Queue Time - Gegenwart
Kapitel 32:
Queue Time - Gegenwart
Namis Sicht
Ich verstand es einfach nicht, wieso sollte Sanji so etwas genommen haben? Mit ihm war doch sonst
immer alles in Ordnung. Nachdem er zusammengebrochen war, hatte er sich total gegen ärztliche Hilfe
gewehrt. Er wusste ganz genau, dass sie noch was in seinem Blut finden würden und hatte deshalb so
gestrampelt und sich gewehrt. Aber jetzt nahm er doch keine Drogen mehr, oder? Wenn die
Krankenschwester nicht so eine Singdrossel gewesen wäre, hätte ich es ja nie erfahren. Dann hätte es
keiner gewusst, und es wäre alles so wie immer gewesen und weitergelaufen. Seit dem
Krankenhausbesuch hatte ich ihn kein einziges Mal mehr gesehen, als er sich zwei Tage danach nicht
gemeldet hatte, wurde mir echt Bange. Hing sein Zusammenbruch vielleicht mit Entzug zusammen? Ich
meinte, Entzug von Drogen? Oder weil er vorher nicht genug Schlaf hatte, lag das jetzt an einer
Krankheit oder an ihm selbst? Waren das alles Vorboten oder wie sah’s aus? Wieso zerbrach ich mir die
ganze Zeit den Kopf darüber? Ich sollte ihn suchen, dann zur Rede stellen. Irgendwie würde er mir
schon sagen, was los war, nur musste er dazu mal wieder auftauchen. Und wo anfangen, ihn zu
suchen? Keine Ahnung, wo er sich immer herumtrieb. Am besten, ich würde bei ihm zu Hause warten,
irgendwann müsste er ja so oder so zurückkommen.
Montags war nichts von ihm zu hören, nach diesem beschissenen Wochenende, das war richtig
beunruhigend. Erst ließ er sich ins Krankenhaus einliefern, und dass er dann entlassen wurde, wussten
die Jungs nur über mich, also hätte Sanji sich gar nicht bei uns gemeldet. Den ganzen Sonntag kam
kein einziger Anruf von ihm und obendrein war er zu Hause nicht erreichbar. Wenn er nach dem
Wochenende noch krank wäre und deshalb kein Ton von sich hat hören lassen, wäre es ja okay
gewesen, doch sonntags war er nicht bei sich zu Hause; also war er auf Achse. Und wäre er, ohne uns
was zu sagen, in Urlaub gefahren, wäre ich echt stinkig geworden! Anderen Sorgen zu bereiten war
wohl seine Spezialität. Zuhause war ich voll verstört, konnte mich auf keine Ablenkung konzentrieren,
mir ging Sanjis krampfhaftes Gesicht vom Übernachtungsabend nicht mehr aus dem Kopf. Darum
entschloss ich mich, ihn bei sich zu Hause abzufangen, um mit ihm zu reden. Wie es ihm ging, wo er
sich so herumtrieb, dann vielleicht irgendwie vom Thema abkommen und auf Drogen ansprechen...
keine Ahnung wie ich das anstellen sollte, aber ein Versuch war es allemal Wert. Darum machte ich
mich bald darauf auf den Weg zu ihm, es war 16.00 Uhr und sehr sommerlich warm.
Nachdem ich mir geschlagene zehn Minuten vor seiner Haustür die Beine in den Bauch gestanden hatte,
wurde ich ungeduldig und setzte mich vor die Haustür. Mit meinem Kopf in die Hände gestützt verzog
ich die Mundwinkel und musste immer wieder mal ausgiebig gähnen. Vom heißen Wetter war ich richtig
ausgepowert und hatte keine Lust, hier meine Zeit zu verschwenden. Schließlich waren Ferien und ich
hätte mich genauso gut mit Vivi treffen können. Aber Sanji musste ja irgendwann kommen, spätestens
abends. Aber hier vor der Wohnung zu sitzen brachte auch nicht gerade viel, nur fiel mir nichts
Besseres ein. Eine Zeit lang beobachtete ich die kleinen Wolkenfetzen, die am strahlend blauen Himmel
vorbeizogen und mir wurde immer wärmer. Ich saß nicht im Schatten, deshalb wollte ich mein Top
lüften. Ich krempelte es nach oben, dass es nur über meiner Brust gespannt war. An der Tür gelehnt
wurde mir immer langweiliger. Ich könnte zwar gehen, doch vielleicht käme er ja bald. Ich ärgerte mich
richtig, weil ich mir nichts zu Lesen oder sonst was mitgenommen hatte. Wie dumm und durch den
Wind konnte man schon sein? Mich hielt wirklich nur die Vorfreude noch hier, weil ich Sanji sehen
wollte, hoffentlich kam hier niemand vorbei, den ich kannte. Wäre ja ganz schön doof, immerhin
verschwendete man nicht den lieben langen Tag, wegen einem einfachen Freund. Das Warten nahm
kein Ende, es war gerade mal eine halbe Stunde vorbei, doch auf ihn würde ich jede Warteschleife in
Kauf nehmen. Letztendlich stand ich auf, weil ich mir im nahe legenden Einkaufszentrum Kaugummis
holen wollte. Ich klopfte gerade das bisschen Erde von meinem Hintern, also vom Rock, und setzte
mich in Bewegung, da fiel mir etwas ein. Ich konnte doch in seine Wohnung rein! Ich wusste, wo er
seinen Schlüssel aufbewahrte! Innerlich machte sich ein Freudenfest breit, ich hoffe zutiefst, dass Sanji
ihn an seinen üblichen Platz zurückgelegt hatte. Hoffentlich war es so! Mit Herzklopfen hüpfte ich zur
Regenrinne und fühlte mit meiner Hand darin rum, und bekam wirklich, wirklich einen Schlüssel zu
fassen! Was ein Glück!
Ich schloss die Tür auf und war gut gelaunt, weil ich erfolgreich fündig geworden war. Ich machte die
Haustür wieder zu und ging durch den schmalen Eingangsflur. Dort war auf der linken Seite der kleine
Holztisch, wo Notizzettel und Stifte lagen, an der Wand darüber war das Telefon aufgehängt. Ich lief
weiter durch, bis ins Esszimmer und holte mir dann was zu Trinken. Wenn Sanji nach Hause kam, würde
er sich wundern, mich hier anzutreffen. Darauf freute ich mich schon total, und bis dahin würde ich mir
die Zeit schon noch vertreiben. Ich stellte das Glas auf den Tisch und betrat sein Zimmer. Letztes Mal
war ich nur kurz hier gewesen, doch dieses Mal konnte ich ganz uneingeschränkt schnüffeln. Wie von
selbst ging ich zu dem von der Tür aus gegenüber stehenden Möbelstück, wo das Foto seiner Mutter
drin war. Das hatte ich mal bei der Nachhilfe gefunden und dann wieder umgedreht zurückgelegt. Ob
es noch immer drin war? Normalerweise schon, wieso sollte er es auch rausnehmen. Ich öffnete die
Schublade und sie war immer noch genauso ungefüllt wie das letzte Mal, der Fotorahmen stach als
einzige Interessantes heraus. Doch es war gescheit umgedreht. Ich sah direkt das Bild seiner Mutter -
nicht die Rückseite- von der älteren Frau, die in die Kamera lächelte und einen freundlichen Eindruck
machte. Die kurzen, braunen Haare waren unverändert –war ja auch ein Foto, ich Schlaumeier- und ich
fand’s wieder Schade, dass Sanji sie nicht mehr hatte. Er musste sie richtig vermissen, sonst würde er
sich ihr Foto ja nicht noch mal angeguckt haben, oder? Wenn für mich jemand im übertragenen Sinn
gestorben war, interessierten mich auch keine Fotos mehr, da wäre es mir egal, wenn die verstauben.
Doch da das Bild umgedreht war, hieß es eindeutig, dass er es sich in dieser einen Woche noch mal
angeguckt hat, wenn nicht sogar mehrmals. So wie letztens schon legte ich den Rahmen wieder
unverändert an dieselbe Stelle zurück und schloss die Schublade wieder.
Sanjis Bett stand in der linken Zimmerhälfte und daneben ein kleiner Nachttisch. Dieser hatte auch eine
Schublade, die ich erforschen wollte. Bevor ich um das Bett herum lief, öffnete ich eine der beiden
Gardinen, um mehr Licht hereinzulassen und kippte das Fenster auch noch. Es war nicht stickig in
seinem Zimmer, doch leicht schwül. Man sah nur die paar Meter vom Rasen, der Sanjis kleine Bude
umgab, und daneben war schon das Nachbarhaus, im selben Baustil. Hier ließ es sich eigentlich recht
gut wohnen, ich mochte seine Bude. Ich nahm mir nun den kniehohen Nachttisch vor und fand drei
Bücher darin. Das eine war für mich unwichtig, das las er wohl momentan, das andere interessierte
mich auch nicht, aber das Unterste hatte ein Schloss dran. Sofort wurde meine Neugierde geweckt und
ich nahm es heraus, um es genauer zu untersuchen. Siegesfreude, Triumph und Spannung überkam
mich, ich wollte sofort wissen, was darin war. Ob er es merken würde, wenn ich an dem Schloss
herumfummeln würde? Es war hundert Prozent sein Tagebuch, denn was sollten Jungs ansonsten mit
einem Schloss versehen? Das musste etwas älter sein, da es ganz unten lag, also hatte er eine Zeit lang
schon nicht mehr rein geschrieben. Also würde auch nichts über mich drinstehen, wenn er überhaupt
was von mir schreiben sollte... Das Tagebuch war in einem Dunkelgrün mit roten Tupfern, und es war
vor allem sehr, sehr dick. Man konnte von den Seiten oben und unten erkennen, dass unglaublich viele
Bilder reingeklebt wurden. Entweder hatte er Sachen aus Zeitungen ausgeschnitten oder sonst was,
oder er hatte was von Computern ausgedruckt. Vielleicht ja Bilder von seiner heimlichen Liebe? Den
Gedanken schüttelte ich ab, das war bestimmt schon länger her, dass er dieses Buch gemacht hatte.
Oder vielleicht war es gar nicht seines, sondern von wem andres, wobei mir das nicht sehr plausibel
erschien. Wenn das wirklich sein Tagebuch war, und er irgendwas ausgedruckt oder ausgeschnitten
hatte, und extra reingeklebt hat, wollte ich es unbedingt sehen, beziehungsweise lesen. Nur konnte ich
mir das nicht gerade erlauben, das Schloss kaputt zu hauen, deshalb legte ich das grüne Buch
unversehrt zurück auf den Schubladenboden, bedeckt von den andren beiden Büchern.
Ich hatte schon einiges erfahren und fand es furchtbar süß, dass Sanji mal Tagebuch geschrieben hatte.
Welcher Junge machte denn so was? Ich hätte es liebend gern gelesen, nur ist das dumme an
Tagebüchern, dass sie für andere tabu sind. Ich ging aus seinem Zimmer heraus und in sein Bad, da
meine Blase drückte. Ich ging aufs Klo und wusch mir danach die Hände ab, da bekam ich Lust, sein
Regal zu durchsuchen. Was sollte er dagegen haben? Mal sehen, was für ein Deo er benutzte, was für
Gesichtswasser er hatte, und so weiter. Mit Herz und Verstand war ich völlig bei der Sache, freute mich,
dass ich mich hier ungehemmt durchgucken konnte, ich fühlte mich wie bei einem Wühlstand auf
einem Flohmarkt. In der einen Schublade fand ich dann einen Löffel, was ich komisch fand. Der gehörte
doch in die Küche, war aber schwarz angekokelt. Nach einiger Zeit ging ich zurück in die Küche, um mir
was zu Essen zu machen. Eigentlich ging ich davon aus, dass man bei einem Hobbykoch anständige
Sachen vorfinden würde, doch außer Brot wurde ich nur mit einem Joghurt fündig. Damit begnügte ich
mich und löffelte ihn aus. Danach wurde mir langweilig, wusste nicht mehr, was ich tun sollte und
schaltete deshalb den Fernseher in Sanjis Zimmer ein. Bei so heißem Wetter hang ich in der Wohnung
meines Schwarmes rum, echt krass. Ich sah mir irgendwelche Sendungen an, wartete, dass Sanji bald
kommen würde und machte es mir so lange bequem. Er würde sicherlich gegen acht Uhr kommen,
hoffentlich ließ er sich nicht allzu viel Zeit. Es wäre ja unsinnig, wenn ich jetzt nach Hause gelaufen
wäre, denn bis jetzt hatte ich schon gewartet, nun musste es sich auch lohnen und bis dahin würde ich
die Zeit auch totschlagen. Es wurde immer später und später, ich legte zur Abwechslung eine CD in den
CD-Player und ließ sie zweimal bis zu Ende durchlaufen, dann warf ich mich wieder vor den Fernsehen
und wartete weiter. Wo blieb er nur? Es wurde richtig spät. Als er um Acht nicht kam, okay, doch schon
eine halbe Stunde später sackte ich immer mehr in mir zusammen. Bald müsste er doch mal kommen?
Vielleicht sollte ich Nojiko anrufen und ihr sagen, dass ich erst spät kommen würde oder sogar bei Vivi
übernachten wollte. Mensch, Sanji, ich warte schon geschlagene fünf Stunden auf dich! Irgendwann
nach halb Zehn machte ich den Fernseher aus und lief in der Wohnung auf und ab. Toll!
Hätte ich den Schlüssel nicht gefunden, hätte ich nur vor der Wohnung gehockt und Zeit verplempert.
Ein Glück war ich hier rein gekommen, aber trotzdem war es immer noch sehr langweilig. Und Sanji
kam und kam einfach nicht. Draußen war es schon dunkel geworden, obwohl das im Sommer ja erst
spät wurde, darum spielte ich schon mit dem Gedanken, mich in sein Bett zu legen. Aber lieber nicht,
sonst würde ich Gefahr laufen, ihm als Schlafmütze unattraktiv vorzukommen. Im Eingangsflur hockte
ich mich neben den niedrigen Holztisch, lehnte mich an die Wand und vertiefte mich in Träumereien.
Mir kam es wie an einem Abend vor, wo man in seinem Bett liegt und einfach nicht einschlafen kann.
Weiß der Kuckuck warum, aber Sanji hatte sich höchst wahrscheinlich auf dem Heimweg verlaufen. Dass
er auf einer Party war, schloss ich aber aus, sonst wäre er ja erst abends losgegangen und nicht schon
seit Mittags weg gewesen. Ich lehnte meinen Kopf an das Holz neben mir, ich hatte alle Lichter
ausgemacht, nur da sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte ich alles genau
erkennen. Ab und zu schloss ich die Augen, änderte meine Sitzposition schon gar nicht mehr, lauschte
nur, ob ich was Interessantes hören würde und die Langeweile war nicht mehr so schlimm. Das Telefon
klingelte nicht einmal, also hatten es die anderen gar nicht mehr versucht, Sanji zu erreichen. Außer mir
machte sich wohl keiner richtige Sorgen um ihn. Okay, sie wussten auch nicht, was mir die
Krankenschwester erzählt hatte. Hoffentlich ging es ihm gut, er durfte kein Alkohol oder sonst was
getrunken haben. Ich war schon der Versuchung nahe, einzunicken, da hörte man im Hintergrund, oder
besser gesagt vor der Haustür, Schritte, die zu meiner Richtung hin lauter wurden. Mein Innerstes war
auf einmal hellwach, dass musste Sanji sein!
Die Haustür wurde aufgeschlossen, doch ich blieb unbeweglich sitzen. Das war eindeutig Sanji, zum
Glück war er allein, also er brachte keine Kumpels oder sonst wen mit. Die Tür fiel ins Schloss und er
machte nicht das Licht an. Ich beobachtete von meiner Sitzposition aus, wie er seine Jacke aufhängte
und dann die Schuhe auszog. Noch hatte er mich nicht gesehen, innerlich machte sich eine schwere
Wärme breit, aber ich machte nicht auf mich aufmerksam. Reflexartig schloss ich die Augen, er konnte
meinetwegen ja denken, dass ich schliefe. Mal sehen, ob er mich bemerkte und dann wecken würde.
Vielleicht war es für seine Augen auch noch zu dunkel, weshalb er nichts wahrnahm. Ich sah nur
Schwärze, verließ mich vollkommen auf meine Ohren und achtete auf jedes noch so kleine Geräusch. Er
lief am Holztisch, folglich auch an mir, vorbei, da stoppten seine Schritte. Hatte er mich gesehen? Meine
Augen ließ ich geschlossen, wollte sie entspannt aussehen lassen. Er hatte Socken an, die ein weiches
Geräusch auf dem Fußboden hinterließen. Von meinem Hals aus lief ein kühler, warmer Hauch innerlich
meinen Körper herunter, als ich das Schönste aller Geräusche vernahm: er hatte einen Schritt auf mich
zugemacht! Anscheinend kniete er sich gerade vor mir, ich rührte mich nicht. Okay, was wollte er jetzt
machen? Meine Aufregung war unangenehm sowie auch angenehm, aber ich stellte mich weiterhin
schlafend. Vielleicht würde er mich wecken, ich hatte keinen Plan. Ich hatte meinen Atem unter
Kontrolle, war gespannt auf seine folgende Handlung.
Sanji berührte meinen Oberkörper an den Armen, dann weiter hinten an meinem Rücken, er wollte mich
wohl hochheben. Ganz behutsam schob er seinen Arm zwischen die Wand und meinen Rücken, der
andere unter meine Beine, was er aber sicherlich ohne Hintergedanken tat. Er hob mich und somit mein
ganzes Gewicht vom Boden hoch, dann hatte er sich ganz aufgerichtet und ich spürte sein Hemd an
meinem Arm. Hatte er Parfüm benutzt? Mein Gesicht verzog noch immer keine Miene, möglicherweise
sah er auf mich runter, ich wusste es nicht und wollte abwarten. Er lief in sein Zimmer, ich hörte, wie
die Tür sanft aufgestoßen wurde und dann, wie er schräg nach links lief. Er zog irgendwie die Bettdecke
nach hinten, dann legte er mich ab. Vorsichtig zog er seine Arme zurück, deckte mich aber noch nicht
zu. Komischerweise ging er zu meinen Füßen, was hatte er vor? Ein blitzschnelles Lächeln zuckte über
meinen Mund, weil er mir meine Sandalen auszog, dann ließ ich meinen gelassenen Gesichtsausdruck
wieder Stellung nehmen. Er musste mir ja abnehmen, dass ich schlief, ein Lächeln oder wenn es mich
kitzeln würde, würde mich ja nur verraten, dass ich eine Simulantin war. Die Sandalen stellte er wohl
auf dem Boden ab, ich fühlte mich pudelwohl auf seiner Matratze, in seinem Bett und hoffte, dass er
sich neben mich legen würde, auch wenn er das ganz, ganz, ganz sicher nicht tun würde. Er setzte sich
dann an die Bettkante, mir kamen alle möglichen Ideen, dass er mich vielleicht küssen würde, keine
Ahnung, ich war total aufgeregt! Hoffentlich hörte er nicht, wie mein Herz raste! Das wäre ja nur
schlimm, aber wie sollte man in so einer Situation nicht auf solche Gedanken kommen und auch
Herzklopfen unterdrücken sollen? Sanji hob meinen Kopf vorsichtig hoch, ich dachte, er wollte mir ein
Kopfkissen untendrunter schieben, doch er fummelte an meinem Hals herum. Anstatt einen BH hatte
ich ein Bikinioberteil an, was er versuchte zu öffnen. Das fand ich etwas merkwürdig, aber ich schlief ja,
in seinen Augen jedenfalls. Kurz darauf bekam er den Knoten auf und legte mich etwas zur Seite, schob
mein Top am Rücken zur Hälfte hoch und machte mir da auch noch den Verschluss auf! Was geht!? Das
Bikiniteil legte er wohl auf den Nachttisch, brachte mich wieder in Liegeposition, hatte mein Top wieder
runtergezupft und er stand auf. Zugedeckt behielt ich meine Scheinlage bei und lauschte weiter.
Sanji machte das Fenster zu, das ich gekippt hatte, oder nein, er machte es ganz auf, setzte sich auf
das Fensterbrett, soweit ich das mit geschlossenen Augen beurteilen konnte, dann kam mein Riechsinn
ins Spiel. Als das Geräusch von einem Streichholz an der Schachtel erklang, war mir schon klar, dass
mir daraufhin Rauch in die Nase steigen würde. Mit dieser Vorahnung behielt ich auch Recht, und ich
fasste einen Entschluss. Ich wollte ganz langsam die Augen aufmachen, blinzeln und so, dann in seine
Richtung sehen, damit er denken würde, dass ich gerade aufgewacht war. Und falls er mich nicht sehen
würde, würde ich ihn einfach beobachten und sobald er gucken würde, die Augen wieder zu machen.
Guter Einfall! Ich zog das durch, doch Sanji sah aus dem Fenster raus, als er rauchte. Ein Knie lag
angewinkelt auf dem Fensterbrett, das andere hing innerhalb des Zimmers bis auf den Boden hinab, ich
bekam nur seinen Rücken zu sehen. Was sollte ich jetzt machen? Ich hatte den ganzen Tag auf ihn
gewartet, und jetzt stellte ich mich schlafend, hoffentlich war es nicht so verkehrt, einfach in seine
Wohnung zu kommen. Aber er wäre mir sicher nicht böse, schließlich war es seine Schuld, mir zu
zeigen, wo er seinen Schlüssel aufbewahrte und sich zwei Tage bei keinem von uns zu melden.
Während er rauchte, drehte er sich kein einziges Mal zu mir um, was ich schon bedauerte. Aber wie er
mit gebeugtem Rücken dasaß, nach draußen schaute und ganz lässig an seiner Zigarette zog, kam die
Verliebtheit wieder in mir hoch. Er hatte gar kein Wohnzimmer, also folglich auch kein Sofa, wo wollte
er denn schlafen, wenn er mir sein Bett überließ? Doch nicht auf dem Boden? Bitte nicht... Er war mit
seiner Zigarette am Ende und drückte sie am Fensterbrett aus. Würde er sich jetzt zu mir umdrehen
oder eine Neue beginnen? Er drehte sich um, nahm dabei das angezogene Bein vom Fensterbrett runter
und stand auf beiden Beinen. Mein Herz blieb in meinem Hals stecken, aus Schüchternheit schloss ich
schnell die Augen wieder.
Er schloss das Fenster und ich hörte seine Schritte, wurde glücklicher und nervöser, da sie sich dem
Bett näherten. Drei unsichere Sekunden verstrichen, dann setzte er sich nochmals neben mich, während
meine Gefühle ganz durcheinander huschten. Ruhig atmen, ganz normal schlucken, gelassen aussehen,
die Augen zu lassen und er würde nichts merken. Ob er mich ansah? Musste er ja wohl, sonst hätte er
sich ja nicht zu mir gesetzt. Seine Hand legte sich auf meine Schulter, zum Glück zuckte ich vor
Überraschung nicht zusammen. Ich blieb total ruhig. Seine Hand auf meiner Schulter, was hatte das zu
bedeuten? Dass er mich mag? Am Liebsten hätte ich gelächelt, doch musste meinen Mund unter
Beherrschung halten. Weiter bewegte er sich nicht. Mutig atmete ich einmal tief ein, bis zum Anschlag,
und dann langsam wieder aus. Wollte er jetzt die ganze Nacht so verweilen? Wieso tat er nichts? Das
verursachte bloß Unruhe. Was er wohl dachte? Seine Hand rutschte ein kleines Stückchen weiter auf
mein Schulterblatt, das löste irgendeinen Effekt bei mir aus, sodass ich langsam die Augen öffnete. Ich
konnte sie einfach nicht länger geschlossen halten. Langsam sah ich erst geradeaus, dann drehte ich
langsam mein Gesicht etwas zur Seite, das ich nach oben zu Sanji sehen konnte. Mir war es trotz
Dunkelheit möglich, total gut zu sehen, es stellte sich Augenkontakt her und keiner rührte sich. Sanji
blinzelte ein paar Mal, hatte so schöne Wimpern, dann sprach er ganz leise. „Ich wollte dich nicht
wecken.“ Seine Hand zog er sachte zurück, -Nein!- und ich musste ihm irgendetwas entgegnen. Er
hatte wohl nicht gewollt, dass ich etwas Falsches dachte, weil ich mitgekriegt hatte, dass er meine
Schulter berührt hatte. „Schon okay.“ flüsterte ich, obwohl ich in derselben Lautstärke antworten wollte,
wie er zu mir gesprochen hatte, aber unwichtig. Zurückhaltend lächelte er, an seiner Position erkannte
ich, dass er vorhatte, gleich aufzustehen, was ich unter keinen Umständen wollte. Der Blickkontakt
wurde durch das Wegdrehen seines Kopfes augenblicklich unterbrochen, ich musste ihn irgendwie hier
behalten. Ich schälte meine Hand unter der Bettdecke hervor und berührte die seine. Herzflattern
überfiel mich, und Hoffnung, dass es bei ihm möglicherweise auch so sein könnte. Hoffentlich!
Hauchdünn war unser Handkontakt, was sollte ich jetzt noch rausbringen? Ein Satz musste her, doch
mein Verstand lag flach, war vollkommen abwesend. Zumindest hatte es bewirkt, dass er wieder zu mir
sah und plötzlich kamen mir ganz viele Antworten, oder besser gesagt Fragen, die sich in meinen Mund
legten. „Wo warst du denn so lange?“ flüsterte ich wieder, sah ihn unentwegt an. Bevor er antworten
wollte, überlegte er kurz. Bitte keine Lügen, ich wollte die Wahrheit hören. Doch Abwarten war bei
meiner Ungeduld nicht drin und ich redete einfach weiter. „Wieso hast du dich nicht gemeldet?“ Wieder
sahen wir uns in die Augen, ihm fielen wohl keine Antworten ein, warum denn nicht? Meine Hand hatte
seine immer noch leicht berührt, ich wollte endlich wissen, was in ihm vor sich ging. Schon den ganzen
Tag hing ich bei ihm rum, jetzt endlich war er da. „Sanji, ich hab mir Sorgen um dich gemacht.“ war das
Letzte, das ich ihm zu sagen hatte. Jetzt sollte er mir kommen und sich erklären. Doch stattdessen
senkte er nur seinen Blick und nahm nun meine, in seine Richtung ausgestreckte, Hand. Er umschloss
sie gedankenverloren, sagte aber nichts. Wissbegierde und Verletztheit rührten sich in mir um, ich
musste wissen, was los war, hatte aber Angst, dass er mir Lügen auftischen würde. Sanji musste mir
einfach vertrauen, wir kannten uns doch schon lange und waren gut befreundet. Reichte das nicht?
Aber es kam nichts. Elend lange Sekunden kam nichts von ihm, was mich traurig stimmte. Doch er hielt
meine Hand umschlossen, was mein letzter Funken Hoffnung war, an dem ich mich festnagelte.
„Entschuldige, dass ich nicht angerufen habe. Und dass ich so spät gekommen bin.“ Dies hatte er in
einer reuen Tonlage von sich gegeben, aber das reichte mir längst nicht mehr. Ein oder Zweimal war es
okay, da nahm ich es ihm noch ab, aber wenn es ihm wirklich Leid tat, uns alle so zappeln zu lassen,
dann müsste er doch verhindern wollen, dass es öfters vorkam. Also super, was hatte ich jetzt davon?
Gar nichts... ich entzog meine Hand wieder und legte sie aufs Bettlaken. Dabei wandte ich meinen Blick
von ihm ab, sah nur geradeaus an die Zimmerwand. Einen Moment lang passierte nichts. Dann legte er
seine Hand wieder auf meine Schulter und rieb mich kurz an der Stelle. „Gute Nacht, Nami.“ Dann stand
er auf und ging kaum hörbar raus. Vor der Tür blieb er noch mal kurz stehen und sah noch mal zu mir,
ich merkte es aus dem Augenwinkel heraus, aber blieb stumm. „Schlaf gut.“ Er verließ sein
Schlafzimmer und ich wollte nicht hören, wie die Tür zugemacht wurde. Und dass dann seine Socken
über den Fußboden hinter der Tür Schritte begleiteten, wollte ich auch nicht hören. Er hätte doch mehr
machen können, wieso hatte er das nicht? Wenigstens eine Erklärung hatte ich mir erhofft, doch wohl
umsonst.
erstellt am 05.05.2007
4Kolibris,
Elena