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Wenn du weinst/Der Erlkönig

27/10/2006
von

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Und bist du nicht willig...

Er hatte es schon wieder getan. Er hatte sie wieder verletzt und es hatte gut getan. O Gott, es hatte gut getan. Es war perfekt gewesen, alles. Doch wenn es eine Steigerung von perfekt gibt, so war sie es. Sie war mehr als Perfektion, sie war die Erfinderin, die Meisterin der Perfektion. Sie war das Entgültige, sie füllte ihn aus, ihn, sein Leben, seine gesamte Existenz. Sie war alles.
 

Hier – voller Sehnsucht

Halt ich deine Tränen in der Hand

Hier – voller Sehnsucht

Hat sich mir dein Blick ins Herz gebrannt
 

Er konnte nicht aufhören darüber nachzudenken. Konnte nicht aufhören sich diesen Abend noch einmal ins Gedächtnis zu rufen. Dieses Gesicht… Dieses Gesicht, o Gott, diese Augen, dieser Blick. Das Flehen. Es war unglaublich gewesen. Die salzigen Tränen, die ihre geschundenen Wangen hinab gerollt waren, über ihre blutenden Lippen, über ihr zitterndes Kinn. Mehr als Perfektion.
 

Ich lass dich nie wieder los!

Ich lass dich nie wieder los!

Ich lass dich nie wieder los!

Ich lass dich nie wieder los!
 

Er stand auf. Er musste sie sehen. Sehen… Er musste sie weinen sehen. Noch einmal. Immer wieder – er musste sie wieder sehen, er musste sie wieder quälen. Er wollte diesen Blick nicht zum letzten Mal wahrgenommen haben. Er wollte sie wieder besuchen, wieder und wieder, er würde sie nie alleine lassen. Niemals.

Er machte sich auf den Weg. Ganz altmodisch kletterte er am Rebengerüst an der Hauswand hoch, hangelte er sich in ihr Zimmer. Sie ließ ihr Fenster bei Nacht noch immer offen – dieses naive Wesen der Überperfektion.

Lautlos landete er auf dem Boden und dort sah er sie. Mit dem Rücken zu ihm, auf ihrem Bett. Sie war noch wach. Und – ein angenehmer Schauer flutete seinen gesamten Körper – sie weinte. Er hörte es und er konnte es sehen. Die Hände waren zum Gesicht gehoben, die Schultern zuckten und zitterten, die Atmung war gestört, hier und da ein lautes Schluchzen.

Er lehnte sich an die Wand und schloss die Augen, genüsslich lächelnd. Die Meisterin der Perfektion…
 

Wie viele Tränen hast du,

Warum bist du so schön wenn du weinst?

Wie viele Seelen hast du,

Warum will ich dich nur wenn du weinst?
 

Er öffnete die Augen wieder und betrachtete sie. O sie war so hübsch. Überall. Diese wunderbare Haut… Er wollte sie zerstören. Wieder und wieder. Ihr wieder Zeit geben, ihre Wunden zu versorgen, sie heilen zu lassen, um sie dann wieder aufzureißen. Warum gab es in ihrem Körper bloß so viel Blut? Es war herrlich es zu vergießen, aber… Er konnte sie nicht verbluten lassen. Das wäre fatal, das wäre nicht nur ihr Ende, sondern auch seines. Wie sollte er ohne sie noch überleben können? Würde er sich ein neues Opfer suchen können? Nein. Es gab nirgends ein Geschöpf, das so viel bedeuten konnte wie sie. Erst, wenn sie all ihre Tränen verloren hätte, dann würde er sie verlassen. Doch er hoffte, dass dieser Moment nie kommen würde.

Er seufzte – sie hörte es. Ruckartig stand sie auf, drehte sich um, und konnte nicht einmal schreien. Sie taumelte rückwärts, Augen und Mund weit aufgerissen, und presste sich gegen die Wand gegenüber von ihm.
 

Hier – voller Sehnsucht

Gieß ich deine Tränen in den Sand

Hier – voller Sehnsucht

Bringt mich dein Gefühl um den Verstand
 

Ihr Entsetzen war so groß, dass man es fast greifen konnte. Und die Angst, ja, die Angst, sie war riesig, alles überragend… Wahre Todesangst. Und er war der Auslöser. Er hätte nicht stolzer sein können. Langsam breitete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus, er legte den Kopf schief, löste sich von der Wand und ging langsam auf sie zu.

Da begann es.

»Nicht…« Ihre Stimme nicht mehr als ein Fiepen. Und nun bestand sie für ihn nur noch aus Augen. Er sah nichts anderes mehr. Augen, groß, grün, weit aufgerissen, flehend, so flehend…

Sie sagte noch etwas, doch er hörte es nicht. Er sah nur diese Augen. Er beobachtete, wie die Tränen aus ihnen herausquollen und fühlte eine Wärme in sich, die sich mit nichts vergleichen ließ. Es gab nichts schöneres auf dieser grauen Welt, in der er lebte, diese Welt, in der es nur zwei Farben gab: Grau, wie alles, außer zwei Punkten; und Grün – die zwei Punkte. Sie starrten ihn an, sahen direkt in eine eigenen – grauen – Augen, versuchten mit ihm zu reden, wollten ihm etwas sagen, doch was? Was nur? Dass er sie lassen sollte? Das konnte doch nicht sein. Was er hier tat, war etwas so schönes – konnte es wirklich die Möglichkeit sein, dass sie das nicht wollte? Würde sie dann immer wieder so flehen und so viele Tränen verlieren? Es würde doch aufhören, würde sie das nicht tun, war ihr das nicht bewusst? Aber so…
 

Ich lass dich nie wieder los!

Ich lass dich nie wieder los!

Ich lass dich nie wieder los!

Ich lass dich nie wieder los!

Wie viele Tränen hast du,

Warum bist du so schön wenn du weinst?

Wie viele Seelen hast du,

Warum will ich dich nur wenn du weinst?
 

Langsam, bedächtig, fuhr er mit der Klinge ihre Gesichtskonturen nach. So schön… Die Wunden vom letzten Mal waren so gut wie verheilt, der Arzt hatte gute Arbeit geleistet; vermutlich würden nicht einmal Narben bleiben. Das kalte Metall fing eine Träne auf ihrem Weg nach unten auf. Er musterte sie und sie war genauso herrlich, so herrlich wie alles an ihr. Vielleicht noch herrlicher.

»Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt«, flüsterte er. Sein Blick ruhte noch immer auf dem Tropfen, er kippte das Messer um ihm beim fließen zusehen zu können. »Und bist du nicht willig…«

Nein, sie war nicht willig. Er hatte es einige Male gedacht, hatte angenommen, sie wollte das alles, nicht nur von ihm gequält werden, sondern auch ihn quälen mit ihrem Blick. Aber er hatte die Menschen studiert. Und er hatte feststellen müssen, sie war tatsächlich nicht willig.

Doch das war das schönste. Denn das rief all dies hervor, all dies, was einen Abend nach seinem Geschmack ausmachte. Verletzung, Tränen, Verzweiflung.

Er hob das Messer und stach zu…
 

…so brauch ich Gewalt.

Oomph! feat. Goethe – Wenn du weinst/Der Erlkönig



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Foe
2008-01-06T13:15:54+00:00 06.01.2008 14:15
Boah echt gut geschrieben und schön schaurig XDDDDDDBin auch ein
Fan von Rammstein.
Ich finde es einfach genial, Mischung aus Goethe und Rammstein.
Von: abgemeldet
2007-09-17T13:46:44+00:00 17.09.2007 15:46
Wai! Ooomph! ^^
Ich find das toll!
Von: abgemeldet
2007-08-08T13:29:05+00:00 08.08.2007 15:29
Bisher stand ich FanFiction-Texten immer sehr skeptisch gegenüber, aber mir als oller Germanistin in spe (im Examen herumdümplend) sagt dieser Text allein aufgrund des Goethe-Zitats schon zu. Ich bin angetan, wirklich! Durch das Zitat bekommt die Figur (ähäm, Dero? ;-)) noch etwas zusätzlich Diabolisches! Merci vielmals für diesen wunderbaren und überaus fiesen Text! Viele liebe Grüße *
Von: abgemeldet
2006-10-30T14:17:39+00:00 30.10.2006 15:17
So ich hab mich endlich dazu durchgerungen es zu lesen und ich finds klasse x3/
Und ich bekomme eine Widmung das ist auch toll *o*


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