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Stadt der Engel

Schatten und Licht, Band 1
von

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Illusionsraub

Mit langen Schritten ging Van den Flur hinab zum schwer gesicherten Konferenzraum im Herzen der Villa. Die zwei Wachen vor der Tür standen sofort stramm, als sie ihn sahen. Eine öffnete ihm die Tür und er trat hindurch, ohne die Männer zu beachten. Im Innern saß an einem Tisch ein älterer Herr, Heinrich von Schliemann, Prinzessin Sophias Privatlehrer, flankiert von zwei grimmig dreinblickenden Soldaten. Seine stolze Haltung und der starre Blick an die Wand sprangen Van sofort ins Auge, doch ließ er sich davon nicht einschüchtern. Die Tür schloss sich hinter ihm und er trat näher an Schliemann heran.

„Ihr wolltet mich sprechen?“

„Warum werde ich festgehalten?“, fragte der Gelehrte überheblich, ohne dabei den König anzusehen.

„Aus dem gleichen Grund, aus dem der Rest der Besatzung eures Schiffes unter Hausarrest gestellt worden ist. Ihr werdet verdächtigt bei dem Anschlag auf Prinzessin Sophia beteiligt gewesen zu sein.“

„Das ist doch kompletter Unfug. Die Besatzung hat das Schiff nie verlassen und ich war auch die ganze Zeit in der Villa.“

„Was euch nicht daran hindern könnte, während der Kutschfahrt hierher eine Nachricht abzusetzen oder den Anschlag schon vor eurer Reise nach Farnelia geplant zu haben. Außerdem hat es Warenverkehr zu eurem Schiff gegeben, weswegen auch die ganze Besatzung unter Verdacht steht.“

„Die Besatzung hat die Vorräte aufgefüllt.“, erklärte Schliemann gereizt.

„Ich bin verwirrt.“, sagte Van. „Wenn eure Reise so geheim sein soll und die Besatzung gemäß meinem Befehl nie das Schiff verlassen hat, wie konnte dann der Auftrag zum Auffüllen der Vorräte zu einem Händler der Stadt geschickt werden?“

Schliemann schwieg.

„Ich…habe es einem Händler auf dem Weg hierher aufgetragen.“, gab er schließlich zu.

„Mit anderen Worten: Sie hatten zu Leuten hier in Farnelia Kontakt. Tut mir leid, aber wir müssen sie bis zum Ende der Alliiertenkonferenz festhalten. Danach übergeben wir sie zusammen mit der Besatzung, dem Schiff und den Ergebnissen unserer Ermittlungen meinen geschätzten Kollegen aus Chuzario. Alles Weitere liegt bei ihm.“

Mit diesen Worten verließ Van den Konferenzraum und begab sich zu einem der Trainingsräume im rechten Flügel der Villa. Aus dem Innern des Raumes drang mit der Regelmäßigkeit eines Metronoms ein Kampfschrei, woraufhin Van sofort wusste, dass Gesgan mit Sophia einen Schwertschlag übte. Leise öffnete er die Tür und schlich hinein. Die sonst so zerbrechlich wirkende Prinzessin stand mit dem Rücken zu ihm und schwang ihre Klinge wieder und wieder über ihren Kopf hinweg senkrecht nach unten. Ihr schlichter, dunkelblonder Zopf pendelte über ihrem Rücken hin und her, ihre Schweiß gebadete Kleidung schmiegte sich eng an ihren Körper.

Der Glückliche, der sie zur Frau nehmen darf, dachte Van bei sich und atmete daraufhin scharf ein. Schnell machte er eine Inventur seiner Gefühle und war beruhigt, dass weder Neid noch Eifersucht auf Sophias Zukünftigen dabei waren. Er fühlte auch nicht die wunderbare Wärme, wenn Hitomi in seiner Nähe war oder er auch nur an sie dachte. Dafür erfüllte ihn etwas anderes, er war…Stolz.

Er wusste nicht, wie er auf die Idee kam, auf sie stolz zu sein. Sophia war erst seit einer halben Woche in Farnelia und während dieser Zeit hatte er sie kaum gesehen. Nur zum Essen hatten sich beide getroffen. Die Gespräche, die sie während der Mahlzeiten geführt hatten, waren teilweise sehr persönlich, doch die meiste Zeit hatte Van ihr etwas über Politik, kommunale Verwaltung, Finanzwesen oder ähnlichem erklärt. Irgendwie hatte Sophie es geschafft nie einzuschlafen oder auch nur einmal den Faden zu verlieren, sondern hatte stets aufmerksam zugehört. Plötzlich fragte sich Van, ob sie das Gelernte irgendwann einmal gegen ihn verwenden könnte.

Neben Sophie stand Gesgan und überwachte ihre Bewegungen. Zufrieden sah Van dabei zu wie er den Griff ihrer Hände am Schwert und ihre Körperhaltung korrigierte. Er gönnte dem König einen kurzen Blick, wandte sich dann aber wieder seiner Schülerin zu. Schließlich befahl er ihr aufzuhören und nahm ihr das Holzschwert ab.

„Ihr habt Besuch.“, informierte Gesgan sie. Sophia wandte sich daraufhin um und sah Van im Eingang des Trainingsraumes stehen.

„Was führt dich denn her?“, wunderte sie sich.

„Ich muss doch meine Konkurrenz für das Turnier analysieren.“, scherzte er und wies Gesgan mit einer Geste an zu gehen. Das Mädchen war von seinem ironischen Unterton alles andere als begeistert.

„Ob du es glaubst oder nicht, ich meine es ernst mit der Teilnahme.“, sagte sie.

„Wenn du dich blamieren willst, soll es mir recht sein.“, antwortete Van unschuldig. Mit einem grimmigen Lächeln nahm Sophia die versteckte Herausforderung zur Kenntnis.

„Ich mich blamieren?“, platzte es aus ihr heraus. „Im Finale werde ich dich vor Volk und Adel bloßstellen.“

Van musste lachen.

„Du glaubst mir nicht? Dann lass es mich dir beweisen.“

Sie nahm ein Holzschwert von der Wand und hielt es drohend vor sich. Ohne lang zu überlegen löste Van seine Schwertscheide samt Schwert vom Gürtel.

„Wie du willst.“, antwortete Van auf ihr Anliegen.

„Wehe, du hältst dich zurück, nur weil ich eine Prinzessin bin. Dann setzt es Extrahiebe.“, warnte sie ihn. Van zuckte mit der Schulter und ging in Position. Sophia stürmte vorwärts, war mit ein paar langen Schritten bei ihm und wendete den Schlag an, den sie eben immer wieder geübt hatte. Eiskalt fing Van das Schwert mit der Scheide über seinem Kopf ab, drehte sich mit einer Dreiviertelkörperdrehung in Sophias offene Deckung hinein und schlug mit seinem rechten Ellbogen gegen ihre rechte Schläfe. Auf Sophias Überraschung folgte ein explosionsartiger Schmerz in ihrem Schädel, der sie von Van weg schleuderte. Ungebremst traf sie mit ihrer linken Seite auf den Boden auf. Nur mit Mühe konnte Van den Impuls unterdrücken, ihr zu Hilfe zu eilen. Stattdessen baute er sich vor ihr auf und blickte hochnäsig auf sie herab.

„Hast du schon genug?“, fragte er ohne eine Spur von Mitleid. Erst rührte sich Sophia überhaupt nicht, sah dann aber zu ihm hinauf. Die Träne in ihrem Gesicht jagte Van einen Pfahl durch das Herz, doch er behielt seine Maske bei. Mühsam rappelte sich Sophia wieder auf und nahm das Übungsschwert in ihre zitternden Hände.

„Es ist noch nicht vorbei.“, keuchte sie. Der erfahrene Kämpfer war anderer Meinung. Mit einem Streich seiner Scheide schlug der König ihr das Holzschwert aus den kraftlosen Fingern. Die Waffe flog im hohen Bogen in die andere Seite des Trainingsraumes. Fassungslos sah Sophia ihr hinterher.

„Für heute hast du genug.“, entschied Van. „Komm, ich bringe dich auf dein Zimmer.“

„Willst du mich etwa wieder ausziehen?“, fragte die Prinzessin scherzhaft, während sie einen Arm über seine Schulter legte und sich auf ihn stützte. Ohne darüber nachzudenken schlang Van seinen Arm um ihre Hüfte und führte sie aus dem Trainingsraum heraus.

„Kannst du mir nicht endlich verzeihen?“

„Du bist ohne Erlaubnis in mein Zimmer gestürmt, hast mich nackt gesehen und obendrein noch gerettet. So ein Erlebniss vergisst ein Mädchen nicht so schnell.“

„Klingt wie der Inhalt seichter Unterhaltung“, erwiderte Van trocken.

„Stimmt, jetzt fehlt nur noch ein Kuss von dir und die Geschichte wäre perfekt.“, kicherte sie.

„Gut, dass das hier die Wirklichkeit ist.“

Sophia zuckte merklich zusammen und konnte plötzlich ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. In der Hoffnung, dass niemand es sehen würde, strich Sophia mit ihrer freien Hand über beide Wangen. Van, der sie durch die Gänge der Villa schleppte, bemerkte dies und bereute seine Worte sofort, obwohl er genau wusste, wie notwendig sie gewesen waren. Die Richtung, in die Sophia ihn drängte, stimmte nicht mit seinen Gefühlen überein, auch wenn er es nicht so hatte aussehen lassen. Nun wusste er, dass seine Ausgelassenheit ihr gegenüber einen falschen Eindruck hinterlassen hatte. Er konnte sich gut vorstellen, wie weh ihr der Raub ihrer Illusion getan hatte, doch da musste sie durch. Dieser Schmerz gehört zum Erwachsen werden dazu. Als beide an der Wendeltreppe zum Kuppelzimmer ankamen, schob Sophia ihren Schwarm sanft von sich weg. Dieser verstand das Signal und ließ sie gehen.

„Soll ich doch nicht lieber mit rauf kommen und nach deiner linken Seite sehen?“, fragte Van besorgt.

„Dort sind nur ein paar Schürfwunden. Nichts, womit ich nicht alleine klarkomme.“, lehnte Sophia mit gequälter Stimme ab. Van versuchte zu lächeln, doch es kam nur eine unnatürliche Schieflage seiner Mundwinkel zustande.

„Du weißt, wo das Verbandszeug ist?“, hakte er nach.

„Ja, du hast mir alles gezeigt.“, beruhigte sie ihn.

„In Ordnung. Ich schicke eine Dienerin mit dem Abendbrot zu dir. Wenn du Gesellschaft möchtest…“

„Ich brauche keine, vielen Dank.“, blockte Sophia ein weiteres mal ab und machte sich niedergeschlagen auf den Weg nach oben. Schwermütig sah er ihr nach, bis sie ganz aus seinem Blickfeld verschwunden war. Jemand klopfte an seiner Tür. Van entfernte sich erst von der Treppe, ehe er den Besucher herein bat. Gesgan stand vor der Tür.

„Majestät, ist Prinzessin Sophia in der Nähe?“, flüsterte er.

„Sie ist oben.“, erwiderte Van unschlüssig.

„Könnten wir uns bitte unter vier Augen unterhalten, Majestät?“

„So ernst?“

„Bitte, Majestät, folgt mir in den sicheren Konferenzraum!“, bat Gesgan.

Auf den Weg dorthin verstärkten sich Vans Sorgen immer mehr, aber auch Neugierde regte sich in seinen Innern. Im Konferenzraum angekommen, fragte Van unruhig, was denn nun los sei. Als Antwort überreichte ihn Gesgan einen Bericht.

„Dort drin steht, was wir heute alles in den Kneipen und Gasthäusern erfahren konnten.“, informierte der Krieger seinen Herrn und bewahrte schließlich Ruhe, als ihn Van mit einer Handbewegung dazu aufrief. Dessen Gesicht indes versteinerte sich zu einer Maske, während er weiter die Zeilen überflog.

„Sind diese Informationen vertrauenswürdig?“, fragte er.

„Die Gerüchte decken sich größtenteils. Sie verbreiten sich auch im Palast.“, antwortete Gesgan besorgt.

„Ich werde es der Prinzessin mitteilen, aber nicht heute. Den Dienern ist jeder Kontakt zu ihr untersagt.“

„Wann wird sie es erfahren?“

„Morgen, wenn sie sich beruhigt hat. Erst einmal bringe ich ihr etwas zu Essen.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  fahnm
2012-02-19T22:13:34+00:00 19.02.2012 23:13
Hammer Kapi^^
Freue mich aufs nächste kapi^^
Von:  Doena
2010-11-24T20:54:43+00:00 24.11.2010 21:54
was denn? was denn?
ich will wissen was los ist >_<


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