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Das Portal

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Realität

Kapitel 5 – Realität
 

Mühsam versuchte Peter, die Augen zu öffnen. Zunächst ließ die ungewohnte Helligkeit keinen klaren Blick auf die Wesen vor ihm zu. Wo war er hier gelandet; wo dieses Mal?

Nur langsam erlangte er die Kontrolle über seine Sinne wieder. Peter erkannte auf Anhieb keine der Gestalten, die ihn zuvor aus den Fängen der Dunkelelfen gerettet haben mussten, wieder. Tatsächlich konnte er sich nur noch vage an die Geschehnisse erinnern, die sich kurz vor seiner Bewusstlosigkeit abgespielt hatten ...

Vor seinem Gesicht flatterte ein hell leuchtendes Etwas aufgebracht hin und her, sodass der Junge keinen klaren Gedanken fassen konnte. Eine Fee vielleicht? Es hätte ihn jedenfalls nicht gewundert.
 

„Die Ritter haben dich hier hergebracht, ja!“ unterbrach eine im schattigen Teil des Raumes stehende Figur seine Gedanken.
 

Alles war hier sehr eng, der Geruch frischen Grases mischte sich an diesem Ort mit der ohnehin blumig riechenden Luft, völlig anders als ... Peter verdrängte diesen Gedanken und wandte sich aufmerksam der geheimnisvollen Stimme zu.
 

„Und wo genau bin ich hier?“ fragte er wen oder was auch immer mit ihm Kontakt aufgenommen hatte. „Was ist mit den Elfen?“
 

Ein Raunen ging durch die Menge, die der benommene Junge zunächst gar nicht bemerkt hatte. Es standen eine ganze Reihe von Wesen zwischen Tür und Angel, einige Augenpaare starrten ihn auch durch die Fenster an, insofern man die Aushöhlungen im Holz an den Wänden als „Fenster“ bezeichnen mochte. Zu seinem Entsetzen musste Peter erkennen, dass ihn die Elfen, nach denen er gefragt hatte, geradezu umzingelt hatten. Er zuckte zusammen und kroch soweit wie nur möglich ans Kopfende des Bettes, in dem er lag.
 

„Au!“
 

Der fast panische Junge stieß sich äußerst unsanft den Kopf an der abgeschrägten Decke. Alles war hier unförmig und unbequem, allerdings nicht bedrohlich. Aus der Menge vor ihm drang allmählich deutliches Kichern hervor. Peter war überzeugt davon, dass es sich dabei um Schadenfreude handelte, und sein Unwohlsein wich sich sehr schnell der Wut. Lachen war wirklich nicht die Stärke der Elfen gewesen, denen er bisher begegnet war.
 

„Du musst keine Angst haben. Nicht vor uns.“
 

Wieder sprach der Elf im Schatten, der keine Anstalten machte sich zu zeigen. In der Tat schien es, als ob er und die anderen Fabelwesen in und um diesen Raum herum mehr Angst vor dem erschöpften Menschen hatten, als er vor ihnen.

Musternde Blicke wanderten an Peter herauf und herunter, die er postwendend mit grimmiger Miene einem jedem Neugierigen zurückwarf. Peter gab sich größte Mühe seine Gedanken in Blicke umzumünzen. Elfen waren bösartig, soviel hat er in seiner Zeit hier schon lernen können. Aber diese hier unterschieden sich womöglich auch in dieser Hinsicht von ihren Pendants in der Festung. Ihr Äußeres war jedenfalls nicht im Entferntesten mit den hochaufgeschossenen Blauen zu vergleichen, das erschloss sich dem Franzosen nun immer mehr.
 

„Lasst mich mit ihm reden!“
 

Aus der Menge vor dem Haus wuselte sich eine zierliche Gestalt mit zerzaustem, schwarzen Haar und unverkennbar selbstsicherer Miene hervor.
 

„Abstand ihr Gaffer!“ keifte sie lauthals in Richtung ihrer Artgenossen „Als ob ihr noch nie einen Menschen gesehen hättet; also wirklich!“ Einige Zuschauer zogen sich eingeschüchtert zurück. „Na na na! Äh, ihr dürft schon hier bleiben; rückt mir nur nicht zu sehr auf die Pelle, verstanden?“
 

Offensichtlich genoss die Elfe ihren Auftritt und wollte ihr Publikum nicht verlieren. Sie war jung; zumindest meinte Peter das erkennen zu können, aber was wusste er schon von dieser seltsamen Welt und ihren Bewohnern? Lautes Gemurmel machte sich unter den immer zahlreicher werdenden Wesen breit.
 

„Was ...“ Noch bevor Peter ausreden konnte, unterbrach ihn die aufbrausende Person vor ihm.
 

„Hör gut zu, Fremder: Das hier ist überlebenswichtig für dich. Also kein Dazwischengequatsche!“ Sie war sich seiner Aufmerksamkeit nun mehr als sicher. „Du kannst wirklich von Glück reden, dass du es bis hierher geschafft hast. Und dieses Glück hat auch einen Namen ... naja, zumindest nehme ich mal an, dass es einen hat. Egal ...“ An der leicht irritierten Miene des Menschen vor ihr erkannte die Elfe, dass sie abzuschweifen drohte. „Nur dank des weißen Ritters konntest du aus den Fängen der Dunkelelfen entkommen. Die meisten Menschen ereilt in dieser Lage ein ganz anderes Schicksal.“
 

„Ist das hier eine Märchenstunde? Ich weiß überhaupt nicht, wovon ihr sprecht, und wer zum Teufel bist du überhaupt!?“
 

Die theatralische Darbietung der Elfe provozierte Peter mehr, als dass sie ihn unterhielt.
 

„KEIN GEQUATSCHE! Hör dir gefälligst an, was ich zu sagen habe, es ist ...“
 

„Was? Überlebenswichtig? Vielleicht erklärt mir zunächst mal einer von euch ... geflügelten ...“ Peter blickte nach Worten ringend quer durch den Raum. „Flügelwesen, in was für einen Film ich hier eigentlich geraten bin!“
 

Unglücklicherweise brachten seine Bemerkungen das Fass zum Überlaufen. Während die meisten Anwesenden empört in einseitiges Geschwätz ausbrachen, richtete die freche, mitteilungsbedürftige Elfe vor ihm ihren rechten Zeigefinger wie eine gefährliche Waffe genau zwischen Peters Augen.
 

„Ich warne dich: Noch ein Wort, und ich schrumpfe deinen Kopf auf die Größe einer Zuri-Beere!“
 

Obwohl Peter nicht auch nur den blassesten Schimmer hatte, was eine Zuri-Beere war, schüchterten Ansprache und Gestik seiner neuen Lieblingselfe ihn doch ein wenig ein. Bisher hatte er schon unzählige höchst seltsame Vorgänge in dieser Welt beobachten können, einige sogar am eigenen Leibe erfahren müssen. Warum sollten diese Wesen keine Zauberkräfte besitzen?
 

„Nun gut! Herrje, du bist wirklich ein enorm widerspenstiges Exemplar. Um es kurz zu machen: Du wurdest – wie alle Menschen hier – durch Gardifs Portal in dieses Land gebracht, um hier als Sklave den Rest deines fortan jämmerlichen Lebens zu verbringen. Eine Tragödie, die sich schon seit etlichen Jahren stets wiederholt. Nur hattest du eben unverschämtes Glück, Fremder! Die Umstände hätten wahrlich besser nicht sein können. Die Geflohenen haben sich zusammengeschlossen, um einen Überraschungsangriff auf die Festung der Dunkelelfen vorzunehmen; um Gardif endlich die Stirn zu bieten!“
 

Zu Peters Erstaunen rückte die junge Elfe während ihrer begeistert geführten Ansprache immer dichter an ihn heran. Sie hockte nun schon auf dem Bettrand nur eine Handbreit von ihm entfernt und starrte ihn durchdringend an, doch sie schwieg.
 

Zögerlich wagte er eine Frage zu stellen. „Wie ging die Sache aus?“
 

Niedergeschlagen blickte die Elfe zu Boden.
 

„Ein Fiasko, tja ja ... In der Tat warst du der einzige Gefangene, der befreit werden konnte, und es kamen längst nicht alle Angreifer zurück ...“ Diese Kunde schlug Peter schwer auf den Magen. Der Gedanke, dass andere Menschen für sein Wohl gestorben waren, ließ ihn am ganzen Leib erzittern. Wieder keimten Zweifel in ihm auf, ob er womöglich den Verstand verloren hatte, oder dieses ganze Szenario nur träumen würde. „Weißt du, ich glaube, du solltest noch eine Weile warten, bis du dich den Geflohenen anschließt. Sie sind nicht gerade in bester Verfassung. Keiner von ihnen. Obendrein befürchte ich, könnten sie dir die Schuld am Fehlschlag der Mission geben.“
 

Die Flut an schlechten Nachrichten wollte einfach nicht abbrechen. Und als wäre das nicht schon genug, schien seine ganz persönliche Lektorin ihm auch noch diebisch ihre Schadenfreude vorleben zu wollen. Sie kicherte und gluckste vor sich hin, während Peter entsetzt nach seinem verlorenen Mut suchte, tief in seinem Herzen.
 

„Zum Helden fehlt dir einiges an Erfahrung und Kraft, wenn du mich ...“ Sie brach ab, um sich Peter urplötzlich von einer ganz anderen Seite zu präsentieren. Ungefragt und völlig frei von jeglicher Scham schmiegte sich das überhebliche Fabelwesen an die Schulter ihres perplexen Gastes, den sie just vor einigen Augenblicken vor Ihresgleichen zu belehren versuchte. „Aber mich fragt ja niemand. Sei nicht dumm! Bleib bei uns! Zieh erst gar nicht mit diesen verrückten Menschen los! Alles was sie dir bieten können, ist ein grauenhafter Tod.“
 

Keiner der Zuschauer hatte das Haus verlassen. Ganz im Gegenteil: Dutzende funkelnde Augenpaare folgten höchst aufmerksam dem Vorgang, was die Angelegenheit für Peter noch einmal doppelt so unangenehm machte. Die Elfe warf sich mit solcher Selbstsicherheit an seinen Hals, wie es der Junge noch nicht erlebt hatte, immerwährend lächelnd und in ihrer seltsamen Eigenart absolut unwiderstehlich.
 

„Es wäre so eine unnötige Verschwendung, nicht wahr? Du bist so jung, so hübsch ... wirf dein Leben nicht einfach so weg! Bleib hier! Du kannst hier bei uns alles haben, was dein Herz begehrt.“
 

Das verheißungsvolle Gerede der Elfe riss ihn letztlich wieder aus seinen Träumereien. Ein wahrlich surrealer Augenblick wurde abrupt durch den letzten Satz der mysteriösen Schönheit beendet.
 

„Von wegen! Woher glaubst du zu wissen, was ich ... was mein Herz begehrt?“

In Peter fing die Wut an sich ihren Weg an die Oberfläche zu bahnen. Ihm selbst fiel dies jedoch wie immer zuerst auf, und so zügelte er sein Temperament. „Hör zu: Ich bin ja wirklich wahnsinnig begeistert von eurer Gastfreundschaft, aber ich werde sie nicht länger beanspruchen als unbedingt nötig, verstanden? Du ...“
 

„Lily!“
 

Völlig unbeeindruckt streckte die Elfe Peter die Hand entgegen, der die leicht verspätete Vorstellung des Mädchens zaghaft entgegen nahm.
 

„L-Lily. Dann wäre das ja geklärt ... Äh, wo war ich stehengeblieben?“
 

„Geradewegs dabei, einen fatalen Fehler zu begehen!“
 

„Wenn du meinst“, ließ Peter das Gerede der Elfe scheinbar kalt.
 

Verunsichert bahnte er sich seinen Weg aus dem Bett, stieß sich den Kopf, stolperte über einen unförmigen Klotz aus Holz und trat auch sonst in jedes nur erdenkliche kleine Fettnäpfchen, dass in diesem engen Verschlag auf ihn wartete. Die unbeholfene Vorstellung verscheuchte die meisten Neugierigen in Sekundenschnelle. Noch in der Tür stoppte Lily den Pechvogel ein letztes Mal.
 

„Oh Peter, du wirst nur hier glücklich; glaube mir! Für Menschen ist dieser Ort die einzig sichere Zuflucht. Frag deine Freunde, wenn du mir nicht vertraust. Sie werden dir genau dasselbe erzählen und ihre Märchen über den Kampf gegen Gardif und den Sinn dahinter ... als ob es den geben würde ...“
 

Lily deckte Peter mit zu vielen alten und neuen Informationen zugleich ein, sodass auch dieser letzte Versuch, ihn aufzuhalten, zum scheitern verurteilt war.

Als Peter gebückt aus der schmalen Tür trat, offenbarte sich schon die nächste Sinnesexplosion vor seinen Augen, die er in einem Moment der Klarheit instinktiv in Worte zu fassen versuchte.
 

„E-eine Stadt in den Bäumen ...!?“
 

Nein, das wäre eine Untertreibung, dachte er sich nur einen Wimpernschlag nachdem ihm der Anblick diese gestammelte Bezeichnung entlockt hatte. Vielmehr eröffnete sich ihm ein Ozean aus Lichtern, die aus unzähligen kreisrunden Fenstern in die Ferne leuchteten. Unmöglich war es abzuschätzen, in welche Entfernungen sich dieses gigantische Gebilde, diese Hauptstadt der Elfen erstreckte. Er befand sich auf einer der vielen Plattformen aus Holz und Moos, die sich kreisrund um jeden der Bäume wickelten und durch Treppen ähnliche Gebilde miteinander verbunden waren. Durch die Wipfel der riesigen Mammutbäume schienen genau so hell wie spärlich Sonnenstrahlen auf Peter und die Umgebung herab. Sein Blick folgte einem dieser Lichtpfeile und konfrontierte ihn alsbald mit dem nächsten erschreckend schönen Eindruck dieser Fabelwelt: ihrer angsteinflößenden Tiefe. Selbst das Sonnenlicht vermochte nicht bis zum Grunde dieses Waldes vorzudringen, sodass Peter nur grob schätzen konnte, in welcher Höhe er sich tatsächlich befand, so nahe an den majestätischen Wipfeln der mächtigen Bäume, die eine natürliche Weisheit auszustrahlen schienen. Verwurzelt im fruchtbaren Boden bahnten sie sich über Jahrhunderte hinweg ihren Weg in die Sphären des Himmels, den sie nun zu teilen vermochten.

Peter wich vor lauter Ehrfurcht einige Schritte zurück, ohne es selbst wahrzunehmen. Tatsächlich beeindruckte ihn die Szenerie so sehr, dass es ihm sein Verstand verwehrte sich auf etwas anderes zu konzentrieren.

Bis eine nunmehr vertraute Stimme erklang.
 

„Verstehst du jetzt, was ich meine? Geh' nicht weg; gib das nicht auf!“ Lily hatte sich im Rücken des Jungen an ihn herangepirscht und sich sanft um ihn geschlungen. Einfühlsam flüsterte sie Peter ihre Botschaften zu, dabei einige Zentimeter über dem Boden schwebend, um den beachtlichen Größenunterschied wett zu machen. „Es gibt hier noch so viel mehr zu sehen. Dinge, die du dir in deinen kühnsten Träumen nicht vorzustellen vermagst. Glaube m---“
 

Abrupt verstummte die verschlagene Elfe und ihr lieblicher Blick verformte sich zu einer wütenden Grimasse. All das ausgelöst durch ein schweres, metallisches Stapfen, dass sich schneller werdenden Schrittes näherte. Peter rang noch immer um Fassung.
 

„Verschwinde!“ Kühl und gefühlskalt verscheuchte der Neuankömmling die Elfe, die sich so sehr mühte einen bleibenden Eindruck bei dem Fremden zu hinterlassen.
 

Ihrer Miene war deutlich zu entnehmen, wie sehr sie diese Niederlage verärgerte. Auch wenn sie wortlos und blitzschnell in der Ferne verschwand, waren dies keineswegs Anzeichen von Respekt, sondern bloße Verachtung, die sie gegenüber der gepanzerten Gestalt empfand.

Das grelle Aufblitzen von Lilys Flügeln und ihre blitzartige Flucht rissen schließlich auch Peter aus seinen Tagträumen. Erschrocken blickte er in alle Richtungen, um nach der Elfe zu suchen, die jedoch längst im Dickicht verschwunden war. Letztlich blieb sein Augenmerk auf eine noch eigenartigere Person zu seiner Rechten gerichtet.
 

„Ich sehe, du hast dich erholt. Dann ist es wohl an der Zeit, zu reden. Folge mir!“
 

Ihre Stimme schien zwar emotionslos und wurde durch den schweren Helm, der ihr Gesicht zum größten Teil verdeckte, zusätzlich verzerrt, doch war Peter nichtsdestotrotz überzeugt davon, dass er es mit einer Frau zu tun hatte. Sein kürzlich so geschundenes Kurzzeitgedächtnis half ihm zunächst nicht auf die Sprünge. Zu benommen war er noch immer von den jüngst erlittenen Strapazen.

So gefährlich gekleidet und selbstbewusst auftretend, wie sie war, wirkte die Ritterin einschüchternd auf den Franzosen, dennoch erkannte er schnell sehr deutlich die Dame unter dem furchteinflößenden Stahl. Ihre Körperhaltung und ihr Gang verrieten, was die schmutzige Plattenrüstung, Kettenhemd, Stiefel und mit Nieten versehene Handschuhe verbergen konnten.

Die Rüstung war immer noch imposant anzuschauen, doch war nur noch an wenigen Stellen der klare, leuchtend-silbrige Schimmer zu erkennen, der – da war Peter sich sicher – einmal die gesamte Bekleidung in glänzendes Licht hüllte. Einzig die goldenen Verzierungen an dem schweren Gewand zeugten jetzt noch von der künstlerischen Begabung des Erbauers. Auch dieser Anblick wusste Peters Fantasie anzuregen, doch der Moment, der ihn aus den Träumen riss, ließ erneut nicht lange auf sich warten.

Sein Blick schweifte langsam aber zielstrebig zur Waffe der Frau: ein Kurzschwert von brutaler Präzision, ebenso handlich wie tödlich. Schlimmer war jedoch, das Peter geronnene Blutflecken auf der Klinge erkennen konnte, was ihm schlagartig die Ernsthaftigkeit der Situation vor Augen führte. Tausend Gedanken schossen dem Jungen durch den Kopf: Dass er gerettet wurde, der Sturz, der Angriff, von dem Lily sprach – bei dem viele Menschen umgekommen waren-, der alte Mann, der vor seinen Augen hingerichtet worden war. Plötzlich war Peter sich sehr sicher, er könne den Geruch frischen Blutes wahrnehmen. Er ahnte bei dem überwältigendem Gefühl der Übelkeit, dass ihn alsbald überkam, dass es um ihn geschehen war. Ruckartig sackte er schließlich in sich zusammen.
 

„Hey!“ Im letzten Moment bekam ihn die Ritterin zu fassen und bewahrte ihn vor dem Sturz in die Tiefe. „Typisch ...“
 

Er war ohnmächtig geworden, auch wenn sich der Frau der Grund nicht erschließen wollte. In die Obhut der Elfen würde sie ihn jedenfalls nicht wieder übergeben, und so entschloss sich die Kriegerin, den schweren Körper des Jungen den Weg über zu stützen. Dabei wuchtete sie ihn mühevoll und mit aller Kraft über ihre Schulter. Schnaubend trug die geheimnisvolle Person die schwere Last den weiten Weg in die Tiefe. Von überall lugten funkelnde Elfenaugenpaare aus den Baumhäusern und dem Geäst, darauf hoffend ihre angeborene Neugierde befriedigen zu können, doch sie hielten sich fern von der bedrohlichen Gestalt und ihrem Gepäckstück; sie alle respektierten diesen Menschen. Einige vielleicht aus Angst vor ihr, doch machte das keinen Unterschied.
 

...

... ...

... ... ...
 

Toulon, Frankreich. Zwei Jahre früher (Erdzeit)
 

Als erst klar geworden war, dass Julie womöglich nicht nur von zu Hause Reißaus genommen hatte, konnte Peter dem Drang nicht mehr länger standhalten, die Kapsel wieder auszugraben, die er zusammen mit seinem Schwarm nur wenige Tage vor ihrem Verschwinden tief im frischen Erdboden in der Nähe der Anlegestellen vergraben hatte. Das Plastik-ei war damals eine fixe Idee Julies gewesen, doch schwor sie feierlich einen Eid, das Behältnis erst in ferner Zukunft zu öffnen und forderte von Peter dasselbe Ritual ein. Dem Mädchen war es dabei durchaus ernst damit.
 

Zehn Jahre ... Das sagt sich so leicht!

Als er sie völlig aufgelöst vor Trauer und Angst um Julie mit den bloßen Händen ausgegraben hatte, redete er sich noch ein, die Außergewöhnlichkeit der Situation würde sein Vorgehen rechtfertigen. Heute – fast drei Jahre später – hatte er immer noch nicht den Schneid die Kapsel zu öffnen. Womöglich war es aber auch der Respekt vor Julies Wunsch, der es Peter verwehrte, den Schwur zu brechen. Die Neugierde weckte mehr als einmal die Versuchung in ihm, öfter gar noch Enttäuschung und Verzweiflung. Drei Jahre hatte Peter es ausgehalten, war stark geblieben. Eine unendlich lange Zeit für den Siebzehnjährigen, doch er stand sie durch.

Selbst an Tagen wie diesem, an dem er gut daran getan hätte, alles hinter sich zu lassen und mit seinen Freunden das Hier und Jetzt zu feiern, konnte er keinen klaren Gedanken fassen.

Missmutig und niedergeschlagen wagte er sich, die silbergraue Kapsel wie ein Neugeborenes in den Händen hütend, ans Fenster. Der kleine Hinterhof des Bungalows war alles was diese triste Unterkunft vom weißen Sand des Strandes und dem blauen Meer trennte. Dort, wo seine Freunde die Unwissenheit genießen und sich ganz sich selbst widmen konnten. Doch getauscht, hätte er mit ihnen auf keinen Fall. Gerade sein bester Freund Maurice, dem Peter so vieles ohne Recht vorenthielt, war in jeglicher Hinsicht schlimmer dran als er selbst.

Die Antwort, nach der er schon so lange auf der Suche war, und an deren fragwürdiger Existenz Momo schon längst keinen Gedanken mehr verschwendete, lag womöglich direkt vor ihm. Und doch fehlte Peter der Mut.
 

„Kommst du heute nochmal aus der Hüfte?“
 

Peters Hände zitterten. Maurice' Timing hätte nicht besser sein können.
 

„E-ein bisschen ... Nur noch ein paar Minuten!“
 

Er regte sich nicht, verbarg seinem Freund somit die Sicht auf die Kapsel, nach der der neugierige, hochaufgeschossene Schwarze sonst mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gefragt hätte.
 

„Mmh, wie du meinst, dachte nur schon, du wärst eingeschlafen oder so was in der Richtung.“
 

„Nein nein!“ Peter drehte seinen Kopf in Richtung Tür. Sein Freund musste sich leicht bücken, um sich den Kopf nicht am Rahmen zu stoßen. „Kannst dich ruhig wieder Lara widmen, ich komm sofort nach.“
 

„He he, Lara? Ich glaub', die hat es eher auf dich abgesehen.“
 

„Kein Interesse, danke.“ Peters Miene verriet aber, dass er sich zumindest geschmeichelt fühlte.
 

„Ist das dein Ernst?“ Verwundert verzog Momo das Gesicht, machte aber keine Anstalten, den Raum zu betreten. „Du musst hochgradig verwirrt sein, mein Freund, wenn du ...“
 

„Sie waren beste Freundinnen. Das weißt du ganz genau. Es wäre ...“ Peter kam ins Straucheln. Nicht etwa, weil ihm die Worte fehlten; er zweifelte nur an ihnen. „Wäre einfach nicht richtig, verstehst du?“
 

„Ich hoffe Lara versteht das. Wie auch immer,“ Es lag in der Luft, dass Momo derlei Gespräche alles andere als begeisterten. Seit geraumer Zeit vermieden die beiden das Thema „Julie“ untereinander, „das ist für lange Zeit unsere letzte Chance, mal was gemeinsam zu unternehmen, danach bin ich ziemlich weit weg.“, erklärte Momo. „Würde mich freuen, wenn du den ganzen anderen Kram mal einfach vergessen könntest. Nur für diese Woche. Einfach mal abschalten, okay? Ich meine: Deswegen sind wir doch überhaupt hergefahren.“
 

„Ich ... j-ja, du hast Recht. Natürlich hast du Recht! Ich hab' auch nicht vor, die Spaßbremse zu sein, keine Sorge! Hab ja gesagt, ich komm gleich nach. Nur ist Lara ...“
 

„Ein anderes Thema. Ich weiß, ich weiß.“ Der erste Eindruck von Verdruss war zum Glück wieder verflogen, auch wenn Peter nicht wirklich fühlte, was er sagte. „Hab schon kapiert, aber ärger' dich im Nachhinein nicht, wenn Lara dann vom Markt ist, klar?“
 

„Keine Sorge.“ Peter lächelte „Wird nicht passieren.“
 

„Fünf Minuten!“ Maurice tippte bedrohlich auf seine Armbanduhr, bevor er sich auf den Weg machte. „Länger warten wir nicht; ansonsten kannst du das Mittelmeer nach uns absuchen!“
 

So wie sich Momo ausgedrückt hatte, schien es, als wollte er unter keinen Umständen mit der Geschichte konfrontiert werden, die Peter noch immer den Kopf zerbrach und es wohl auch noch für eine sehr lange Zeit tun würde. Es wäre einfach für ihn gewesen, die Aussagen seines Freundes als Alibi zu benutzen, ihm die Kapsel vorzuenthalten und sich aus der Verantwortung ihm gegenüber heraus zu stehlen. Jedoch glaubte er nicht wirklich daran, dass er jemals den Mut aufbringen würde, sie zu öffnen. Die Angst davor, die Antwort auf seine Fragen nicht zu erhalten, oder schlichtweg enttäuscht zu werden, war einfach zu groß. Würde er Momo von Julies Vermächtnis erzählen, wäre dieser Schritt dann wohl unumgänglich.

In aller Eile verstaute er die schwere Kapsel wieder tief in seinem Gepäck. In dieser Woche würde das silberne Ei das Tageslicht nicht mehr erblicken, dessen war Peter sich sicher.

Erst als der junge Franzose begann, sich umzuziehen, erinnerte er sich an den Schlüssel des Behältnisses, den er die gesamte Anreise über in der rechten Hosentasche seiner Jeans trug.

Einen Augenblick lang belächelte Peter seinen schlampigen Umgang mit diesem so wichtigen Puzzelteil. Natürlich wäre es in der Not keine Schwierigkeit gewesen, das robuste – trotzdem alles andere als unkaputtbare – Behältnis aus Plastik gewaltsam zu öffnen, sollte er den schmucklosen Schlüssel je verlieren. Dennoch zwang er sich in dieser Sekunde, jenes so bedeutsame Andenken an Julie Lauret in Zukunft wie seinen Augapfel zu hüten.
 

... ... ...

... ...

...
 

Einmal mehr wachte Peter in einer ihm ungewohnten Umgebung auf, ohne sich genau daran zu erinnern, warum er überhaupt eingeschlafen war. Diesmal wich seine Trance jedoch schneller, und das Bild das sich ihm bot, war nicht annähernd so schwer zu verdauen, wie die zurückliegenden.

Er befand sich auf einer unbequemen Holzlade, lediglich ein altes Kissen stützte seinen Kopf. Zu seinem Erfreuen umzingelten ihn diesmal zumindest keine Elfen, ob nun der einen, oder der anderen Art. Peter war sich sicher, im Raum vor ihm eine Schar von Menschen ausmachen zu können, die sich mit Karten und Würfel-spielen beschäftigten. Die kleine Nische, in der er abgestellt worden war, bot kaum Platz für eine einzige Person, dadurch konnte Peter allein und aus sicherer Distanz einige Beobachtungen anstellen.

Ein ungutes Gefühl beschlich ihn schon bald. Es waren definitiv Menschen, mit denen er es hier zu tun hatte. Sie sahen gefährlich aus. Zumindest aber nicht gerade freundlich gesinnt. Überall Rüstungen und Helme; Pfeile lagen herum, einiges Kriegsgerät sogar direkt neben ihm. Grobe Schwerter standen wie freie Ware hier und dort an die Wand gelehnt. Der Boden dieses Gebäudes rief ein unangenehmes, aber nichtsdestotrotz hilfreiches Deja-vu in Peters Kopf hervor. Blutflecken vermischten sich hier mit dem harten Holz und dem Dreck, den die Ritter mit ihren Stiefeln hineingetragen hatten. Das war es: Dieser Anblick hatte ihn überfordert, im Einklang mit seiner Fantasie, die völlig verrückt spielte, als Peter das Blut am Schwert dieser Ritterin erkannte.

Wo sie wohl war? Er war ihr mindestens eine Danksagung schuldig – eher mehrere-, und die Chance dazu sollte er auch bekommen. Gerade als Peter meinte, niemand würde bemerken wie er langsam auf die Beine kam, schritt eine bekannte Gestalt an sein Bett.
 

„Endlich aufgewacht, ja? Du legst also gerne mal eine Pause ein!?“
 

Gerade weil sie diese unterschwelligen verbalen Hiebe so trocken und kühl herüberbrachte, trafen sie den stolzen Charakter des Jungen, an den sie gerichtet waren, wie Nadelstiche.
 

„Tut mir leid, ich kann mir das auch nicht erklären. Vielleicht---“
 

„Schon gut!“ unterbrach sie ihn. „Das ist jetzt sowieso Geschichte. Du bist hier und am Leben, nur das zählt.“
 

Die Ritterin füllte die winzige, improvisierte Tür zu dem Kämmerchen in dem sich Peter befand völlig aus, sodass nur wenig Licht in die Kammer drang und er erneut Schwierigkeiten hatte, einen vernünftigen Eindruck von ihr zu gewinnen. Sie trug ihren furchterregenden Helm glücklicherweise nicht mehr. Im Schatten war es Peter somit zumindest möglich, ihr Profil und ihr langes, dunkelblondes Haar zu erkennen. Seine Neugier war geweckt.
 

„Und ... wo ist hier?“ fragte er zögerlich
 

„Ballybofey [Bell-Bo-Fei]!“ lautete die knappe Antwort. „Genauer gesagt: am Fuße des Elfenwaldes“, fügte die Frau noch ergänzend hinzu.
 

Peter runzelte die Stirn und versuchte hinter einem seichten Lächeln seine Unwissenheit zu verbergen. „Ehrlich gesagt, wären ein paar mehr Details hilfreich.“
 

„Hm? Scheint als hättest du in Vyers nicht viel gelernt“, gab sich die Fremde überrascht. Ihre Antworten kamen stets wie aus der Pistole geschossen, als ob diese Art Gespräch zu ihrem Alltag gehörten
 

„Um nicht zu sagen: überhaupt nichts. Ich hatte nicht viel mit den Menschen und den anderen Wesen dort zu tun; war die meiste Zeit eingesperrt.“
 

Wieder leicht erstaunt legte die Ritterin den Kopf in den Nacken und wich ein Stück zurück, um im nächsten Moment hell erleuchtet vor Peter zu erscheinen. Endlich offenbarte sich ihr Antlitz, das die Welt um sie herum zuvor so geschickt zu verbergen schien. Peters Augen funkelten während er das Gesicht der jungen Frau musterte. Bis auf eine etwa fünf Zentimeter lange Narbe an der linken Wange, die zur Hälfte von ein paar dünnen Haarsträhnen verdeckt wurde, war es geradezu perfekt. Definitiv zu schön, um unter einem so schweren, grotesk verzierten Helm versteckt zu werden; obwohl ihre Wangen schmutzig und ihre Lippen spröde waren. Verständlich, bedachte man die Anstrengungen, die hinter ihr lagen.

Ihre kurzzeitige Starre löste sich schnell wieder auf und sie strich sich durch ihr blondes Haar, um den unschönen Makel vollends zu verdecken. Sie hatte die intensiven Blicke des Jungen durchaus wahrgenommen.
 

„Eingesperrt, sagst du? Und warst du die ganze Zeit über allein?“
 

„Ja, wieso?“
 

Unangenehme Erinnerung drängten sich auf. An das Verhör beim Lord dieser Festung und an Alicia, die aller Voraussicht nach unter den Trümmern des Zellentraktes begraben lag.
 

„Die ganze Zeit?“
 

„Wie ich schon sagte ...“ Ob sie wohl tatsächlich auf seinen Besuch bei Gardif hinauswollte? „Nun ja, um genau zu sein: nein. Nachdem mich deren Anführer verhört hatte, warf uns so ein ergrauter Pitbull in einen anderen Trakt.“
 

„Ortoroz. Ja, ich kenne ihn.“ Die Ritterin schenkte Peter ein mitfühlendes Nicken. Erneute Gedanken an Alicia machten ihn rasend vor Wut. Doch noch bevor er sich in Rage reden konnte, fuhr seine neue Leidensgenossin fort. „Er ist General der Armee, die sich Lord Gardif aufgebaut hat. Das ist jetzt schon Jahrzehnte her. Gardif nimmt sich wen oder was immer er braucht, und in den Dunkelelfen hat er zu allem Überfluss auch noch treue Verbündete gefunden. Was auch immer die sich von dieser Allianz versprechen“, sie driftete ab. „Aber das alles wirst du schon noch selbst herausfinden, wenn du dich erstmal eingelebt hast.“
 

Während des Gespräches blickte die Frau stets in Richtung Wand, schaute nur gelegentlich den Neuankömmling aus den Augenwinkeln heraus an. Sie wirkte stets nachdenklich, woran auch immer es lag. Peter hoffte insgeheim, zumindest das noch herausfinden zu können.
 

„Entschuldige, aber ich habe wirklich nicht vor, noch viel länger hierzubleiben. Sobald ich kann, werd' ich mich aus dem Staub machen.“
 

„Machst du Witze?“
 

„Seh' ich so aus?“
 

Wieder sonderte die Ritterin diesen mitfühlenden Blick in seine Richtung ab, dieses Mal jedoch mit einem großen Anteil an Unverständnis vermischt.
 

Wird wohl ein langer Tag werden.“ Seufzend setzte die junge Frau zu einem weiteren Vortrag an. „Hör zu: So wie es aussieht, bist du dir noch nicht im Klaren über deine Situation. Das macht aber nichts, ich werde dich diesbezüglich aufklären. Du solltest dich allerdings auf einiges gefasst machen.“
 

Sie stoppte und wandte sich mit fragender Mimik an den jungen Mann, als benötigte sie ein wenig Unterstützung.
 

„Peter.“ Stellte sich der Junge so höflich vor, wie es seine Situation eben zuließ.
 

„Peter. Ich bin ...“
 

Wieder stoppte sie, diesmal – entgegen ihrer üblichen Art – verunsichert und nach Worten ringend.
 

„Eva, richtig?“ versuchte sich der Franzose zu erinnern. Mit Erfolg.
 

„Du erinnerst dich also noch. Scheinst doch nicht so viel abbekommen zu haben.“
 

„Ist immer besser, dem hübschen Gesicht auch einen Namen zuordnen zu können.“
 

Das Kompliment entfuhr ihm einfach so; er konnte es sich selbst nicht recht erklären. Womöglich war es unangebracht in dieser höchst seltsamen Situation, doch es schien die Ritterin zumindest nicht zu verärgern. Sie lächelte und wirkte merklich erleichtert.
 

„Lass es mich wissen, wenn du dich erholt genug fühlst. Es gibt einiges zu sehen und noch viel mehr zu erfahren.“
 

Peter richtete sich auf und trat aus der Kammer hervor. Er überragte Eva nun um eine knappe Kopflänge, nickte ihr zu und stellte sich schließlich neben sie. Auch die anderen Menschen in dem Raum richteten ihre Aufmerksamkeit längst auf die für sie unbekannte Gestalt. Peter nahm sich die Zeit einen jeden Blick zu erwidern, bemüht, keine wertenden Gesten zu zeigen, so unterschiedlich und zahlreich die Eindrücke, die vermittelt wurden, auch waren. Mit diesem mutigen Auftreten wusste Peter zu überraschen, vor allem die nun eher zierlich wirkende Frau zu seiner Linken.

Die Leute in der Halle wandten sich sehr schnell wieder ihren Beschäftigungen zu.
 

„Ich denke, ich bin soweit“, zeigte der Junge sich selbstbewusst.
 

„Gut, dann folge mir!“
 

Eva wies ihm den Weg aus der Taverne, dem Treffpunkt dieser Gruppe aus bunt zusammengewürfelten Männern und Frauen. Es waren ausschließlich Menschen hier; keine Elfen oder andere Fabelwesen, an die Peter vor kurzem noch gar nicht geglaubt, sie als „Fantasie“ abgetan hatte, welche sich in den letzten Tagen jedoch als genauso real erwies, wie sein mittlerweile ungeliebtes zu Hause, sein trauriges Marseille.
 

„Oh!“ Eva blieb stehen, kurz nachdem sich die Tür hinter sich abgeschlossen hatte. „Bevor ich es vergesse. Das hier,“ Sie zog eine Halskette aus einer ihrer Gürteltaschen hervor, „haben wir bei dir gefunden.“
 

Erst auf den zweiten Blick erkannte Peter, dass ein ganz besonderes Pendant an der Kette hing. Es war zweifelsohne der münzgroße, silbrig schimmernde Schlüssel, den Peter schon seit Jahren tagtäglich wie einen Schatz mit sich herumgetragen hatte. Fast hatte er ihn vergessen.
 

„Äh ... vielen Dank“ Verwundert nahm er die Kette entgegen. „Wie---“
 

„Ich dachte, eine Kette wäre sinnvoll. Nur das du ihn nicht nochmal verlierst. Ein Wunder eigentlich, dass so etwas Winziges noch immer in deiner Tasche zu finden war, nach allem, was dir passiert ist.“
 

Die Bemerkung zauberte ein Lächeln auf Peters geschundenes Gesicht. „Ein Wunder, huh?“
 

Es war ein schöner Gedanke, den er – in Verbindung mit jenem besonderen kleinen Gegenstand – gerne für voll nahm.
 

„Also?“ pochte Eva auf eine Erklärung.
 

„Also was?“
 

„Erzählst du mir auch, wofür der ist?“, fragte sie völlig unverblümt, ganz ihrer Art entsprechend.
 

„Na ja ...“ Peter zuckte mit den Schultern. „Eigentlich erfüllt er keinen wirklichen Zweck. Zumindest glaube ich nicht, dass ich ihn jemals verwenden werde.“
 

„Aha.“ Die blonde Kriegerin, die längst keine Gefahr mehr auf Peter ausstrahlte, begann langsam weiter zu gehen, dabei nickte sie zufrieden mit dem Kopf, als hätte sie den Jungen soeben komplett durchschaut. „Verstehe schon. Wie ein Schlüssel zur Seele, ja?“
 

Völlig perplex schlug der Neunzehnjährige noch einige Sekunden lang weiter Wurzeln vor der Taverne. War es denn wirklich so einfach, ein Profil von ihm zu erstellen, oder lag es schlichtweg in der Natur der Sache, dass es Eva so leicht fiel, den Nagel auf den Kopf zu treffen?

Selbst hatte er dem blechernen Spielzeug in seiner Hand eine so philosophische Bedeutung zwar nie zugemessen, doch fand er nichtsdestotrotz darin dessen Sinn bestätigt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  blacksun2
2008-10-31T11:12:14+00:00 31.10.2008 12:12
fürs erste scheint Peter endlich mal wieder seit langer Zeit in Sicherheit, doch wie lange wird das wohl andauern?

*lol* tja er weiß wie man mit Frauen umgehen kann, mit dem Kompliment hat er sich bestimmt ein paar Pluspunkte bei ihr verdient und dann sieht er noch gut aus, wenn man jetzt noch wüsste, wie alt Eva ist *verheißungsvoll grinst*
wobei ich sie ja um einiges älter als Peter schätzen würde

aber Peter hat wirklich Glück im Unglück, es hätte schlimmer kommen können, er hätte auch bis zum Tode für die Dunkelelfen in irgendeiner Mine oder so arbeiten können
(das es natürlich auch besser hätte kommen können, darüber muss man ja nicht streiten ^^)
allerdings hab ich das ungute Gefühl, dass er bald an der Seite der Rebellen (ich nenn sie mal so)kämpfen soll

Eva hat sich ziemlich gewundert, dass er fast die ganze Zeit im Gefängnis gesessen hat, frag mich was sie erwartet hat???

aber bevor ich hier weiter sinnlos rumlaber, mal zum Wesentlichen:

ich liebe die Geschichte, ich find sie einfach nur superklasse, sie ist spannend und ausdrucksmäßig sehr gut geschrieben
selbst wenn ich den ganzen Tag lang suchen würde, ich würde kein Kritikpunkt finden
und dafür ein ganz, ganz großes Lob

gglg
blacksun


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