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Licht ins Dunkel

Kurzgeschichten verschiedener Charaktere
von

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Assassini - Ashraf

Arabien, in der Nähe von Jerusalem

1173
 

Die Hitze schien unerträglich. Sie lastete schwer auf sämtlichen Lebewesen und brachte die Luft zum Flimmern. Ein Sirren, gefolgt von einem kurzen, dumpfen Ton, durchbrach die Stille.

"Treffer!" Tarik stand neben seinem älteren Bruder Ashraf, dessen freier Oberkörper vor Schweiß glänzte. Ahsraf nahm die Hand von der Sehne seines Bogens und griff nach einem weiteren Pfeil. Sein Bruder musterte die Zielscheibe, die in einiger Entfernung aufgestellt war. Einige Pfeile steckten rund um die Mitte in dem Holz.

Tarik schob das Band aus grobem Stoff, das er sich um die Stirn gebunden hatte, etwas weiter nach oben. "Nicht schlecht", sagte er anerkennend. Ashraf warf ihm einen Seitenblick zu.

"'Nicht schlecht'? Mach es besser!" Er hielt ihm den Bogen hin. Tarik lachte.

"Ich kann das nicht, das weißt du doch!" Er wies auf sein Schwert, über dessen Klinge eine feine Scharte verlief. "Damit kann ich besser umgehen."

"Dann hör auf so anzugeben." Ashraf gab ihm einen kleinen Stoß und stellte dann den Bogen weg. "Ich verstehe sowieso nicht, warum du immer noch nicht mit dem Schießen angefangen hast. Irgendwann wird dir das nochmal das Genick brechen."

"Wenn es nicht jemand anderes tut.", warf Tarik ein.

"Streitet ihr schon wieder?" Eine neue Stimme, aber keine, die Ashraf erwartet hätte. Eine weibliche Stimme. Er drehte sich um und sah Arisha dort stehen.

Man sah auf den ersten Blick, dass sie mit Shareef verwandt war, nur ihre Gesichtszüge waren etwas feiner. Ihr Hals glänzte feucht, sie hatte gegen die Hitze Wasser darauf verrieben. Ihre dunklen Augen musterten sie beide.

Frauen bei den Assassinen waren ungewöhnlich, Arisha war ein Sonderfall. Sie war nur wegen Shareef, ihrem Bruder, aufgenommen worden, aber es hatte sich gelohnt: Arisha war eine Kämpferin, durch und durch.

"Rashid will mit euch reden.", sagte sie ohne Übergang. "Und mit Yasif auch. Wo steckt der eigentlich?" Ihr Blick wanderte suchend über den Hof.

"Er ist bei den Pferden", antwortete Tarik.

"Mit Shareef", ergänzte Ashraf. Eigentlich hatte er Shareef helfen wollen, aber der hatte gesehen, dass er sich um Tarik kümmerte und sich kurzerhand Yasif geschnappt. Ashraf und Shareef hatten sich seit ihrer ersten Begegnung verstanden und respektiert. Vielleicht lag es daran, dass sie sich in der gleichen Situation befanden. Beide waren ältere Brüder, die auf ihre jüngeren Geschwister aufpassten und sich für sie verantwortlich fühlten.

Arisha nickte. "Gut, dann kann er auch gleich mitkommen." Sie verschwand Richtung Stall.

Ashraf griff nach seinem Hemd, das in der Nähe lag, zog es über und ging dann mit Tarik zu Rashid. Wenige Minuten später tauchte auch Arisha auf, Shareef und Yasif im Schlepptau.

Rashids Augen schienen ihnen entgegen zu blitzen, aber das konnte auch am Licht der Fackeln liegen, die den Raum erhellten.

Kein anderer der Assassinen war hier, nicht einmal einfache Wachen. Das, was Rashid ihnen zu sagen hatte, war anscheinend nur für ihre Ohren bestimmt.
 

Ashraf sah zur Burg, deren erleuchtete Fenster sich vom dunklen Hintergrund abhoben. Dank seiner schwarzen Kleidung war er praktisch unsichtbar, ein Schatten in der Nacht. Eine seltsame Ruhe erfüllte ihn, wie immer vor einem Auftrag.

Es war kein direkter Anschlag auf den Tempelmeister. Angeblich wollte Raschid nur Pläne, damit er wusste, ob er in der nächsten Zeit Ruhe vor den Templern hatte.

Aber sie alle wussten es besser.

"Der Tempelmeister ist jetzt auch wieder auf der Burg.", hatte Rashid so beiläufig wie möglich bemerkt. "Es kann nicht schaden, wenn er stirbt."

Es war ein versteckter Befehl. Rashid hatte es schlau angestellt. Zum einen hatte er den Befehl nicht direkt ausgesprochen, sodass er nicht seine besten Krieger bestrafen musste, falls sie versagten; zum anderen schickte er eben diese, weil sie die größten Aussichten auf Erfolg hatten.

Neben ihm bewegte sich Arisha und verlagerte ihr Gewicht. Er wusste, dass ihr Gesicht unter dem dunklen Tuch, das sie sich um den Kopf geschlungen hatte, ausdruckslos war. Er wusste, dass Yasif, der an seiner anderen Seite stand, die Arme verschränkt und den Blick starr auf die Burg gerichtet hatte. Er wusste, dass Tarik und Shareef sich Zugang zur Burg verschafften. Er wusste das alles, ohne es zu sehen. Sie waren ein eingespieltes Team.

Ashraf hörte den Pfeil fast bevor er ihn sah. Er landete direkt vor seinen Füßen, Flammen leckten am Holzschaft empor. Shareef war ein hervorragender Schütze.

Ashraf bückte sich kurz und löschte das Feuer, indem er Sand darüber schaufelte, dann erhob er sich wieder. Zusammen mit Arisha und Yasif näherte er sich der Burg.

In dem alten Gemäuer waren Lücken und Vorsprünge, zum Klettern perfekt.

Arisha war als erste oben, schwang sich elegant durchs Fenster und reichte dann Yasif die Hand, um ihm zu helfen. Schließlich standen alle drei Im Gang.

Ashraf sah sich um. „Wo sind Shareef und Tarik?“

Die beiden anderen zuckten hilflos mit den Schultern. Vielleicht war etwas schief gelaufen. Darauf konnten sie keine Rücksicht nehmen.

Arisha warf einem to am Boden liegenden Templer einen Blick zu. „Immerhin waren sie hier.“ Ihre Stimme schwankte zwischen Erleichterung und Anspannung.

Ashraf nickte nur und ging zum Ende des Ganges. Seine Schritte waren lautlos. An der Ecke wartete er und lauschte auf die Geräusche seiner Umgebung. Er meinte, von oben ein Klirren zu hören. „Sie wurden entdeckt.“, zischte er Arisha und Yasif zu.

Die Kampfgeräusche wurden lauter. Die drei Assassinen eilten die Gänge entlang. Der Tempelmeister war wahrscheinlich beim Kampf, aber Yasif wollte sichergehen. Er legte eine Hand an die Tür zu dessen Zimmer. Im nächsten Moment zog er sie mit schmerzverzerrtem Gesicht zurück und ein Dolch fiel klirrend zu Boden. Arisha und Ashraf wirbelten herum. Der Messerwerfer war ein schmächtiger Junge, keine fünfzehn Jahre alt.

Ashraf konnte die Angst in seinen Augen sehen. Sie war unbegründet. Dieser Junge würde nicht sterben.

Shareef tauchte plötzlich hinter ihm auf. Er erfasste die Situation mit einem Blick und setzte den Jungen mit einem gezielten Schlag außer Gefecht. Der Junge sank ohnmächtig zu Boden. Shareef sah zu seiner Schwester, die mit einem ihrer Dolche etwas Stoff von ihrem Ärmel abgetrennt hatte und damit die Blutung von Yasifs Hand stoppte- Sein Blick verriet nicht, was er dachte. Er wandte sich an Ashraf und schien etwas sagen zu wollen.

„Schickt Rashid euch?“ Die Stimme gehörte dem Tempelmeister. Er hatte sein Schwert gezogen.

Ashraf durchzuckte es kalt. Wo war Tarik? Er bemerkte den beruhigenden Blick Shareefs. „Er ist unten.“, sagte er leise auf arabisch.

Ashraf antwortete in der gleichen Sprache, den Tempelmeister ignorierend: „Geht nach unten und dann raus hier. Ich kümmere mich um den.“

Shareef zögerte, nickte dann aber. Er zog sich mit Arisha und Yasif zurück.

Ashraf wandte sich wieder an den Tempelmeister. Jetzt, endlich, beantwortete er dessen Frage.

„Ja, Rashid schickt uns, Robert von Metz.“
 

Ashraf war im Kampf durchaus nicht schlecht, aber Robert von Metz war eine Klase für sich. Obendrein besaß er Sangreal, es war praktisch unmöglich ihn durch Verletzungen zu schwächen.

Ashraf spürte seine Arme schwerer werden. Templer begannen zu rufen, ihre Stimmen mischten sich mit dem Geklirr der Waffen, wodurch man sie nicht mehr verstand. Eine Sekunde später war der Grund klar: Flammen schlugen plötzlich an sämtlichen hölzernen Einrichtungsgegenständen empor, einschließlich den Türen.

Den kurzen Augenblick der Ablenkung nutzte Robert zu seinem Vorteil. Er führte vier schnelle Schläge.

Ashraf ging zu Boden, doch Robert nahm sich nicht die Zeit, nachzusehen, ob sein Gegner noch lebte. Er eilte zum Rest der Templer, um mit ihnen das Feuer zu löschen.

Ashraf setzte sich unter Schmerzen auf. Robert hatte mit jedem seiner letzten Schläge getroffen, vier lange Schnittwunden zogen sich nun über Ashrafs Oberkörper, die längste reichte von der linken Schulter bis knapp über den rechten Hüftknochen. Ashraf hoffte, dass er noch die Kraft hatte, die Burg zu verlassen. Templer begegnete er auf seinem Weg nicht, vermutlich hatten sie die Burg verlassen. Was er aber sah, war ein Schwert, dass auf dem Boden lag. Die Klinge schimmerte im Licht der Flammen, nur die feine Scharte, die sich über das Eisen zog, blieb dunkel. Tariks Schwert.

Ashrafs Verstand weigerte sich, das naheliegende zu begreifen. ‚Er muss es verloren haben.’, sagte er sich stattdessen. Er nahm sich das Schwert. Es brannte in seiner Handfläche, weil es vom Feuer erhitzt worden war, aber Ashraf ignorierte den Schmerz. Sein Kopf dröhnte und ihm war schwindelig, doch er schaffte es aus der Burg heraus. Er sah Shareef, Arisha und Yasif in einer Entfernung dastehen, die Gesichter vom Feuer erleuchtet.

Shareef hatte seiner Schwester eine Hand auf die schmale Schulter gelegt. Es schien wie eine beruhigende Geste zwischen Geschwistern, aber Ashraf erkannte nach längerem Hinsehen, dass er sie festhielt. Erleichterung spielte auf seinem Gesicht, als er Ashraf bemerkte, gefolgt vom Ernst, als er die Verletzungen sah. Auf Ashrafs Frage nach Tarik schüttelte er nur den Kopf, aber das war keine Antwort.

Wie in Trance stieg Ashraf auf sein Pferd. Sein Blickfeld verengte sich.

Arisha griff nach den Zügeln seines Reittieres, weil sie merkte, dass er immer schwächer wurde. „Er hat es nicht hinaus geschafft.“, sagte sie, bevor er das Bewusstsein verlor.
 

Ashraf brauchte eine Weile um sich zu orientieren, als er erwachte. Er lag im Bett, seine Wunden waren verbunden und hatten aufgehört zu bluten. Sein und Tariks Schwert standen an der Wand gelehnt da. Er richtete sich auf und ließ den Blick durchs Zimmer schweifen. Er befand sich wieder auf der Burg der Assassinen. Mit einer schnellen Bewegung verließ er seine Schlafstätte und das Zimmer. Er musste mit jemandem reden. Als erstes kam ihm Shareef in den Sinn, aber er verwarf den Gedanken wieder. Er wusste, dass sie beide sich von nun an auseinanderleben würden, ganz einfach, weil Shareef nicht versagt hatte. Seine Schwester lebte noch, Tarik wahrscheinlich nicht.

Ashraf wollte Gewissheit. Wenn er nicht mit Shareef reden konnte, würde er es eben mit Arisha tun. Er fand sie in ihrem Zimmer.

Sie kniete auf dem Boden, mit dem Rücken zur Tür, den Mantel bis zur Hüfte abgestreift, das Haar fiel ihr über die Schulter, während sie Schmutz und Blut abwusch. Das Symbol der Assassinen auf ihrem linken Schulterblatt schien ihm entgegenzuleuchten. Er wartete, bis sie fertig war, in der Gewissheit, dass sie ihn bemerkt hatte.

Schließlich streifte sie sich die Kleider wieder über, stand auf und drehte sich zu ihm um. „Du bist aufgewacht.“, stellte sie fest. „Wir dachten, du stirbst an den Verletzungen. Du hast eine Woche kein Lebenszeichen von dir gegeben.“ Sie versuchte, ihre Sorgen zu überspielen und sie wusste, dass Ashraf es merkte.

Er hatte keine Lust, sich darauf einzulassen. „Was ist mit Tarik?“

Sie sah an ihm vorbei zur Tür und Ashraf begann sich zu fragen, ob sie überhaupt antworten würde. „Du warst nicht mit draußen, als das Feuer ausbrach.“, sagte sie endlich. „Er war sich sicher, dass etwas geschehen war, also ist er noch mal reingegangen. Er ist nicht wiedergekommen.“

Ashraf sah sie an. „Warum habt ihr ihn nicht aufgehalten?“ Er sagte ‚ihr’, aber er meinte ‚du’. Wenigstens Arisha hätte soviel Geistesgegenwart besitzen sollen.

Ihre schlanken Finger verkrampften sich im Stoff ihrer Kleidung. „Du weißt doch, wie er war. Er hat nicht auf mich gehört.“ Ihre Stimme war belegt, das schlechte Gewissen war ihr anzusehen.

Ashraf warf ihr einen erbitterten Blick zu und ging. Sie konnte ja nun wirklich nichts dafür, aber in diesem Moment musste er seine Wut einfach an jemandem auslassen, um nicht nachzudenken. Jetzt aber war er allein und konnte sich nicht ablenken. Er irrte sich, wie er ganze zwei Minuten später feststellte, nachdem ihm einer der Assassine mitgeteilt hatte, dass Rashid ihn sehen wollte.
 

Rashid ließ ihnen keine Zeit zum ausruhen. Kaum hatte er mitgekriegt, dass Ashraf wieder auf den Beinen war, hatte er auch schon Shareef, Arisha und Yasif herbeigerufen. Ashraf merkte, dass Arisha seinen Blick sorgsam mied. Sie schwiegen, während Rashid ihnen erzählte, dass er mit der Großmeisterin der Prieuré eine Vereinbarung getroffen hätte. Drei der Assassinen würden zur Burg der Prieuré gehen, um dort gegen die Templer zu kämpfen, ein weiterer würde regelmäßig zu ihnen reiten und sich erzählen lassen, was so geschah. Es würde nicht amüsant werden, erklärte Rashid, weil sie dort als Sklaven betrachtet werden würden, aber es musste getan werden, nur um sicherzustellen, dass die Prieuré ihnen nicht in den Rücken fielen.

Er kommandierte Shareef, Arisha und Yasif dazu ab, bei den Prieurén zu arbeiten und sagte Ashraf, dass dieser alle zwei Monate dorthin reiten würde. Die vier verließen den Raum wieder, ohne etwas zu sagen.

Ashraf sah Shareef an, dass dieser mit ihm sprechen wollte, aber er verschwnad in seinem Zimmer, ohne ihm die Gelegenheit dazu zu geben. Von einer seltsamen Leere erfüllt, starrte er vom Bett aus die Decke an.

Tarik war aus seinem Leben verschwunden, er hatte zugelassen, dass sein Bruder gestorben war. Aber vielleicht war er nicht tot, vielleicht war es ihm gelungen das Gebäude zu verlassen.

Normalerweise hätte Ashraf ganz entschieden gesagt, dass er sich etwas vormache, aber nicht jetzt. Ihm war soeben klar geworden, dass er auf das Überleben seines Bruders hoffen musste und versuchen würde, ihn zu finden, ganz einfach weil er die Wahrheit nicht ertragen und akzeptieren konnte; weil er wusste, dass ihn die Schuldgefühle umbringen würden, wenn er einsah, dass sein Bruder in jener Nacht gestorben war.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2007-03-27T21:22:22+00:00 27.03.2007 23:22
Super toll FF
^^
Gefällt mir voll gut auch wenn die sehr traurig ist und mir ein paar tränen kostete aber sie hatte recht das jaque die richtige findest
*knuddel*


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