1. Tagebucheintrag vom 5. Mai 1271
5. Mai 1271
Heute gab es mal wieder Streit. Ich verstehe nicht, warum meine Eltern unbedingt wollen, dass ich Schriftstellerin werde. Die Leidenschaft, die Vater dabei empfindet,wenn die noch frische Tinte auf dem Papier glitzert, bedeutet mir nichts. Ich bin eher Handwerklich veranlagt.
Das Knistern des Stoffes unter den Fingern, die silberne Nadel, sie zwei Teile zusammennäht... Ich sollte mir einen Lehrmeister suchen, der mich als Handwerkerin oder Schneiderin ausbildet! Aber heutzutage wird ein junges Mädchen doch nicht nach ihren Wünschen und Träumen gefragt. Wir müssen den Beruf annehmen, den unsere Eltern auch schon ausüben oder edn, den sie für uns vorbestimmen. Also was schreibe ich da eigentlich? Ich habe versprochen, wenigstens ein Tagebuch zu führen. Um "schon mal einen Einblcik in deinen künftigen Beruf zu bekommen"! Mit Vater ist da nicht zu diskutieren und Mutter beugt sich seinem Willen. Dieses Schreiben ist doch reine Zeitverschwendung!! Ich erinnere mich an Paolo. Früher, als wir klein waren, haber wir immer ein Tagebuch geführt.Wir haben auf einem Dachboden ein altes Logbuch gefunden, das unbenützt war. Es roch nach Meer, und der feste Einband war von der salzgetränkten Seeluft rau geworden; die Farbe begann bereits abzublättern. Dort haben wir unsere Träume, Wünsche und Ziele, und unsere Erlebnisse, niedergeschrieben. Aber die Zeiten, in denen wir von unserer gemeinsamen Hochzeit geträumt haben, sind vorbei. Ich habe ihn schon lange nicht mehr gesehen; damals glaubte ich in ihn verliebt zu sein, aber die Zeit hat alles verändert, fürchte ich! Es wird zwischen uns nie wieder so sein wie früher. Was er wohl so treibt? Ich glaube, er ist zur Marine gegangen.
Nun- ich werde Mutter danach fragen.
Für heute genug.
