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Dämonen, Engel und ein Drache

Fortsetzung zu "Enthüllungen und Geständnisse"
von

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Atempause

„..........“ = wörtliche Rede

>.........< = Gedanken

kursive Worte sind betont
 

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...

„Ihr Wort in Gottes Ohr.“, meint Sho zweifelnd. „Woher wollen Sie wissen, wie er reagieren wird?“

„Nun, wir sind schon seit der Highschool Freunde.“, gibt Rory lächelnd zurück. „Er ist wirklich ein patenter Kerl; nur bei der Erziehung seiner Tochter hat er ein paar entscheidende Fehler gemacht; genau wie ich bei Maria-chan. – Nur dass ich in der glücklichen Lage war, Kyoko-chan um Hilfe bitten zu können, die dann alles wieder ein bisschen zurecht gerückt hat... – Das wird vermutlich kein einfaches Gespräch, ... aber ich hätte sowieso schon vor längerem mit ihm darüber reden sollen.“

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Atempause
 

Ren Tsuruga legt seine junge Frau behutsam auf dem Sofa ab, dann schließt er für einen Moment die Augen und atmet tief durch.

Kyoko lächelt nachsichtig. „Meinst du nicht, dass du ein wenig übertreibst?“, fragt sie mit einem angedeuteten Augenzwinkern.

„Ganz und gar nicht.“, gibt er ernst zurück, während er die Decke von der Lehne nimmt, sie schwungvoll ausbreitet und dann sorgsam seine Frau damit zudeckt. „Meine Güte, Kyoko-chan, sie hätte dich damit auch umbringen können.“ Erneut flammt die Wut in ihm auf, so dass er gereizt seinen Mantel auszieht und ihn schnaubend auf den Sessel pfeffert.

„Hat sie aber nicht, Koon.“, gibt Kyoko weich zurück und zieht ihn am Ärmel zu sich aufs Sofa. „Und es war sicher auch nicht ihre Absicht.“ Sachte drückt sie ihm einen Kuss auf die Wange, ... was ihn in Sekundenschnelle zu besänftigen scheint ... zumindest teilweise. „Glücklicherweise ist ja nichts wirklich Schlimmes passiert.“, meint sie und wird nun doch ein wenig ernster. „Und außerdem war Kanae-chan auch in weit größerer Gefahr. Hast du eigentlich schon was von ihr gehört?“

„Nein.“ Ren schüttelt seufzend den Kopf. „Aber sie dürfte inzwischen im LME-Gästehaus sein. Vielleicht lässt du ihr noch ein bisschen Zeit, sich mit Sho-kun zu arrangieren und rufst sie dann selbst an.“

„Was, um Himmels Willen, hat Takarada-san eigentlich dazu gebracht, ihr ausgerechnet Sho Fuwa als Aufpasser aufzuhalsen?! Da muss sie doch eher ein Auge auf ihn haben!“

„Vermutlich die Tatsache, dass er ziemlich außer sich war und unbedingt helfen wollte. Oder wäre es dir lieber gewesen, dass er sich um dich gekümmert hätte?“

„Gott bewahre!“, entfährt es Kyoko entsetzt. „Aber wieso hat er ihn nicht einfach nach Hause geschickt?!“

„Na ja, ich verstehe Takarada-san schon, Sho-kun war dermaßen in Rage, dass er sonst sicher heute Nacht noch angefangen hätte, über irgendwelchen Racheplänen zu brüten, um dann irgendeinen Unsinn anzustellen. So hat er etwas Sinnvolles zu tun und kann sich erstmal wieder beruhigen. – Gib mir mal deine Jacke!“

Kyoko setzt sich auf und entledigt sich ein bisschen umständlich ihrer Jacke, die sie ihm dann in die Hand drückt.

„Wie dem auch sei“, sagt sie schließlich mit einem Lächeln, „ich finde trotzdem, dass du übertreibst; ich habe doch nur noch ein wenig Kopfschmerzen, du hättest mich wirklich nicht tragen müssen. – Was, wenn uns jemand im Hausflur gesehen hätte?“

„Dann hätte ich einfach gesagt, dass du dir den Fuß verknackst hast und ich dich jetzt erstmal verarzte, damit wir morgen möglichst wieder drehen können.“, brummt Ren.

„Ich weiß ja nicht“, meint Kyoko nachdenklich, „aber ich glaube, das wäre trotzdem auf peinliche Gerüchte hinausgelaufen.“

„Na und?“, erwidert Ren grinsend. „Das passt doch ohnehin ganz gut in Takarada-sans derzeitige Strategie; schließlich will er ganz gezielt einige harmlosere Gerüchte streuen, um einerseits die Publicity für ‚Crazy Alliance’ anzuheizen und andererseits die öffentliche Meinung zu unserer Beziehung ein wenig abzuklopfen.“

„Was?!“ Kyoko wird plötzlich doch ein bisschen blass. „Wann hat er denn das beschlossen?“

„Das hat er mir eröffnet, als ihr in der Stadt ward.“, antwortet Ren und kratzt sich stirnrunzelnd im Nacken. „Stimmt, ich hatte noch gar keine Gelegenheit, mit dir darüber zu sprechen...“ Erneut tief aufseufzend lässt er sich vor dem Sofa auf den Boden gleiten, Kyokos Jacke noch immer in der einen Hand, mit der anderen schwer an seine Stirn fassend. Geradezu greifbar fällt die Spannung des Tages nun endlich von ihm ab. „Was für ein Tag...!“, flüstert er müde.

Kyoko setzt sich hinter ihn und beginnt, zärtlich seine Schultern zu massieren, was ihr Mann jedoch nur für einige Sekunden zulässt. Sanft schiebt er ihre Hände beiseite und wendet sich ihr zu, um ihr ebenso liebevoll wie streng in die Augen zu schauen.

„Du solltest dich wirklich lieber hinlegen, Hime-chan.“, meint er.

Kyoko schmunzelt leise. „Koon, du übertreibst schon wieder. Ich hab nur ein wenig Kopfschmerzen, ich bin wirklich in Ordnung. Ganz ehrlich.“

„Es schadet trotzdem nicht, wenn du dich erstmal hinlegst.“, findet Ren. „Ich mach uns Tee.“ Leise stöhnend erhebt er sich und schickt sich an, den Raum zu verlassen.

„Wie wär’s, wenn ich uns Sushi bestelle?“, fragt er, als er bereits an der Tür ist.

„Ja, hört sich gut an.“, gibt Kyoko zurück, während sie sich brav in die flauschige Kaschmirdecke kuschelt.

Ren nickt lächelnd.
 

Erst gute zwanzig Minuten später taucht er wieder auf, das Tee-Tablett in den Händen und ein zufriedenes Grinsen im Gesicht. Kyoko indessen ist ein wenig eingenickt und schreckt unwillkürlich auf, als Ren das Tablett auf dem Wohnzimmertisch abstellt.

„Oh, entschuldige, hab ich dich geweckt?“, fragt er leise.

„Nein“, meint Kyoko grinsend, „ich war nur ein bisschen eingedöst, weil es so langweilig war ohne dich.“

„Verzeih, Liebste.“, sagt er schwülstig, immer noch dieses Grinsen im Gesicht. „Ich hätte dir ja auch wenigstens den Fernseher anstellen können. – Aber ich konnte ja nicht ahnen...“ Mit einem leisen, irgendwie schadenfrohen Kichern unterbricht er sich selbst. Erneut grinsend schüttelt er den Kopf und gießt Kyoko eine Tasse Tee ein.

Verständnislos starrt diese ihren Mann an und wird wieder einmal nicht schlau aus ihm.

„Was?!“, fragt sie schließlich ungehalten, als er immer nur weiter vor sich hin grinst. „Was konntest du nicht ahnen?“

„Hm?“, schreckt der junge Schauspieler aus seinen Gedanken auf. „Entschuldige, ich war in Gedanken.“

„Ja, das hab ich gemerkt. Wärst du aber bitte so freundlich, wenigstens nicht mitten im Satz abzubrechen?“

Sanft lächelnd geht er vor dem Sofa auf die Knie. „Entschuldige noch mal, Hime-chan.“ Liebevoll nimmt er ihr Gesicht in beide Hände und küsst sie zärtlich. Doch kaum hat er seine Lippen wieder von ihren gelöst, stielt sich erneut dieses merkwürdige Grinsen in sein Gesicht.

„Was ist denn los mit dir, Koon?“ Kyoko schaut ihn nun mehr als ratlos an.

Wieder entschlüpft ein leises Kichern Rens Mund und anscheinend versucht er mit aller Macht, ebendies zu unterdrücken.

„Es ist nur“, versucht er zu erklären, „als ich in der Küche war, hat Takarada-san angerufen.“

„Und was war daran so lustig?“, will Kyoko wissen.

Langsam hat Ren sich wieder in der Gewalt. „Das Gespräch war eigentlich gar nicht lustig, er hat von Erikas hochnotpeinlichem Verhör berichtet. – Aber...“, wieder muss er grinsen, „die Vorstellung, wie Erika da gesessen haben muss... Mann, ich hätte gern ihr Gesicht gesehen; vor allem, als ihr Vater dazu kam.“

„Oh!“, macht Kyoko.

Lächelnd schaut ihr Mann ihr in die Augen. „Okay, ich versuche, alles der Reihe nach zu erzählen.“, sagt er.

„Ich bitte darum.“

„Also... Nachdem Takarada-san ihr gleich auf den Kopf zugesagt hat, dass er alles über die Sache weiß, hat es nur Minuten gedauert, bis das vornehme Fräulein alles unter Tränen gestanden hat. Natürlich sehr theatralisch und hochdramatisch. – Aber du kennst ja Takarada, wenn jemand in einem Gespräch mit ihm theatralisch sein darf, dann ist das er selber. Also hat er sie zunächst mal so richtig zur Schnecke gemacht, bis sie schließlich, vollkommen in Tränen aufgelöst, vor ihm gesessen hat wie ein sehr, sehr kleines Häufchen Elend.“

„Hm“, merkt Kyoko trocken an, „das klingt aber nicht besonders lustig, finde ich. Oder ist da eine Seite an dir, die bisher überhaupt noch niemand kennt...?“

Ren lacht nur. „Nein, das nicht. – Obwohl...“ Die Andeutung eines Schattens legt sich über seine zärtlich blickenden Augen. „Wenn jemand dir ernsthaft schaden würde, wäre ich mir da selbst nicht ganz sicher...“ Sanft streicht er ihr über die Wange und küsst sie dann.

„Nein, das alles war nicht das Lustige, das kam erst viel später.“, fährt er schließlich ernst fort. „Es hat sich nämlich im Laufe dieses hochdramatischen Geständnisses herausgestellt, dass Kimiko Kamio mit ihr unter einer Decke steckt und sie die Sache gemeinsam ausgeheckt haben. Es war z.B. Kamio-san, die diese K.O.-Tropfen besorgt hat. – Ich hatte mich schon gewundert, woher Erika-san das Zeug hatte, schließlich hat sie ja als Mädchen aus vergleichsweise behütetem Haus kaum entsprechende Kontakte.“

Kyoko runzelt nachdenklich die Stirn. „Kamio-san?!“, fragt sie entsetzt nach, als würde das irgendetwas ändern. „Himmel, ich weiß ja, unsere erste Begegnung war alles andere als ein guter Start... Aber gleich so weit zu gehen...? – Was hab ich ihr denn Schlimmes getan?“

„Oh, das kann ich dir beantworten.“, meint Ren mit leicht säuerlichem Blick. „Du hast einfach ein besseres Verhältnis zu mir als sie selbst. Ich hatte es dir schon nach ‚Yukis Kochshow’ erzählt; sie ist hinter mir her, wie der Teufel hinter der armen Seele ... und sie scheint weit eifersüchtiger zu sein, als ich je vermutet hätte. – Zumal ich ihr nie auch nur die kleinste Veranlassung gegeben habe, sich einzubilden, dass es auch nur denkbar wäre, dass sie bei mir landen könnte. Vermutlich hat ihr Koenji-san ein paar Geschichten vom Set erzählt, sie wahrscheinlich noch ein bisschen ausgeschmückt und darauf hat diese abgewrackte Diva gemeint, sie müsse sich an dir rächen. – Übrigens war die Sache heute nicht das erst Mal, dass sie versucht haben, dich in irgendeiner Form auszuschalten, die Beiden haben auch hinter dem Brand in ‚Yukis Kochshow’ gesteckt ... beziehungsweise, Koenjis Bodyguards. Genauso wie hinter der Sache mit Yuki-sans Verletzungen an der Hand.“

„Ach, du liebe Güte!“, entfährt es Kyoko entgeistert. „Das ist ja schon...“

„...richtig: kriminell.“, ergänzt Ren düster; in seinem Gesicht ist keine Spur eines Lächelns oder Grinsens mehr zu erkennen. „Zumal sie sogar schon im Vorfeld dafür gesorgt haben, dass wir überhaupt diesen Gastauftritt in der Show hatten; dahinter steckte nämlich Kamio-san mit ihren Kontakten zum Regisseur und der Produktionsfirma. – Der Plan war, dass du dich in aller Öffentlichkeit unsterblich blamieren solltest, natürlich – sozusagen als I-Tüpfelchen - in meinem Beisein, damit ich danach im Idealfall den Kontakt mit dir auf das Allernötigste beschränke.“

„Was ja dann gründlich nach hinten losging.“, kichert Kyoko unvermittelt. „Sie konnten ja nicht ahnen, dass so was für mich eine Art Heimspiel ist.“

Ren findet das Ganze weniger lustig, wütend ballt er die freie Hand zur Faust. „Ich wüsste trotzdem nicht, wie ich reagieren würde, wenn ich dieser alten Hexe noch mal begegne. Ich bin wirklich versucht, ihr buchstäblich den Hals umzudrehen.“

Kyoko lehnt sich vor und umarmt ihren Mann liebevoll. Sanft streicht sie über sein Haar und flüstert seufzend: „Das hört sich alles nicht besonders amüsant an...“

„Das ist es auch nicht, ganz und gar nicht.“ Plötzlich ist das Grinsen wieder in seinem Gesicht. „Jedenfalls nicht dieser Teil.“, fügt er hinzu.

Wieder sieht ihn Kyoko verständnislos an. „Na, was war denn dann so lustig?“, fragt sie ungeduldig.

„Hmm“, zieht Ren seine Antwort genüsslich in die Länge. „Koenji-san musste Rina-san über jedes einzelne Detail ihrer Schandtaten bis ins Kleinste berichten, damit sie die Sicherheitsvorkehrungen entsprechend ändern kann ... und Takarada meinte, dass es aussah, als hätte sie geradezu körperliche Schmerzen dabei, alles so genau gestehen zu müssen. Und je länger es dauerte, desto schwerer schien es ihr zu fallen; als sie endlich fertig war, muss sie beinahe ausgesehen haben, als habe man sie überfallen und verprügelt. – Ich muss zugeben, die bildliche Vorstellung davon, ist schon ziemlich amüsant. – Allerdings kam der wirklich lustige Teil erst noch; na ja, jedenfalls für mich ...“

Kyoko hängt förmlich vor Spannung an seinen Lippen und gibt keinen Ton mehr von sich.

Rens Grinsen wird eine Spur schadenfroher. „Als sie fertig war – und das meine ich wirklich buchstäblich; mit den Erläuterungen ebenso wie mit den Nerven-, traf nämlich ihr Vater am Set ein. Als Takarada-san ihn angerufen und ihm die Situation kurz am Telefon erklärt hatte, hat der gute Mann eine wichtige Vorstandsitzung abgebrochen, alles stehen und liegen lassen, sich in seine Limousine gesetzt und kam schnurstracks zum ‚Ort des Verbrechens’. – Himmel, ich hätte gern ihr Gesicht gesehen, als er so unerwartet dort aufgetaucht ist, diese Vorstellung ist einfach zu köstlich; Takarada hatte ihr nämlich kein Wort davon gesagt, dass er schon vor dem Verhör mit ihm gesprochen hatte.

Natürlich ging dann die Sache noch mal wieder von vorn los, nur dass diesmal ihr Vater sie verhört hat. Man kann sich denken, dass er die Sache ganz und gar nicht witzig fand und nicht das geringste Verständnis hatte.“

„Das klingt für mich auch nicht besonders lustig, Koon, immer noch nicht. Auch nicht die Vorstellung, wie Erika-san ihrem Vater gegenübertreten musste. Soweit ich weiß, liebt sie ihren Vater sehr, da kann ich mir in etwa vorstellen, was in ihr vorgegangen sein muss...“

Ren sieht seine junge Frau verblüfft an. „Du willst mir aber jetzt nicht ernsthaft sagen, dass du Mitleid mit ihr hast, oder? Dieses Gör hat dich und Kanae-san ernsthaft in Gefahr gebracht!“

Kyoko zuckt leicht mit den Schultern. „Also, Mitleid würde ich das jetzt nicht nennen, aber durch was sie heute durch musste, gleicht schon ein bisschen was von dem aus, was sie angestellt hat. Du musst schließlich auch bedenken, dass sie sich wahrscheinlich noch nie um irgendwas in ihrem Leben Sorgen machen musste; da trifft sie das jetzt sicher besonders hart. Das ist bestimmt das erste Mal, dass ihr Vater so hart reagiert hat.“

„Worauf du wetten kannst!“, meint Ren grimmig. „Wenn er sich schon eher ernsthaft um sie gekümmert hätte und schon früher mal eingeschritten wäre, statt ihr jeden noch so unsinnigen Wunsch zu erfüllen, wäre es sicher gar nicht erst so weit mit ihr gekommen. Dieses Mädchen ist schrecklich verzogen und widerlich snobistisch. – Aber trotzdem kommen wir jetzt zum lustigen Teil: ihrer Strafe. Ihr Vater hat nämlich noch am Set sämtliche Kreditkarten eingezogen und ihre Ausflüge ins Showbiz ein für alle Mal beendet. – Wir werden sie also so schnell nicht wieder sehen. Schade jedenfalls, dass keiner Filmaufnahmen gemacht hat, als ihr Vater die Kreditkarten von ihr gefordert hat und eine nach der anderen vor ihren Augen zerschnitten hat. – Takarada meinte, sie hätte aus der Wäsche geguckt, als würde man ihr nacheinander sämtliche Gliedmaßen amputieren. Mit jeder zerschnittenen Karte wurde sie bleicher und ihr Unterkiefer sank tiefer. – Und das war noch längst nicht alles. Vorläufig darf sie weiter auf ihre Privatschule gehen, allerdings werden ihre Bodyguards fristlos entlassen und sie bekommt stattdessen eine zuverlässige, ältere Gouvernante. Außerdem muss sie sich eine karitative Organisation oder eine soziale Einrichtung aussuchen, für die sie die nächsten zwei Jahre ehrenamtlich tätig sein muss. Sollte sie das nicht tun oder anderweitig noch ein Mal Ärger machen, droht ihr Vater ihr damit, sie auf ein Mädcheninternat in der Schweiz zu schicken. Und – quasi als Krönung – muss sie sich offiziell bei dir und Kanae-san und bei Kurozaki-san entschuldigen. – Und du kannst darauf wetten , dass ich dabei sein werde, wenn sie das tut!“

Kyoko seufzt leise. „Du kannst ganz schön gehässig sein, Koon.“, sagt sie. „Das wird es ihr nicht gerade leichter machen.“

„Ich finde auch nicht, dass man es ihr noch leichter machen sollte.“, gibt Ren ungerührt zurück. „Das, was sie da abgezogen hat, reicht locker für eine Jugendstrafe.“

„Dann halt dich wenigstens mit deinen Bemerkungen zurück, wenn sie sich entschuldigen will.“, bittet Kyoko mit einem erneuten Seufzen.

„Solange ich das Gefühl habe, dass sie es ehrlich meint, ist das überhaupt kein Problem.“, meint Ren schulterzuckend. „Ich finde, ich habe jedes Recht, ihr notfalls auch noch mal die Leviten zu lesen; außerdem denke ich, ich spreche da durchaus für das gesamte Filmteam. Das betrifft schließlich alle , die an diesem Film arbeiten.“

„So gesehen, hast du sicher Recht.“, gibt Kyoko widerwillig zu. „Aber denk bitte daran, dass sie vermutlich nie so weit gegangen wäre, wenn sie nicht kräftig dazu angestiftet worden wäre.“

„Ganz ehrlich“, findet Ren, „sie hätte sich nicht anstiften lassen müssen; niemand hat sie gezwungen. – Aber ich sehe natürlich auch, dass sie die Schuld nicht allein trägt. Und möglicherweise ist ihr Anteil an der ganzen Geschichte auch kleiner als der von Kamio-san. Die wusste nämlich ganz sicher, was sie da anrichtet.“

„Was wird denn jetzt eigentlich mit Kimiko Kamio?“, fragt Kyoko. „Takarada-san wird doch sicher keinen Skandal wollen.“

„Nein. Das wäre wohl kontraproduktiv; darunter hätte letztlich die ganze Filmproduktion und vermutlich sogar LME zu leiden. – Takarada wird wohl dafür sorgen, dass sie recht zügig aus dem Geschäft gedrängt wird. Ein paar gezielte Gerüchte an den richtigen Stellen werden dafür sorgen, dass sie immer weniger Engagements bekommt ... und damit kommt sie meines Erachtens immer noch besser weg als mit der Wahrheit. – Außerdem ist Koenji-san dermaßen erschüttert darüber, dass er, als er sie darum gebeten hatte, seine Tochter unter ihre Fittiche zu nehmen, geradezu den Bock zum Gärtner gemacht hat, dass er jetzt alles dafür tun wird, ihre guten Beziehungen zu untergraben und sie gesellschaftlich mehr oder weniger schachmatt zu setzen. – Wir werden sie also ziemlich schnell nicht mehr zu Gesicht bekommen ... und ich muss sagen, dass ich darüber sehr froh bin. Außerdem ist es ohnehin kein großer Verlust fürs Geschäft.“

„Oh Mann“, seufzt Kyoko schwer, „was für eine unangenehme Geschichte! Ich hätte nicht gedacht, dass da noch so ein Rattenschwanz hinterher kommt...“

Ren Tsuruga betrachtet seine junge Frau eine Weile eingehend, dann streicht er ihr sachte über die Wange. „Bitte vergiss nicht, dass du keine Schuld an der ganzen Situation hast.“, sagt er leise.

Kyoko schreckt unwillkürlich auf und blickt ihn verblüfft an. „Wo-her...?“, beginnt sie stockend.

„Ich kenn dich gut genug, Hime-chan.“, antwortet Ren mit einem sanften Lächeln und küsst sie zart auf die Stirn. „Aber es ist weder gesetzlich verboten, noch ist es moralisch verwerflich, deinen Ehemann zu lieben und ihm zur Seite zu stehen.“, fährt er zwinkernd fort. „Versteh mich richtig. Ich liebe meine Arbeit ... und ich arbeite gern für meine Fans, aber ich gehöre nicht der Allgemeinheit und deshalb hat sich da auch niemand einzumischen. – Wir werden jetzt verstärkt daran arbeiten, diese Heimlichkeiten zu beenden; ich will dich auch in aller Öffentlichkeit so behandeln, wie man eben seine geliebte Frau behandelt.“ Entschlossen schaut er ihr in die Augen. „Und eins verspreche ich dir: Falls Takaradas Plan nicht aufgehen sollte, gebe ich eher die Schauspielerei auf oder gehe mit dir nach Amerika, bevor ich mir mein Privatleben vorschreiben lasse. Wäre ja noch schöner, wenn über unsere Beziehung quasi öffentlich abgestimmt werden dürfte.“

Grinsend küsst er Kyoko auf den offen stehenden Mund.

„Aber...“, beginnt sie verwirrt.

„Ich weiß, dass du das nicht willst.“, meint Ren lächelnd. „Ich bin auch nicht scharf darauf. Aber ich habe vollstes Vertrauen in die strategischen und – seien wir ehrlich – manipulativen Fähigkeiten von unserem Big Boss. – Dieses Versprechen ist nur für den schlimmsten anzunehmenden Fall. – Oh, apropos Takarada: Auf seine Order sind wir am Wochenende auf der Benefiz-Gala zugunsten von UNICEF, quasi als seine Vertretung. Rina hat die genauen Daten und kümmert sich auch schon um eine Auswahl von Kleidern.“

Kyoko fällt schon wieder der Unterkiefer nach unten. „Also, manchmal geht mir das alles hier ein bisschen reichlich schnell.“, ächzt sie leise.

„Falls dir schwindelig wird, sag mir Beschied, dann halte ich dich fest.“, meint Ren grinsend. „Ansonsten trinkst du jetzt besser den Tee, bevor er noch ganz kalt wird. – Ich hänge in der Zwischenzeit endlich mal die Jacken an die Garderobe und dann schaue ich unten nach dem Essen, ich möchte den Concierge lieber nicht hoch kommen lassen.“

„Zu Befehl!“, meint Kyoko lachend und salutiert lässig.
 

Kaum hört man die Wohnungstür zuschlagen, klingelt Kyokos Telefon. Leise seufzend erhebt sie sich vom Sofa und nimmt es aus ihrer Handtasche, die auf dem Glastisch liegt.

„Hallo, Kanae-chan.“, sagt sie nach einem kurzen Blick aufs Display. „Wie geht es dir?“

„Bis auf die Tatsache, dass ich ziemlich Kopfschmerzen hab und mir auch sonst so ziemlich jeder Knochen weh tut und ich aussehe, als wäre ich verprügelt worden, geht es mir eigentlich ganz gut.“, meint ihre Freundin und Kyoko kann ihr sarkastisches Grinsen förmlich durch den Hörer sehen.

„Wirklich nichts Ernstes?“, fragt Kyoko noch ein Mal nach. ...sicher ist sicher...

„Na ja, es besteht der Verdacht auf eine Gehirnerschütterung; darum kontrolliert auch eine Krankenschwester halbstündlich meinen Zustand. Aber mach dir keine Gedanken, es ist alles soweit in Ordnung. Das ist nur zur Sicherheit.“

Kyoko atmet hörbar auf. „Das ist doch schon mal was.“, meint Kyoko leise. „Es ... tut mir wirklich leid.“

„Jetzt hör aber auf, Kyoko-chan! Du hast absolut nichts getan, weswegen du dich entschuldigen müsstest.“

„Aber... Irgendwie...“

„Nein, auch nicht ‚irgendwie’!“ Kanae zieht am anderen Ende der Leitung scharf die Luft ein; offenbar tut es ihrem Kopf nicht gut, sich in Rage zu reden. Ein paar Mal atmet sie tief durch, dann spricht sie leiser weiter. „Du bist doch genauso betroffen ... es ist reiner Zufall, dass dir nicht mehr passiert ist. Mensch, das hätte übel ausgehen können, wenn das Zeug erst bei deinem Sprung die volle Wirkung entfaltet hätte.“

„Na, ich bin ja glücklicherweise schon vorher umgekippt. – Darum hab ich auch nur ein bisschen Kopfschmerzen. Das einzige Problem, das ich hab, ist ein Ehemann, der es mit seiner Fürsorge übertreibt. Er lässt mich nicht mal aufstehen.“, stöhnt Kyoko.

„Tja, mir geht’s auch nicht besser. Fuwa-kun war anfangs ziemlich schmollig, dass er sich nicht um dich kümmern durfte, aber irgendwann ist ihm dann doch aufgegangen, dass es dir besser geht als mir und du mit der Hilfe von Rina-san mehr als ausreichend versorgt bist. Und als ich dann angefangen hab, ihn ein bisschen zu beschäftigen, hat er sich schnell wieder eingekriegt. – Blöderweise hab ich mir nämlich beim Sturz die rechte Hand irgendwie verstaucht. Es ist nicht mal dick und eigentlich tut es auch nicht großartig weh, aber ich kann mit der Hand nicht richtig zupacken, volle Tassen oder Teller kann ich beispielsweise nicht festhalten; darum hab ich mir von Fuwa beim Essen helfen lassen.“ Unvermittelt lacht die junge Schauspielerin auf. „War lustig. – Erst hat er sich ja ein bisschen blöd angestellt, aber nach ein paar Minuten war er wirklich eine große Hilfe.“

Kyoko kichert bei der Vorstellung leise vor sich hin, dann fällt ihr plötzlich etwas ein. „Sag mal, ist er jetzt in der Nähe?“

„Nö“, meint Kanae grinsend in den Hörer, „ich hab ihn zu mir nach Hause geschickt, ein paar Sachen holen. Das ist zwar schon ein Weilchen her, aber das dauert bestimmt noch mindestens eine Stunde, wie ich meine Familie so kenne; die werden ihn wohl kaum so schnell aus den Klauen lassen, zumal zwei meiner Schwestern absolute Fans sind. – Bin mal gespannt, wie entnervt er ist, wenn er wieder zurück ist.“ Leise lacht sie vor sich hin.

„Ich will dir nur ungern die Vorfreude nehmen“, meint Kyoko trocken, „aber ich glaube, dass sie eher anstrengend für ihn wären, wenn es bei euch zu Hause total steif und förmlich zugehen würde. Ich weiß auch nicht, ob es so eine gute Idee war, ihn dorthin zu schicken, es ist nämlich nicht mal unwahrscheinlich, wenn er sie nach Anekdoten über dich ausfragt und anschließend deine sämtlichen Schwächen kennt.“

„Keine Sorge, die kennen gar nicht alle meine Schwachpunkte.“, beruhigt sie Kanae.

Kyoko hört, wie die Wohnungstür geöffnet wird. „Ich schätze mal, da kommen mein Mann und das Essen.“

„Telefonierst du mit Kanae-chan?“, fragt Ren, als er gleich darauf die Schachtel mit dem Sushi auf den Wohnzimmertisch stellt.

Kyoko nickt lächelnd.

„Bestell ihr liebe Grüße!“, meint er.

„Das kannst du auch selber tun.“, findet Kyoko. „Ich stell den Apparat schnell auf Lautsprecher.“ Sie drückt grinsend den entsprechenden Knopf.

„Hallo, Kanae-chan.“, grüßt Ren freundlich, während er sich neben seine Frau aufs Sofa setzt. „Wie geht es dir?“

„Wie es jemandem geht, der von oben bis unten blau angelaufen ist und sich das Handgelenk verstaucht hat. Eigentlich ganz gut.“, findet Kanae kichernd. „Ob ich eine Gehirnerschütterung habe, ist noch nicht ganz raus, aber es sieht eigentlich nicht so aus ... oder wenn, dann nur leicht. Ich hab eben einen Dickschädel.“

„Was in diesem Fall wohl ein Glück ist.“, merkt Ren ernst an. „Ich bin jedenfalls froh, dass nichts Schlimmeres passiert ist. Macht Fuwa irgendwelchen Ärger?“

„Nö, er war nur am Anfang ein bisschen quengelig.“, antwortet Kanae leise lachend. „Jetzt ist er bei mir zu Hause, um mir ein paar Sachen für die Nacht und morgen zu holen. Ich hatte den Eindruck, dass ihm der Schrecken ganz schön in den Knochen saß.“

„Wem sagst du das...“, ächzt Ren leise. „Meinst du, er könnte jeden Moment zurückkommen?“

„Definitiv nicht.“, kommt es von Kanae prompt zurück. „Das dauert noch. Du kennst meine Familie nicht, Ren-san, die lassen ihn nicht so schnell wieder weg. Gibt es irgendwas, das er besser nicht mitkriegen soll?“

„Wie man’s nimmt. Ich wollte dich fragen, ob er wegen Kyoko und mir Verdacht geschöpft hat. Als wir euch in den Garderobenwagen gebracht haben, schien es mir, als sei er doch ziemlich eifersüchtig und argwöhnisch. Auch danach noch...“

„Das ist wohl richtig. Als wir hier ankamen, hat er jedenfalls so was quasi durch die Blume verlauten lassen. So ganz offen wollte er nicht dazu stehen, aber er hatte – zumindest kurzzeitig – den Verdacht, dass da was zwischen euch läuft. Allerdings hatte er selbst Zweifel und darum konnte ich ihn schnell damit beruhigen, dass Takarada-san dich erstens schon vor Längerem als verantwortlichen Sempai für sie bestimmt hat und dass er zweitens beschlossen hat, ganz bewusst Gerüchte um eine Beziehung zwischen euch zu streuen, um zusätzliche PR für ‚Crazy Alliance’ zu machen. Das hat er geschluckt. – Nur das, was er danach gesagt hat, möchte ich lieber nicht wiederholen, dafür hätte ich ihm am liebsten eine reingesemmelt...“

„Lass mich raten!“, sagt Kyoko grinsend. „Vermutlich hat er so was gesagt wie ‚Dieses Mauerblümchen angelt sich doch nicht so einen begehrten Mann ... und selbst, wenn Ren Tsuruga auf sie reinfallen würde, würde sie es vermutlich nicht mal merken.’ So in etwa?“

„So ähnlich.“, bestätigt Kanae leise grummelnd. „Allerdings noch ein bisschen weniger nett. – Der Typ hat echt einen Schuss weg! Wie kann man so was sagen, noch dazu über jemanden, mit dem man quasi aufgewachsen ist?“

Kyoko zuckt ungerührt die Schultern. „Ach, vergiss es, vermutlich ist es bei ihm einfach nur eine schlechte Angewohnheit.“

„Eine, die er sich möglichst bald abgewöhnen sollte.“, brummt Ren schlecht gelaunt. „Spätestens dann, wenn diese Ehe endlich offiziell ist.“

„Ach so, was ich noch fragen wollte“, wechselt Kanae abrupt das Thema, „habt ihr schon was von Takarada-san gehört? Ich meine wegen Erika.“

„Ja“, bestätigt Ren und hat sofort wieder ein Grinsen im Gesicht. „ihr anscheinend noch nicht. – Dann lass mich dich mal auf den neuesten Stand der Dinge bringen. Der Schluss wird dir gefallen...“ Genüsslich fasst er das Gespräch, mit dem LME-Chef zusammen und während Kyoko beginnt zu essen und teils unangenehm berührt versucht wegzuhören, kann Kanae sich hier und da ein ausgelassenes Kichern nicht verkneifen.

„Dass ausgerechnet Kimiko Kamio in diese Geschichte verwickelt ist, hätte ich allerdings nicht gedacht.“, meint sie, als Ren fertig ist mit seinem Bericht.

„Ich glaube, das hätte auch niemand vermutet, wenn Erika nicht so schnell geplaudert hätte. Nun, das wird ihr dann sowohl schauspielerisch als auch gesellschaftlich das Genick brechen. Jedenfalls sind sowohl Takarada-san als auch Koenji-san mehr als sauer; sie werden ihr das nicht durchgehen lassen.“

„Na ja“, findet Kanae, „es ist kein allzu großer Verlust, unter Kollegen und Crew-Mitgliedern beim Fernsehen scheint sie auf alle Fälle nicht sonderlich beliebt zu sein. Ihre Allüren stehen jedenfalls in keinem Verhältnis zu ihren tatsächlichen Leistungen vor der Kamera ... finde ich persönlich.“

„Da sind wir absolut einer Meinung.“, bekräftigt Ren grinsend. „Aber wir sollten dich vielleicht besser nicht weiter davon abhalten, dich auszuruhen und dich zu erholen. – Ich gehe mal davon aus, dass du morgen noch nicht wieder vor der Kamera stehen kannst?“

„Das halte ich für unwahrscheinlich.“, meint Kanae seufzend. „Ich hoffe, dass ich wenigstens die Kopfschmerzen morgen wieder los bin; die sind nämlich wirklich störend.“

„Das denk ich mir.“, sagt Ren mitfühlend. „Dann erhol dich gut. Falls Kurozaki anrufen sollte, sag ich ihm Bescheid; aber ich gehe eigentlich davon aus, dass aufgrund der heutigen Vorfälle ohnehin der Dreh für morgen abgesetzt ist.“

„Schlaf gut!“, wünscht Kyoko. „Und gute Besserung. – Und lass dir nichts von Sho-kun gefallen!“

Ich doch nicht!“, lacht Kanae. „Keine Sorge. Dir auch gute Besserung!“

„Das wünsch ich dir auch.“, fügt Ren hinzu. „Wir telefonieren morgen noch mal. Bis dann.“

„Ja, bis dann.“
 

Als knapp zwei Stunden später Sho Fuwa, das großzügige Appartement des LME-Gästehauses gut gelaunt und ziemlich geräuschvoll betritt, schläft Kanae längst tief und fest auf dem Sofa. Im Fernsehen läuft leise eine Comedysendung im Hintergrund.

Mit einem Blick hat der junge Sänger die Situation erfasst und bringt beinahe geräuschlos die mitgebrachten Tüten in die kleine Barküche und die Reisetasche ins Wohnzimmer. Dann zieht er seine Jacke aus und begibt sich – vorsichtig schleichend – zum Sofa, vor dem er sich dann ebenso leise auf dem flauschigen Teppich niederlässt, immer Kanae im Blick und darauf bedacht, sie nicht zu wecken. Einen langen Moment betrachtet er das schlafende Mädchen, wie sich ihr Brustkorb ruhig hebt und senkt, wie ihre langen Wimpern leise im Traum flattern und sich ganz langsam eine vorwitzige Haarsträhne über ihre Lider schiebt.

>Wenn sie schläft, sieht sie eigentlich richtig süß aus<, denkt er versonnen, >aber irgendwie anders ‚süß’ als... Hm, als wer? – Hm, ...anders als alle anderen...< Sehr vorsichtig nimmt er die Haarsträhne zwischen zwei Finger und legt sie dorthin zurück, wo sie eigentlich hingehört. Kanae reagiert nicht einmal mit einem leichten Zucken. Erleichtert atmet der junge Sänger auf; wecken wollte er sie nun wirklich nicht.

Mit einem unangenehmen Kribbeln im Bauch kommt ihm der Gedanke, dass der heutige Tag auch anders hätte ausgehen können ... auch für Kyoko-chan.

>Wenn ich diese verfluchte Schnepfe in die Finger kriege...<, beginnt er einen betreffenden Gedanken über Erika Koenji, hält jedoch inne, als Kanae im Schlaf leise stöhnt. >Stimmt.<, nickt er mit geschürzten Lippen in Kanaes Richtung, >du hast vollkommen Recht. Ich sollte wirklich zunächst abwarten, was bei diesem Verhör rauskommt. Danach kann ich mir immer noch Gedanken darüber machen.<

Fest entschlossen, sich in der Zwischenzeit abzulenken, wendet er sich dem Fernseher zu, um im gleichen Augenblick ebenso überrascht wie erfreut festzustellen, dass diese Sendung zu seinen Lieblingen gehört.

Keine zwei Minuten später hält er sich vor Lachen den Bauch und versucht vergeblich zu verhindern, Kanae dabei zu wecken.

„Was?!“, brummt das Mädchen verwirrt und hebt ein wenig desorientiert den Kopf.

Sho Fuwa ist augenblicklich wieder Herr seines Zwerchfells. „Oh, entschuldige, ich hab dich geweckt.“, stellt er überflüssigerweise fest.

Kanae wirft einen kurzen Blick auf ihre Armbanduhr. „Auch egal.“, meint sie dann sarkastisch. „In spätestens 10 Minuten hätte mich eh die Krankenschwester geweckt, indem sie mir gründlich mit der Taschenlampe das Hirn ausleuchtet.“

„Ehm, das tut sich doch aber nur, um deinen Pupillenreflex zu prüfen“, wirft Sho ein; irgendwie sieht er gerade aus wie das personifizierte schlechte Gewissen. „wegen Gehirnerschütterung und so...“

Kanae richtet sich zum Sitzen auf. „Ich weiß“, gibt sie schlecht gelaunt zurück, „aber dieses Ausleuchten alle halbe Stunde ist nicht gerade Schlaf fördernd. – Oh Mann, ich werd morgen so was von tot sein!“ Gähnend greift sie sich in den Nacken und versucht ihn vorsichtig etwas zu lockern.

Sho hingegen ist merklich zusammengezuckt. „Mann, sag doch so was nicht! Nicht mal im Scherz...“, grummelt er.

Kanae hebt überrascht eine Braue. „Ja ja“, meint sie schließlich, nachdem sie ihn einen Moment eindringlich beobachtet hat. „ich nehm’s zurück. Tot würde ich mich wahrscheinlich ohnehin besser fühlen. Da braucht man keinen Schlaf und Schmerzen fühlt man auch nicht mehr.“

Sho schaut sie einen Moment lang mit offenem Mund an. „Könntest du bitte aufhören, den Tod überhaupt zu erwähnen ?“, blafft er sie dann an. „Hast du eine Ahnung, wie knapp das heute war?!“

„Hm...“, überlegt Kanae gespielt angestrengt und zuckt dann mit den Schultern. „Nö, nicht wirklich. – Ich kann mich schließlich an nichts erinnern.“ Leise kichernd registriert sie seinen empörten Gesichtsausdruck. „Aber ich hab eine Ahnung davon, dass alle, die es gesehen haben, ganz schön geschockt waren.“, fügt sie versöhnlich hinzu. „Und jetzt sieh dir die Sendung ruhig zu Ende an.“ Lächelnd reicht sie ihm die Fernbedienung, nachdem sie den Ton lauter gestellt hat.

Sho winkt verlegen ab. „Ach, schon okay, wir müssen das nicht sehen...“

„Warum nicht?“, gibt Kanae grinsend zurück. „Es hat dir doch ganz offensichtlich Spaß gemacht ... und außerdem soll Lachen ja gesund sein.“

„Na gut.“ Ein bisschen halbherzig dreht sich der junge Sänger wieder dem Fernseher zu und es dauert keine Minute, bis er unterdrückt kichert.

Lachend stößt ihn Kanae in den Rücken. „Hey, hör auf damit!“

Verständnislos die Augen aufreißend wendet sich Sho dem Mädchen zu. „Womit?“

„Damit, dein Lachen zu unterdrücken.“, antwortet Kanae prompt.

„Was? – Aber... wieso...“, stammelt der Junge verdattert und fügt dann murmelnd hinzu: „Mann, das ist doch uncool.“

Kanae stöhnt laut auf und verdreht genervt die Augen.

„Männer!!“, ächzt sie. „Was, zum Henker, soll am Lachen uncool sein?! – Das Einzige, was an euch Kerlen wirklich extrem uncool ist, ist, wenn ihr versucht, cool zu sein!“ Mit vor Schmerz gerunzelter Stirn greift sie sich an die Schläfen. „Oh, Mann, ich sollte mich besser nicht aufregen.“, murmelt sie und atmet ein paar Mal tief durch. „Also gut.“, meint sie dann. „Treffen wir eine Vereinbarung. Solange du hier bist, sei einfach ganz normal. Bitte kein cooles Getue, keine unnötigen Schauspieleinlagen oder so; so was geht mir nämlich gehörig auf den Sender und ich glaube, dass das im Moment letztlich auf stärkere Kopfschmerzen hinausläuft. Und das kann ich jetzt echt nicht gebrauchen.“ Mit einem Grinsen quittiert sie Shos verwirrten Gesichtsausdruck. „Keine Sorge, ich werd’s schon nicht herum erzählen, wenn es dir so wichtig ist.“

Verlegen kratzt sich der junge Sänger im Nacken und findet keine Worte.

„Schon okay.“, beendet Kanae müde lächelnd das Thema. „Hast du eigentlich alles gefunden, was ich dir aufgeschrieben hatte?“

„Ich denke schon; du kannst ja gleich mal nachsehen.“, schlägt Sho vor und hat mit einem Mal ein fröhliches Leuchten in den Augen. „Deine Leute sind übrigens toll. – Deine Mum hat mir jede Menge zu Essen mitgegeben; ich weiß zwar nicht, wer das alles essen soll, aber ... Na ja, sie ist halt deine Mum und macht sich Sorgen...“

„Ja, klar, anscheinend vor allem darüber, dass ich verhungern könnte...“, grummelt Kanae.

„Ach Quatsch.“, meint Sho lächelnd. „Sie war wirklich in Sorge, wie alle andern in deiner Familie auch. Ich musste ihnen tatsächlich alles haarklein erzählen und ihnen mindestens 1000 Mal versichern, dass es dir weitgehend gut geht. – Es wäre übrigens gut, wenn du nachher mal zu Hause anrufen würdest; ich glaube, das würde sie noch mehr beruhigen.“

„Oh Mann, ich weiß aber nicht, ob mein Kopf das so gut finden wird...“, stöhnt Kanae auf.

„Ich kann mir schon denken, warum.“ Sho grinst sie unverwandt an. „Natürlich hab ich mitgekriegt, dass sie alle ein bisschen chaotisch sind und wahrscheinlich ist es gar nicht so einfach, sie Tag und Nacht auszuhalten, ich kann mir schon denken, dass es da schwierig ist, Ruhe zum Arbeiten zu finden, ... aber... deine Leute sind echt in Ordnung. Du kannst das Gespräch ja kurz halten, Hauptsache, deine Mum hört deine Stimme; ich denke, das würde sie sehr beruhigen.“

Kanae seufzt leise. „Du hast noch nie versucht, mit meiner Mutter ein kurzes – ein wirklich kurzes – Gespräch zu führen, oder?“, fragt sie resignierend.

„Nö“, meint Sho grinsend, „ich hatte noch nicht das Bedürfnis, das Gespräch abzukürzen. – Nein, im Ernst: Wenn es dir zu viel wird, kann ich dir den Hörer auch abnehmen und ihr sagen, dass du dich jetzt besser ausruhst. Gib mir einfach ein Zeichen.“

„Na gut.“, lenkt Kanae ein wenig widerwillig ein. „Aber erst später. Nach dem Essen vielleicht.“

„Na, dann hoffe ich mal, dass du dich an dem ganzen Zeug nicht vollkommen überfrisst und keinen Ton mehr raus bringst; ich glaub, damit könnten wir beinahe die halbe Filmcrew satt kriegen.“, findet Sho. „Vielleicht sollten wir wenigstens Kyoko-chan etwas davon vorbei bringen, wir schaffen das unmöglich allein... Jedenfalls diese Woche nicht.“

„Vergiss es!“, sagt Kanae mit einem frechen Grinsen. „Netter Versuch, Fuwa, aber darauf fall ich nicht rein. Außerdem hat Kyoko schon vor zwei Stunden gegessen, ich hab nämlich schon mit ihr telefoniert.“ Kanaes Grinsen wird noch eine Spur breiter. „Und ich geb dir ihre Adresse nicht, selbst wenn du dich auf den Kopf stellst.“

Für einen kurzen Moment springt dem jungen Sänger die Enttäuschung geradezu aus den Augen, doch dann siegt die Neugier. „Du hast mit ihr gesprochen? Wie geht es ihr?“

„Besser als mir jedenfalls.“, antwortet Kanae. „Sie sagt, sie hat nur ein wenig Kopfschmerzen, ansonsten geht es ihr gut. – Übrigens gibt es Neuigkeiten von Erika Koenji.“

Sho hebt mit leichtem Stirnrunzeln die Brauen und so beginnt Kanae, ausführlich zu berichten.
 

„Kimiko Kamio?“, fragt Sho schließlich stirnrunzelnd; offenbar denkt er angestrengt nach.

„Es ist nicht wirklich ein Verlust, wenn du sie nicht kennst, ihre echten Erfolge liegen sowieso schon eine ganze Weile zurück.“, meint Kanae. „Ich denke, ihre erfolgreichste Rolle war die Michiko Umeda in ‚Liebe und Seide’“

„Oh, Moment!“ Bei Sho fallen sichtbar die 100-¥ -Stücke. „Diese bekloppte Serie hat doch meine Mutter immer gesehen; aber das muss ... ewig her sein. - Aber ... warum Kyoko-chan?“, überlegt er schließlich laut.

„Mal abgesehen davon, dass sie sie wegen Erika Koenjis Privatfehde mit mir auf der Rechnung hat, denke ich, die Dame ist eifersüchtig auf alle, die zu nah an Ren Tsuruga heran kommen. Und du weißt ja, dass sie als Ren-sans Kohai gar nicht anders kann , als ein gutes Verhältnis zu ihm aufzubauen.“ Kanae registriert Shos leicht angewidertes Stirnrunzeln und lacht. „Sei doch mal ehrlich! Ren-san ist ein ausgezeichneter Lehrmeister und Kyoko-chan hat schauspielerisch enorm davon profitiert, jedenfalls wenn man sich ihre Entwicklung im letzten halben Jahr mal so vor Augen führt.“

Sho hängt eine Weile versonnen seinen Gedanken nach, dann fragt er: „Wieso hat euer Oberboss ausgerechnet Kyoko-chan diesem ... Mister Superstar unterstellt?“

Kanae schaut ihn lange an, erst dann antwortet sie leise. „Weil sie verdammt viel Talent hat, Sho-kun. Mehr als ich und du zusammen. – Und vermutlich auch, weil sie selbst nur eine sehr kleine Ahnung davon hat, was da noch alles in ihr steckt.“

Shos Augen weiten sich unwillkürlich, sein Mund öffnet sich ... und schließt sich unvermittelt wieder.

Kanae sieht ihm ernst in die Augen. „Sie glaubt nur deshalb, ein vergleichsweise unbrauchbares Mauerblümchen zu sein, weil man es ihr seit frühester Kindheit eingebläut hat. Es hat mit ihrem Charakter zu tun: Sie hilft einfach gern und ist ein bisschen harmoniesüchtig. Wahrscheinlich war sie schon immer ein gehorsames Mädchen und hat mit allen Mitteln versucht, den Erwartungen zu entsprechen. – Was war es, das man von ihr erwartet hat?“

Sho wird plötzlich blass. „Jedem zu Diensten zu sein und sich ansonsten möglichst im Hintergrund zu halten...“, sagt er leise. „Und hart an sich zu arbeiten, damit ihr Ungeschick wenigstens nicht mehr so auffällt...“ Entsetzt starrt er Kanae an. „Oh, Gott, meine Mutter hat praktisch jeden Angestellten im Ryokan mit solchen Sprüchen bombardiert!“

„Ja“, sagt Kanae leise, „aber Kyoko-chan war keine Angestellte, sondern ein kleines Mädchen, das von seiner Mutter verlassen worden war. Sie hat nicht mal einen Lohn für ihre Anstrengungen bekommen, oder?“

„Nein“, flüstert Sho betroffen, „wenn ich so überlege, hat sie nicht mal ein kleines Taschengeld bekommen.“

„Hm, und du?“, fragt Kanae vorsichtig. „Du hast auch nicht gerade zu ihrem Selbstwertgefühl beigetragen, oder?“

„Nein“, gibt Sho zögernd zu, „wohl nicht. – Mein Gott, ich war so sauer, dass sie mich einfach so mit ihr verheiraten wollten – ohne auch nur in Betracht zu ziehen, mich nach meiner Meinung zu fragen... Ich glaub, ich hab den ganzen Ärger komplett an ihr ausgelassen.“

„Kyoko-chan wurde auch nicht wirklich gefragt.“, gibt Kanae zu bedenken. „Ich weiß, möglicherweise sah es für dich nicht danach aus, weil sie dich so sehr mochte...“ Ernst greift sie ihm an die Schulter und sieht ihm fest in die Augen. „Das kannst du auch nicht wieder gut machen, Sho-kun. – Aber du kannst versuchen, einen neuen Anfang zu machen. Begeh nicht den Fehler, jetzt etwas von ihr zu fordern; sei ihr ein Freund, vielleicht eine Art Bruder. Das ist der Einzige Weg, den ich sehe. – Lass sie ihr Leben leben. Das ist das Beste, was du tun kannst.“ Seufzend reibt sie sich den Nacken. „Herrje, in diese Richtung sollte das Gespräch eigentlich gar nicht gehen. Der Tag war auch so schon unerfreulich genug...“

„Schon okay“, meint Sho leise, „du hast ja Recht. Ich führ mich hier als so eine Art Rächer auf, dabei war ich selbst nicht sehr viel besser als Koenji-san...“

„Na ja“, meint Kanae grinsend, „ganz so schlimm warst du dann doch nicht; immerhin hast du nicht versucht, sie umzubringen.“ Zwinkernd schlägt sie ihm auf die Schulter. „Oh Mann, jetzt hab ich wirklich Hunger!“

„Ja ja, Kanae-sama“, antwortet Sho breit grinsend, „ich hab schon verstanden. Das Essen ist so gut wie unterwegs.“ Lachend salutiert er und begibt sich schnurstracks in die Küche, um das Essen aufzuwärmen, ganz so, wie er es sich von Kanaes Mutter ausführlich hatte erklären lassen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  hinata-ni
2009-12-27T19:53:05+00:00 27.12.2009 20:53
*dahin schmelz*
Ich weiß schon gar nicht mehr, was ich zu deinem Kap schreiben soll.
Jedes Mal am ende deiner Kapitel brenne ich auf darauf das nächste lesen zu können.

Vorauf ich jetzt noch warte ist die Begenung mit Kyokos Großvater und Kuons Vater. Auf diese Szenen freue ich mich schon ganz besonders.

LG
たなヒ
Von:  DarkEye
2009-12-17T11:38:26+00:00 17.12.2009 12:38
super kapitel!
dakr
Von:  Amy-Lee
2009-12-15T21:10:08+00:00 15.12.2009 22:10
He,
war´s wie immer vor allem das mit der Strafe für Wie heißt die noch mal habs vergessen ich glaub Erika oder super das mit dem Kretitkarten.

Und Sho lass Kyoko in frieden du haßt es dir selbst zu zuschreiben das
sie nichts meh von dir wissen will.

Bye
Von:  Kyoko-Hizuri
2009-12-15T14:13:40+00:00 15.12.2009 15:13
wiedermal ein super mega Kap^^...*breit grins*
die Szenen mit Kanae und sho gefallen mir immer mehr, ich mag sogar Sho wieder mehr (und das will was heißen)
aber ich muss sagen ich vermisse die schönen romantischen Kaps mit Ren uns Kyoko...*wehmütig schau*
naja, schreib bitte schnell weiter^^,...ich will doch wissen wie Ren sich in der Öffentlichkeit benimmt, nachdem er schon sowas gesagt hat, das er sich wie ein liebender Ehemann verhalten will auch in der Öffentlichkeit ^________________^
bis zum nächsten Kap
Kyo-Hizu


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