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Stadt der Engel

Schatten und Licht, Band 1
von

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Gedanken zum nächsten Schritt

Merle fand Hitomi genau an dem Ort, wo sie sie zurückgelassen hatte. Sie saß allein in der Höhlenkammer, welche ihr und Merle als Quartier zugewiesen worden war, und meditierte. Merles Platz war aufgeräumt, während Hitomis Decke zur Hälfte neben ihrem Schlaflager lag und die Feuerstelle im Zentrum der Kammer war genauso kalt wie das unberührte Essen, welches auf einem Tablett direkt neben Hitomi stand.

So kalt und leblos die Kammer auch wirkte, Hitomi erfüllte den Raum bis auf den letzten Kubikzentimeter mit ihrer lebendigen und warmen Aura. Ehrfürchtig betrat Merle die Höhle. Wieder einmal hatte sie das Gefühl von der durch Hitomis Konzentration aufgebrachten Energie erdrückt zu werden und brachte daher ihre mentalen Schilde in Stellung. Unsicherheit meldete sich in ihrem Bewusstsein, doch Merle kaschierte das Gefühl sofort, indem sie sich selbst daran erinnerte, dass Van sie, sie allein, mit der Aufgabe betraute seine Liebste zu beschützen.

„Bist du krank?“, fragte sie ohne weitere Umschweife.

„Wie kommst du darauf?“, antwortete Hitomi, wobei ihre Augen geschlossen blieben.

„Linu sagte mir, dass du vorgestern während deiner Meditation ohnmächtig geworden bist.“

„Das war…nichts, kein Grund zur Besorgnis.“

„Nichts? Du sollst dich erst vor Schmerzen gekrümmt haben und dann leblos zusammen gesagt worden sein.“, zweifelte Merle.

„Ich sag doch, es war nichts. Mach dir um mich keine Sorgen!“, wiegelte Hitomi ab. Enttäuscht sah Merle sie an.

„Hitomi, warum kannst du mir nicht ein einziges Mal vertrauen? Wieso sagst du mir nicht, was vorgefallen ist?“

Daraufhin schwieg Hitomi. Merle wartete geduldig, bis sie sich endlich überwand.

„Jemand ist mir eingedrungen.“, erzählte Hitomi leise.

„Was meinst du?“, fragte Merle verwirrt.

„Jemand war in meinem Kopf und hat alle Informationen durchsucht, die dort abgespeichert sind.“

„Du meinst…“

„Ich meine, dass derjenige jetzt alles über mich weiß. Er kennt meine Erinnerungen, meine Denkmuster, meine Vorlieben, meine Abneigungen, meine Stärken und meine Schwächen. Er weiß sogar von meiner Liebe zu Van. Als ich sein Eindringen bemerkte, versuchte ich mich zu wehren, doch dann schien mein Kopf plötzlich zu explodieren und ich wurde ohnmächtig.“

„Weißt du, wer dahinter steckt? Könnte Van…“, fragte Merle.

„Van würde mir niemals dermaßen wehtun. Na ja, vielleicht doch, aber er war es nicht. Ich spürte die Aura des Eindringlings. Sie war kalt, gefühllos, beinahe so, als wäre derjenige, welcher sie erschafft, gar nicht mehr am Leben.“, berichtete Hitomi völlig aufgelöst.

„Das ist unmöglich.“, meinte Merle.

„Mag sein, aber ich weiß, was ich gespürt habe.“, entgegnete Hitomi.

„Da ist aber noch mehr. Man sagte mir, dass du nichts isst, nicht schläfst und überhaupt nie diese Kammer verlässt.“, warf Merle ihr vor.

„Ich würde es ja gerne tun, wenn ich mich draußen nicht so beobachtet fühlen würde.“

„Du hast wohl noch immer nicht kapiert, in welcher Gefahr du dich befindest. Es wäre verantwortungslos dich alleine nach draußen gehen zu lassen.“, versuchte Merle sie zu überzeugen.

„Ein bisschen Privatsphäre möchte ich doch gerne behalten.“, erwiderte Hitomi trotzig.

„Privatsphäre?“, wunderte sich das Katzenmädchen. „Du bist eine Anwärterin auf den Thron von Farnelia. Dein ganzes Leben lang wirst du keine Privatsphäre mehr haben.“

„Übertreibst du jetzt nicht etwas? Außerdem habe ich nie behauptet, dass ich diesen Job möchte.“

„Du willst also nur eine Konkubine von Van werden.“, schlussfolgerte Merle.

„Auf keinen Fall!“, verneinte Hitomi vehement.

„Dann hast du nur die eine Wahl. Entweder wirst du Vans Ehefrau und damit die Königin von Farnelia, was eine vollkommene Transparenz deines Lebens zur Folge hat, oder du weist ihn ab und entscheidest dich damit für ein stinknormales Leben. Sollte Van tatsächlich kommen und dich abholen, musst du diese Wahl treffen.“

„Schön, aber ich muss diese Wahl jetzt noch nicht treffen. Also lasst mir bitte ein bisschen Freiraum, okay?“

„In dem Punkt habe ich keine Wahl. Im Moment ist das Risiko einfach zu groß.“

Hitomi seufzte.

„War deine Reise wenigstens erfolgreich?“, fragte sie um das Thema zu wechseln.

„Kann mal wohl sagen. Rate mal, wen ich getroffen habe!“

„Woher soll ich das wissen?“

„Och, nun rate doch wenigstens einmal.“, quengelte Merle.

„Wenn ich nicht die geringste Ahnung habe, wo du dich überhaupt herumgetrieben hast, kann ich ja wohl schlecht dein Ratespiel mitmachen.“

„Ich war auf der Handelsstraße zwischen Palas und Farnelia.“

„Handelsstraße? Dann hast du Dryden getroffen.“, mutmaßte Hitomi.

„Nein, natürlich nicht. Den interessieren Straßen schon seit Ewigkeiten nicht mehr. Inzwischen hat er wieder eine ansehnliche Flotte aus Luftschiffen aufgebaut.“

„Dann weiß ich es wirklich nicht.“

Merle rollte mit den Augen.

„Allen habe ich getroffen.“

„Oh toll, warum bin ich nur nicht selbst darauf gekommen!“, erwiderte Hitomi.

„Siri war bei ihm.“, erzählte Merle weiter, ohne auf den Sarkasmus in Hitomis Stimme einzugehen.

„Und sie hat dich einfach so gehen lassen?“, wunderte sich Hitomi.

„Natürlich nicht. Ich musste die beiden erst ausschalten, ehe ich durch ein Fenster das Gasthaus verlassen konnte. Siri denkt anscheinend noch immer, dass ich dich entführt habe.“

„Hast du ja auch. Ich kann mich nicht daran erinnern dich gebeten zu haben, mich mitten in der Nacht aus Farnelia herauszuschmuggeln.“

„Hast du etwa schon Heimweh?“, fragte Merle erwartungsvoll.

„Farnelia ist nicht meine Heimat, Merle. Sie war es noch nie.“, widersprach Hitomi.

„Sag nicht, du willst noch immer auf deine komische Kugel zurück.“

„Mehr als jemals zuvor. Während ich hier tatenlos herumsitze, geht das Leben auf der Erde weiter.“

Angesichts ihrer wehmütigen Antwort zweifelte Merle für einen Moment an ihrem Vorhaben, Hitomi und Van zu verkuppeln. Schnell jedoch zählte sie die Gründe auf, warum diese Verbindung zwingend notwendig war. Ohne Hitomi an seiner Seite würde Van nicht mehr lange durchhalten und es war jetzt an Merle die Umstände zu schaffen, welche die Krönung Hitomis zu Farnelias Königin ermöglichen sollten. Praktisch gesehen musste sie einerseits auf Hitomi aufpassen, die Quelle des Kopfgeldes ausschalten und diese sture Frau davon überzeugen auf Farnelia zu bleiben. Alles drei zur gleichen Zeit zu erledigen, war wenig Erfolg versprechend. Also musste sie erst einmal ein Problem loswerden. Da kam Merle der Gedanke, dass es vielleicht gar nicht so schlecht wäre, wenn Hitomi zum Mond der Illusionen zurückkehren würde. Immerhin wäre sie dort in Sicherheit und Merle hätte ein Problem weniger am Hals.

„Wie wäre es, wenn wir dich zurück nach Hause zurückbringen.“, schlug sie vor.

„Weißt du etwa einen Weg zur Erde?“, wunderte sich Hitomi.

„Ich nicht, aber deine Engel sollten einen wissen. Und ich weiß, wo wir möglicherweise einen Hinweis auf deren Verbleib bekommen.“

„Wo?“

„Im Tempel der Fortuna.“; verkündete Merle.

„Wie kommst du darauf?“, wollte Hitomi wissen, wobei in ihrer Stimme eine Spur von Verwirrung mitschwang.

„Das liegt doch nahe. Fraids Geschichte ist am engsten mit der von Atlantis verbunden, wie wir ja schon früher festgestellt haben. Der beste Beweis dafür ist der Tempel der Fortuna. Wenn es noch irgendwo Hinweise auf den Verbleib des Drachenvolkes gibt, dann dort.“, erklärte Merle, woraufhin Hitomi unsicher auf den Boden starrte.

„Was ist?“, fragte Merle besorgt.

„Die Verbindung, welche der Eindringling zu mir aufgebaut hatte, funktionierte wohl in zwei Richtungen. Jedenfalls konnte ich ein Bild in meinem Kopf erkennen, welches mir eindeutig die Halle mit den vielen Statuen im Tempel der Fortuna zeigte.“, erzählte Hitomi.

„Ein seltsamer Zufall. Konntest du feststellen, wo dein Eindringling sich befand, während er in deinem Kopf einbrach?“

Hitomi brauchte einen Moment um sich anhand der Schlaflager in der Kammer zu orientieren. Schließlich zeigte ihr Finger auf eine Stelle der Felswand links neben dem Eingang.

„Aus der Richtung kam die Verbindung. Wie weit sie reichte, kann ich bei besten Willen nicht sagen.“

„Noch so ein seltsamer Zufall. In der Richtung liegt Astoria.“, grübelte Merle.

„Gehen wir der Sache nach?“, erkundigte sich Hitomi.

„Nein, denn die falsche Spur, welche ich ausgelegt habe, führt ebenfalls dorthin. Nachdem ich mir soviel Mühe gemacht habe unsere Verfolger glauben zu lassen, du seiest nach Astoria verschleppt worden, werden wir unter Garantie dort nicht auftauchen.“

„Glaubst du, die Menschen dort sind in Gefahr?“

„Ich habe keine Ahnung, aber sag du es mir doch! Du bist schließlich diejenige von uns mit Weitblick.“

„Ich habe die Wahrsagerei aufgegeben. Das weißt du doch.“

„Ja, ist vermutlich auch besser so. Ich konnte deine theatralischen Zusammenbrüche sowieso nie leiden.“, scherzte Merle.

„Die waren immer noch besser als dein Zickengehabe, weil ich dir Van ausgespannt hatte.“, erwiderte Hitomi grinsend.

„Er steht halt mehr auf schwache Mädchen, die er beschützen kann.“; konterte Merle.

Einen Moment lachte Hitomi über Merles Kommentar, doch dann holten sie ihre Befürchtungen wieder ein, woraufhin sie wieder schwieg.

„Sag bloß, du machst dir über deinen Ohnmachtsanfall sorgen. Das passiert dir doch ständig.“, versuchte Merle sie zu beruhigen.

„Ich weiß auch nicht.“, grübelte Hitomi. „Ich habe irgendwie das Gefühl, als würde jemand wollen, dass wir zum Tempel der Fortuna reisen.“

„Du meinst deinen Eindringling?“

„Vielleicht. Ich habe keine Ahnung, wer es sein könnte.“

„Komm schon, wir haben noch viel zu tun, ehe wir aufbrechen können.“, forderte Merle Hitomi auf.

„Merle!“, rief Hitomi panisch aus.

„Ich weiß.“, unterbrach Merle sie mit sanfter Stimme. „Du brauchst keine Angst zu haben. Ich beschütze dich, wer oder was auch immer kommen mag.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Doena
2010-11-28T15:45:56+00:00 28.11.2010 16:45
hätte nie gedacht das jemand in ihrem geist herumspuken kann.
kann mir auch net vorstellen wer das könnte auser plakto aber der ist ja tod...
Von: abgemeldet
2007-09-23T13:47:42+00:00 23.09.2007 15:47
Wahnsinn! Du hast einen tollen Erzählstil! Du hast eine komplett eigenständige Story mit Tiefe hier eingestellt!
Ich bin wirklich gespannt, wie die Geschichte weitergeht!!


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