Rory Takaradas Geheimnis
Meine Güte, geht das mit dem Freischalten in letzter Zeit schnell, ... noch schneller komm ich
echt nicht nach! – Aber es freut mich, dass ihr alle so fleißig Kommis und ENS schreibt. ^^ - Arigatooo!
So, und jetzt: Viel Spaß!
„.........“ = wörtliche Rede
>........< = Gedanken
[..........] = persönliche Kommentare der Autorin
unterstrichene Worte sind betont
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...
Rory Takarada lächelt, als er Rens Verblüffung registriert.
>Geschafft!<, denkt er schmunzelnd. >Ich hab es doch glatt fertig gebracht, ihm eine aufrichtige
Reaktion zu entlocken...<
„Nimm doch bitte Platz, Ren-kun.“, sagt er freundlich und deutet auf die kleine Sitzgruppe in der Nähe
des Fensters.
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Die beiden ungleichen Männer nehmen Platz und Rory Takarada legt Krummstab und Wedel auf dem
Tischchen ab.
„Yashiro-san hat mir berichtet, welches Problem du hast.“
Er fasst kurz zusammen, was er von Rens Betreuer tags zuvor gehört hat, damit Ren ihn nötigenfalls
berichtigen oder ergänzen kann. (Was er jedoch nicht tut.)
„Als Allererstes möchte ich dir folgendes sagen: Es mag merkwürdig klingen, ... aber ich bin eigentlich
sehr froh, dass du – endlich mal – ein solches Problem hast.“
Ren Tsuruga fällt beinahe die Kinnlade herunter, der LME-Chef lässt sich jedoch nicht unterbrechen.
„Ich dachte schon, du würdest ewig so weiter machen mit deiner selbst gewählten Isolation. –
Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Kyoko-chan die Betonmauern um dich herum einreißt? Noch
dazu, ohne es auch nur zu ahnen.“
Er wird plötzlich ernst.
„Und noch Eines vorneweg, bevor wir uns richtig unterhalten: Lass die Finger vom Alkohol! –
Ganz besonders, wenn du in einer Krise steckst, das macht alles nur noch schlimmer...“
Rory seufzt leise.
„Ich habe schon zu viele Künstler daran zerbrechen sehen ... und es sind immer die besonders
begabten. – Ich weiß, das Showbiz ist mitunter mörderisch und eigentlich verlangt es von allen
Beteiligten, dass sie in erster Linie funktionieren. Aber ich weiß auch, dass man es damit nicht
übertreiben darf, schließlich kann es auch für eine Produktionsfirma nicht einträglich sein, ihre
Schauspieler gnadenlos zu verheizen.“
„Als ob andere Leute darauf Rücksicht nehmen würden.“, meint Ren bitter. „Die Medien, die Presse, die
Fans, die Leute auf der Straße...“
„Ja, ich weiß.“, gibt Takarada ebenso ernst wie ruhig zurück. „Und deshalb ist es auch in Ordnung, in
der Öffentlichkeit nicht allzu viel von sich zu preiszugeben, sein Privatleben zu schützen. – Aber bei dir
gibt es da ein Problem, ... jedenfalls bisher: Du hast gar kein Privatleben.“
„Ein Privatleben, das nicht existiert, kann auch nicht in den Schmutz gezogen werden.“
„Das ist durchaus richtig. – Aber welchen Preis zahlst du dafür, Ren-kun? – Es gibt gar nichts
mehr, was es zu verteidigen gäbe. – Außerdem: Wenn du keine persönlichen Erfahrungen mehr zulässt,
wird dein Schauspiel dadurch mit der Zeit in gleichem Maß ärmer werden wie deine gesamte
Persönlichkeit.“
Ren Tsuruga legt den Kopf in beide Hände, die Ellenbogen sind auf den Knien abgestützt.
„Und?! Was soll ich ihrer Meinung nach tun, Takarada-san?“
„Was ich da sage“, meint Rory seufzend, „hört sich alles nach einer ausgewachsenen Gardinenpredigt
an, was? Dabei sollte es das eigentlich gar nicht sein. Vielleicht sollte ich dir erst einmal etwas über
deinen Beruf erklären. Du bist nämlich ganz und gar nicht allein mit einer solchen Gefühlslage.
Schauspieler sind so was wie Vagabunden, ständig unterwegs, sie leben quasi aus dem Koffer. Sie
wechseln die Welten wie andere die Kleidung. Meist können sie sich in jede beliebige Umgebung
problemlos einfügen ... und doch gehören sie nie wirklich dazu. – Je begabter ein Schauspieler ist,
desto problematischer wird das meistens.
Manche haben das Glück, einen Rückhalt in der eigenen Familie zu finden, aber es ist eher selten, dass
das auf Dauer funktioniert. Die Schauspielerei verlangt nämlich vollen Einsatz und das belastet letztlich
jede Beziehung, ... gleich welcher Art. Besonders krass ist das natürlich, wenn der Partner bzw.
die anderen Familienmitglieder selbst mit dem Showbiz nichts zu tun haben.
Die Menschen, die es trotzdem schaffen, ihre Beziehungen über längere Zeit zu erhalten und in ihnen
sozusagen eine Heimat zu finden, haben es geschafft, sich selbst zu finden. Sie ruhen
sozusagen in sich und behaupten nicht, keinen zu brauchen, sie tun es normalerweise wirklich
nicht. Die meiste Zeit kommen sie hervorragend allein zurecht, auch und vor allem emotional, ... aber
im Fall einer Krise sind sie jederzeit in der Lage, sich Hilfe und Unterstützung zu holen ... und sie auch
anzunehmen. - Genauso gut können sie selbst aber auch andere unterstützen. Das ist es vielleicht, was
man als wahrhaft frei bezeichnen könnte; diese Leute bringen es fertig, sich in ihren Beziehungen frei
auszutauschen, bedingungslos, ohne Erwartungen oder Fesseln ... und genau darum in einer liebevollen
Gemeinschaft geborgen zu sein.
Aber es gibt nicht viele Menschen, die das schaffen. – Ich selbst kann auch nicht unbedingt behaupten,
dazu zu gehören; aber ich werde auch nicht aufhören, daran zu arbeiten...“
Ren sieht seinen Chef überrascht an, so viel Tiefgang hat er nun wirklich nicht erwartet. Andererseits...
„Entschuldigen Sie die indiskrete Frage, Takarada-san, ... aber haben Sie eine geheime Geliebte, die sie
vor der Öffentlichkeit verstecken?“
Rory Takarada lacht leise.
„Nein, das nun wirklich nicht.“, sagt er ... und wird plötzlich sichtlich melancholisch. „Und ich glaube
auch nicht, dass so was noch passieren wird.“
Der junge Schauspieler sieht ihn ein wenig verständnislos an, woraufhin der Ältere schmunzeln muss.
„Ich sehe schon, Yashiro-san hat kein Wort darüber verloren, warum ich für deine Probleme
Verständnis haben könnte, nicht wahr?“
„Nein“, meint Ren, verblüfft, dass es da etwas zu wissen gibt, „sollte er?“
Rory Takarada lächelt.
„Nein, schon gut. Es ist einer von Yashiros vornehmsten Charakterzügen, dass er mit den
Privatangelegenheiten anderer Leute nicht hausieren geht. – Ich habe ihn nicht umsonst als deinen
Betreuer bestellt.“
Seufzend sieht er seinem Schützling ernst – und ein bisschen traurig – in die Augen.
„ Mein Problem ist“, fährt er fort, „dass ich mich wahrscheinlich nie wieder verlieben werde. – Ich
habe meine Frau vor 12 Jahren verloren. Sie hatte einen schweren Verkehrsunfall ... und war sofort tot;
ich hatte nicht einmal Gelegenheit, mich zu verabschieden ... oder ihr zu sagen, dass ich sie liebe...
Dummerweise hatten wir uns kurz zuvor gestritten, ... weil ich zuviel Zeit in der Firma verbrachte und
mich zuwenig um die Familie gekümmert habe. – Es war gerade die Zeit, als wir mit LME kräftig
expandiert haben.
Heute ist ihr Todestag.“
„Oh, ... das ... tut mir Leid.“, meint Ren tief betroffen.
„Schon gut. – Normalerweise nehme ich mir an diesem Tag frei, um ihn sozusagen ganz allein mit ihr
zu verbringen, ... aber irgendwie fand ich es passend, dieses Gespräch genau heute zu führen.
Gewissermaßen ihr zu Ehren. Sie war eine Seele von Mensch ... und bei solchen Dingen immer ein guter
Ratgeber...“
Ren tut etwas, das so untypisch ist für ihn, dass es überdeutlich zeigt, wie sehr ihn Rorys Schicksal
bestürzt: Er kaut unwillkürlich auf der Unterlippe herum.
„Sie vermissen sie immer noch...?“ Eigentlich ist es mehr eine Feststellung als eine Frage.
Rory lächelt traurig.
„Ja, ... jeden Tag. – Als die endlosen Beerdigungsformalitäten und Riten endlich hinter mir lagen, bin ich
in ein tiefes, schwarzes Loch gefallen, ... nichts hatte mehr einen Sinn. – Ich weiß nicht, was passiert
wäre, wenn ich nicht einen Sohn gehabt hätte, um den ich mich kümmern musste. – Die Agentur lief
eine ganze Weile fast völlig ohne mein Zutun. Aber irgendwann musste ich mich dem auch wieder
stellen, immerhin ging es dabei um eine Menge Menschen, deren Existenz mit LME stand und fiel. Die
Verantwortung wog schon schwer... – Also habe ich mich wieder in die Arbeit gestürzt; Familie und
Arbeit, ... das war das Einzige, was noch zählte. –
Doch irgendwann wurde mein Sohn erwachsen, war kaum noch zu Hause ... und hatte schließlich eine
entzückende, hübsche Freundin, die ihm selbstverständlich wichtiger war als der verbitterte Vater.
Dadurch war ich natürlich irgendwann außen vor...
In dieser Zeit hab ich irgendwann mit den Maskeraden angefangen. Extravagant war ich schon immer,
allerdings nicht auf diese Art. – Zuerst war diese Selbstinszenierung nur Ablenkung - für mich selbst
ebenso wie für diese notorischen Mitleider -, aber ich merkte schnell, dass es für mich auch eine Quelle
der Inspiration war ... und ist. Darum habe ich es bis heute beibehalten.“
Er schaut dem jungen Schauspieler ernst in die Augen und beugt sich ein wenig zu ihm hinüber.
„Ren-kun, nimm deine Gefühle nicht auf die leichte Schulter, wirf dein Glück nicht einfach weg, ohne es
wenigstens zu versuchen. Nimm diejenigen, die du liebst, nie zu selbstverständlich, du kannst sie
schneller verlieren, als du denkst. - Geh nicht nur aus Angst auf Abstand, du wirst es irgendwann bitter
bereuen ... und ich glaube auch nicht, dass Kyoko-chan das verdient hat.
Ich weiß, dieses Mädchen ist nicht unkompliziert. Als sie sich hier bewarb, war sie seelisch regelrecht
ein Wrack, und das in ihrem Alter. Irgendetwas hatte sie so tief verletzt, dass Rache und Wut sie zu
zerfressen drohten. – Seitdem hat sie sich unglaublich zu ihrem Vorteil entwickelt ... und ich bin froh,
dass ich ihr Talent erkannt habe, zumal ihr diese Arbeit zu helfen scheint, alte Wunden zu heilen. - Ich
bin fest überzeugt, dass sie eines Tages die größte Filmdiva des Landes sein wird. Vielleicht schafft sie
es sogar, international erfolgreich zu sein.“
„Ja“, stimmt Ren Tsuruga unumwunden zu, aber es sind nicht Freude oder Stolz darüber, die seine
Gesichtszüge beherrschen, „und ich werde nie für sie da sein können, wenn sie mal Schutz braucht...“