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High-School-Crash-Kurs

von

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Kapitel 9

Am nächsten Tag verabschiedeten sie sich ebenfalls schon vor dem Unterricht, denn sie hatten beschlossen, dass Kojirô bei dem Umzug helfen wollte: Yashiro zog bei Kojirô ein. Der Rektor hatte zugestimmt, das Bett würde nachmittags geliefert werden. Doch die restlichen Dinge mussten aus Yashiros alter Wohnung geholt werden.

Vorsichtig und durchaus noch immer mit beklemmendem Gefühl im Magen schloss er die Tür auf und ließ Kojirô eintreten.
 

Dieser betrat den Flur und hatte gleich das Gefühl, die Präsenz der alten Frau zu spüren. Es musste Yashiro viel Überwindungskraft gekostet haben, hierher zu kommen. Und das nun auch schon zum zweiten Mal. Kojirô sah sich um.

Die Wohnung sah genauso aus, wie er sie sie sich vorgestellt hatte. Sie war nicht zu klein und nicht zu groß. Zwei Zimmer. Gerade gut für eine ältere Frau und einen Jungen. Kojirô ging langsam den Flur entlang und spähte in die Zimmer. In den meisten standen Kisten, mit irgendwelchen Dingen gefüllt, oder es sah fast noch normal aus. Die Schränke waren nicht leer, überall stand etwas herum. Es sah fast aus, als hätte hier bis gestern noch jemand gelebt. Und das stimmte ja auch. Die Großmutter war ja noch nicht lange tot.

Kojirô warf einen Blick hinter sich.
 

Währenddessen machte Yashiro Tee in der Küche. Bald gab es das hier alles nicht mehr. Vielleicht... vielleicht sollte er es einfach hier lassen und ein Museum draus machen. Genug Geld hatte er ja. Sein Vater überschüttete ihn förmlich damit.

Als er die Tassen füllte und zurück ins Wohnzimmer kam, reichte er Kojirô eine und lehnte sich dann gegen den Tisch, ließ die Augen über die alten Möbel streifen. Es war zu still hier.
 

Kojirô nahm die Tasse dankend an und nahm einen Schluck. Die Wärme tat gut. Sie durchspülte ihn innerlich.
 

Die ganze Zeit über, die sie in der Wohnung waren, schwiegen sie, dann nahm jeder von ihnen einen Karton und sie kehrten ins Internat zurück.
 

Am nächsten Tag war früh die Beerdigung und Yashiro machte sich fertig, um dem Beizuwohnen...
 

Kojirô beobachtete Yashiro, während er sich fertig machte, ließ ihn keinen Moment aus den Augen. Er überlegte fieberhaft, wie er ihm helfen konnte. Vielleicht sollte er ihm einfach anbieten mitzukommen. Allerdings... Eigentlich kannte er die Großmutter ja gar nicht. Hatte er das Recht, einfach bei ihrer Beerdigung zu erscheinen?

Bevor er weiter darüber nachdachte, fragte er Yashiro auch schon: „Möchtest du, dass ich dich begleite?“
 

Der Junge schreckte aus seiner Beobachtung der Luftmoleküle, als ihn unvermittelt die Frage traf und zwei intensive Augen seine Beherrschung überrollten. Wie paralysiert wirkte er.

„Wenn du willst?“
 

Kojirô stürmte dann gleich zum Schrank, um ein passendes Kleidungsstück zu finden. Seine Mutter hatte ihm doch einen Anzug mitgegeben... Wo lag der noch gleich?

Nach ein paar Minuten Suchen fand er ihn auch schon. Es war ein normaler schwarzer Anzug, den man zu allen Gelegenheiten tragen konnte, angefangen bei Theatern bis hin zu Beerdigungen. Kojirô streifte schnell seine Schuluniform ab und zog den Anzug an. Er passte sogar noch, was für ein Wunder! Dann signalisierte er Yashiro, dass er fertig war und beide verließen Kojirôs Zimmer.
 

Der Blick war halb amüsiert, als der Junge so freudig losspurtete, doch dann driftete er wieder ab. Was für ein schrecklicher Tag.

Der Pastor, der die Beerdigung vornahm, hätte fast laut aufgeschrieen, als Kojirô und Yashiro in die Kirche traten. Vielleicht hielt ihn auch nur Kojirôs Anwesenheit davon ab, gleich ohnmächtig zu werden, denn Yashiros Kleidung passte so gar nicht hier her. Schwarzes Hemd, mit weiten, unten sich öffnenden Ärmeln und an der Brust gerüscht, die Hose ebenfalls weit, Schnallen hier, Schnallen da, schwere Stiefel, ein Mantel, der jedem Vampirjäger Freude bereitet hätte. Und alles schwarz. Selbst die Haare, die er offen trug... Alles in allem passte er hier nicht her, trotz Farbe. Es war dem Jungen so was von egal.

Der Nachbar, doch nicht wie erwartet der einzige außer ihnen, begrüßte ihn belustigt, hatte sogar Kater Kyo dabei, der momentan wirklich wie die Faust aufs Auge passte, als er sich gegen Yashiros Beine schmuste.

Die anderen Gäste begannen fast sofort zu tuscheln. Vor allem, als Yashiro auch noch die mitgebrachten weißen Lilien auspackte und eine davon an Kojirô weiterreichte. Sie wurden ignoriert.
 

Kojirô nahm dankend die Lilie und legte Yashiro eine Hand auf die Schulter. Er sah in von der Seite an und wollte ihm mit seinem Blick vermitteln: "Du bist nicht allein. Wenn du nicht mehr kannst, sag mir Bescheid und ich fang dich auf."

Dann begann die Rede des Pastors. Er erzählte etwas über Frau Kuroyuki, was sie für ein Mensch war, was sie erlebt hatte. Und Kojirô konnte sich alles sehr gut vorstellen. Er hatte die Frau zwar nur kurz kennen gelernt, aber so wie sie beschrieben wurde, musste sie eine sehr außergewöhnliche Persönlichkeit gewesen sein. Nett, zu jedem freundlich, hilfsbereit. Und, was das wichtigste war, sie hatte sich um Yashiro gekümmert, als es ihm am schlechtesten ging.

Dann forderte der Pastor Yashiro auf, sich von seiner Großmutter zu verabschieden. Der Familie gebührte der Anfang. Und da es niemanden gab, außer Yashiro, musste dieser das wohl tun. Kojirô hoffte sehr, dass sein Freund das alles durchstehen würde.
 

Der Junge stand auf, sein Gesicht ruhig, unbewegt lächelnd. Seine ganze Haltung war gelöst und scheinbar unbeschwert, als er aufstand, zu dem geöffneten Sarg ging und sich vorlehnte. Dann ging ein Raunen durch die Menge, als er sich zu ihr hinabbeugte und ihr einen Kuss auf die kalte, geschminkte Wange drückte. Das geflüsterte "Bis bald!" konnte zum Glück keiner hören.

Die restliche Veranstaltung verlief in trister Eintönigkeit. Yashiro stand etwas abseits, lächelte die ganze Zeit still vor sich hin und beobachtete teilnahmslos, wie die anderen Trauergäste einer nach dem anderen Ade sagten, wie sie in die Erde hinab gelassen wurde, wie sie vergraben wurde. Das leise Tuscheln der älteren Damen war so sehr hinter vorgehaltener Hand versteckt, dass Yashiro gar nicht umhin kam, die Beleidigungen mit anzuhören, die von seiner Respektlosigkeit und seiner Abartigkeit erzählten. Aber es interessierte ihn auch nicht, denn keinen dieser Menschen würde er je wieder sehen. Und wenn doch, dann wussten sie wenigstens schon, dass er verrückt war...

Dann waren sie alle weg und er stand allein mit Kojirô vor ihrem Grab. Es war kurz nach ein Uhr nachmittags. Bald würde es zu regnen beginnen, doch was kümmerte sie das? Die ganze Zeit über hatte die Sonne geschienen, da durfte es jetzt auch regnen. War doch nichts dabei, oder?
 

Kojirô stand neben Yashiro und beobachte das ganze Schauspiel. Die Dreistigkeit der Trauergäste verschlug ihm die Sprache. Wie konnten sie nur so gemein sein?

Am Ende standen sie allein vor dem Grab und warteten... auf was wusste wahrscheinlich keiner von beiden. Irgendwann fing es an zu regnen. Yashiro stand jedoch die ganze Zeit vor dem Grab.

Irgendwann nahm Kojirô ihn bei der Hand und zog ihn mit in Richtung Ausgang. Er ertrug dieses Leiden nicht mehr.
 

Der Schwarzhaarige ließ sich wortlos mitziehen. Was hätte er auch tun sollen? Sich mit Händen und Füßen wehren...

Sie stiegen in den Bus und fuhren los, doch kaum drei Haltestellen weiter stand Yashiro wieder auf. "Ich werd noch mal bei mir zuhause vorbei schauen.", sagte er lächelnd. "Ich komm später dann nach." Mit diesen Worten machte er unmissverständlich klar, dass er allein gehen würde. Doch bevor er ausstieg, beugte er sich noch einmal hinab und gab Kojirô einen Kuss. "Danke.", flüsterte er lächelnd. "Dafür, dassde da warst. Dafür, dasses dich gibt." Sonst wäre er seiner Oma sicher längst gefolgt.
 

Kojirô sah Yashiro ihm in die Augen und erwiderte den Kuss. Dann sah er ihm nach, bis der Bus um die Ecke fuhr.

Ein paar Minuten später musste auch Kojirô aussteigen. Er lief durch das Tor der Schule und beeilte sich, in sein Zimmer zu kommen. Er wollte mit niemandem aus seiner Klasse reden. Mit niemandem. Angekommen zog er den Anzug aus, und legte sich dann aufs Bett. Er hatte das Gefühl, ein riesiges Vakuum im Kopf zu haben. Warum, wusste er nicht.

Irgendwann fielen ihm die Augen zu, und er schlief. Tief und Traumlos.
 

Yashiro betrat das Haus seiner Großmutter mit einem ebenso großen Gefühl der Leere im Körper. Er sah sich um, sah die Kartons dort stehen, sah die zerbrochen Gläser, die Schranktür hatte auch einen Sprung bekommen.

Leise schritt er durch den Flur und ging ins Schlafzimmer der Großmutter, das diese auch gleichzeitig als Wohnzimmer genutzt hatte. Er sah sich um. Alles war leer. Jetzt war auch das Gefühl verschwunden, dass er gestern noch gespürt hatte. Seine Großmutter schien endgültig gegangen.

Seine Schritte lenkten sich wie von selbst zu einem kleinen Schmuckkästchen auf dem Boden und er sank davor auf die Knie. Vorsichtig, behutsam strichen seine Finger über die kühle Oberfläche, verfolgten die verschnörkelten Muster dort. Dann schob er den Deckel auf und eine leise Melodie erklang. Wie hatte er diese Melodie geliebt? Sein ganzes Leben lang hatte er sie geliebt. Nie hatte er dieses Kästchen öffnen dürfen, aber er hatte immer im Zimmer gesessen, wenn sie es getan hatte.

Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen, als er mit den Augen über das Chaos an Ketten und Armbändern strich. Nacheinander nahm er sie heraus, betrachtete sie, erinnerte sich daran, wann und zu welchem Anlass sie es getragen hatte.

Bis er plötzlich etwas in die Finger bekam, das er nicht kannte. Oder doch. Er kannte es. Von...

Ein Bild. Eine Hand reichte es ihm. Ein dünnes Silberkettchen mit Anhänger. Ein silberner Anhänger. Das Gesicht im Hintergrund… ganz verschwommen. Wer war das nur? Er kannte ihn doch? Oder vielleicht auch nicht. Er...

Sein Kopf begann zu schmerzen. Er wusste es doch eigentlich, wieso konnte er sich nicht daran erinnern? Das war doch wohl...

Ein zweites Bild zuckte durch seine Gedanken. Ein verweintes Gesicht, ein Junge, der fortgezogen wurde, ein Versprechen, das er nicht mehr kannte. Und ein Gefühl von unendlicher Traurigkeit.

Und als nächstes eine Erinnerung, das der Anhänger zu öffnen war.

Mit zitternden Fingern machte er ihn auf, schaffte es erst beim dritten Versuch. Und als sich die beiden Teile des silbernen Anhängers teilten, erblickte er ein Foto von einem Kind. Blasse Haare, strahlendes Lächeln. Er kannte es. Das Gesicht aus seinen Erinnerungen war das gleiche. Und das Lächeln war das von... Kojirô...

Das andere Bild... Ein Bild von seinen Eltern. Seiner Familie. Kojirô war der Junge... der ihm das Kettchen geschenkt hatte. Wieso hatte es dann seine Großmutter und nicht er? Wieso...

Er erinnerte sich an den Schmerz... Damals war er unglaublich unglücklich gewesen, weil Kojirô gehen musste. Lange Zeit...

Das Lächeln auf seinem Gesicht wurde breiter. Er war wieder da!
 

In den frühen Morgenstunden kam er dann im Internat an, trat leise durch die Tür in das Zimmer, in dem längst das zweite Bett stand und sah den Älteren dort liegen. Alt war er geworden. Viel älter als damals. Und viel hübscher.

Lächelnd setzte er sich neben ihn und betrachtete ihn. Sein Haar wirkte fast, als wäre es Flaum, so weich und leicht und hell war es, sein Gesicht im Schlaf entspannt, die Augen, vertrauensvoll geschlossen, bewegten sich leicht im Traum, die Lippen so wundervoll geschwungen und rosig...

Er beugte sich hinunter und küsste sie sanft wie ein Hauch, bevor er sich die Schuhe und Hose auszog, sich neben ihn legte und die Decke über sie beide zog. Vorsichtig kuschelte er sich an ihn, um ihn nicht zu wecken. Es war noch nicht Zeit, um aufzustehen.
 

Als Kojirô am Morgen aufwachte, spürte er eine vertraute Wärme neben sich. Er öffnete die Augen und sah Yashiro. Er lag neben ihm, mit geschlossenen Augen und ganz eng an ihn gekuschelt. Kojirô warf einen Blick auf den Wecker. Sie hatten noch eine Stunde, bis sie aufstehen müssten. Kojirô drehte sich vorsichtig um, und nahm Yashiro in den Arm. Der Kleinere war so schön warm... so vertraut warm.

Die restliche Zeit beobachtete er ihn, wie er schlief. Die geschlossenen Augen, die sich leicht bewegten, das leichte Lächeln auf seinen Lippen... Er war so schön. So unglaublich schön und anziehend. Wie hatte er es die ganze Zeit nur ohne ihn aushalten können? Er hatte das Gefühl, nur in Japan geblieben zu sein, um diesen Jungen zu treffen. Und er war glücklich darüber, ihn getroffen zu haben. Sehr glücklich sogar.

Die Zeit verstrich wie im Fluge und neben Kojirô begann der Wecker zu piepen. Er langte mit einer schnellen Bewegung nach hinten und brachte ihn so wieder zum schweigen. Sie konnten ruhig noch ein paar Minuten liegen bleiben.
 

Doch diese Bewegung ließ die Dunkelheit um Yashiros Geist sich auflösen. Er murmelte etwas und krallte sich dann in das Hemd unter seinen Fingern, zog es noch ein Stückchen näher zu sich und drückte dann seine Nase hinein. Er wollte nicht aufstehen, doch genau das vermittelte ihm sein Unterbewusstsein: aufstehen.

"Was is los?", murrte er, blinzelte schließlich verschlafen.
 

Kojirô lächelte ihn an und strich ihm mit einer Hand übers Gesicht. "Schule. Leider." Dann zog er den Kleineren ein Stück nach oben und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen.

Er schwang sich aus dem Bett, um ins Bad zu gehen. Kojirô fühlte sich pudelwohl. Er würde heute zwar wieder Takehito begegnen, aber was sollte es. Er würde den Schrecken mittlerweile ja wohl verdaut haben.
 

Schule? "Bah!", murmelte der Junge. "Keine Lust."

Er richtete sich auf und wie durch Zufall fiel der kleine Anhänger aus seinem Ausschnitt und baumelte nun vor seiner Brust. Yashiro lächelte und schloss die Faust darum.

"Kojirô?", fragte er lauter, um den anderen noch zu erreichen, bevor er ins Gemeinschaftsbad abzischte. "Kannst du dich noch an das Versprechen erinnern, das du mir gegeben hast?"
 

Kojirô hielt inne. Versprechen... Versprechen... Spontan fiel ihm nichts ein, aber er hatte das Gefühl, dass da mal etwas gewesen war. Aber bloß was?

Er ging wieder zurück zum Bett und setzte sich neben Yashiro. "Wie kommst du denn jetzt darauf??"
 

Der Junge lächelte, küsste ihn auf die Nasenspitze. "Schon okay. Ich wollte es nur wissen."

Tja, das hatte ihn beschäftigt. Hatte sich Kojirô nur mit ihm angefreundet, weil er der Junge von damals gewesen war? Nein, das hatte ihm die Antwort gerade bewiesen. Das war es nicht. Alles nicht so schlimm. Er mochte ihn jetzt, heute, sein heutiges Ich, nicht das von damals. Es war nicht nur sein Gewissen, das ihn sich mit ihm hatte anfreunden lassen.

"Na los, geh duschen!"
 

Kojirô sah seinen Freund noch einmal verständnislos an und machte sich dann auf den Weg zum Duschraum.

Unter der heißen Dusche sammelte er neue Lebensgeister, war wieder fit für den Tag. Als er dann wieder zurück ins Zimmer kam, sah er Yashiro immer noch auf dem Bett sitzen.

"Ist alles okay mit dir?? Du wirkst heut so nachdenklich..."
 

Der Junge schreckte hoch, lächelte dann. "Ja, ja. Alles klar.", sagte er, dann erhob er sich, stellte sich direkt vor seinen Freund und sah ihm von unten in die Augen. Der Duft des Duschgels stieg ihm in die Nase und er schloss für Sekunden die Augen, bevor er eine Hand hob und mit den Fingern durch die noch feuchten, kurzen Haare fuhr, seine Nase gegen Kojirôs Kinn drückte.

"Ich bin nur noch nicht ganz darüber hinweg, das ist alles."
 

"Ah ..." Mehr wusste er jetzt nicht zu sagen. Natürlich. Wie könnte man auch schnell über den Tod einer geliebten Person hinwegkommen? Im Nachhinein konnte Kojirô sich die Haare ausreißen, so etwas Dummes gefragt zu haben. Aber er hatte die ganze Sache auch verdrängt. Er kannte Yashiros Großmutter zwar gar nicht, aber auch ihn hatte es hart getroffen.

Wie sie da nun so standen, legte Kojirô seine Finger unter Yashiros Kinn und zog ihn noch ein Stück höher.

Dann verschloss er dessen Lippen mit einem Kuss.
 

Reflexartig schlang der Schwarzhaarige seine Arme um den Hals seines Freundes und ließ sich auf das Spiel ein, gewährte ihm Einlass, als er seine Zunge an den Lippen spürte, hieß ihn pfandlos willkommen. Er spürte, wie die samtige Zunge über seinen Gaumen, seine Zähne strich, wie sie seine eigene Zunge liebkoste, und schloss die Augen vor Genuss. So ließ es sich doch leben. Ohne Zweifel.

Viel zu schnell war der Kuss dann zu Ende und Yashiro lehnte sich selig lächelnd gegen Kojirô. "Du schmeckst gut.", murmelte er zufrieden. "Und du riechst gut."
 

Kojirô lächelte auch und umarmte seinen Freund. "Danke. Das geb ich gerne zurück."

Dann klopfte es an der Tür. Kojirô drehte sich um, verwirrt, und bat den Gast hinein. Es war der Sekretär des Schulleiters. "Kuroyuki-kun, der Schulleiter würde gern ein paar Dinge mit Ihnen besprechen. Würden Sie bitte mitkommen?"
 

Yashiro blickt ihn verwirrt an, nickte dann aber und ließ von Kojirô ab, was der andere Mann mit einem missbilligenden Blick quittierte.

"Worum geht es denn?", wollte er wissen. "Hab ich irgendwas falsch gemacht?"
 

"Nein. Ich weiß nicht, was der Schulleiter mit Ihnen besprechen möchte, es wird aber nichts schlimmes sein." Der Sekretär ging dann den Gang zu seinem Büro zurück, nachdem er den verwirrten Jungen zum Direktor gebracht hatte.

Der Direktor beendete seine Arbeit, als es an der Tür klopfte. "Hallo Kuroyuki-kun. Wie geht es dir? und wie hast du dich bei deinem Mitbewohner eingelebt? Hast du irgendwelche Probleme?"
 

Yashiro schüttelte nur den Kopf. Immer noch war er misstrauisch, auch wenn der Mann ihn gar nicht böse ansah.

"Wir haben für Sie einen speziellen Stundenplan zusammengestellt, der Ihnen helfen soll, die verlorene Zeit nachzuholen."

"Ich brauche das nicht.", erwiderte der Schwarzhaarige freundlich. "Was behandelt wird, ist nicht so schwer."

"Ist nicht schwer?", lachte der Mann. "Na, wenn das so ist, dann brauchen Sie den Plan natürlich nicht. Aber wenn es doch Probleme geben sollte, dann melden Sie sich bitte bei mir."

Der Junge nickte.

"Gut, dann gehen Sie jetzt bitte zum Unterricht. Ihr Lehrer weiß bereits Bescheid und Sie werden keine Strafe für Ihr zuspätkommen erhalten."

Er bedankte sich noch einmal bei dem Rektor, dann verließ er den Raum. Er hatte nicht die geringste Lust auf Schule, aber im Grunde hatte der Mann Recht. Er konnte nicht ewig warten.
 

Kojirô hatte in seinem Zimmer gewartet. Als es kurz vor Stundenbeginn war und Yashiro immer noch nicht zurück war, ging er zum Klassenraum. Hoffentlich würde Yashiro noch kommen. Sonst würde er den Tag nicht überleben.

Er setzte sich in die Klasse und sofort kam einer seiner Bekannten zu ihm. "Hey du, wir haben das Gerücht gehört, das Kuroyuki bei dir eingezogen sein soll. Ist das wahr?"

"Habt ihr was miteinander?"

Gelächter.

Kojirô glaubte, sich verhört zu haben. Wie wat das denn nach außen gedrungen?? Und warum wusste schon die halbe Klasse davon???
 

Es klingelte zum ersten Mal, als Yashiro in die Klasse kam. Seine Augen fanden fast sofort Kojirô, der von massenweise Jungen umgeben war. Wortlos ging er an dem Tumult vorbei und setzte sich auf seinen Platz, als schon der erste zu ihm kam.

"Und, ist es wahr?", fragte er gut gelaunt und in Verschwörerton. "Seid ihr zusammen, du und Ko-kun?"

Der Schwarzhaarige schickte dem Jungen einen Blick. "Du bist dreist.", sagte er ruhig. "Mich einfach anzusprechen. Als wären wir Freunde."

Der Junge wich ob des Blickes einen Schritt zurück. "Ho, Alter, was ist denn mit dir los?"

Yashiros Blick wurde noch ein bisschen kälter, doch dann wandte er sich ab und sah aus dem Fenster, beachtete den Jungen nicht weiter, der seinen Freunden signalisierte, dass er verrückt war. Was ging es ihn an, was die Leute hier von ihm hielten? Kojirô war der einzige hier, der es wert war, beachtet zu werden.
 

Sobald Yashiro das Zimmer betrat, sah Kojirô ihn an und nicht mal eine Sekunde später, standen die Jungs alle um diesen herum. Kojirô besah das mit skeptischem Blick. Er konnte nicht genau verstehen, was Yashiro sagte, doch als dieser geendet hatte, verlor sich die Traube wieder.

Ein paar Sekunden später kam der Lehrer in die Klasse und alle setzen sich auf ihre Plätze. Es erstaunte Kojirô nicht, das Takehito vor ihnen stand. Sie hatten Mathe. /Denken... am frühen Morgen. Wie grauenvoll!/

Kojirô versuchte die Stunde mehr schlecht als recht zu überstehen.
 

Mathe war auch zu einfach; es lenkte ihn nicht im Geringsten von seinen Gedanken ab. Er dachte an seine Großmutter, dann an Kojirô, den sie sicher gemocht hätte. Auch der Gedanke an die Jungen, die ihn gerade gefragt hatten, ob er und Kojirô zusammen waren, ging ihm durch den Kopf und er stellte sich vor, wie seine Großmutter gelacht hätte, hätte er es ihr erzählt.

Der blaue Himmel wurde mit der Zeit immer heller. Weiße Wolken zogen auf, ließen die schwarzen, im Sturm spielenden Krähen wie Totengeister wirken. Eine Böhe schickte Blätter an dem Fenster vorbei und plötzlich wünschte sich Yashiro nichts mehr, als draußen zu sein und sich diesen Wind um die Ohren fliegen zu lassen. Eine Hand begann nervös an seinem Ohrring zu spielen, die Finger der anderen zupften an seinen Haaren. Einer der Vögel schoss senkrecht in die Luft und stoppte plötzlich, als er seine Flügel ausbreitete und der Wind ihn erfasste und mit sich trug.

Die rechte Hand zog stärker an seinem Haar.

Der Himmel wurde zusehends grau und unattraktiv und der Sturm schien noch zuzunehmen. Und plötzlich hielt er es nicht mehr aus. Von einer Sekunde auf die andere stand er auf, so dass sein Stuhl nach hinten überkippte und krachend auf dem Boden aufschlug und die gesamte Klasse aus der Konzentration schreckte, doch bevor noch einer begriffen hatte, was los war, war er auch schon hinaus zur Tür und rannte den Gang entlang, die Treppe hinauf, stieß ganz oben angekommen schließlich die Tür zur Dachterrasse auf und stoppte erst, als er fast die Kante erreicht hatte. Er breitete die Arme aus, legte den Kopf in den Nacken und spürte bewusst dem Wind nach, der durch seine Kleider fuhr, sie blähte, an seinen Haaren zerrte, die er kurz darauf mit einem unwilligen Ruck am Haarband befreite. Eine Böe drohte ihn umzureißen, ließ ihn taumeln und zauberte zugleich ein unbeschreibliches Lächeln in sein Gesicht.

Jetzt noch fliegen und er währe frei!

Absolut frei! Wie die Krähen, die oben noch immer im Sturm spielten, sich treiben ließen, ausgelassen krächzten. Er begann sich im Kreis zu drehen, die Arme noch immer weit von sich gestreckt, die Augen geschlossen, fühlte den sich verändernden Druck des Windes an seinen Kleidern.

Dann hielt er plötzlich an, sein Gesicht gegen alle Erwartungen ernst. Ihm war ein Gedanke gekommen. Langsam ging er auf den übermannshohen Zaun zu, der ihn daran hinderte, direkt in die Tiefe sehen zu können, doch es wäre nicht wirklich ein Problem, da hinüber zu kommen. Ein kurzer Sprint, ein Sprung... Seine Hände legten sich gegen die Drahtmaschen, seine Finger krallten sich hinein, als sich seine Stirn dagegen lehnte.

Hinter sich hörte er ein Geräusch und seufzend wandte er den Kopf ein bisschen, blickte durch seine flatternden Haare zu dem Ankömmling zurück und begann zu lächeln.

Was machte er denn so ein Gesicht? Wenn er so schaute, konnte er doch nicht mehr springen... Da würde er sich ja noch im Flug Vorwürfe machen, dass er jetzt allein war... Wieso war er so aufgeregt? Wieso lächelte er so seltsam konfus? Wieso war da Angst auf seinem Gesicht?

Das Lächeln auf seinen Lippen wurde breiter, als er wieder zu den in der Ferne stehenden Hochhäusern Tokios blickte. "Keine Angst.", sagte er, mehr zu sich selbst. "Ich springe nicht. Wäre doch auch zu schade, nicht?"
 

Kojirô war gerade dabei, eine der Knobelaufgaben zu lösen, dachte mehr als angestrengt nach, obwohl es keinen Sinn hatte, als plötzlich neben ihm ein Stuhl krachend zu Boden fiel und eine schemenhafte Gestalt an ihm vorbei flitzte. Im nächsten Augenblick realisierte er, dass es Yashiro gewesen war. Er blickte ihm nach, eine unendliche Leere war in seinem Kopf, bis er dann aufsprang und dem anderen folgte.

Aber wohin??

Dann fiel ihm das Treffen auf dem Dach wieder ein. Das war einer der Momente gewesen, wo er Yashiro frei und fröhlich erlebt hatte. Also würde er zuerst aufs Dach gehen!

Er rannte die Gänge entlang, in der Hoffnung, dass Yashiro keine Dummheiten machen würde. Warum nur?? Was hatte er nur gehabt? Er rannte die Treppe hoch, sah schon, dass die Tür geöffnet war. Auf der letzten Stufe angekommen sah er ihn dann am Zaun stehen. Sein Herz setzte aus, genau wie sein Kopf. Überall breitete sich eine fürchterliche Leere aus.

Er öffnete den Mund, bereit etwas zu sagen, doch keine Worte wollten seine Lippen verlassen.

Auf einmal drehte Yashiro seinen Kopf und sah ihn an, ein Lächeln senkte sich auf sein Gesicht. Kojirô stand immer noch wie erstarrt in der Tür... als auf einmal eine Stimme die Stille zerriss.

"Keine Angst. Ich springe nicht. Wäre doch auch zu schade, nicht?"

Er riss kurz seine Augen auf, rannte dann zu dem anderen, packte mit einer Hand dessen Schulter und mit der anderen verpasste er ihm einen Kinnhaken.

"WIE KONNTEST DU NUR? WEISST DU, WAS ICH MIR FÜR SORGEN GEMACHT HABE? WIE KANNST DU NUR AUF SOLCHE IDEEN KOMMEN?" Dann wurde seine Stimme leiser und glich fast einem Schluchzen. "Was soll denn aus mir werden, wenn du nicht mehr da bist? Ich habe doch... habe doch Angst um dich." Und ein paar kleine Tränen bahnten sich ihren Weg aus Kojirôs Augen.
 

Yashiro war gelinde erschrocken über diesen Ausbruch. Kojirô schien so verzweifelt... und jetzt weinte er sogar!

Vorsichtig hob er eine Hand und strich dem Größeren über die Wange, gerade einmal die Fingerspitzen berührten die feuchte Haut. Er fing eine Träne auf und strich sie ihm auf die Lippen, reckte sich dann auf die Zehenspitzen und küsste ihn sachte. "Hey...", flüsterte er. "Ist doch schon gut. Ich habe doch gesagt, dass ich nicht springe." Auch seine zweite Hand hob sich zu dem immer noch blassen Gesicht, sodass sie es zu zweit förmlich einrahmten. "Versprochen. Ich bleibe bei dir. Schließlich muss ich mich doch dafür revanchieren, dass du immer für mich da warst."

Wieder küsste er ihn sachte, die Berührung war kaum mit einem Schmetterlingsflügel zu vergleichen, so zart war sie. Dann sah er ihm ernst in die Augen. "Ich werde dir niemals so wehtun. Ich liebe dich, das weißt du doch, oder?"
 

Als Yashiro seine Haut berührte, durchfuhr ein sanftes Kribbeln Kojirôs ganzes Inneres. Es fühlte sich so wunderbar schön an, und er würde es nie mehr im Leben missen wollen. Niemals mehr!

Als er ihn dann schließlich küsste, verschwamm alles in Kojirôs Kopf, er dachte an gar nichts mehr. Dieses Gefühl. Diese Wärme. Das alles zeigte ihm mal wieder, wie sehr er Yashiro liebte und auch brauchte. Er fragte sich innerlich, ob er wirklich immer bei ihm bleiben würde und nahm den nächsten Kuss als eine stumme Erwiderung. Kojirô hoffte es sehr. Er würde nämlich nicht wissen, was er machen sollte, sollte ihn Yashiro einmal verlassen.

"Ja... Das weiß ich. Und ich liebe dich auch."

Er sah Yashiro noch einmal in die Augen und beugte dann seinen Kopf nach unten, berührte sanft mit seinen Lippen die des anderen, so dass er Yashiro in ein Zungenspiel verwickeln konnte.
 

"Ist ja krass!", kam es da von hinter Kojirô. "Das glaub ich ja nicht! Die Zwei sind wirklich zusammen!" Dann ein leises, beinahe hysterisches Lachen.

Yashiro schoss einen hasserfüllten Blick zu dem Jungen, der wahrscheinlich ausgeschickt worden war, um sie beide zu suchen, und jetzt ziemlich angewurzelt in der Dachbodentür stand. Wie konnte man nur so bescheuert sein? Was war daran so schlimm?

"Idiot!", knurrte er, dann seufzte er, lächelte plötzlich. "Wollen wir ihm eine Show liefern? Vielleicht fällt er dann tot um vor Ekel..."
 

Auch Kojirô bemerkte nun den ungebetenen Gast. /Oh verdammt!/, schoss es ihm durch den Kopf, da sie nun ganz sicher aufgeflogen waren. Dieser Kerl würde das nie für sich behalten können.

"Sollten wir es wirklich drauf anlegen?" Nachdem Kojirô diesen Satz ausgesprochen hatte, dachte er noch mal nach. Würde er jetzt auf Yashiro verzichten, nur weil alle davon wussten? Nein! Garantiert nicht! Am besten wäre es wahrscheinlich, wenn sie einfach so wie bisher weitermachten. Es interessierte Kojirô einen Scheißdreck, was die anderen über seine Beziehung mit Yashiro dachten, warum ihn also nicht ein bisschen Schocken? Vielleicht hält er ja dann etwas länger die Klappe... aber wohl eher nicht.

Kojirô sah das Lächeln auf Yashiros Gesicht und nickte dann unmerklich.
 

Mit einem kurzen Blick zu dem Jungen und einem wirklich bösen Lächeln auf den Lippen, widmete er sich wieder Kojirô. Das Lächeln wurde weich, seine Augen sanken auf Halbmast, während er sich über die Lippen leckte, sich dann auf die Zehenspitzen stellte und ihm ganz sanft die Lippen auf seine legte, während seine Hände sich langsam über seine Schultern stahlen, seinen Nacken hinauffuhren, die kurzen Haare durchkämmten.

Seine Augen schlossen sich, als er den Mund ein Stückchen öffnete und mit der Zunge ganz sachte gegen Kojirôs Lippen stupste. Er fühlte den anderen darauf reagieren, wurde mutiger, zog eine seiner Hände zurück und schob sie kurz darauf unter das Hemd des Braunhaarigen, während er sich gegen ihn presste.

Längst hatte er den Zweck dieses Spieles vergessen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  FreyFrey
2007-04-12T12:18:46+00:00 12.04.2007 14:18
is ja cool oo
Koji-kun und Yashiro kennen sich wohl von früher? o.o
*umbedingt weiterlesen muss*
Das is sooo spannend *O*
Von: abgemeldet
2007-01-10T18:56:05+00:00 10.01.2007 19:56
Wow, wie immer ein supi Kapi! xDDD
Von:  Angle-Moon
2006-11-19T20:24:58+00:00 19.11.2006 21:24
du bist sooooooooo fieß.
in so einem moment abzubrechen. *heul*flenn*
aber das kappi an sich ist super geworden, einfach grandios!!! *luftsprünge mach*
du musst ganz schnell weiter schreiben, sonst platz ich noch vor neugier. hihi
*knuddel*ggg*knuff*
Von:  Koneko-Sakura
2006-11-18T23:03:11+00:00 19.11.2006 00:03
Cool!!!

Hime-chan schreib gaaaa~z schnell weiter, ja? ^^

NYA *knuddl*
Von:  Kerstin-S
2006-11-18T13:23:55+00:00 18.11.2006 14:23
hey süße ^^

das kapi ist toll... +schwärm+ die zwei sind so süß... mir tut das mit der großmutter leid.. schade dass sie gestorben ist..
das mit dem amulett.. heißt das die kennen sich eig. schon von früher? ^^
freu mich aufs nächste kapi ;)

*knuddel*


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