein vermeiden. Klar, für das Bandklima waren solche Streitereien Gift und eine Beziehung auch, wie es mir bald auch einleuchtete. Punkt vier Uhr waren alle bei Riesers. "Okay", begann Frederick, der auf der Bank saß und mit den Händen den Kopf stützte, "also, ich verlange von euch, dass ihr nichts außerhalb von Freundschaft miteinander zu tun habt", brachte es Frederick krass auf den Punkt. "Hart", rutschte es Tom raus. "So hart es auch ist", setzte Frederick nach, "schließlich sind wir eine Band und keine-" "Schon gut", beendete Micha alles. Ich wusste, obwohl ich Frederick noch nicht lange kannte, dass er sonst ausfallend geworden wäre und vermutlich nicht sehr nettes angefügt hätte. "Sophia?" Ich schreckte leicht, aber, wie ich hoffte, unbemerkt, hoch. "Ja, okay." "Schön, dann lasst uns proben." Micha und ich sahen uns dann. Wir lächelten, doch es war eher ein es-tut-mir-leid,-ist-es-für-dich-okay-?-Lächeln. Dabei blieb es. Die ersten Sonnenstrahlen kamen mit dem Mai. Micha und ich sahen uns nur noch bei den Proben, in der Schule ignorierten wir uns komplett. Nicht mal ein "Hallo" oder Lächeln war drin, so schien es mir. Mir war auch, als ob etwas mit Micha nicht stimmte. Seit ein oder zwei Wochen sah er immer merkwürdig fertig aus und müde. Auch im Unterricht sagte er weniger (was allgemein aber noch viel war). Er war auch nicht der Typ, der Tag für Tag feiern ging und deshalb jeden zweiten Morgen verkatert war. Ich konnte es mir nicht erklären, ich hoffe nur, dass es keine schlimme Antwort darauf gab. (Insgeheim hoffte ich, dass er einfach nur zu viel mit Katja ausging oder, was mir, wenn ich ehrlich war, lieber war, dass er Nächte lang paukte.) Morgens nach Mathe fasste ich mir ein Herz und sprach mit ihm (Ich wollte es auf keinen Fall wegen den Bandproben machen!). "Ich wollte sowieso mit dir reden", unterbrach er mich, als ich eigentlich noch nicht ganz begonnen hatte, sah an mir vorbei und bat mich ihm zu folgen. Wir gingen direkt zum Pausenklingeln hinter die Pavillons, um dort ungestört reden zu können. "Geht's dir gut?", fragte ich prompt, bevor er irgendetwas sagen konnte. Er lächelte schwach. "Ja, jetzt ja. Ich habe viel nachgedacht. Über mich, über uns", sagte er mit tiefer Stimme und sah mir direkt in die Augen, ich hielt die Luft an, "und über Katja. Wir haben uns getrennt. Ich hab Schluss gemacht-" "Wegen mir?!", redete ich erschrocken rein, ohne ihn ausreden zu lassen. "Nein", sagte er kopfschüttelnd, "also eigentlich vielleicht auch irgendwie schon. Ich glaube ich habe nur einen guten Grund gesucht, weil mit Katja irgendwie die Luft raus war. Sie hat mich betrogen und es mir gestanden." Hu, dachte ich, das war hart. "Oh", sagte ich dennoch nur. "Tja und ... na ja, ich dachte, wenn ich jetzt zu dir komme denkst du wahrscheinlich und die anderen auch, ich nehme die Erstbeste und das wollte ich nicht, deshalb hab ich mir Zeit gelassen. Ich musste nachdenken und natürlichen auch überlegen", er machte eine kurze Pause, "du weißt schon, die Band und Frederick." Ich nickte nur und sagte nichts. Was auch? Ja, klar hab ich auch, wäre gelogen. Micha, ich liebe dich, unangebracht und was anderes fiel mir im Moment nicht wirklich ein. "Ich habe dich furchtbar gern und ja, vielleicht liebe ich dich auch, aber für ein wirklich ernstes ,ich liebe dich' ist da drin noch zu viel Chaos", sagte er und deutete auf seinen Bauch, weshalb wir beide lachen mussten. Dann war alles still. Meine Augen waren geschlossen und ich hörte nichts um mich herum. Ich spürte nur noch Michas weiche Lippen auf meinen. Es hätte noch stundenlang so sein können, doch die Pausenklingel zerstörte alles. Doch jetzt wusste ich, woran ich war und was los war. 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