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Crusader

von

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Gerüchte

Erschöpft schloss Stephane für einen Augenblick die Augen. Müdigkeit durchflutete seinen gesamten Körper, von den schmerzenden, mit blauen Flecken übersäten Armen bis zu seinen ebenso zugerichteten Beinen. Über seine Wange zog sich ein schlecht verheilter Kratzer.

Am liebsten hätte er einfach Othello die Kontrolle überlassen und wäre auf seinem Rücken eingenickt. Die letzten Tage des Trainings waren anstrengend gewesen und zusätzlich hatte Hagen ihm erklärt, dass er als Templer ebenso Mönch wie Krieger war und daher die Bibel kennen musste.

Da sie keine dabei hatten, mussten sie sich mit Hagens Wissen darüber begnügen, welches zwar groß war, aber eben doch nichts gegen ein Buch.

Und so schmerzten Stephane am laufenden Band sämtliche Körperteile und immer, wenn er versuchte, zur Ruhe zu kommen, schwirrten ihm irgendwelche Bibelzitate durch den Kopf.

Gerade war er in eine angenehme Art Dämmerschlaf gefallen, als Hagen ihn aus den Gedanken riss. „Wir sind gleich da, Stephane.“

Der Angesprochene öffnete die Augen einen Spalt weit und blickte zu dem alten Templer. Ebenso wie Stephane trug auch dieser nicht seine gewohnte weiße Kleidung mit dem blutroten Kreuz darauf. Stattdessen hatte er sich gekleidet wie einer vom einfachen Volk.

Stephane hatte darum gebeten. Er wollte nicht auffallen.

Noch immer befanden sie sich im Wirkungsbereich seines Bruders und dieser stand nicht gut zu Templern. Zwar versuchten sie so schnell wie möglich, von hier fort zu kommen, aber ihre Vorräte waren begrenzt und sie mussten sie wieder auffüllen. Aus diesem Grund befanden sie sich nun auf dem Weg in eines der größeren Dörfer.

„Vielleicht hätten wir vorher eine Pause machen sollen.“, bemerkte Stephane müde und musste sich zusammenreißen, um nicht einfach vom Pferd zu fallen und auf dem staubigen Weg weiter zu schlafen.

Hagen lächelte, ersparte sich aber jegliche Art von Erwiderung und so setzte sich Stephane nur aufrecht hin und konzentrierte sich auf die Ansammlung von Häusern, denen sie sich langsam näherten und die von den Einwohnern frecherweise „Dorf“ genannt wurden.

Er fühlte sich nicht wohl dabei, an einem Ort unter Leute zu gehen, an dem Gregoré noch Einfluss hatte, allerdings hatte Hagen ihm versichert, dass dies sich bald ändern würde.

„Es kann nicht mehr lange dauern, bis wir einen alten Freund von mir treffen. Sobald wir bei ihm sind, hast du nichts mehr zu befürchten.“, waren seine Worte gewesen. Wer dieser Freund war, hatte er ihm allerdings nicht verraten.

Schon einige Meter, bevor sie das Dorf erreichten, schlug Stephane der Geruch und der Lärm entgegen. Die Tage in der Einsamkeit und nur mit einem alten Mann und zwei Pferden zur Gesellschaft hatten ihn vergessen lassen, wie es sich anfühlte, wenn man auf eine größere Gruppe von Menschen traf.

Auch Othello schien nervös, er schnaubte und scharrte mit dem Huf auf der Erde. Stephane bemühte sich darum, ihn ruhig zu halten und fühlte sich dabei etwas heuchlerisch. Wie konnte er von dem Pferd verlangen, was er selbst nicht erreichte?

Er warf Hagen einen Seitenblick zu, doch dieser war anscheinend die Ruhe selbst oder schien sich zumindest nicht anmerken zu lassen, dass ihm die Situation nicht gefiel.

Schweigend ritten sie nebeneinander ins Dorf, wobei Stephane sich alle Mühe gab, die Blicke der Bewohner zu ignorieren. Vorsichtshalber zog er sich die Kapuze tiefer ins Gesicht.

Zwar wurde er dadurch kein bisschen unauffälliger, aber zumindest konnte man ihn so nicht erkennen. Das letzte, was er gebrauchen konnte, war, dass jemand seine Herkunft erkannte.

Den Blick hielt er stur nach vorne gerichtet, auf einige Kinder, die lachend vor den Pferden herrannten. Offenbar war Besuch selten hier, auf jeden Fall sahen die Kleinen verdächtig oft zu ihnen auf. Vielleicht litt er inzwischen auch einfach an Verfolgungswahn. Die wenige Ruhe und Nahrung trugen wahrscheinlich auch ihren Teil dazu bei.

„Stephane!“

Erschrocken zuckte der Angesprochene zusammen und blickte zu Hagen, der schon seit einiger Zeit versuchte, ihn anzureden.

Der alte Templer war vom Pferd gestiegen und sah beinahe vorwurfsvoll zu ihm auf. „Steig ab. Du überreitest ansonsten noch jemanden.“

Stephane sah ein, dass Hagen recht hatte und stieg schweigend vom Pferd. „Du hättest nicht so laut reden müssen.“, murmelte er.

„Du hast ja nicht reagiert.“, gab Hagen zurück, während er Jesim Richtung Marktplatz folgte.

Stephane folgte ihm, still vor sich hin fluchend. Hagen konnte auf seine alten Tage noch ein ganz schöner Sklaventreiber sein und er schien unendlich viel Ausdauer besitzen.

Während Hagen sich um die Einkäufe kümmerte, wartete Stephane am Rande des Platzes und behielt den Trubel im Auge. So hatten sie es abgesprochen, falls bewaffnete Reiter kamen, konnte Stephane sie so schnell entdecken und Hagen Bescheid geben.

Man konnte eben nie vorsichtig genug sein.

„...er soll schon vor einigen Tagen gestorben sein...“, tuschelte irgendjemand in der Nähe.

Stephane wandte den Kopf und sah mäßig interessiert zu einer kleinen Gruppe von Einwohnern, die anscheinend Neuigkeiten austauschten.

„...ich hab gehört, er hat seinen Sohn enterbt, bevor er starb...“

„...der soll doch auch schon tot sein...“

„...mir hat jemand erzählt, er hätte sich einer Bande von Plünderern angeschlossen...“

„...auf jeden Fall sucht sein Bruder nach ihm...“

Stephane erstarrte, als ihm klar wurde, worüber die Menschen dort redeten. Eiskalt lief es ihm den Rücken herunter. Die Nachricht darüber, dass er die Burg verlassen hatte, hatte sich also schon ausgebreitet. Hastig drehte er der Gruppe den Rücken zu, aber das leise Wispern drang trotzdem bis an sein Ohr.

Oder bildete er es sich nur ein? Furcht konnte ein mächtiger Feind sein und Stephane stellte in diesem Moment fest, dass sie einen Dinge hören und sehen ließ, die nicht existieren. „Heiliger Vater.“, flüsterte er und bekreuzigte sich.

Allein die Erwähnung seines Bruders und die Tatsache, dass er sich hier aufhalten konnte, hatte ihm den kalten Angstschweiß auf die Stirn getrieben.

Er atmete tief durch, dann griff er Othello am Zügel und führte ihn zu Hagen, ungeachtet der wütenden Ausrufe, als er sich durch die Menge drängte.

„Wir müssen hier weg.“, zischte er dem Alten zu, kaum dass er neben ihm stand.

Hagen nickte. „Das habe ich auch schon gemerkt.“, gab er ebenso leise zurück. Dabei wandte er ihm nicht einmal den Kopf zu, als würden sie sich gar nicht unterhalten. „Da drüben stehen einige, die mit Gregoré sympathisieren. Es dürfte nicht allzu lange dauern, bis irgendjemand herausfindet, wer du bist.“ Er bezahlte den Händler, an dessen Stand sie sich befanden und verstaute die Vorräte im Lederbeutel.

Hagens provozierende Ruhe steigerte Stephanes Nervosität noch. „Jetzt mach schon! Wir können doch nicht ewig warten.“

Der Templer lächelte hintergründig. „Immer langsam.“

Frustriert stöhnte Stephane auf, sagte aber nichts. Bis jetzt war er es ihm noch nie gelungen, Hagen irgendwie umzustimmen und er war sich sicher, dass es keinen Menschen auf der Welt gab, der das schaffen konnte.

„Lass uns verschwinden.“, bat er ein weiteres mal. Diesmal war es ihm egal, ob Hagen die Panik in seiner Stimme hören konnte. Im Moment war keine Zeit für falschen Stolz.

Auch Hagen schien jetzt endlich zu merken, wie ernst sein Schützling es meinte, denn er gab schwach nickend seine Zustimmung und bedeutete ihm, den Platz zu verlassen.

Nur zu gern kam Stephane dieser Aufforderung nach, allein das Zurücklassen der Menschenmenge schien ihm schon, als sei er von den Toten wieder auferstanden.

Er begann, das Gefühl ’Erleichterung’ zu lieben. „Musstest du mich so auf die Folter spannen?“, wandte er sich an Hagen, allerdings klang es bei weitem nicht so wütend, wie er eigentlich vorgehabt hatte.

„Du hast das doch sehr gut überstanden.“, gab Hagen amüsiert zurück. „Und wenn du solche Situationen nicht aushalten kannst, dann ist Templer nicht der geeignete Beruf für dich.“

Das saß. Stephane wusste, dass sein Begleiter die Wahrheit sagte und er wusste ebenso, dass er eigentlich keinen Grund gehabt hatte, so in Aufregung zu geraten, nur weil ein paar Leute über seine Familie tuschelten.

Im Nachhinein kam ihm seine Reaktion kindisch und unüberlegt vor. Er blickte zu Hagen, der ziemlich zufrieden wirkte. „Offenbar hast du deine Lektion gelernt.“

„Tut mir Leid.“, murmelte Stephane, eifrig darum bemüht dem Boden mehr Aufmerksamkeit zu widmen als seinem Lehrmeister.

„Jeder hat seine ganz persönlichen Ängste, Stephane.“, sagte Hagen lächelnd. „Und jeder muss damit auf seine eigene Art und Weise fertig werden. Aber wenn es darauf ankommt, dann musst du diese Angst wegschließen, sonst wirst du nicht überleben.“

„Ich bitte dich Hagen, erspar mir deine Weisheiten.“ Wieso musste er sich das immer anhören? Natürlich würden sie ihm weiterhelfen, aber ohne eigene Erfahrung brachte das gar nichts. Hagen hatte ja genug Zeit gehabt um diese zu machen.

Hagen erwiderte nichts, aber Stephane meinte so etwas wie Schadenfreude in dessen faltigen Gesicht zu sehen. „Hast du mich angeschwindelt?“, fragte er ausgelaugt. Im Grunde glaubte er nicht wirklich daran, andererseits war es Hagen durchaus zuzutrauen.

„Nein. Die Leute haben wirklich geredet.“ Nun, das war jetzt nicht wirklich beruhigend, aber immerhin stärkte das sein Vertrauen zu dem Templer wieder.

„Dann sollten wir besser von hier verschwinden.“

Hagen schmunzelte. „Das, Stephane, war der beste Vorschlag, den ich heute von dir gehört habe.“

Der jüngere knurrte nur leise als Antwort, konnte aber das Grinsen nicht verbergen.

Ohne sich ein weiteres mal umzusehen ließen sie das Dorf und damit ihre letzte Station in Gregorés Wirkungsbereich hinter sich.



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